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Lebensmittellügen

Christoph Wiedmer
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Wie bei unserem Essen getrickst wird – ein Lebensmittelchemiker klärt auf

„Dass er von sich behauptet, er habe Hauttyp Weißmehl 405 und Oberarme wie Taylor Swift, macht das Buch nicht weniger interessant für alle Foodies, Clean Eater und normale Esser.“ - Nachrichten aus der Chemie

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Lebensmittellügen — Inhalt

Schöne neue Essenswelt?!

Die miesen Tricks der Industrie durchschauen

Was essen wir da eigentlich?

Wissen Sie ganz genau, was alles in Ihrem Einkaufswagen landet? Wahrscheinlich nicht, denn nirgends kursieren so viele Mythen, Irrtümer und Lügen wie in der Welt der Ernährung: Sind Süßstoffe tatsächlich so schädlich wie ihr Ruf? Steht auf der Verpackung wirklich alles, was auch drin ist? Bringen Proteinpulver für Sportler und Nahrungsergänzungsmittel wirklich was, oder schaden sie am Ende sogar? Und sind Superfoods eigentlich so gesund, wie immer behauptet wird?

Lebensmittelchemiker Christoph Wiedmer kennt die Antworten auf diese und viele weitere Fragen und zeigt in seinem Buch praktisch und unterhaltsam, worauf wir beim nächsten Einkauf wirklich achten sollten.


€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 03.01.2022
240 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-06181-0
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€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erschienen am 03.01.2022
240 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-60021-7
Download Cover

Leseprobe zu „Lebensmittellügen“

Ein paar Kleinigkeiten vorab …

Eigentlich leben wir ja im Paradies: Noch nie in unserer gesamten Geschichte war es für Menschen in Mitteleuropa so leicht, sich gesund zu ernähren, wie heute. Schließlich können wir uns das ganze Jahr über im Supermarkt mit frischem Obst und Gemüse und allen anderen nur erdenklichen Lebensmitteln versorgen.

Aber machen wir uns nichts vor: Niemand kauft im Supermarkt nur Obst, Gemüse und andere Grundzutaten wie Zucker, Eier und Mehl. Denn unsere Beziehung zu den Lebensmitteln hat sich in den letzten Jahren grundlegend [...]

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Ein paar Kleinigkeiten vorab …

Eigentlich leben wir ja im Paradies: Noch nie in unserer gesamten Geschichte war es für Menschen in Mitteleuropa so leicht, sich gesund zu ernähren, wie heute. Schließlich können wir uns das ganze Jahr über im Supermarkt mit frischem Obst und Gemüse und allen anderen nur erdenklichen Lebensmitteln versorgen.

Aber machen wir uns nichts vor: Niemand kauft im Supermarkt nur Obst, Gemüse und andere Grundzutaten wie Zucker, Eier und Mehl. Denn unsere Beziehung zu den Lebensmitteln hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert: Essen ist längst keine reine Nahrungsaufnahme mehr – es ist Statussymbol oder Ausdruck einer Überzeugung geworden. Gleichzeitig erwarten wir auch immer mehr von unserem Essen: Es soll nicht nur gut schmecken, sondern auch gesund, lange haltbar, einfach zuzubereiten und möglichst preiswert sein. Und so landet eben auch der süße Fruchtjoghurt mit einem überraschend niedrigen Fruchtanteil in unserem Einkaufskorb, genauso wie Chips und Schokoriegel, die vieles sind, nur kein Bestandteil einer gesunden Ernährung. Dazu gesellen sich auffallend rosiges Fleisch, angeblich fangfrischer Fisch oder Vanillearoma, das so gar nichts mit echter Vanille zu tun hat.

Als Lebensmittelchemiker kenne ich solche Produkte und die damit verbundenen kleinen und großen Werbelügen der Industrie in- und auswendig. Ich weiß genau, auf welche Details ich beim Einkaufen achten muss und bei welchen Lebensmitteln es sich besonders lohnt, einen prüfenden Blick ins Zutatenverzeichnis zu werfen: Eine „Bratensoße“ hat zum Beispiel absolut nichts mit einer „Soße zu Braten“ gemeinsam (nur die erste enthält Fleisch).

