Neue Reise – neue Erlebnisse in Europa
Die 7b hat viele Fragen zu Europa: „Wer gehört zur EU und wer warum nicht?“ „Und was sind das für „europäische Werte“, über die immer alle sprechen?“ „Wieso gelten sie nicht für alle?“ „Was ist Westwissen?“ „Gibt es dann auch Ostwissen?“
Ganz schön knifflige Fragen, die Jan Kammanns Schülerinnen und Schüler stellen. Um sie zu beantworten und zu erfahren, wo europäische Ideen am lebendigsten sind, unternimmt er – ermutigt von den Erzählungen seiner Schülerinnen und Schülern über ihre Herkunftsländer – Reisen durch verschiedene EU- und Nicht-EU-Länder: die Türkei, Griechenland, Nordmazedonien, Serbien, Ungarn, Tschechien, die Ukraine und Nordirland. So versucht er zu verstehen, wie das Gefüge „Europa“ funktionieren kann.
Dabei führt ihn die Reise immer wieder zurück zu sich selbst und den Jugendlichen in seinen Hamburger Klassenzimmern. Unterwegs erlebt er überwältigende Gastfreundschaft, stößt aber auch auf harte Grenzen. Unterwegs wird ihm klar, dass er in seinem internationalen Klassenzimmer täglich im Kleinen beobachten kann, was auf dem Kontinent im Großen geschieht: Viele verschiedene Identitäten müssen miteinander auskommen.
Unbefangen und voller Neugier lässt sich Jan Kammann auf besondere Begegnungen, Kulturen, Sprachen und die lokale Küche ein und entdeckt Europas oft unterschätzte Seiten. Der empathische Bericht eines unkonventionellen und warmherzigen Lehrers gibt den Kids eine Stimme und zeigt, worin Europas Zukunft liegen könnte.
Ein Lehrer und seine ungewöhnliche Weltreise
In Jan Kammanns Klassenraum kommen Schüler aus verschiedensten Nationen zusammen – aus Lebenswelten und mit Weltanschauungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die ihn oft vor Rätsel stellen. Also fasst der Lehrer einen Plan: Er will mehr über die Herkunft seiner Schüler wissen, will erfahren, wie ihre Heimat war. Und so nimmt er sich ein Sabbatjahr und zieht los: zu einer ungewöhnlichen Weltreise, die ihn prägen, bereichern und verändern wird.
„Am Ende des Schuljahres bestehen alle die Prüfungen. Die Nervosität war groß, die Erleichterung ist umso größer. Ich ziehe meinen Hut vor der 10d.
Wenn ich mir vorstelle, meine Eltern wären mit mir als dreizehnjährigem Teenager in den Iran oder nach Russland gezogen und ich hätte dort mit sechzehn oder siebzehn eine Abschlussprüfung auf Farsi oder Russisch bestehen müssen … Nicht unwahrscheinlich, dass ich kläglich gescheitert wäre.
Zum Glück bin ich heute über zwanzig Jahre älter und weiß, was ich tue. Es ist Zeit aufzubrechen.“
„Die Welt ist in Bewegung. Aus den unterschiedlichsten Gründen ziehen Menschen von A nach B. Viele von ihnen gezwungenermaßen, verfolgt von Krieg und Elend, gar von Hunger bedroht, andere auf der Suche nach Arbeit und Wohlstand und wieder andere streben nach Selbstverwirklichung. Allen gemein ist, dass sie irgendwann irgendwo den Entschluss gefasst haben, aufzubrechen.
In den letzten drei Schuljahren kamen diese weltweiten Bewegungen für mich zusammen in einem einzigen Raum: im Klassenzimmer der 10d eines Hamburger Gymnasiums. Hier unterrichtete ich als Klassenlehrer Schüler aus 22 Nationen.“
Worum geht es in Ihrem Buch „Ein deutsches Klassenzimmer“?
