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Regency Romance

Die besten Regency-Romane für Bridgerton-Fans

Rauschenden Feste, vielsagende Blicke und geheime Küsse:. Nicht erst seit den Büchern und der Netflix-Serie Bridgerton begeistert dieses Genre zahlreiche Leser:innen. Besonders spannend macht diese Liebesromane der Kontrast zwischen den strengen Konventionen des beginnenden 19. Jahrhunderts und den prickelnden Gefühlen.

Alle, die vom Bridgerton-Hype nicht genug kriegen können, finden ähnliche Bücher zwischen Ballsaison und englischem Landsitz.

Ballsaison und prunkvolle Feste im Baden-Baden des 19. Jahrhunderts

Selbstbewusste Protagonistinnen, Diversität, rauschende Feste und geheime Küsse

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Girls before Earls – Alte Geheimnisse und neue SkandaleGirls before Earls – Alte Geheimnisse und neue Skandale

Roman

Selbstbewusste Protagonistinnen, Diversität, rauschende Feste und geheime Küsse: Mit diesem Regency-Roman wird aus jeder Tea-Time eine Party! 

England zur Regency-Zeit: In der Obhut ihrer Tante soll aus Bücherwurm Georgiana eine tugendhafte junge Dame werden. Wie langweilig! Sie sehnt sich nach Freundinnen – und nach Abenteuer! In Frances,  Lord Campbells Tochter, findet sie eine Verbündete. Die Adlige entführt sie in eine Welt voll trunkener Ausschweifungen und verlockender Begegnungen. Georgiana liebt das Leben der High Society. Und sie kann gar nicht genug bekommen von den Blicken, die ihr der attraktive Thomas zuwirft. Aber als die schillernde Welt ihre Schattenseiten zeigt, müssen die Freundinnen mehr denn je zusammenhalten.

Der Regency-Trend geht weiter: neuer Lesestoff für alle „Bridgerton“-Fans!

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„Wer Bridgerton mochte, wird […] mit Sicherheit auch Ashington ins Herz schließen, von mir gibts definitiv eine Leseempfehlung.“


himmels.blau über Ashington

Hoffnungslos romantisch - Die Romane von Julianne Donaldson

Glitzernder Schein und Intrigen zwischen heimlichem Verlangen und süßer Rache

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Ashington – Verliebt in einen EarlAshington – Verliebt in einen Earl

Roman

Die Ballsaison ist eröffnet!

Die SPIEGEL-Bestseller-Autorin Abbi Glines wollte nicht nur schon immer Britin sein, sie ist auch bekennender „Bridgerton“-Addict. Mit ihrer ersten Regency Romance erfüllt sich die New Adult Autorin einen lange gehegten Traum – und die LeserInnen sind begeistert!

Prunkvolle Bälle, edle Abendgarderobe, die noble High Society. Doch hinter all dem glitzernden Schein verbergen sich fein gesponnene Intrigen, süße Rache und heimliches Verlangen ...

London 1815: Ein bezauberndes Lächeln, vielsagende Blicke, ein Wimpernschlag im richtigen Moment – Miriam weiß, wie man einen wohlhabenden Ehemann findet. Doch alles in ihr sträubt sich dagegen. Das Einzige, was sie davon abhält, ihre Sachen zu packen und zurück aufs Land zu ihren Büchern zu fliehen, ist ihre kleine Schwester. Für sie wird sie bleiben. Für sie wird Miriam eine Verbindung eingehen, die es ihr ermöglicht, den finanziellen Ruin der Familie nach dem Tod des hoch verschuldeten Vaters abzuwenden. Für sie ist Miriam bereit, jedes Opfer zu bringen.

Er weiß, was von ihm erwartet wird, und er wird niemanden enttäuschen.

Obwohl Hugh Compton, Earl of Ashington, den Titel nie wollte, hat er vor zwei Jahren sein Erbe angetreten. Sein Vater war unerwartet gestorben, und das einzig Gute daran war, dass Hugh endlich seine Stiefmutter aus dem Herrenhaus jagen konnte. Nun ist es an der Zeit, seinen Verpflichtungen zu folgen – zu heiraten und einen Erben zu zeugen. Er hat auch schon eine passende Braut auserkoren, jetzt muss sie nur noch seine Frau werden. 

Viele mögen den arroganten Earl nicht, aber niemand hasst ihn so sehr wie sein Halbbruder.

Als der kaltherzige Earl seine Mutter wie Abfall aus dem Haus geworfen hat, schwor Nicholas Compton verbittert Rache. Jetzt nimmt er an der Londoner Ballsaison in der Absicht teil, seinem heiratswilligen Bruder die langweilige Lydia Ramsbury auszuspannen. Doch schon bald stellt Nicholas zu seiner Überraschung fest, dass eine andere Debütantin die volle Aufmerksamkeit seines Bruders erregt hat – eine gewisse Miss Miriam Bathurst. Noch nie war Rache so süß.


Sechs Monate vorher


Miriam Bathurst
achtzehn Jahre und einen Monat alt

Man könnte meinen, im Leben einer jungen Dame gäbe es nichts Schöneres, als – eingedeckt mit eleganten Gewändern und einem hübschen Gesicht dazu – nach London zu reisen und auf den Heiratsmarkt geworfen zu werden. Zumindest wenn es nach meiner Mutter ging. Wäre jemandem an meiner Meinung gelegen gewesen, was offenkundig nicht der Fall war, hätte man anderes zu hören bekommen. Ich machte mir nichts aus all dem Mumpitz, den eine Londoner Saison versprach. Wer wollte schon in Ballkleider gezwängt werden, die unsäglich schwer und unbequem waren, und das Gewicht des hoch aufgetürmten Haars ertragen, das mit Perlen, Blumen und dergleichen mehr aufgeputzt war? Das alles klang so grauenhaft, dass ich liebend gern auf alles und jedes davon verzichtet hätte.

„Wie wahrhaft magisch muss es sein, inmitten all dieser Herrlichkeit zu tanzen. Kannst du dir vorstellen, wie sie alle schimmern, schillern und glitzern müssen?“, fragte meine zwölfjährige Schwester Whitney mit verträumter Stimme. Wie stets meldete sich umgehend mein schlechtes Gewissen. Es erinnerte mich daran, dass das, wovor mir so graute, eben das war, was Whitney sich so inständig wünschte – jedoch nie erleben würde. Seit einem schrecklichen Sturz vom Pferd mit neun Jahren zog sie ein Bein nach und würde daher nie in einem Ballsaal tanzen können. Sie würde nie eine Tanzkarte an ihrem zarten Handgelenk tragen, auf der die Namen derer standen, die einen Augenblick in ihrer Gegenwart verbringen wollten. Sie würde nie als die wahre Schönheit angesehen werden, die sie war – es sei denn, ich änderte etwas daran. Es lag allein an mir, meiner Schwester das erträumte Leben doch zu ermöglichen. Für sie würde ich alles tun. Sogar mein eigenes Leben opfern.

Ich setzte ein Lächeln auf und drehte mich zu ihr um. Sie saß auf dem Sofa unseres gemeinsamen Schlafzimmers und sah mir beim Packen zu. Seit dem Tod unseres Vaters im vergangenen Jahr hatte sich unsere Welt auf den Kopf gestellt, was vor allem daran lag, dass mein Vater ein Spieler gewesen war und einen Berg Schulden hinterlassen hatte. Nun hatten wir nicht nur keine Dienstboten mehr im Haus, nein, auch Tafelsilber besaßen wir keines mehr. Um die Schulden zu begleichen und Essen auf den Tisch zu bringen, hatte Mutter alles verkauft, was ihr an Wertvollem in die Hände fiel. Ich störte mich nicht an der einfacheren Lebensweise, begrüßte sie sogar. Weniger Aufhebens um die Garderobe. Keine förmlichen Tischsitten. In meinen Augen unerwartete, glückliche Erleichterungen. Es machte mir nichts aus, mir mein Frühstück selbst zu holen und meiner Mutter und meiner Schwester die Mahlzeiten zu servieren, die ich zuzubereiten vermochte. Nach so manchem Missgeschick in der Küche war ich inzwischen zumindest imstande, eine ordentliche Kanne Tee zuzubereiten.