Außerhalb meiner kleinen Fachwelt kennt solche Details aber kaum jemand. Und das, obwohl wir alle mehrmals täglich etwas essen. Allerdings ist das auch kein Wunder, denn wenn Sie sich über Ihr Essen informieren wollen, landen Sie früher oder später nur bei grimmigen, unwissenschaftlichen Büchern, die am Ende bloß das altbekannte Klischee der „bösen Lebensmittelindustrie“ zementieren wollen.

Aber wie realistisch sind solche Weltbilder? Sind Süßstoffe tatsächlich so schädlich und Superfoods so gesund, wie immer behauptet wird? Steht wirklich alles auf der Verpackung, was in dem Lebensmittel drin ist? Was bringen Proteinpulver für Sportler und Nahrungsergänzungsmittel wirklich, oder schaden sie am Ende sogar? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem „natürlichen Vanillearoma“ und einem „natürlichen Aroma ›Vanille‹“?

Diesen und noch vielen anderen Fragen möchte ich mich in diesem Buch widmen. Aber nicht nur das: Ich möchte Ihnen auch die rechtlichen und chemischen Zusammenhänge erklären und mit konkreten Beispielen auf Dinge aufmerksam machen, auf die Sie bei Ihrem nächsten Lebensmitteleinkauf achten können (und sollten), wenn Sie wirklich wissen wollen, was Sie sich da eigentlich in den Einkaufskorb legen. Außerdem will ich Ihnen zeigen, wo die Politik die Lebensmittelindustrie aus meiner Sicht noch viel stärker in die Pflicht nehmen sollte. Denn wenn man sich die vielen industriefreundlichen Schlupflöcher im aktuellen Lebensmittelrecht mit ein bisschen Sachverstand näher anschaut, kann einem echt der Appetit vergehen …


Lebensmittelkennzeichnung:
Was steht drauf, was ist drin?

Kaum schlägt man die Zeitung auf, wartet dort schon der nächste Aufreger im Lebensmittelbereich, wie Hackfleisch, das in der Presse kritisiert wurde, weil es statt 100  Prozent Fleisch nur zu 70  Prozent aus Fleisch und ansonsten im Wesentlichen aus „schnittfestem Wasser“ besteht. Aber damit nicht genug: Auch im Fernsehen prangert eine Verbrauchersendung nach der anderen die „Tricks der Lebensmittelindustrie“ an, mit denen teure Zutaten ausgetauscht und durch billige ersetzt werden. Und selbst bei Lebensmittelklarheit.de, einem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanzierten und von den Verbraucherzentralen betreuten Portal, über das Verbraucher Lebensmittel melden können, von denen sie sich getäuscht fühlen, gibt es nach aktuellem Stand knapp 12 000 Beschwerden.

Wie kann das sein? Schließlich hat das deutsche bzw. europäische Lebensmittelrecht explizit das Ziel, uns sowohl vor Gesundheitsgefahren als auch vor Täuschung zu schützen. Wenn man sich so umschaut, entsteht allerdings schnell der Eindruck, dass gerade beim Täuschungsschutz noch etwas Nachholbedarf besteht. Aber was bedeutet „Täuschung“ eigentlich konkret? Im lebensmittelrechtlichen Kontext kann man eine Täuschung als das Verwenden von Informationen verstehen, „die das Produkt für den Konsumenten attraktiver erscheinen lassen (sollen), als es in Wahrheit ist“. Dadurch „entwickelt der Verbraucher eine höhere, der suggerierten Produktqualität entsprechende Zahlungsbereitschaft oder tätigt einen Kauf, von dem er ohne die täuschenden Informationen abgesehen hätte“. Deshalb ist es in Deutschland natürlich verboten, Lebensmittel mit irreführenden Angaben in den Verkehr zu bringen – wer dagegen verstößt, muss mit einer Geldstrafe rechnen oder kann sogar für bis zu zwölf Monate ins Gefängnis wandern.