Es geht um Vielfalt. Sowohl um die Vielfalt in der Welt, als auch die Vielfalt, die ich in meiner Hamburger Schule jeden Tag erlebe.
In meiner Klasse, die nach drei Jahren zur Abschlussklasse 10d wurde und der ich während eines Sabbatjahres anderthalbmal um die Welt gefolgt bin, habe ich im Laufe der Zeit Schülerinnen und Schüler aus 22 verschiedenen Nationen begrüßen dürfen. Das war für mich persönlich eine oft geradezu fantastische Erfahrung, wenn mir Details aus Weltgegenden aus erster Hand berichtet wurden, die ich sonst nur aus der Zeitung oder dem Fernsehen kenne:
Was für eine Sprache spricht man dort, wie funktioniert Schule in deinem Heimatland oder auch ganz simpel, was ist dein Lieblingsessen oder wie ist das Wetter dort gerade? Besonders die Sprache war immer wieder eine Herausforderung, denn die Schülerinnen und Schüler müssen im deutschen Unterricht fachlich bestehen in einer Sprache, die nicht ihre Muttersprache ist.
Das kenne ich selbst aus meiner Zeit als Lehrer in China, wo mir am Anfang viele Dinge rätselhaft erscheinen und die mir erst nach und nach klarer wurden. In Hamburg habe ich mich bei der Volkshochschule für einen Farsi-Kurs angemeldet, um nochmal wirklich nachvollziehen zu können, wie schwierig es eigentlich ist, eine neue Sprache einschließlich anderer Schrift und kulturellen Unterbau lernen zu müssen. Der Unterschied zwischen mir und den Kids war, dass ich mich im Gegensatz zu ihnen jederzeit frei entscheiden konnte, den Kurs abzubrechen, wenn mir alles zu viel wurde. Sie konnten das nicht – es stand zu viel auf dem Spiel.
Gute Noten und Abschluss sind enorm wichtig für sie. Meine Schülerinnen und Schüler aus dem Iran und aus Afghanistan haben mir trotzdem beim Vokabeln lernen geholfen.
Es geht also um Vielfalt in unseren Klassenzimmern Zuhause und um die Schwierigkeiten, mit denen die Newcomer sich ab und an quälen.
Es geht aber auch darum, was wir in Deutschland von der Welt lernen können, es wagt also einen Blick über den Tellerrand hinaus. Das ist dann die zweite Dimension des Buches. Nämlich, dass es viele Dinge gibt, die mir nicht wirklich bekannt waren und die es dennoch wert sind, auch in deutschen Schulen thematisiert zu werden.
Zum Beispiel die Erkenntnisse des Universalgelehrten Omar Khayam, eine Art persischer Leonardo da Vinci, der bis heute großen Einfluss auf die iranische Kultur hat, genauso wie der Dichter Hafiz, vom dem sich schon Goethe hat inspirieren lassen, aber der, aus unerfindlichen Gründen, aus unserem Alltag/Lehrplänen völlig verschwunden ist. Auch spannend für mich sind die Abhängigkeiten, die unser aller Leben auf dem Globus bestimmen und die mir kaum klar waren. Zum Beispiel hat der Krieg der kolumbianischen Drogenmafia gegen die eigene Bevölkerung unmittelbar mit unserem Reichtum zu tun, oder das deutsch-israelische Verhältnis, das in Armenien als beispielhaft für den Umgang mit Kriegsverbrechen gilt. Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die meinen Blick auf die Welt verändert haben. Als Geograph ist auch die natürliche Beschaffenheit der Welt von Bedeutung.
An dieser Stelle möchte ich nur Nicaragua hervorheben: In dem kleinen mittelamerikanischen Land gibt es eine ungeheurere Artenvielfalt und eine Vielzahl von aktiven Vulkanen, die sich entlang der Pazifikküste aufreiht wie eine Perlenkette. In dieser Hinsicht ist das Land wie eine große Exkursion in einem Geographiestudium. Mir war es eine helle Freude. Auch dies ist nur ein Beispiel, mindestens genauso spannend in dieser Hinsicht sind die Mongolei und Russland. Und auch damit beschäftigt sich dieses Buch.

