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Das bisschen Frieden

Das bisschen Frieden

Sebastian Schnoy
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Eine heitere Geschichte Europas in drei Revolutionen und einem Geistesblitz

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Das bisschen Frieden — Inhalt

Geschichtsschreibung für notorische Optimisten

Karl der Große ist bekannt für seine Eroberungskriege – wie aber hießen die Bauern, die vor 500 Jahren die Menschenrechte erfanden? Den Dreißigjährigen Krieg kennt jedes Schulkind, wer aber weiß, dass es schon damals eine Friedensphase gab, die doppelt so lang anhielt? Unfallstatistiken oder die Bakterienanzahl in Spülschwämmen kennen wir bis auf die zweite Dezimalstelle, wer aber hatte noch mal die Idee für die Deutsche Einheit? Historiker Sebastian Schnoy hat genug von unserer negativen Weltsicht und zeigt, dass die Menschheit schon immer besser war als ihr Ruf. Seine Geschichte des Friedens und der Geistesblitze zaubert jedem Pessimisten ein Lächeln ins Gesicht und liefert neue Argumente für müde Aufklärer.

„Schnoy ist unterhaltsam und tiefgründig zugleich“ SPIEGEL Online

Geschichte unterhaltsam und kenntnisreich erzählt vom beliebten Bestseller-Autor und Bühnenkünstler

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 04.06.2019
288 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99367-8
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Leseprobe zu „Das bisschen Frieden“

Europa war nie das Problem, sondern immer die Lösung

Geschichte wiederholt sich nicht,
aber manchmal reimt sie sich.

Mark Twain

 

Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an einen unterschätzten Kontinent. Denn Europas Geschichte ist eine große Erfolgsstory. Hier wurde die Freiheit erfunden, die Formel, wie man aus Feinden beste Freunde macht, die Aufklärung, die Gewaltenteilung und das WC-Knie. Kurz, es gab einmal eine Zeit, in der Europa das Glück erfunden hat.

Dabei war jeder Fortschritt, der die Menschen weiterbrachte, eine Befreiung. Und ich meine nicht [...]

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Europa war nie das Problem, sondern immer die Lösung

Geschichte wiederholt sich nicht,
aber manchmal reimt sie sich.

Mark Twain

 

Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an einen unterschätzten Kontinent. Denn Europas Geschichte ist eine große Erfolgsstory. Hier wurde die Freiheit erfunden, die Formel, wie man aus Feinden beste Freunde macht, die Aufklärung, die Gewaltenteilung und das WC-Knie. Kurz, es gab einmal eine Zeit, in der Europa das Glück erfunden hat.

Dabei war jeder Fortschritt, der die Menschen weiterbrachte, eine Befreiung. Und ich meine nicht nur den Zugewinn an persönlichen Freiheiten, sondern auch jeden technischen Fortschritt. Auch er bedeutet meist Befreiung von Mühsal. So, zum Beispiel, als der Engländer John Tizack 1691 unter Patentnummer 271 seinen Geistesblitz der Waschmaschine anmeldete und damit das Waschen am Fluss und das anstrengende Reiben der Wäsche auf einem Waschbrett nach und nach für alle entfiel. Den ersten ernst zu nehmenden Kühlschrank, mit dem man ganzjährig Eis herstellen konnte, erfand 1876 mit Carl von Linde ein Deutscher. Auch hier dauerte es eine Weile, bis Geistesblitz, Fortschritt und Befreiung die Runde machten, aber irgendwann konnten alle Europäer ihre Speisen kühlen. Carl von Lindes Erfindung surrt noch heute, wenn auch mit anderen Kühlflüssigkeiten, in jedem Haushalt. Seit dreihundert Jahren steigt die Lebenserwartung in Europa rapide, da das Leben sauberer, gesünder und vor allem weniger anstrengend und damit komfortabler geworden ist – wären da nicht die anscheinend unausrottbaren Kriege.