In London würde das alles nicht so einfach sein.

„Du wirst frischen Wind nach London bringen, Miriam“, schwärmte meine Schwester aufgeregt. „Wenn ich doch nur mit dabei sein könnte!“

Wehmut, gepaart mit Traurigkeit, lag in ihrer Stimme, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass Whitney alles bekäme, was sie wollte. Oft haderte ich mit Gott, dass es Whitney war, die mit einem hinkenden Bein geschlagen war und nicht ich. Ich wäre nämlich durchaus zufrieden gewesen, allein auf dem Land zu leben, Romane zu schreiben und die Einsamkeit zu genießen.

Ich war kein großer Freund der Menschen. So einfach war das. Ihr Verhalten ärgerte mich. Ich bevorzugte Wahrheiten, doch die meisten der Menschen, die ich bislang kennengelernt hatte, nahmen es damit nicht so genau. Zumeist kam es ihnen lediglich auf ihre Wirkung auf andere an. Allen außer Whitney.

Wenn es denn überhaupt ein vollkommenes Geschöpf gab, dann war sie es: selbstlos, freundlich, klug, voller Hoffnung. Mit ihrer Anwesenheit erhellte sie jeden Raum. Noch war mir kein zweiter Mensch wie sie begegnet. Sie war das wahre Juwel in dieser Familie, und ich würde dafür sorgen, dass der Augenblick kam, an dem sie erstrahlen konnte.

Ich besaß keine ihrer Eigenschaften; dem würde meine Mutter zustimmen, die mich oft wegen meines kecken und unhöflichen Benehmens ausschalt. Und mir widerstrebten die Dinge, die sie sich für mich wünschte. Genau das hatte im Lauf der Jahre immer wieder für Konflikte gesorgt. Früher einmal hatte ich mich danach gesehnt, dass Mutter mich ebenso liebevoll ansah wie meine Schwester. Aber mit der Zeit erkannte ich, dass Whitney im Gegensatz zu mir leicht zu lieben war.

Wann immer Mutter laut wurde, um sich über meine Manieren oder mein Verhalten zu echauffieren, war Whitneys liebe Stimme das Einzige, das mich im Zaum hielt. Sie war es, die ich nicht enttäuschen wollte. Anderen mochte das unlogisch erscheinen, aber die hatten auch keinen Einblick in unser Familienleben und wussten nicht, was wir durchgemacht hatten. Unser Vater war über keine seiner beiden Töchter glücklich gewesen. Er hatte sich einen Sohn gewünscht.

Dieser Wunsch schien in Erfüllung zu gehen, als meine Mutter ein Zwillingspaar gebar – doch mein Bruder überlebte nur wenige Tage. Mehr als einmal in meinem Leben hatte ich mir von meinem Vater anhören müssen, er wünschte, ich wäre anstelle meines Bruders gestorben. Ich wagte niemandem gegenüber zuzugeben, wie sehr mich das verletzte. Oft fragte ich mich, ob ich wohl Whitney ähnlicher wäre, wenn mich mein Vater weniger abgelehnt hätte. Ihr hatte er einfach keine Beachtung geschenkt, weshalb sie immerhin nie so harsche Worte zu hören bekommen hatte wie ich. Ihr sanftes Wesen machte es unmöglich, an ihrem Verhalten etwas auszusetzen.

Dieser Gedanke ließ mich auch verschmerzen, dass Mutter Whitney mehr Zuneigung entgegenbrachte als mir. Whitney brauchte das, denn sie war nicht so dickhäutig wie ich und hätte es nicht überlebt, eine ungewollte Enttäuschung zu sein.

„Onkel Alfred wird bestimmt nichts dagegen haben, nach dir zu schicken, da bin ich mir gewiss. Gleich nach meiner Ankunft werde ich ihn darum bitten. Ich kann den Gedanken an unsere Trennung nicht ertragen!“

Whitney sah strahlend zu mir auf. Ihr Lächeln war einfach zum Niederknien. Hätte ich auf Schönheit Wert gelegt, dann hätte ich sie für dieses zauberhafte Lächeln gewiss beneidet. Doch auf mein Aussehen gab ich nichts. Mein Gesicht diente nur dem einen Zweck, einen wohlhabenden Ehemann zu finden, um meine Schwester und meine Mutter gut versorgt zu wissen. Onkel Alfred hatte sich bereit erklärt, ihnen unter die Arme zu greifen, wenn auch nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Zumindest, was Whitney anging. Ich hatte mich in der Bibliothek meines Vaters stundenlang in medizinische Fachzeitschriften vertieft und wusste daher, dass es Verfahren gab, die das Hinken meiner Schwester, wenn auch nicht vollkommen beseitigen, so doch zumindest lindern konnten. Was hieß, dass all ihre Träume wahr werden konnten! Mit ihrem märchenhaften Ansehen gehörte Whitney in schöne Gewänder und sollte in dem Licht tanzen, das nach ihren Vorstellungen aufs Wundersamste glitzerte.

Soweit es in meiner Macht stand, ihr das zu ermöglichen, würde ich es tun. Für meine Schwester würde ich mich einer Kugel in den Weg stellen, und manchmal hatte ich das Gefühl, es wäre ohnehin dasselbe. Vielleicht war die Kugel sogar vorzuziehen? Ich hatte nicht das Gefühl, als ob ich jemals in die Rolle passen würde, die ich jetzt zu spielen hatte.

Ich wandte mich wieder meiner Ausstattung zu, um meine finstere Miene bei dem Gedanken, mich mit einem Mann abgeben zu müssen, zu verbergen. Ich mochte Männer nicht. Schließlich hatte mir mein Vater die Grausamkeit des anderen Geschlechts vor Augen geführt. Da vertiefte ich mich lieber in meine Bücher oder griff zur Feder und verfasste Geschichten über mutige und einfallsreiche Frauen.

„Oh, glaubst du, er wird es tun? Wirklich?“, fragte Whitney, während ich ein weiteres Kleid zusammenfaltete und in meinen Koffer legte. Ich hatte noch nie selbst gepackt und bezweifelte, dass ich es richtig machte. Ich tat es aber so, wie ich es von den wenigen Gelegenheiten in Erinnerung hatte, bei denen Anna, meine ehemalige Zofe, es für mich getan hatte. Ich vermisste Anna so sehr. Sie hatte immer ein offenes Ohr für mich gehabt! Hoffentlich hatte sie eine gute neue Anstellung gefunden und wurde ordentlich behandelt. Mutter hatte mir zwar versichert, sie habe dafür gesorgt, dass alle Bediensteten gut untergebracht würden, aber bei meiner Mutter stellte sich immer die Frage, wie viel man ihr glauben sollte. Ich hatte sie schon bei so mancher Unwahrheit erwischt.

„Ja, da bin ich sicher. Nach allem, was ich gehört habe, hat Onkel Alfred das Herz auf dem rechten Fleck.“

„Weißt du irgendetwas über Tante Harriet? Mutter sagt, sie ist Amerikanerin.“ Whitney sagte das so, als müsste jemand aus Amerika äußerst exotisch sein. Ich lächelte.

„Mutter ist ihr bisher nur einmal begegnet und hat mir wenig über sie erzählt“, erwiderte ich aufrichtig, verschwieg jedoch Mutters pikierte Miene, als sie mich davon unterrichtete, dass Onkel Alfred mir eine Anstandsdame zur Seite stellen würde, um mir den Einstieg in die Gesellschaft zu erleichtern. Mutter billigte die Wahl ihres Bruders bei der Ehefrau eindeutig nicht. Was nur heißen konnte, dass ich Tante Harriet bestimmt ins Herz schließen würde.