Wie sind Sie auf die Idee zu Ihrer Reise gekommen?
Die Idee kam mir auf einer Reise nach Bulgarien. Dorthin bin aufgebrochen mit dem Bus vom Hamburger ZOB, nachdem mir eine Schülerin, die nach den Ferien immer wieder Tage zu spät zum Unterricht erschien, mit dem Hinweis, die Busverbindung nach Sofia seien so schlecht. Sie hatte Recht, wie mir schnell klar wurde.
Natürlich bin ich nicht nur dorthin gefahren, um sie zu kontrollieren, sondern in erster Linie aus Abenteuerlust und weil sie mir immer so vorgeschwärmt hatte von ihrem Heimatland und der Herzlichkeit der Menschen dort. Auch, was das angeht, hatte sie Recht. Auf der Rückfahrt bin ich im Geiste meine Klassenliste durchgegangen und habe mir ausgemalt, was für spannende Welten sich hinter jedem einzelnen Namen verbergen.
Von welchen Ländern erzählen Sie in Ihrem Buch?
In alle Länder habe ich es in einem Jahr nicht geschafft. Im „ Ein deutsches Klassenzimmer“ erzähle ich aus dem Iran, Afghanistan im Iran, Armenien, Kosovo, Albanien, Italien, Polen, Kuba, Nicaragua, Kolumbien, Südkorea, China, der Mongolei, Russland und Ghana.

Welches Land hat Sie am meisten überrascht? Welche Begegnungen haben Sie am meisten beeindruckt?
Schwierig. Eigentlich alle. Seit meiner Rückkehr spreche ich sicher am häufigsten über den Iran, weil er immer wieder die Schlagzeilen dominiert, aber das, was dann dort steht, mit der Realität der Menschen oft nur wenig gemein hat. Auch das kleine Kosovo hat mich in jeder Hinsicht positiv überrascht.
Besonders beeindruckende Begegnungen habe ich in russischen Zügen irgendwo in Sibirien gemacht, wo sich mein Russlandbild vollständig verändert hat und sicher auch in Ghana zu Hause und unterwegs in Cape Coast mit Sister Mary, die Kindern in Not hilft. Mit ihr zusammen war ich dort mehrere Tage unterwegs und muss sagen, dass das mitunter ziemlich intensiv war und mir bis heute zusetzt. Und auch dies gehört zu dieser Erfahrung: Sie hat mir einen Einblick in ihre Welt gestattet und ich konnte wieder gehen. Sie selbst und erst recht die Kids vor Ort können das nicht. Und wenn sie es doch tun, wartet große Mühsal auf sie.
Was haben Sie aus Ihren Reisen in Bezug auf Integration gelernt? Wie kann man die Kulturen zusammenbringen?
Durch Verständnis für einander, das man nur aufbringen kann, wenn wir uns offen und auf Augenhöhe begegnen. Seit dieser Reise versuche ich in meinem Alltag in der Schule noch mehr als zuvor, jede Wertung rauszunehmen. Kulturen sind verschieden, aber nicht besser oder schlechter. An ganz vielen Stellen können wir voneinander profitieren, anstatt uns argwöhnisch zu beäugen. Denn im Prinzip sind unserer Grundbedürfnisse doch alle gleich, da wäre es doch gelacht, wenn wir uns nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen könnten.
Wer sollte Ihr Buch lesen?
Das Buch ist bestimmt interessant für Menschen, die im weitesten Sinne mit Bildung zu tun haben, und ganz sicher auch für alle, die gerne reisen, Lust auf Abenteuer haben, über ein neugieriges Wesen verfügen und der Welt aufgeschlossen gegenüberstehen.
Fotos: Jan Kammann, Luisa Wolff
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