Einige Konflikte lodern bis heute, andere wirken wie erloschen, gleichen aber nur einem schlafenden Vulkan, der jederzeit wieder ausbrechen kann. Wieder andere füllen täglich die Zeitungen. Angesichts von nicht enden wollenden militärischen Konflikten in der Welt, frage ich mich: Wieso können die Menschen nicht einfach in Frieden miteinander leben? Das kann doch nicht so schwer sein. Und tatsächlich, auch hier können wir wieder etwas in und von Europa lernen, denn hier hat es geklappt mit dem Frieden zwischen Staaten und Religionen. Okay, man hat nicht gerade den kürzesten Weg zum Frieden gewählt – im Gegenteil, vielleicht sogar den kompliziertesten –, aber heute ist für uns das Entscheidende, was am Ende dabei herausgekommen ist: ein vereinter Kontinent, bei dem es nicht mehr denkbar ist, dass ein Land die anderen überfallen könnte.

Europa verhielt sich auf dem Weg dahin wie die USA in der schönen Äußerung von Winston Churchill, der einmal gesagt haben soll: „Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun, nachdem sie alles andere ausprobiert haben.“ Genauso haben es die Europäer gemacht. Sie haben jeden Irrtum ausprobiert, jeden Holzweg beschritten, sind hohe Risiken eingegangen und haben sie teuer bezahlt. Unser kleiner Kontinent lag schon mehrmals geschwächt am Boden, geschunden, geplündert und zerschossen – und erst am Ende, als alle Schlachten vergeblich geschlagen waren, fand man zueinander.

Aber im Ergebnis wurden – vielleicht auch gerade wegen all des Leids, das es früher gab – Waffen und Gewalt in Schränke geräumt und aus schlimmen Feinden beste Freunde. Aber wieso? Welche Formel, welcher Trick wurde angewendet? Und wie können wir diese Tricks auf die letzten Krisenherde übertragen, die weiter vor sich hin glimmen, lodern oder immer wieder Feuer fangen? Damit endlich alle Menschen auf der Welt Frieden genießen können? Dafür enthält dieses Buch großartige Glücksmomente der europäischen Geschichte aus Belfast, Berlin, Rom und vielen anderen Orten. Es sind Geschichten, die uns Kraft geben und die zeigen: Es kann auch gut gehen.

Nicht nur viele Regierungen haben irgendwann begriffen, dass Krieg keine Lösung sein kann, oft haben auch einzelne Menschen ganz allein versucht den Weltfrieden zu retten, wie Georg Elser 1939. Er hätte es fast geschafft Hitler zu stoppen, kurz nachdem dieser Polen angegriffen und besetzt hatte, aber noch bevor er ganz Europa in Brand stecken und den millionenfachen Mord an Juden organisieren konnte. Es fehlte nur dreizehn Minuten und Elser hätte das Wunder vollbracht und den Diktator in München pulverisiert. Der Russe Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow hat 1983 vielleicht wirklich verhindert, dass in Europa ein Nuklearkrieg ausbrechen konnte. Er überwachte in den Achtzigerjahren den Luftraum über der Sowjetunion. Als mitten in der Nacht seine Monitore einen massiven Angriff westlicher Raketen anzeigten, kam er zu dem Schluss, es könne sich nur um einen Fehlalarm handeln, und machte sich einfach einen Kaffee. So einfach kann Widerstand gehen den Krieg manchmal sein: einfach Kaffee trinken. Vor allem, wenn andere erwarten, dass man stattdessen in den Kampf zieht. Schon einmal hat ein einzelner Russe den atomaren Krieg verhindert und damit Europa ganz allein gerettet, wenn auch von einem Ort an einem ganz anderen Ende der Welt. Wassili Alexandrowitsch Archipow weigerte sich 1962 auf einem russischen U-Boot vor Kuba atomare Raketen zur Verteidigung abzufeuern, obwohl das U-Boot von amerikanischen Kriegsschiffen entdeckt und mit Seeminen attackiert wurde. Er und seine Besatzung waren in Lebensgefahr. Trotzdem verweigerte er als nur einer von drei Offizieren an Bord, die Freigabe für die Atomraketen. Die Kubakrise war schon so sehr gefährlich, mit russischen Atomraketen am kubanischen Himmel wäre sie höchstwahrscheinlich eskaliert, ein Dritter Weltkrieg war nur noch einen Knopfdruck entfernt. Nun waren die Herren Archipow und Petrow Russen, aber wir sollten uns daran gewöhnen, Europa mit Russland zu denken, denn das Herz Russlands schlägt im Westen, seit Jahrhunderten will es zu Europa gehören, und wenn wir es schaffen, die Russen dauerhaft in das europäische Projekt mit einzubeziehen, wäre das für alle ein großer Gewinn.