„Ohne dich wird es in diesem Zimmer so einsam sein!“ Der melancholische Ton, den Whitneys Stimme angenommen hatte, versetzte mir einen Stich ins Herz. Ich wollte sie nicht verlassen. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, den ich wahrhaftig liebte. Ich legte eines der wenigen schöneren Tagesgewänder, die ich noch in den Koffer packen musste, auf das Bett und drehte mich zu ihr um.

„Ich werde dich schrecklich vermissen, und ich verspreche dir, dich so bald nach London zu holen, wie ich nur kann. Dass ich überhaupt gehe, tue ich auch für Mutter, aber hauptsächlich für dich. Ich wünsche dir alles Glück der Erde. Ich liebe dich!“ Weder meine Mutter noch mein Vater hatten diese drei Worte je ausgesprochen, und ich sagte sie auch nicht oft genug. Dabei hatte ich von dem Moment an, als Mutter mir zum ersten Mal die in eine weiche gelbe Decke gehüllte Whitney gezeigt hatte, begriffen, was Liebe wirklich bedeutete. Selbst im zarten Alter von sieben Jahren hatte ich gewusst: Für dieses kleine Wesen würde ich alles tun. Ich würde es vor jedem Schaden bewahren, koste es, was es wolle.

„Ach, guck nicht so trübsinnig. Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich wollte nur, dass du weißt, wie sehr du vermisst werden wirst.“ Whitney zwang sich zu einem Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte.

„Bis wir uns wiedersehen, werde ich jeden Tag traurig sein. Ich verspreche, dir in meinen Briefen von all den schönen Menschen, den belebten Straßen und den Klatschgeschichten zu berichten, die ich zweifelsohne hören werde“, versuchte ich, ihre Stimmung zu heben.

„Und von all den schönen Ballkleidern! Ich muss alles darüber wissen, wie sie funkeln und schimmern. Und auch den Grosvenor Square musst du mir ausführlich schildern.“

„Was denkst du denn? Ich werde ihn dir bis ins kleinste Detail beschreiben“, versprach ich und hoffte, dass ich ihren Erwartungen auch gerecht werden konnte. Ob ich das Gepränge, von dem sie träumte, überhaupt wahrnehmen würde? Meine Ansichten über den Heiratsmarkt standen in scharfem Gegensatz zu ihren.


1. Kapitel

Miss Miriam Bathurst

Ohne dass ein Klopfen mich darauf vorbereitet hätte, schwang die Tür zu meinem Zimmer im Haus meines Onkels in Mayfair auf, und meine Tante Harriet kam hereingestürmt. Sie trug ein Kleid im reinsten Himmelblau und lächelte so breit, dass oberhalb ihrer Zähne das Zahnfleisch zu sehen war. Das tat sie gerne und oft. Inzwischen wusste ich, dass sie dieses Lächeln vorausschickte, wenn sie in ihrem seltsamen amerikanischen Akzent etwas anzukündigen hatte. Dabei sprach sie grundsätzlich in einer Lautstärke, als hielte ich mich im Zimmer nebenan auf. Ich fragte mich, ob sie es machte, weil ich mich mit ihrem Akzent und vielen der Ausdrücke, die sie benutzte, manchmal schwertat. Mein Onkel hatte sein Vermögen mit dem Export von Whisky, Tabak und Baumwolle aus New Orleans gemacht und dort auch meine Tante kennengelernt. Ich hatte schon viele Bücher über Amerika gelesen, die mich jedoch nicht auf meine Tante vorbereitet hatten. Sie war, wie Whitney erwartet hatte, in der Tat sehr … exotisch.

„Es ist angekommen, Honey, und es ist wunderschön!“, verkündete sie und breitete am Fußende meines Bettes ein Meer aus Stoff aus. „Ich sagte, das Kleid müsse einer Prinzessin gerecht werden, und die Schneiderin hat den Auftrag perfekt umgesetzt!“ Sie stutzte. „Herrje, wie heißt sie gleich wieder? Es ist ein französischer Name, das weiß ich immerhin noch.“ Tante Harriet biss sich auf die Unterlippe, eine weitere Angewohnheit von ihr neben der, mit mir wie mit einer Schwerhörigen zu sprechen.

„Marguerite Badeaux“, half ich ihr auf die Sprünge, obwohl mir klar war, dass Tante Harriet den Namen nicht behalten würde. Namen und auch andere Dinge vergaß sie oft. Erst gestern hatte sie ihre Hausschuhe gesucht, die sie, wie so oft, ausgezogen hatte, dabei hatte sie beide die ganze Zeit über in der linken Hand gehalten.

„Ja, ja, sie hat sich genau nach meinen Wünschen gerichtet. Sieh doch bloß!“ Sie deutete seufzend auf das Kleid auf meinem Bett und hielt sich beide Hände dramatisch an die Brust.

„Du wirst einfach traumhaft aussehen. Noch atemberaubender als bei deiner Vorstellung vor der Königin, und dabei hast du da schon alle bezaubert. Wie eindeutig du doch ihren Beifall gefunden hast! Andererseits, wie denn auch nicht? Dein Gesicht ist das eines Engels. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein anderes Kleid das von jenem Tag überstrahlen könnte, und doch schafft es dieses hier, und zwar über die Maßen. Du wirst im Handumdrehen unter der Haube sein!“

Whitney hätte einfach alles an diesem Kleid geliebt. Tante Harriet hatte recht, es war wunderhübsch. Doch da ich vor dem heutigen Abend eine Heidenangst hatte, konnte ich das überhaupt nicht schätzen.

Inzwischen weilte ich seit fast zwei Monaten in London und bereitete mich nun auf den eigentlichen Saisonbeginn vor. Tatsächlich hatte sich diese Zeit als faszinierender erwiesen als erwartet, da mir Onkel Alfred entgegen Mutters Aussage doch keine englische Anstandsdame zur Seite gestellt hatte. Stattdessen hatte er mich der Obhut Tante Harriets übergeben, was an sich schon unterhaltsam war. Sie wusste nichts über die Regeln und Einschränkungen der feinen Londoner Gesellschaft. Selbst an meinen trübseligsten Tagen zauberte sie mir mit ihren Malheuren und ihrem wunderlichen Verhalten ein Lächeln ins Gesicht. Insofern hatte ich die Zeit hier weit mehr genossen, als ich es je für möglich gehalten hatte.

Whitney hatten meine Briefe über meine Ausflüge mit Tante Harriet – das schloss ich aus ihren Antworten – sehr amüsiert. Fast glaubte ich, ihr melodiöses Lachen zu hören, wenn sie meine Beschreibungen der Tage las, die ich in Mayfair verbrachte. Ich vermisste sie schrecklich und hoffte, sie würde bald zu einem Besuch eingeladen. Doch Mutter sorgte sich viel zu sehr um meine Einführung in die Gesellschaft, als dass Whitney so bald hätte herkommen und mich ablenken dürfen. Mich lenkten ja die in mich gesetzten Erwartungen schon ab! Doch mein Zuhause vermisste ich schmerzlich, obwohl mir Tante Harriet täglich Unterhaltung bot.

„Ich schicke Betsey gleich zu dir hinauf. Du hast von Haus aus bezauberndes Haar, aber ich glaube, wenn man Betsey Zeit lässt, schafft sie es mit ihren Frisierkünsten, dass selbst eine Krone dagegen blass aussieht.“

Vermutlich ging ihre Fantasie mit meiner Tante durch, andererseits störte es mich auch nicht, dazusitzen und mich von Betsey frisieren zu lassen. Von meinem lang gehegten Wunsch, mir meine Haare kürzer schneiden zu lassen, wollte meine Mutter nichts wissen. Dabei bereiteten mir meine schweren kupferroten Locken oft Kopfschmerzen. Mutter allerdings schien sie für einen meiner größten Vorzüge zu halten. Wenn ich anderer Meinung war, so zählte das offenkundig nicht.

„Danke, Tante Harriet“, antwortete ich schlicht. Denn ich war dankbar. Für so vieles. Dafür, dass sie keine überspannte Langweilerin war. Dass sie glücklich darüber war, dass mein Onkel ihr die Aufgabe aufgehalst hatte, mich mit einem gut situierten und rechtschaffenen Mann zu verehelichen. Und dass ich, wenn ich mich gut anstellte, eine reelle Chance hatte, meiner Schwester ein besseres Leben zu ermöglichen.