Aber wie passt das zu all diesen Medienberichten, oder – anders gefragt – warum sitzen die jeweiligen Firmenchefs nicht schon alle im Knast? Ganz einfach: Die Rechtsprechung, insbesondere der Europäische Gerichtshof (EuGH), geht von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aus, der beispielsweise auch das Zutatenverzeichnis liest.[v] Gleichzeitig zeigt eine Studie der Uni Gießen, in der Produktmeldungen bei Lebensmittelklarheit.de
systematisch ausgewertet wurden, dass die überwiegende Mehrheit der Meldungen (71,8 Prozent) aus enttäuschten Erwartungen resultieren, die man, salopp gesagt, dadurch hätte vermeiden können, indem man sich vor dem Kauf einfach mal die Verpackung genauer anschaut.

Das Konzept eines aufmerksamen Verbrauchers ist natürlich, wie besonders die neueren EuGH-Urteile zeigen, kein Freifahrtschein für sämtliche Täuschungsversuche seitens der Hersteller. Trotzdem heißt das für uns, dass wir zwei Möglichkeiten haben: Entweder wir meckern weiter bei den Straßenumfragen von irgendwelchen Verbrauchersendungen, dass wir die Aufmachung von bestimmten Produkten doof finden, oder wir setzen uns intensiver damit auseinander, was genau auf unseren Lebensmitteln eigentlich draufsteht und, vor allem, was nicht.


Die Bezeichnung – der „Name“ des Produkts

Wenn man wissen möchte, was es mit einem bestimmten Lebensmittel auf sich hat, darf man sich also nicht von den bunten Verpackungen ablenken lassen, sondern muss einen Blick ins Kleingedruckte werfen. Das Erste, was man da meistens findet, ist die Bezeichnung des Produkts. Sie kennen diese Bezeichnung wahrscheinlich nur als das Phänomen, wodurch Lebensmittel plötzlich ganz anders heißen als auf der Schauseite. Aus einer Cola wird dann zum Beispiel ein „Koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk“ oder Schoko-Donuts werden zum „Hefegebäck mit kakaohaltiger Fettglasur“. Aber warum ist das so? Und wie um alles in der Welt soll dieses Kauderwelsch beim Einkaufen helfen?

Schauen wir uns dafür mal die rechtlichen Grundlagen an. Die finden wir in Artikel 17 der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV):

  • Ein Lebensmittel wird mit seiner rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung bezeichnet. Fehlt eine solche, so wird das Lebensmittel mit seiner verkehrsüblichen Bezeichnung oder, falls es keine verkehrsübliche Bezeichnung gibt oder diese nicht verwendet wird, mit einer beschreibenden Bezeichnung bezeichnet.
  • […]
  • Die Bezeichnung des Lebensmittels darf durch keine als geistiges Eigentum geschützte Bezeichnung, Handelsmarke oder Fantasiebezeichnung ersetzt werden.

Das klingt erst mal ziemlich kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach. Fangen wir dazu noch mal ganz oben an: „Ein Lebensmittel wird mit seiner rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung bezeichnet.“ Was heißt das? Es muss jeweils eine Rechtsverordnung geben, also zum Beispiel eine Käseverordnung, eine Honigverordnung, eine Butterverordnung, eine Kaffeeverordnung, eine Konfitürenverordnung, eine Kakaoverordnung etc., und da steht ganz genau drin, welche Bezeichnung man auf das jeweilige Lebensmittel schreiben muss. Diese Idee wirkt natürlich erst einmal absurd; allerdings gibt es diese Verordnungen tatsächlich. Die Kakaoverordnung regelt zum Beispiel, wie viel Kakao und Kakaobutter mindestens in einem Produkt enthalten sein müssen, damit man es „Schokolade“ nennen darf.