Einige haben schon als junge Menschen versucht, den Frieden zu retten, wie Hans und Sophie Scholl 1943. Oberst Stauffenberg und seine Mitverschworenen wurden später posthum gefeiert, viele vergessen, doch fast alle bezahlten ihren Mut mit dem Leben. Da wir heute wissen, dass das Leben das Heiligste ist und wir es schützen müssen, auch und besonders unser eigenes, widme ich mich auch der Frage, wie wir uns für das Gute einsetzen können, ohne selbst Schaden zu nehmen. Oft haben sich Menschen mit den Richtigen verbündet und waren im richtigen Moment mutig. Alles eine Frage von Auswahl und Timing, könnte man sagen.

Hinter allen Errungenschaften, die wir heute genießen, vom Frieden bis zur Demokratie, stehen die Geschichten der Menschen, die sie für uns errungen haben. Und wir sind bis heute mit ihnen verbunden. Gerade wer Geschichte verstaubt findet und lieber den Blick in die Zukunft richtet, sich für Digitalisierung und Vernetzung interessiert, wird staunen, dass Geschichte genau das ist. Der große Datenhaufen von allem, was schon passiert ist, und unsere Vernetzung mit allen diesen Ereignissen. Die Evolution, nicht nur von Waschmaschinen und Kühlschränken, sondern auch von Menschen und ihrem Leben, die Wiederholung von Kausalitäten und Chaos, gerade dies macht Geschichte so spannend.

Schon der Umstand, dass sich die meisten nicht für Geschichte interessieren, sondern sagen, dass sie lieber in die Zukunft schauen, verbindet sie mit allen Menschen, die jemals vor ihnen gelebt haben. Ob Senatoren im Alten Rom, Bauern im Mittelalter oder Matrosen in der Revolution von 1918, alle interessierten sich immer nur brennend für die Zukunft. Ob Thomas Müntzer, Maria Stuart, Lenin oder Maggy Thatcher, jede einzelne historische Figur arbeitete an der Zukunft. Die Vorstellung, wie die Zukunft aussehen wird oder aussehen sollte gibt es schon so lange, wie es Menschen gibt, deshalb ist die „Geschichte der Zukunft“ für sich ein spannendes Thema. Ganz abgesehen davon, dass es meistens anders kam, als man dachte.

Die Erwartung, alles würde so bleiben, wie es ist, stellte sich in der deutschen Ständegesellschaft um 1500 als ebensolcher Irrtum heraus wie die Vorstellung Erich Honeckers, es würde in der DDR noch hundert Jahre alles so weiterlaufen. Prognosen, was die Zukunft betrifft, liegen immer daneben. 1913 konnte sich niemand in Europa vorstellen, dass ein Weltkrieg vor der Tür stand. 1917 konnte sich kein Deutscher vorstellen, dass man den Krieg verlieren könnte. 1920 konnte sich niemand vorstellen, dass die wirtschaftliche Party einmal zu Ende geht. Aber schon 1923 konnte man sich nicht vorstellen, dass die Krise jemals wieder aufhört. 1972 prognostizierte der Club of Rome das Ende des Wachstums. Seitdem ist die Weltwirtschaft um mehr als 3000 Prozent gewachsen. 2007 konnte sich in den USA niemand vorstellen, dass es keine gute Idee ist, ein Haus zu kaufen, denn sein Wert würde sich ständig, rasant und bis in alle Ewigkeit steigern. Kurz darauf stürzte das Platzen der Immobilienblase die Welt in die größte Finanzkatastrophe seit einhundert Jahren. Heute kann man sich in Deutschland nicht vorstellen, dass es keine gute Idee sein könnte, ein Haus zu kaufen, denn die Immobilienpreise steigen stetig, kräftig und – bis in alle Ewigkeit?