„Ich kann nicht umhin zu bemerken, dass du über all das nicht glücklich wirkst.“ Meine sonst immer so vergnügte Tante furchte die Stirn, und ich bekam ein schlechtes Gewissen, dass ich das verursacht hatte.

„Ich bin dankbar“, erwiderte ich, denn ich konnte mich nicht reinen Gewissens als glücklich bezeichnen, „ich vermisse nur meine Schwester“, gestand ich. „Aber ich bin so dankbar, dass Onkel Alfred und du mir diese Chance gebt. Mein größter Wunsch ist, meinen Beitrag dazu zu leisten, dass Whitney gut versorgt ist.“

Meine Tante sah weiterhin düster drein. „Und was ist mit dir, Honey? Du sprichst immer nur über das Glück deiner Schwester, was an sich ja sehr lobenswert ist, aber wie sieht’s mit deinem eigenen aus? Willst du die Londoner Saison nicht genießen und als Ballschönheit gelten? Gehen dir denn keine Träume über deine Zukunft im Kopf herum? Alle jungen Mädchen haben doch Träume. Ich war schließlich auch mal eines. Und an meine Träume kann ich mich noch sehr gut erinnern.“

Ja, auch ich hegte Träume. Träume, aus denen nichts würde, weil aus ihnen nichts werden konnte. Ich wusste, wenn ich Tante Harriet davon erzählte, hätte sie Verständnis und würde nicht auf mich herabsehen. Aber es waren meine Träume, meine Geheimnisse, und so sollte es auch bleiben.

„Ich träume davon, einen Mann zu finden, der gütig zu mir und meiner Familie ist“, schwindelte ich. Aus diesem Grund war ich hier. Ich betrachtete es als meine Pflicht, aber es war nicht mein Traum.

Seufzend kam Harriet zu mir und tätschelte mir die Schulter, als ob sie mich trösten müsste.

„Vielleicht merkst du eines Tages, dass ich eine gute Zuhörerin bin. Ich habe mehrere jüngere Schwestern, weißt du? Und ich habe mehr auf dem Kasten, als es den Anschein hat.“ Mit diesen Worten drehte sie ich um und rauschte mit raschelnden Röcken aus dem Raum. „Betsey!“, rief sie noch viel zu laut, bevor sie die Tür hinter sich zuzog.

Angesichts ihrer schrillen Stimme fuhr ich zusammen und musste mir dann die Hand vor den Mund halten, um mein Lachen zu dämpfen. Die Geschichten, die ich nach dem heutigen Ball in meinem Brief an Whitney zum Besten geben würde, würden in der Tat … schillernd sein. Ohne es darauf anzulegen, würde Tante Harriet allen die Show stehlen. Ob sie wohl jeden so anbrüllte, mit dem sie sprach? Ich hoffte es wirklich. Es würde mir Unterhaltungsstoff für zwei Wochen bieten – mindestens!

Ich stand auf und ging zu dem blauen Kleid hinüber. Noch nie hatte ich ein so schönes Kleid besessen. Als ich jünger war, viel jünger noch als Whitney, hatte auch ich davon geträumt, so etwas zu tragen. Diese Unmengen an Seide! Ich berührte das Kleid kurz und lächelte. Whitney wäre hin und weg davon. In meinem nächsten Brief würde ich es ihr in allen Einzelheiten beschreiben.

Meine Eltern hatten beileibe nicht aus Liebe geheiratet. Und somit war ich bislang auch nicht davon ausgegangen, dass das zu einer Ehe dazugehörte. Doch mein Onkel betete seine Frau förmlich an, und sie vergötterte ihn schon fast. Es war erhebend, die beiden zu erleben, und es stand zu befürchten, dass ich mir für mich, je länger ich mich in ihrer Nähe aufhielt, insgeheim auch eine Liebesheirat wünschte. Doch der Gedanke war unrealistisch, und ich konnte meine Zeit auch nicht mit der höchst schrulligen Idee verschwenden, ich könnte mich verlieben. Was wusste ich schon von der Liebe? Wahrhaftig sehr wenig. Da besann ich mich besser auf andere Dinge und ließ nicht zu, dass mein Egoismus und meine Eitelkeit die Oberhand gewannen.

Wie immer herrschte auf der Straße vor meinem Fenster reges Treiben. Gern beobachtete ich die Leute, die in ihren Tagesgewändern vorbeiflanierten, um gesehen zu werden. Wie sehr sich hier doch alles von meinem Leben auf dem Land unterschied! Dort hatten wir nur selten Gäste, und das Bedürfnis, andere in den Schatten zu stellen, war einem fremd. An den meisten Tagen fand ich mich in der Küche wieder, wo ich versuchte, etwas Essbares zustande zu bringen, oder Bettzeug wusch. Seit Vaters Tod hatten wir alle Arbeiten im Haushalt selbst übernommen. Während sich meine Mutter oft darüber beklagte und vor Überdruss seufzte, fühlte ich mich dadurch nützlich. Ich genoss es, dass mein Dasein dadurch an Sinn und Zweck gewann.

In dem Treiben unten auf der Straße hingegen konnte ich weder einen Sinn noch einen Zweck erkennen. Bis auf die Frage, was sie auf dem nächsten Ball tragen oder welches der Klatschblätter, die ihnen in die Finger kamen, sie lesen sollten, drückten die Menschen dort doch keinerlei Sorgen. Ich ließ mich auf die Fensterbank sinken und seufzte einmal mehr. Zu genau so einer Person würde ich mich nun auch entwickeln. Mir stand eine äußerst langweilige Zukunft bevor, da half alles Schönreden nichts!


2. Kapitel

Der Earl of Ashington

Als ich das letzte Mal bereits am Vormittag ein Glas Brandy getrunken hatte, geschah das zur Feier des Umstandes, dass ich meine Stiefmutter aus dem Haus geworfen hatte, und um mich innerlich auf die Rückkehr meines erzürnten Bruders aus Paris vorzubereiten. Heute gab es nichts zu feiern, ich bereitete mich lediglich auf den Ballbesuch an diesem Abend vor. An den albernen Veranstaltungen, die mit der Londoner Saison einhergingen, nahm ich für gewöhnlich nicht teil. Ihr Besuch hatte in der Regel allein den Zweck, sich möglichst passend zu verheiraten, und daran hatte ich bis vor Kurzem keinen Bedarf gehabt.

Die Tatsache, dass eine Heirat und die Geburt eines Erben bedeuteten, dass mein Bruder nach meinem Ableben nicht die Nachfolge als Earl of Ashington anträte, war für mich zwar durchaus ein Ansporn gewesen, Brautschau zu halten. Als wirklich dringlich hatte ich die Angelegenheit jedoch nie erachtet, sonst hätte ich das Ganze mit mehr Elan vorangetrieben. Doch inzwischen hatte ich etwas Wichtigeres als einen Titel zu schützen, und es war in der Tat an der Zeit zu heiraten.

Eine Frau zu finden, die die Rolle der Countess einnehmen konnte, wäre an sich kein Kunststück gewesen. Junge Damen, die eben darauf vorbereitet wurden, fanden sich in London zuhauf. Doch in meinem Fall musste die Kandidatin auch noch eine andere, für mich weit wichtigere Rolle ausfüllen. Eine derartige Dame ausfindig zu machen erwies sich schon als wesentlich schwieriger.

Eine Countess zu werden war eine Sache, meine Gemahlin zu sein eine ganz andere. Mich gab es nämlich nur mit einer Beigabe, was aber niemandem bewusst war … noch nicht. Ich trank einen weiteren Schluck Brandy und lehnte mich mit einem langen, tiefen Seufzer in meinem Sessel zurück. Das vergangene Jahr war weiß Gott chaotisch gewesen, und meine Geduld war auf eine harte Probe gestellt worden. Zweifellos hatten nur Erinnerungen an meine Kindheit dazu beigetragen, dass ich nicht das Handtuch warf und mich vor meiner Verantwortung drückte.