Natürlich kann nicht jedes Lebensmittel per Gesetz geregelt sein. Nehmen wir zum Beispiel Schokoladeneis; das taucht in der Kakaoverordnung nicht auf. Welche Bezeichnung muss also da drauf? Wie wir gesehen haben, schreibt die LMIV vor, dass, wenn eine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung fehlt, die verkehrsübliche Bezeichnung verwendet wird. Darunter versteht man eine Bezeichnung, die von Verbrauchern verstanden wird, ohne dass eine weitere Erklärung notwendig wäre.

In Deutschland gilt in der Regel das als verkehrsüblich, was in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs festgelegt ist. Für Schokoladeneis ist in den Leitsätzen für Speiseeis zum Beispiel festgelegt, dass es üblicherweise Kakaopulver oder Schokolade enthält;[viii] wie viel davon mindestens verwendet werden muss, ist aber nicht vorgeschrieben. Das bleibt dem Hersteller überlassen. Abgesehen davon ist das Deutsche Lebensmittelbuch keine Rechtsnorm und damit unverbindlich.

Richtig spannend wird es allerdings, wenn es für ein Lebensmittel auch keine verkehrsübliche Bezeichnung gibt. Nehmen wir das Beispiel Überraschungseier: Die stehen weder in der Kakaoverordnung noch im Deutschen Lebensmittelbuch. Das ist aber auch irgendwie logisch, denn dort kann ja schlecht die komplette Produktpalette von Ferrero abgedruckt sein – zusammen mit den Produkten von sämtlichen anderen Schokoladenherstellern.

Schauen wir also ein letztes Mal in den Artikel 17 LMIV: Wenn die Optionen gesetzlich geregelte oder verkehrsübliche Bezeichnung wegfallen, muss eine beschreibende Bezeichnung verwendet werden. Und eine Bezeichnung darf nicht durch einen Fantasienamen oder Ähnliches ersetzt werden. Damit heißt unser Überraschungsei also rechtlich korrekt „Vollmilchschokoladenhohlkörper mit Milchcreme“.

Wie hilft das jetzt aber beim Einkaufen? Ganz einfach: Wir haben gesehen, dass Bezeichnungen umso komplizierter werden, je weniger rechtliche Vorgaben es für das entsprechende Produkt gibt beziehungsweise je stärker es von der allgemeinen Erwartung abweicht. Bei solchem „Kauderwelsch“ handelt es sich also meistens um beschreibende Bezeichnungen. Ein schönes Beispiel dafür ist der Zusatz „mit kakaohaltiger Fettglasur“. Das ist, wie Sie sich jetzt vielleicht schon denken können, keine komische Umschreibung für Schokolade (die wäre ja in der Kakaoverordnung geregelt). Stattdessen erkennt man beim Blick ins Zutatenverzeichnis, dass es sich bei der Glasur nur um einen billigen Schokoladenersatz aus ein bisschen Kakaopulver und Pflanzenfett handelt. Gleiches gilt für die Formulierung „mit Vanillegeschmack“. Wenn Sie das lesen, brauchen Sie nicht zu erwarten, mehr als nur den Geschmack von Vanille (sprich: nur Vanillearoma) im Produkt zu finden. Oder wenn Ihnen im Dönerladen Fleisch vom Hähnchen-Puten-Drehspieß statt einem Döner Kebab angeboten wird, verrät Ihnen das genauso, dass hier ein so minderwertiges Fleischerzeugnis gegrillt wird, dass das damit gefüllte Brot nicht mehr „Döner“ genannt werden darf.