Die meisten Dinge, die unser Leben heute bestimmen, waren nicht vorhersehbar. Leute, die Prognosen abgeben, schreiben meist einen Trend linear weiter, zum Beispiel den Bevölkerungszuwachs. Doch alle Segnungen des modernen Lebens von der Elektrizität, der Eisenbahn bis hin zu Handys und Internet, medizinische Fortschritte oder auch Frauen, die selbst entscheiden, wie sie leben und welchen Beruf sie ergreifen möchten, konnte man sich, bevor diese auftauchten, nicht vorstellen. Nur in den Köpfen der Erfinder und Erfinderinnen, die die Welt anders dachten, als sie vorhanden war, mit Waschmaschinen, als noch alle zum Fluss gingen, mit Flugzeugen, als alle noch am Boden blieben. Die Welt anders sahen auch Feministinnen, die das Leben mit freien Frauen schon dachten, als diese noch unfrei waren, oder Männer, die sich fragten, was daran falsch sein kann, wenn man einen anderen Mann liebt. Nur in den Köpfen ist, wenn wir unseren Gedanken freien Lauf lassen, die Welt von morgen, wie sie sein sollte, schon heute klar zu sehen. Und diese Vision von einem friedlichen und glücklichen Miteinander ist wie der Bauplan für ein Haus, das jederzeit gebaut werden kann. Es lohnt sich, wenn man sich darüber Gedanken macht, wie die Welt aussehen könnte, damit sie so wird, wie wir sie uns wünschen, denn diese Gedanken sind der Anfang jeder Veränderung. Wie gefährlich sie jenen werden können, deren Macht durch Unrecht gesichert wird, zeigt eine Äußerung, die Stalin zugeschrieben wird: „Gedanken sind mächtiger als Waffen. Wir erlauben es unseren Bürgern nicht, Waffen zu führen – warum sollten wir es ihnen erlauben, selbstständig zu denken?“ Aber, wo ich schon Stalin zitiere. Gibt es nicht auch viele Gründe, warum es besser ist, ein Diktator zu sein und alle Macht in den eigenen Händen zu bündeln? Und ist es nicht auch ein Naturgesetz und damit ein Naturrecht, dass man, wenn man auf eine Mine mit Schokoküssen trifft, diese alle für sich allein behalten will, anstatt sie zu teilen oder die Kontrolle über die Schokoküsse gar irgendwelchen demokratischen Gremien anzuvertrauen? Sind Haben-wollen und Alles-haben-wollen nicht zutiefst menschliche Züge? Hatte dieses Naturrecht nicht schon der Frühaufklärer Thomas Hobbes formuliert? Dass das Recht auf die eigene Existenz, auf das Leben eben nicht nur die Erschließung des Lebensnotwendigen rechtfertigt, sondern auch all dessen, was vielleicht mal lebensnotwendig werden könnte? Eine Leibgarde, ein Hubschrauber oder Hunderte von Schuhen, die aufgebrachte Rumänen in den Privatgemächern von Elena Ceaușescu fanden, Frau des kommunistischen Diktators Nicolae Ceaușescu? Spätestens, wenn 500 Paare unbrauchbar sein sollten, bedarf es eben eines 501. Paars Schuhe. Und wenn es die Turnschuhe für die Flucht vor den revoltierenden Menschen sind, die gerade den Palast gestürmt haben. Insofern ist es ganz frei nach Hobbes auch gerechtfertigt, dass die gesamten Steuereinnahmen des Staates als persönliches Einkommen des autokratischen Herrschers betrachtet werden. Geld kann man schließlich immer gebrauchen.

Der soziale Fortschritt macht einem den ganzen Führungsjob madig. Bei freien Wahlen ist es möglich, dass man erst gar nicht gewählt wird oder gar eine Koalition mit einer Partei eingehen muss, die man hasst. Freie Gerichte, die einem mit der Amtsenthebung drohen, sind ebenso gefährlich wie eine freie Presse, die an der Übertragung des Außenministeramts an einen engen Verwandten rumnörgelt. Dabei weiß doch jeder, dass Bruder Klaus die beste Wahl für den Job ist! Im Übrigen lassen sich die Regierungsmitglieder besser motivieren, wenn man einen ihrer Kollegen direkt am Kabinettstisch erschießt, so wie es einmal der irakische Diktator Saddam Hussein gemacht haben soll.