Nunmehr war Eile geboten. Nach zahlreichen Nachforschungen war meine Wahl auf eine gewisse Miss Lydia Ramsbury gefallen. Sie war die Enkelin eines Dukes und von sanftem und ruhigen Gemüt, zudem durch und durch englisch und genau das, was dieses Haus brauchte. Die Wahl einer Mutter für meine Kinder nahm ich nicht auf die leichte Schulter, und ein hübsches Gesicht reichte keineswegs.

Die schwere Tür zu meinem Büro wurde schwungvoller geöffnet als nötig, und auch ohne hinzusehen, wusste ich sofort, welches Persönchen da hereingeplatzt kam. Es war über meine abendlichen Pläne unterrichtet worden und hatte nun zweifellos eine Menge Fragen auf dem Herzen. Ich setzte mich aus meiner entspannten Position auf und begegnete dem neugierigen Blick meiner Inquisitorin.

„Du gehst auf einen Ball?“, fragte sie. Bei der Erwähnung des letzten Wortes leuchteten ihre Augen auf. Ihre Vorstellungen von einem Ball waren weit von der Realität entfernt, da war ich sicher.

„Mylord, es tut mir leid. Miss Emma sollte eigentlich ein Schläfchen halten. Ich habe leider zu spät bemerkt, dass sie mir wieder einmal entwischt ist“, entschuldigte sich Alice, die wohl strapazierfähigste Gouvernante Englands, die hinter Emma in den Raum geeilt kam.

„Ich möchte auch auf einen Ball gehen!“ Emma drehte sich kichernd vor meinem Schreibtisch im Kreis, dass die goldenen Locken flogen. „Schau, ich tanze wie eine Prinzessin!“

Ich nickte und sorgte dafür, dass das Lächeln, das Emma mir so oft entlockte, deutlich zu sehen war. Davon hatte sie in ihrem kurzen Leben noch nicht viel zu sehen bekommen, und ich wollte ihr nie eines vorenthalten. Schließlich wusste ich nur zu gut, was Kälte bei einem Kind anrichtete. Mein Bruder und ich konnten ein Lied davon singen.

„Miss Emma, um an Bällen teilzunehmen, seid Ihr noch zu jung. Es ist Zeit für Euer Nickerchen. Und nun kommt!“, befahl Alice in dem für sie typischen strengen Ton.

Völlig unbeeindruckt bedachte Emma Alice mit einem finsteren Blick und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu. „Gehst du allein hin?“

Ich nickte. „Ja, ich besuche ihn allein.“

Das schien sie zu beunruhigen, denn sie blickte noch finsterer drein. „Du wirst dich einsam fühlen!“

„Emma, Seine Lordschaft wird dort vielen Freunden begegnen und auch Damen, mit denen er tanzen kann. Darüber braucht sich ein Kind nicht den Kopf zu zerbrechen. Für Euch heißt es jetzt ein für alle Mal: Ab ins Kinderzimmer!“ Noch immer bemühte sich Alice, so zu klingen, als hielte sie die Zügel fest in der Hand. Dabei wussten wir alle drei, dass ihr die Kontrolle über das Kind längst entglitten war. Mir allerdings genauso.

„Alice ist unhöflich!“ Emma machte wiederum ein düsteres Gesicht. „Sie ist oft unhöflich, Ashington“, meinte sie, und dieses Mal versuchte ich, mein Lächeln zu verbergen.

„Miss Emma!“, rief Alice entsetzt aus. „Wie oft habe ich Euch schon gesagt, dass Ihr den Earl mit Lord Ashington anreden sollt?“

Achselzuckend stemmte Emma ihr kleines Händchen in die Hüfte. „Was weiß denn ich, wie oft! Ich kann ja nur bis zehn zählen und, wenn ich will, manchmal bis zwanzig.“

Unwillkürlich lachte ich auf, wofür ich von Alice einen missbilligenden Blick erntete. „Wenn meine Erziehung Früchte tragen soll, Mylord, dürfen wir sie nicht in diesem … rebellischen Verhalten bestärken. Es ist inakzeptabel!“

Alice hatte diese Arbeitsstelle erst angenommen, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass mir klar war, dass sie von Emma erwartete, sich so zu verhalten, als wäre sie die legitime Tochter eines Earls. Alice wollte, dass Emma ein Leben führte, das meinem Rang entsprach, und zu gegebener Zeit in die Gesellschaft aufgenommen wurde.

Die warf in diesem Moment ihr langes blondes Haar zurück und strahlte mich an. Sie genoss es, wenn ich über ihre Mätzchen lachte und im Gegenzug von Alice gescholten wurde.

„Sie ist doch erst vier“, erinnerte ich Alice. Im Grunde war ich durchaus stolz darauf, wie intelligent und schlagfertig Emma in diesem zarten Alter schon war.

„Die Angabe in ihrer Geburtsurkunde zweifele ich an, Mylord. Für so ein junges Alter ist sie schon viel zu … reif und schwierig!“

Ich hingegen hegte keinerlei Zweifel. Dafür kannte ich den Zeitraum, in dem ihre Mutter mit ihr schwanger geworden sein musste, nur zu gut. Solange Bisset war gut über ein Jahr meine Mätresse gewesen, bevor wir unser „Übereinkommen“ beendet hatten. Als Emma dann vor einem Jahr vor meiner Tür gestanden hatte, waren ihre Augen der einzige Beweis, den ich brauchte. Ihre Farbe und die Art, wie Emma mich ansah, sagten mir, dass sie eine Compton war.

„Emma, es wird Zeit, dass du mit Alice ins Kinderzimmer gehst. Beim Frühstück morgen berichte ich dir ausführlich von dem Ball. Na, wie klingt das?“

Ihr kleines, rundes Gesicht hellte sich auf, und sie nickte begeistert. So voller Energie, wie sie steckte, bezweifelte ich, dass Alice Emma heute dazu bringen würde, ein Schläfchen zu halten. Die Kleine drehte sich um und eilte zur Tür. „Beeilen Sie sich, Alice, ich muss ein Nickerchen machen!“

Angesichts des erschöpften Blicks, den Alice mir zuwarf, musste ich schmunzeln. Ja, Emma konnte einen auf Trab halten! Sie brauchte eine Mutter, keine Frage. Solange war ihr keine wirkliche Mutter gewesen, ehe sie sie in die Hände einer Fremden gegeben hatte. Ich würde nicht zulassen, dass ein weiteres Compton-Kind so behandelt wurde, wie ich in diesem Haus behandelt worden war. Ich bemühte mich sehr, ihre Illegitimität zu vertuschen, konnte mir aber nicht sicher sein, dass meine Lüge nicht irgendwann auffliegen würde. Vor allem angesichts der Tatsache, wie gut Emma sich schon ausdrücken konnte, befürchtete ich, dass sie vielleicht selbst Dinge ausplauderte, über die ich lieber den Mantel des Schweigens gebreitet hätte. Außerdem war das Gedächtnis dieses Kindes unglaublich, und das bedauerte ich insofern, als es Dinge gab, die sie besser vergessen hätte.

Die Tür schloss sich mit einem leisen Klicken, und ich griff erneut nach meinem Getränk. Mit Emma hatte sich für mich alles verändert. Vor allem mit Blick auf meine Zukunft. Ich durfte keine Zeit mehr verschwenden. Der Groll, den ich einst gegen meine Stiefmutter gehegt hatte, war vergessen. Mit dem Reitunfall, der sie letztes Jahr das Leben gekostet hatte, hatten sich all meine Ressentiments gegen diese Frau in Rauch aufgelöst. Und der Hass, der mir vonseiten meines Halbbruders entgegenschlug – nach dem Tod seiner Mutter zumal, als ob es meine Schuld gewesen wäre –, war nicht von Belang. Nicht, wenn ich an Emma denken musste. Nach ihrer Ankunft hier hatte ich eigentlich bei entfernten Verwandten auf dem Land ein gutes Zuhause für sie finden wollen. Einen Ort, wo sie behütet aufwachsen und zu einer Gouvernante oder einer ähnlich respektablen Position ausgebildet werden konnte.