Eindeutige Bezeichnungen sind also eine sinnvolle Sache und wichtige Orientierung beim Einkaufen. Trotzdem werden sie immer wieder heiß diskutiert. Online finden sich beispielsweise in schöner Regelmäßigkeit Diskussionen nach dem Motto „Warum darf eine Hafermilch nicht ›Milch‹ heißen, aber Kokosmilch und Scheuermilch schon?“ oder „Warum darf ein veganer Käseersatz nicht ›Käseersatz‹ heißen?“. Vielleicht wundern Sie sich darüber, denn Begriffe wie „Hafermilch“ und „Sojamilch“ haben längst Einzug in die Alltagssprache gefunden. Tatsächlich sind Begriffe wie „Milch“ oder „Käse“ besonders geschützt und daher als Produktbezeichnung für alle anderen Lebensmittel verboten, die eben keine Milch oder kein Käse sind. Und das ist auch sinnvoll, denn es ist schließlich Sinn und Zweck der Bezeichnung, eindeutig zu sein und so eine schnelle Orientierung zu ermöglichen. Und dieselben restriktiven Regelungen, die Begriffe wie „Hafermilch“ und „Käseersatz“ verbieten, schützen uns gleichzeitig davor, dass Hersteller Milch und Käse mit billigen Zutaten, wie Wasser und Pflanzenfett, strecken und unter ähnlichen Namen, wie „Milchgetränk“ oder „Käsekomposition“, verkaufen dürfen. Das würde doch keiner machen? Von wegen! Denn solche Produkte gibt es schon längst, zum Beispiel in Form von streichfähiger Butter, also Butter, die bei Kühlschranktemperatur noch cremig weich ist. Die kann man einfach aus dem Kühlschrank nehmen und sich direkt aufs Brot schmieren – praktisch, oder? Um diesen Effekt zu erreichen, wird Butter mit ca. 15 Prozent Rapsöl vermischt. Dank der aktuellen Gesetze findet man auf diesen Produkten statt des Begriffs „Butter“ aber nur noch die Bezeichnung „Mischstreichfett“. Zu Recht, denn Rapsöl ist um ein Vielfaches billiger als Butter; das Endprodukt ist also minderwertiger, kostet im Supermarkt aber meistens genauso viel oder (je nach Marke) sogar mehr als die echte, nicht mit Rapsöl gestreckte Butter. Die eindeutige Bezeichnung zahlt sich hier also definitiv aus, weil Sie sofort erkennen können, welche Art von Produkt Sie da gerade vor sich haben.

Vor diesem Hintergrund wüsste ich auch bei der Hafermilch nicht, was ein Lebensmittel, für das man pro Liter ungefähr einen gehäuften Esslöffel Hafer in Wasser wirft, ein paar Zusatzstoffe dazugibt, das Ganze homogenisiert und anschließend mit einer gigantischen Gewinnmarge verkauft, mit Kuhmilch gemeinsam haben soll – außer der Optik natürlich. Warum sollten sie denselben Namen haben? (Besonders spannend wird diese Frage übrigens auch bei den vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukten werden, aber dazu später mehr.)

Und auch die scheinbaren Widersprüche „Kokosmilch“ und „Scheuermilch“ lassen sich leicht erklären: „Kokosmilch“ ist ein traditionell gewachsener Begriff und genießt als solcher Bestandsschutz, genauso wie der Milchbrätling (ein Speisepilz), der Leberkäse und die Erdnussbutter, die bekanntermaßen auch keine Milch, keinen Käse oder keine Butter enthalten. Für neuere Produkte wie Soja-, Hafer- und Mandelmilch gibt es diesen Bestandsschutz einfach nicht. Und für die Scheuermilch gelten die Regelungen aus dem Chemikalien- und nicht die aus dem Lebensmittelrecht. Abgesehen davon: Wer Milch kaufen will, wird mit Sicherheit nicht aus Versehen zur Scheuermilch greifen. Auf der anderen Seite kenne ich aber Supermärkte, in denen die H-Milch direkt neben der „Sojamilch“ im Regal steht. Bei Lebensmitteln sind eindeutige Bezeichnungen also durchaus sinnvoll.

Kommen wir aber zurück zur Bezeichnung selbst. In ihrer unmittelbaren Nähe findet man nämlich häufig weitere Hinweise darauf, ob oder wie das Lebensmittel behandelt wurde, die Sie beim Einkaufen beachten sollten. Viele dieser Hinweise sind bei entsprechend behandelten Lebensmitteln sogar gesetzlich vorgeschrieben. Der Zusatz „geschwärzt“ bei Oliven bedeutet beispielsweise, dass keine schwarzen, sondern grüne Oliven verarbeitet wurden. Sie sehen nur deshalb schwarz aus, weil sie chemisch behandelt wurden, und schmecken natürlich nicht einmal ansatzweise so aromatisch wie echte schwarze Oliven.