Doch weil selbst Diktatoren ganz genau wissen, dass sie böse sind und am Ende immer das Gute gewinnen wird, spüren sie die Gefahr, in der sie sich permanent befinden. Deshalb können sie einfach nicht entspannen. Diktatoren wissen, dass sich viele ihrer Untertanen nichts sehnlicher wünschen als ihren Tod. Darum benötigen sie Leibwächter, Vorkoster, Privatjets und gepanzerte Limousinen. Saddam Hussein ließ sich einen Luxusbunker mit Whirlpool errichten, doch am Ende lebte er wochenlang in einem Erdloch, bevor er entdeckt und gehängt wurde. Und selbst die Diktatoren, die es schafften, bis zu ihrem Tod im Amt zu bleiben, wie zum Beispiel Stalin, wurden noch posthum von ihrem Thron gestoßen. Stalins Leichnam wurde schon bald nach seinem Tod aus dem großen Lenin-Mausoleum entfernt. Fünfhundert Schaulustige waren bei seiner Beerdigung todgetrampelt worden, gestorben bei der letzten Ehre für den Gestorbenen, seither liegt er in einem bescheideneren Grab an der Kremlmauer. Auch der spanische Diktator Franco wurde von fast einer halben Million Menschen geehrt, als er starb. Sie schritten an seinem Sarg vorbei, vielleicht wollten einige auch nur sichergehen, dass der Despot wirklich tot war. Endlich wird in Spanien darüber diskutiert, ob man den Diktator nicht aus seinem protzigen Mausoleum entfernen sollte, denn es ist inzwischen zum beliebten Treffpunkt von Rechtsradikalen geworden. Diktatoren haben die Macht, sämtliche große Plätze und Straßen nach sich benennen zu lassen. Doch am Ende hat das Böse keine Chance. So sind alle Stalinalleen, Hitlerplätze und Franco-Schulen inzwischen umbenannt worden. Sogar der Vorname Adolf ist in Deutschland verpönt.

Doch mit dem Sturz oder dem Tod eines Diktators und der Umbenennung von Alleen und Plätzen ist es leider nicht getan, denn hinter ihnen steht ein großer noch lebender Teil der Bevölkerung, die ihnen bis zum Schluss die Treue hielten und vom Unrecht lebten. Die Frage ist also: Können Feinde, die sich Jahre oder Jahrzehnte umgebracht und verraten haben, irgendwann Freunde oder zumindest Partner werden?

Die Antwort lautet: Ja! Die Europäische Gemeinschaft hat es im Zuge ihrer Einigung geschafft, gleich zwei Militärdiktaturen, nämlich Spanien und Griechenland, zu Demokratien zu machen. Großbritannien und Frankreich verband eine viele Jahrhunderte dauernde Feindschaft. Noch vor wenigen Jahrzehnten verdienten beide Länder in ihren Kolonien ihr Geld mit Menschenhandel und Raub. Heute haben sie keine Kolonien mehr, schafften sogar den Sklavenhandel zusammen mit anderen Europäern offiziell ab und haben heute sogar einen Tunnel, der beide Länder miteinander verbindet. Von den Erbfeinden Deutschland und Frankreich ganz zu schweigen. Mein Großvater kannte noch den Spruch: „Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos.“

Dass ich in diesem Buch heiter-sarkastische Parallelen zwischen Diktaturen, Revolutionen und Geistesblitzen ziehen darf, zeigt schon, dass die Menschheit besser ist als ihr Ruf. Ich darf heute Scherze machen, für die mein Großvater noch ermordet worden wäre. Doch es gab sie immer, die Propheten des Fortschritts, selbst im Faschismus in Deutschland, Italien oder Ungarn, auch in Polen und der Tschechoslowakei zu Zeiten der kommunistischen Unterdrückung und auch in den späten Militärdiktaturen in Spanien und Griechenland. Wenn man die Tür kannte, an der man klopfen konnte, zogen sie einen hinein in ihr Versteck der Vernünftigen. Halfen einem und sprachen Mut zu. Doch ich möchte mich mit den Despoten der Weltgeschichte nicht zu lange beschäftigen. Denn dies ist kein normales Geschichtsbuch, hier fehlen die vielen Kriege, von denen immer berichtet wird. Wenn wir in normale Geschichtsbücher schauen, reiht sich eine Katastrophe an die nächste. Kriege, Epidemien, Untergänge. Wer sich nachts vor einen History Channel im Fernsehen setzt, wird den Eindruck gewinnen, dass eigentlich immer geschossen wurde und sich vorher, mangels Gewehren, mit anderen Mitteln der Schädel eingeschlagen wurde. Krieg war anscheinend ein Dauerzustand und wurde stets mit bedrohlicher Musik untermalt.