Doch schon zwei Wochen darauf wusste ich, dass Emma hierbleiben würde. Wie konnte man sie wegschicken, wenn man ihr hier das Leben bieten konnte, das sie verdiente? Ich hatte die Möglichkeit, ihr ein schönes Zuhause zu schaffen und sie aufzuziehen, wie es sich geziemte, und genau das hatte ich auch vor. Ganz zuoberst auf meinem Plan stand, eine geeignete Frau zu finden, die bereit war, Emma als mein Kind zu akzeptieren. In Lydia schien ich sie gefunden zu haben. Hoffentlich irrte ich mich nicht.

Eine Zeitreise in die Welt von Jane Austen

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Im Rausch des Vergnügens Im Rausch des Vergnügens

Eine Reise in das England von Jane Austen und Lord Byron

„Ian Mortimer hat diese Art von fantasievollen Zeitreisen zu seiner Spezialität gemacht.“Daily Mail

Willkommen im Regency, dem Übergang vom 18. ins 19. Jahrhundert! Ian Mortimer nimmt uns mit in diese kuriose Zeit, die für viele schlichtweg für Übermaß steht. Zwischen der leicht langweilig anmutenden Eleganz des 18. Jahrhunderts und der prüden moralischen Überlegenheit der Frühviktorianer wirkt diese Epoche liederlich, grell, gefährlich, schockierend und anstößig – doch dabei höchst unterhaltsam und anziehend. Es ist das Zeitalter von Jane Austen und den Dichtern der Romantik, der Gemälde von John Constable, der eleganten Kleidung von Beau Brummell und der poetischen Freiheit von Lord Byron. Mortimer zeigt uns, wie sich die Engländer des Regency vergnügt haben, wie sie regiert und gedacht haben, was sie aßen, tranken und trugen, woran sie glaubten und wovor sie Angst hatten – und zeichnet so ein lebendiges Porträt dieser außergewöhnlichen Zeit.

Der Übergang vom 18. ins 19. Jahrhundert, auch Regency genannt, ist geprägt von Ungerechtigkeit. Die Bevölkerung ist stark gewachsen, überall herrscht ­Armut. Gleichzeitig sind es vielleicht die letzten Jahre, in denen die Menschen ­gewisse Freiheiten genießen, bevor die strikten moralischen Regeln des ­Viktorianischen Zeitalters ihren Alltag bestimmen.

Mit Ian Mortimer reisen wir durch vier der aufregendsten und kulturell wichtig­sten Jahrzehnte der britischen Geschichte – eine Zeit des Überschwangs, des Nervenkitzels und des unkontrollierten, schlechten Benehmens. Gleichzeitig war es eine Zeit des Umbruchs, die von einem beispiellosen sozialen, wirtschaft­lichen und politischen Wandel geprägt war. Und wie alle Epochen der Geschichte war es ein Zeitalter vieler Widersprüche – immerhin konnte Beethovens donnernde fünfte Symphonie im selben Jahr uraufgeführt werden, in dem Jane Austen die feinfühligen Empfindsamkeiten von Überredung zu Papier brachte.

Willkommen im Regency – einer Zeit der Widersprüche

Am Donnerstag, dem 28. Januar 1790, wischte sich der Reverend Thomas Puddicombe den Schmutz von den Händen und kehrte in sein Pfarrhaus im Dorf Branscombe an der Küste von Süd-Devon zurück. Die Zeremonie, die er gerade geleitet hatte, war in vielerlei Hinsicht Routine. Die Worte des Beerdigungsgottesdienstes waren uralt und wohlvertraut; die dunkle Kleidung der Teilnehmenden vom Brauch vorgeschrieben, ihre Trauer nicht überraschend. Nicht weniger normal war seine letzte Pflicht an diesem Tag – der Eintrag des Datums und des Namens des Toten in das Sterberegister seines Kirchenbuchs. Doch als er sich an seinen Schreibtisch setzte und den Federkiel in die Tinte tunkte, schrieb er keinen ganz normalen Eintrag. Er fügte die Todesursache hinzu:

White, John, 77 Jahre alt. Dieser Mann verlor sein Leben durch einen ganz banalen Unfall: Er schnitt seinen Zehennagel mit einem Federmesser etwas zu kurz, sodass es leicht blutete: Die offene Stelle wucherte, und eine einsetzende Entzündung machte ihm innerhalb weniger Tage den Garaus.

Diese Detailfülle wird jeden überraschen, der englische Kirchenbücher kennt. Doch Mr Puddicombe schrieb oft etwas über die Todesursachen seiner Schäfchen. Nachdem Joseph Hooke, der dreizehnjährige Sohn eines Bauern im Dorf, 1803 einem Unfall zum Opfer gefallen war, fühlte sich der Pfarrer verpflichtet festzuhalten, dass der Junge „auf einem durchgegangenen Pferd saß, an der Straßenecke beim Hangman’s Stone hinunterfiel; eine halbe Meile weit mitgeschleift und auf der Straße ein Stückchen oberhalb von Higher Watercombe tot gefunden wurde“. Und als Jane Toulmin, eine fünfundzwanzigjährige Frau, im Mai 1798 ins Wasser ging, schrieb er eine Dreiviertelseite über die letzten beiden Tage ihres Lebens. Seine Abschlusssätze lauteten:

Bevor sie das Haus ihrer Schwester verließ, holte sie all ihr Geld hervor und ließ es in ihrem Schlafzimmer, und in diesem Zustand, ohne einen Sixpence in der Tasche, wanderte sie bis zum Dienstagmorgen umher, dem Tag, an dem sie, so ist zu befürchten, ihrer Existenz ein Ende bereitete. Sie wurde in Beer gesehen, wie sie zwischen drei und vier Uhr sehr schnell die Common Lane hinaufging; und um etwa Viertel nach fünf Uhr wurde sie von einem gewissen John Parrett, einem Zimmermann, im Wasser gefunden.

Solche Schilderungen passen irgendwie so gar nicht zu unserem Bild der Jane-Austen-Zeit – zu den vornehmen Häusern, den Kleidern und Kutschen. Doch natürlich gehören auch Friedhöfe auf dem Dorf, Reitunfälle und junge Frauen in tiefster Verzweiflung in diese Epoche. Und jeder ausführliche Eintrag in Thomas Puddicombes Sterberegister führt uns zu weiteren Fragen. War es im Jahr 1790 üblich, dass sich die Menschen ihre Zehennägel mit dem Federmesser schnitten? Passierten häufiger Reitunfälle wie der von Joseph Hooke? Und wussten die Menschen in den 1790er-Jahren etwas über psychische Krankheiten? Bei Jane Austen findet man auf diese Fragen keine Antworten, und doch erzählen sie von der Welt, in der sie lebte, ebenso viel wie die komplizierten Interaktionen der Figuren in ihren Büchern.

Mr Puddicombes ausführliche Sterberegistereinträge enden abrupt im Jahr 1812. Von da an wurde er von offizieller Seite stark eingeschränkt: Die Regierung führte ein gedrucktes Formular ein, auf dem die Einzelheiten einer Beisetzung festgehalten wurden. Jede Seite bestand aus einer Reihe von Kästchen, in die der diensttuende Geistliche den Namen des Toten, sein Alter, seinen Wohnort und sein Beisetzungsdatum schreiben sollte – und sonst nichts.