Auch beim Hinweis „aufgetaut“ sollte man hellhörig werden. Dass Lebensmittel durch das Einfrieren, die Lagerung und das Wiederauftauen einiges an ihrer Qualität eingebüßt haben können, ist eigentlich selbsterklärend; der Hinweis wird aber oft übersehen, weil man ihn nicht erwartet. Wenn man aber darauf achtet, findet man ihn überraschend häufig, zum Beispiel bei vielen Produkten in Selbstbedienungs-Backshops, die eine Zuckerglasur haben (die können vor Ort nicht aufgebacken werden und werden deshalb komplett fertig angeliefert und nur aufgetaut). Auch im Supermarkt finden Sie den Hinweis, beispielsweise auf (vermeintlich) frischem Fisch oder auf Grillfleisch. Und das sowohl auf Preisschildern in der Fleisch- und Fischtheke als auch bei Fisch und Fleisch, die eingeschweißt in den typischen Plastikschalen verkauft werden. Der Grund dafür liegt bei Grillfleisch auf der Hand: Schweine werden das ganze Jahr über geschlachtet, Schweinenacken wird allerdings überwiegend im Sommer in Form von Steaks beim Grillen gegessen. Deshalb wird das Fleisch im Winter eingefroren und im Sommer wieder aufgetaut und mariniert. Und bei Hochseefischen ist es logistisch einfacher und damit billiger, den Fisch auf hoher See einzufrieren, um ihn haltbar zu machen, und die Filets später wieder aufzutauen. Gerade bei aufgetautem Fisch können Sie sich wirklich die Frage stellen, ob Sie das gleiche Produkt ein paar Meter weiter in der Tiefkühltruhe nicht günstiger bekommen. Auftauen lassen können Sie es ja selbst.

Auch bei Kartoffeln und Zitrusfrüchten kann es sich lohnen, die Kennzeichnung ganz genau zu lesen: Je nach Angebotsform finden Sie auf der Verpackung oder, bei loser Ware, auf dem Preisschild häufig Hinweise wie „nach der Ernte behandelt“ oder „konserviert mit Thiabendazol“. Die Formulierungen erklären jeweils, dass die Früchte mit Pestiziden behandelt worden sind, um sie länger haltbar zu machen. Dass das bei Zitrusfrüchten gemacht wird und man ihre Schalen deshalb nicht zum Kochen verwenden sollte, wissen die meisten und achten darauf, als „unbehandelt“ gekennzeichnete oder Biozitrusfrüchte zu kaufen, wenn sie die Schale mitverarbeiten wollen. In diesem Zusammenhang sollten Sie den Begriff „Kochen“ übrigens nicht allzu eng auslegen. Ich würde zum Beispiel auch davon abraten, Limetten mit behandelter Schale für einen Caipi zu verwenden. Denn Alkohol ist auch für viele Pestizide ein gutes Lösungsmittel …

Bei Kartoffeln ist die Behandlung der Schale genauso verbreitet, aber kaum bekannt. Auch hier können Mittel zur Behandlung der Schale eingesetzt werden, die die Kartoffel länger frisch halten sollen, darunter auch Wirkstoffe, die von der Schale ins Innere der Kartoffel wandern und das Auskeimen verhindern. Schälen hilft bei solchen Wirkstoffen also herzlich wenig. Auf der total sicheren Seite ist man deshalb erst, wenn man komplett auf unbehandelte Kartoffeln umsteigt.