Dieses Buch entspricht eher einem privaten Fotoalbum. Denn keiner würde doch Fotos von Grabsteinen, Beerdigungen, Scheidungen und vom Gerichtsvollzieher in sein Familienalbum kleben. Privat überlegen wir genau, mit wem wir Zeit verbringen wollen. Wenn man ein Buch liest, ist es, als ginge man mit den Personen, die darin vorkommen, in ein Restaurant. Man hört von ihren Gedanken und allem, was sie gemacht haben. Ganz ehrlich: Wollen Sie lieber einen Abend mit Hitler und Stalin verbringen oder lieber einen mit Rousseau, Montesquieu, Jeanne d’Arc und Sophie Scholl? Ist es nicht anregender, beim Essen über die Aufklärung, Vernunft und Freiheit zu sprechen, als darüber, wer am meisten Menschen ermordet hat? Diese Geschichte des Guten, Wahren und Schönen geht meist unter im Lärm der Katastrophen. Doch so wichtig es ist, Unrecht anzuprangern, sich zu empören über das Elend in der Welt, so wichtig ist es mindestens auch, nicht den Mut zu verlieren, dass wir die Dinge zum Guten wenden können. Das hat – anders als man beim Zappen zwischen History Channel und Nachrichtenkanälen denken könnte – schon so oft geklappt, dass wir uns diese Geschichten merken müssen. Denn nur sie geben uns Kraft.

Die Bösen haben viele Fans, aber von einem bin ich hundertprozentig überzeugt: Die Welt retten werden die Netten. Allerdings nur, wenn sie endlich auf den Tisch hauen! Für sie ist dieses Buch geschrieben. Für jene, die bei Partys und Familientreffen lieber die Klappe halten, wenn sich die Vollpfosten mal wieder trauen, ihren Stumpfsinn zu verbreiten. Dieses Buch liefert neue Munition für müde Aufklärer. Drücken wir den Scharfmachern die Wahrheit ins Gesicht wie eine Handvoll Schnee im Januar. Auf dass sie endlich wieder aufwachen und zur Vernunft kommen.

Was der wichtigste Punkt für dieses Buch sein soll: Wir ähneln unseren Vorfahren vor allem mit unserem Bestreben, einen guten Tag zu haben, wenn wir aufgewacht sind, einen Tag ohne Mühsal, ohne Schmerz, dafür mit Genuss und Freude. Gleich ist Mittagspause, nachher ist Feierabend, und ich werde etwas Gutes essen, was ich mag, mit Menschen, die ich gerne um mich habe. Das ist der Regieplan der meisten Menschen, eine gute Zeit zu haben, und wenn die Umstände widrig sind, man zu viel arbeiten muss oder aus anderen Gründen unter Strom steht, werden diese Wohlfühlinseln zwar kürzer, aber dafür umso wichtiger. Die Minuten, die Kellner am Hintereingang eine Zigarette rauchen und lachen, während drinnen Gäste den Hauptgang auf dem Tisch haben. Die wunderbaren Minuten allein unter der Dusche, die für junge Mütter oder Väter oft ein wichtiger Moment des Für-sich-Seins sind, wenn die eigenen Kinder noch klein sind und einem keine freie Minute lassen. Dieses Streben, es sich möglichst angenehm zu machen, wirkte selbst in dunkelsten Zeiten. Zum Beispiel im Krieg. Was sind für einen Soldaten die wichtigsten Momente an einem Tag? Der Kampf? Der Sieg?

Weit gefehlt. Die wichtigsten Momente für einen Soldaten im Krieg sind die Pausen nach endlosen Märschen, die Gespräche mit den anderen, denen man ebenso die Freiheit genommen hat, den Tag so zu verbringen, wie sie es wollen. Es sind die Witze, die so gut sind, dass man auch dann noch lachen muss, wenn man leidet. Ein Lied, das das Herz öffnet. Und natürlich, was es zu essen gibt, und die Freude darüber, dass das Nachtlager weicher ist als am Tag zuvor. Dieses Streben nach Glück – nach ein bisschen persönlichem Frieden – ist der eigentliche rote Faden der Geschichte, seit es Menschen gibt.

Sebastian Schnoy

Über Sebastian Schnoy

Biografie

Sebastian Schnoy lebt in Hamburg und ist ein vielfach ausgezeichneter Kabarettist. Sein Programm, das Geschichte humorvoll beleuchtet, hat er erfolgreich in seinen Büchern aufbereitet. „Smörrebröd in Napoli“, „Von Napoleon lernen, wie man sich vor dem Abwasch drückt“ und »Heimat ist, was man...

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