Diese Verschiebung vom überschwänglichen Individualismus hin zu einer von oben aufgezwungenen Standardisierung verweist auf die größeren Veränderungen der Epoche. In den 1860er-Jahren erschien der Anfang des Jahrhunderts vielen Menschen als die letzte Zeit wahrer Freiheit, bevor die Regulierung der Gesellschaft ernsthaft begann. Das Reformgesetz von 1832 signalisierte den Anfang vom Ende der politischen Herrschaft des Hochadels und der landbesitzenden Gentry. 1833 beschränkte das Fabrikgesetz die Zahl der Stunden, die Kinder jeden Tag arbeiten durften. Im selben Jahr wurde in allen britischen Kolonien die Sklaverei abgeschafft. Seit 1834 wurden Mörder nicht mehr am Galgen aufgeknüpft. Der einst so vertraute Anblick öffentlicher Hinrichtungen wurde zur Seltenheit, da ihre Gegner mit wachsendem Erfolg gegen die Todesstrafe zu Felde zogen. Grausame Sportarten wie Hahnenkampf und Bärenhatz wurden 1835 verboten. Die verpflichtende staatliche Registrierung von Geburten, Eheschließungen und Todesfällen begann 1838. Die Standardisierung des Schraubengewindes wurde 1841 eingeführt und bahnte der Massenfertigung den Weg. Seit Mitte der 1840er-Jahre sorgte der Telegraf dafür, dass man Botschaften über weite Entfernungen senden konnte. Züge ersetzten die Postkutschen und machten die Straßenräuber arbeitslos. Die Fotografie begann der Malerei Konkurrenz zu machen, wenn es darum ging, Szenen und Porträtbilder festzuhalten.

Und zu all diesen Veränderungen kam noch, dass in der frühviktorianischen Zeit eine neue Moral die Gesellschaft erfasste und die Freiheiten der Menschen einschränkte. Vor allem die Einstellungen zu Ehebruch, Spielleidenschaft und ungezahlten Schulden verhärteten sich. Man kann verstehen, dass diejenigen, die von den 1860ern aus zurückblickten, ihre Vorfahren um die Jahrhundertwende als eine zügellose, wilde Gesellschaft sahen. Damals konnten Gentlemen und Ladys, Bettler und Geistliche, Soldaten und Herumtreiber, Unternehmer und Kurtisanen in einer Welt voller Gold und Heldentum, Alkohol und Sex, Begeisterung und Möglichkeiten im großen Ganzen tun und lassen, was sie wollten.

Unsere eigenen Eindrücke der Jahre zwischen 1789 und 1830 sind eigentlich ganz ähnlich. Noch heute gilt diese Phase als eine Zeit des Überschwangs und des ungeahndeten schlechten Benehmens. Wegen der Zügellosigkeit des Prinzregenten und seiner Gefährten erscheint uns die Oberschicht als besonders unmoralisch. Die Inschrift auf dem antiken Apollontempel in Delphi mochte den Weisen geraten haben, „nichts im Übermaß“ zu tun, doch die klassisch gebildete englische Oberschicht schien diesen Ratschlag als Herausforderung zu verstehen, alles im Übermaß zu tun.

Wir haben es also mit einem Königshof voller Wüstlinge, Dandys und Höllenhunde zu tun, die sich mit teurem Essen vollstopften, gewaltige Mengen Portwein in sich hineinschütteten und bis in die frühen Morgenstunden ganze Vermögen verspielten. Dann gingen sie entweder mit ihren Geliebten ins Bett oder legten sich auf dem Weg nach Hause irgendwo zum Schlafen nieder – „in den Stiefeln auf den Sofas schnarchend“, wie Prinzessin Caroline es ausdrückte –, bis sie irgendwann aufwachten und verkatert ins Parlament gingen, wo sie Reden über die Zukunft des Landes hielten.

Neben diesen privilegierten Taugenichtsen gab es eine große Palette anderer zweifelhafter Charaktere: schneidige Wegelagerer, gerissene Schmuggler, Gentleman-Faustkämpfer und politische Duellanten aller Couleur. Kurz gesagt, diese Zeit war für viele schlichtweg das Zeitalter des Übermaßes. Eingekeilt zwischen der leicht langweiligen Eleganz des 18. Jahrhunderts und der prüden moralischen Überlegenheit der Frühviktorianer wirkt es liederlich, unanständig, grell, gefährlich, schockierend, anstößig – und doch so unterhaltsam und anziehend.

Moment mal, könnten Sie sagen: War das nicht auch die Zeit, in der John Nash Regent Street und Regent’s Park in London mit ihren prächtigen Häuserzeilen baute? War das nicht das Zeitalter, in dem George Stephenson seine bahnbrechenden Dampfmaschinen konstruierte und Michael Faraday den Elektromotor entwickelte? Und habe ich vergessen, dass das frühe 19. Jahrhundert die Gründung der National Gallery erlebte, die Entzifferung der Hieroglyphen und den Aufbau der Elgin Marbles im British Museum? Stehen das zügellose Wesen der Zeit und diese kulturellen Errungenschaften nicht im Widerspruch zueinander? Ja, das stimmt. Und man könnte diese Argumentation noch weiter treiben. Was die neuen Häuser überall im Lande angeht, nun, genau in diesen herrschaftlichen Anwesen, an diesen städtischen Plätzen und halbmondförmigen Straßenzügen lebten die zügellosesten Menschen. Denken Sie an die Landschaftsgärten der großen Häuser, die Humphry Repton und Lancelot „Capability“ Brown anlegten. Rufen Sie sich die nach Entwürfen von George Hepplewhite und Thomas Sheraton geschreinerten Möbel in Erinnerung. Und lassen Sie die Teppiche, Gemälde, Skulpturen, Musikinstrumente und das Porzellan vor Ihrem inneren Auge vorbeiziehen.

Viele betrachten den Stil des Regency noch immer als den Höhepunkt des guten Geschmacks und der Eleganz. Die Vorstellung, dass diese Zeit auch mit den Wüstlingen, Gestrauchelten und Aufrührern der Gesellschaft verbunden war, ist durchaus eine Überraschung.

Doch gerade hier liegt unser Schlüssel zum Verständnis des Regency. Nur wer auf die offensichtlichen Widersprüche eines Themas stößt, kann es voll und ganz erfassen. Da die Reichen offenbar fest entschlossen waren, alles im Übermaß zu tun, gaben sie natürlich auch übermäßig viel Geld aus in dem Bemühen, ihren Platz in der Gesellschaft durch immer prächtigere Häuser und immer schönere Möbel unter Beweis zu stellen. Und was die intellektuellen und kulturellen Innovationen angeht, so kann es kaum überraschen, dass Künstler und Handwerker ihr Bestes gaben, wenn so gewaltige finanzielle Anreize winkten. Die Oberschicht, fest entschlossen, das Geld mit vollen Händen auszugeben, schuf ein Umfeld, in dem die brillantesten Künstler, Architekten, Wissenschaftler und Erfinder aufblühen konnten, und hinterließ so den Eindruck eines Goldenen Zeitalters. Dass der Lebensstandard der Arbeiter, die am Entstehen dieser Vermögen beteiligt waren, nur mäßig stieg und sie dagegen mehr als einmal mit Aufständen protestierten, ist eine andere Sache. Zweihundert Jahre später sind die Aufstände dem modernen Betrachter deutlich weniger augenscheinlich als die prächtigen, hübsch ausgestatteten Häuser, die die Reichen zurückließen.

Die Spannungen in der Gesellschaft waren nicht auf die Gegensätze zwischen Privilegien und Armut oder zwischen Individualismus und staatlicher Kontrolle beschränkt. Sie waren auch die Folge tiefgreifender sozialer und ökonomischer Veränderungen. Die Bevölkerung Großbritanniens wuchs schneller als je zuvor in der Geschichte (und übrigens auch jemals danach). Und sie wurde urbaner.

Da stoßen wir auf einen weiteren Widerspruch: Feierten die Künstler der Zeit das Wachstum der Industriestädte? Nein, ganz im Gegenteil: Sie feierten die Natur, die gerade verloren ging. John Constables berühmtestes Gemälde The Hay Wain (Der Heuwagen), das er 1821 fertigstellte, zeigt zwei Männer, die mitten in einem Fluss ganz entspannt auf einem leeren Heukarren sitzen und sich unterhalten. Sie scheinen alle Zeit der Welt zu haben und sehen den Veränderungen um sie herum offenbar unbesorgt entgegen. Ihr Umfeld ist vom Rhythmus der Jahreszeiten und einem Fluss geprägt, der immer fließen wird. Keine Rauchsäulen verdunkeln den Horizont, keine städtischen Hinterhöfe begrenzen ihre Welt.