Tipps für Ihren nächsten Einkauf

Wenn Sie das nächste Mal im Supermarkt sind, dann achten Sie auf die Bezeichnung, und vergleichen Sie das, was Sie erwarten würden, mit der Bezeichnung, die tatsächlich auf dem Produkt steht. Nehmen wir an, Sie wollen Fetakäse kaufen, also einen griechischen Schafskäse, und finden im Kühlregal ein Produkt mit dem klangvollen Namen „Hirtenkäse“ oder „Balkan-Käse“, das man auf den ersten Blick durchaus für Fetakäse halten könnte. Mit einem Blick auf die Bezeichnung (zum Beispiel „Deutscher Käse aus Kuhmilch, in Salzlake gereift“) erkennen Sie sofort, was Sie hier tatsächlich vor sich haben. Oder wenn Sie Rinderhackfleisch erwarten und stattdessen „Zubereitung aus Rinderhackfleisch mit pflanzlichem Eiweiß“ lesen, dann wissen Sie auch gleich, dass Sie hier nicht das bekommen, was Sie eigentlich haben wollen, noch bevor Ihnen das Zutatenverzeichnis (oder die Tageszeitung) verrät, dass da nur 70 Prozent Fleisch drin sind.

 

Was drin ist, steht auch drauf? –
Das Zutatenverzeichnis im Detail

Der Blick auf die Bezeichnung kann natürlich nur ein erster Hinweis darauf sein, was ein Produkt tatsächlich enthält. Schließlich gibt es etliche rechtliche Vorschriften zur Bezeichnung, die man (selbst wenn man das zufällig beruflich macht) gar nicht alle im Detail auswendig wissen kann. Genau diese Vorschriften legen aber beispielsweise fest, dass in Kalbsleberwurst ganz legal massig Schweinefleisch und sogar Schweineleber enthalten sein dürfen oder dass Bayerischer Leberkäse keine Leber enthalten muss. Man kommt also trotz der Bezeichnung in der Regel nicht daran vorbei, sich auch das Zutatenverzeichnis einmal genauer anzuschauen.

Aus rechtlicher Sicht gibt es für das Zutatenverzeichnis im Wesentlichen nur zwei wichtige Vorgaben: Erstens muss am Anfang eine Überschrift stehen, die das Wort „Zutaten“ enthält, und zweitens müssen alle Zutaten in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels aufgelistet werden. Je mehr von einer Zutat eingesetzt wird, desto weiter vorne steht sie also. So weit die Theorie. Aber, wie so oft, steckt auch hier der Teufel im Detail. Beim Zutatenverzeichnis gibt es nämlich diverse Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen, sodass man als „normaler“ Kunde nach der heutigen Rechtslage eigentlich keine Chance hat, herauszufinden, wie ein Lebensmittel genau zusammengesetzt ist, geschweige denn, was tatsächlich in einem Produkt drin ist. Einiges verraten uns die Etiketten zwar, aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Verabschieden Sie sich am besten von der oft propagierten Vorstellung „Was drin ist, steht auch drauf“.

Christoph Wiedmer

Über Christoph Wiedmer

Biografie

Christoph Wiedmer, Jahrgang 1992, studierte Lebensmittelchemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, promovierte am Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in München-Freising und absolvierte danach eine Ausbildung zum staatlichen geprüften Lebensmittelchemiker....

Inhaltsüberblick
  • Lebensmittelkennzeichnung: Was steht drauf, was ist drin?
  • Zusatzstoffe und Aromen: Was machen die eigentlich?
  • Fleißbildchen für Lebensmittel? Was Gütesiegel wirklich bedeuten
  • Chia, Goji und andere Trend-Lebensmittel: Superfoods oder nur ein Supermarketing?
  • Wenn’s auch mal ein bisschen mehr sein darf: Nahrungsergänzungsmittel und Fitnessfood
  • Essen kann tödlich sein – aber wer und was schützt uns eigentlich davor?
Pressestimmen
G+G – Gesundheit und Gesellschaft

„Sein wertvolles Wissen bildet die Basis für sein fachlich versierten, informativen Ratgeber zu all den bunten Produkten in unserem Einkaufswagen.“

Radio Weser TV „WortART“

„Spannender Ratgeber“

Nachrichten aus der Chemie

„Dass er von sich behauptet, er habe Hauttyp Weißmehl 405 und Oberarme wie Taylor Swift, macht das Buch nicht weniger interessant für alle Foodies, Clean Eater und normale Esser.“

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