Ähnlich greift auch John Clares Dichtung auf ein ländliches Idyll zurück, umgeben nur von der Natur und dem Dorfleben seiner Kindheit. Wo Künstler und Dichter einmal direkt die Kräfte ansprechen, die die Landschaft umformen, tun sie das nur selten auf eine positive, verklärende Weise. William Blakes „dunkle, teuflische Mühlen“ schickten Rauchschwaden über „Englands grünen und lieblichen Grund“: Da gab es nichts, das das Herz des Dichters erfreuen konnte. Das alte biblische Bild vom Feuer, das sich vom Himmel herunter ergoss, hatte sich umgedreht: Jetzt reichten die Feuer bis zum Himmel hinauf.

Die vielleicht genialsten künstlerischen Schilderungen der Epoche finden wir in der Musik, vor allem in den überall beliebten Werken Ludwig van Beethovens, doch selbst hier stoßen wir auf einen kulturellen Konflikt. Wie ein gewaltiger Motor dröhnte der Donner von Beethovens berühmter 5. Symphonie zum ersten Mal am 15. April 1816 in London. Es ist schwer, das majestätische, durchdringende Thema mit der zarten Empfindsamkeit von Jane Austens im selben Jahr erschienenen Roman Überredung in Einklang zu bringen.

Dass die Realität der Vergangenheit immer komplexer und vielfältiger ist als unser Bild von ihr, ist eine Binsenweisheit. In diesem Fall ist schon das Wort „Regency“ mit all seinen hochherrschaftlichen Konnotationen Teil des Problems: Es lässt alles so vornehm und luxuriös klingen. Viktorianische Romantiker, die auf eine Zeit scheinbar größerer individueller Freiheit zurückblickten, sahen eher nicht, wie wenige Möglichkeiten Arbeitern und ihren Familien in den wachsenden Industriestädten dieser Zeit offenstanden.

Wenn wir uns die hübschen Münzen und Banknoten des Regency ansehen, ist es heilsam, auch einmal daran zu denken, dass die meisten Menschen ihr Leben lang kein Gold- oder Papiergeld in die Hände bekamen. Bei der Erwähnung von Nelsons Kriegsmarine dachten sie an Zwangsrekrutierungen und die Bedingungen an Bord dieser schweren Holzschiffe, die ohrenbetäubenden Kanonenschläge und das splitternde Holz im Gefecht, den kalten Wind, der durch die Takelage strich, und die Aussicht auf ein feuchtes Grab.

Wenn man dagegen die Worte „Nelsons Kriegsmarine“ gegenüber einem Engländer des späten 19. Jahrhunderts fallen ließ, hatte er wahrscheinlich einen Kupferstich vor Augen, der den dramatischen Tod Nelsons an Bord der Victory zeigte. Um diese überaus vielfältige und widersprüchliche Zeit zu verstehen, müssen wir uns also von früheren Versuchen freimachen, sie zu romantisieren oder als das letzte Zeitalter „wahrer Freiheit“ zu feiern. Wir dürfen nicht einfach vom Ufer aus auf den Fluss der Zeit schauen. Wir müssen hineinspringen und ganz eintauchen.

Doch das ist leichter gesagt als getan. Wie stellen wir das an? Wir brauchen genügend Quellen, und wir müssen – genauso wichtig – ihren Kontext und ihre Bedeutung verstehen. Für die Zeit um 1800 ist das nicht allzu schwierig: Unzählige Dokumente, Bücher, Bilder, Gegenstände und Bauwerke sind erhalten geblieben. Ein in dieser Hinsicht besonders nützlicher Text ist Letters from England by Don Manuel Alvarez Espriella, erstmals 1807 in drei Bänden veröffentlicht. Dieser angebliche Reisebericht eines spanischen Gentleman stammt tatsächlich aus der Feder des englischen Hofdichters Robert Southey: Von der Idee her unterscheidet er sich damit gar nicht so sehr von unserem Buch hier, und da er von einem kenntnisreichen Zeitgenossen verfasst wurde, habe ich ihn als Leitfaden benutzt.

Doch das Sammeln und Bewerten von Quellen allein bringt uns noch nicht zum Ziel. Die Analyse historischer Quellen ist eine Wissenschaft, die aussagekräftige Rekonstruktion der Vergangenheit eine Kunst. Wir müssen auf unsere eigenen Erfahrungen zurückgreifen, um den Quellen Leben einzuhauchen, und dazu dürfen wir uns nicht allein auf die Dokumente, Bilder und Gebäude konzentrieren, sondern auch auf die Handlungen, Bedürfnisse, Vorstellungen dahinter. Wenn man als Historiker ein Dokument als die höchste wissbare Wahrheit betrachtet, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, sich vorzustellen, was die Menschen zum Weinen, Schreien und Beten brachte, dann ist das einfach eine akademische Übung.

Verstehen Sie mich nicht falsch, akademische Übungen sind unglaublich wertvoll: Sie sind die Grundlage, um die Vergangenheit richtig zu verstehen. Aber sie haben ihre Grenzen. Nelsons Knochen könnten uns vieles über den Mann erzählen, aber nicht unbedingt das, was uns besonders interessiert. Nur anhand eines Skeletts kämen wir nie auf den Gedanken, dass ein Mensch lächeln kann.

Darin liegt der Wesenskern unseres Buchs. Wir wollen uns das Leben hinter den Quellen ansehen, inklusive all seiner Widersprüche. Wie sollte man sich im Jahr 1790 seine Zehennägel schneiden, wenn man nicht an Blutvergiftung sterben will? Wo bekommt man Hilfe, wenn ein Familienmitglied 1798 an einer psychischen Krankheit leidet? Wie reist man sicher? Was zieht man an, wo kommt man unter, was sollte man unbedingt probieren, und wie amüsiert man sich? Ich kann zwar nicht sagen, was Jane Austen über Sie denken würde, wenn Sie im Jahr 1803 an die Tür von 4 Sydney Place, Bath, klopfen würden, doch ich kann eine Idee davon vermitteln, was Sie sehen würden, wenn Sie die Stadt in diesem Jahr besuchten, und was Sie wohl über den Lebensstandard Jane Austens und ihrer Familie denken würden und über den Geist, mit dem sie und ihre Zeitgenossen jeden Tag der Welt entgegentraten.

Hier ist also ein Reiseführer für vier der aufregendsten und kulturell wichtigsten Jahrzehnte der britischen Geschichte. Es war ein Zeitalter der Eleganz und der Gewalt, der Freiheit und des Protests, des altmodischen Heldentums und der Verstädterung. Und es war ein Zeitalter des Krieges: Mehr als die Hälfte dieser Zeit kämpften die Briten gegen die Franzosen. Das Regency sah Feldzüge für Freiheit, politische und gesellschaftliche Reformen und größeres Mitgefühl gegenüber den weniger vom Glück begünstigten Mitgliedern der Gesellschaft. Es war ein Zeitalter der Industrialisierung, in der Großbritannien zur größten Wirtschaftsmacht der Welt aufstieg. Und es war ein großes Zeitalter der Erfindungen, von der Dampflokomotive zur elektrischen Uhr und der ersten Fotografie. Und natürlich war es eine Zeit, in der Millionen normale Menschen ein normales Leben lebten – darunter auch die, die Mr Puddicombe in seinem Sterberegister aufführte, und der Pfarrer selbst, bis die Sonne schließlich über seiner Welt unterging.

Was ist Regency Romance?

Regency Romane sind Liebesromane, deren Geschichten in der britischen Regency (1811-1820) angesiedelt sind. Inspiriert von den Büchern von Jane Austen, befassen sich immer mehr Autor:innen mit diesem Genre wie beispielsweise Julia Quinn, Abbi Glines, Emmi West oder Julianne Donaldson.

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