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Die Neugier ist mein KompassDie Neugier ist mein Kompass

Die Neugier ist mein Kompass

Carmen Rohrbach
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Abenteuer aus aller Welt

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Die Neugier ist mein Kompass — Inhalt

Carmen Rohrbach träumte schon als Kind vom Erkunden fremder Kulturen und hat bis heute unzählige Länder besucht. Mit ungebrochener Reiselust sucht sie den Kontakt mit den Einheimischen, erfreut sich an der Geschichte und den Sehenswürdigkeiten ihrer Ziele, an der Natur und landschaftlichen Schönheit – von der Eifel bis nach Ecuador. Und lässt den Leser mit ihren lebendigen und kenntnisreichen Schilderungen an ihren Abenteuern teilhaben.

Nach dem überwältigenden Erfolg von „Unterwegs sein ist mein Leben“ hat Carmen Rohrbach erneut größtenteils unveröffentlichte Berichte von ihren Reisen zu einem spannenden Best-of zusammengefasst.

€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 01.09.2016
320 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-40605-5
Download Cover
€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 01.09.2016
320 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97360-1
Download Cover

Leseprobe zu „Die Neugier ist mein Kompass“

Vorwort

Seit vier Jahrzehnten widme ich mein Leben dem Reisen und Schreiben und habe dabei die unterschiedlichsten Landschaften kennengelernt: Wüsten, Gebirge, Vulkane, Flüsse. Es sind die wilden Gegenden, die mich anziehen. Gebiete, die von uns Menschen nicht oder kaum verändert wurden. In dieser eigentlich lebensfeindlichen Umwelt fühle ich mich sicher und geborgen. Die Einsamkeit in der Natur ist für mich beglückend, sie erfüllt mich mit Freude und bereichert mein Dasein. Umso schöner dann der Kontrast, wenn ich wieder auf Menschen treffe, die mich [...]

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Vorwort

Seit vier Jahrzehnten widme ich mein Leben dem Reisen und Schreiben und habe dabei die unterschiedlichsten Landschaften kennengelernt: Wüsten, Gebirge, Vulkane, Flüsse. Es sind die wilden Gegenden, die mich anziehen. Gebiete, die von uns Menschen nicht oder kaum verändert wurden. In dieser eigentlich lebensfeindlichen Umwelt fühle ich mich sicher und geborgen. Die Einsamkeit in der Natur ist für mich beglückend, sie erfüllt mich mit Freude und bereichert mein Dasein. Umso schöner dann der Kontrast, wenn ich wieder auf Menschen treffe, die mich Anteil an ihrem Leben nehmen lassen. Während der Natur meine Liebe gehört, faszinieren mich die Begegnungen mit Menschen, sei es auf dem Land oder in der Stadt.

Dieses Reiseleben habe ich mir nicht ausgesucht, ich wurde wohl einfach mit dem Abenteuer-Gen geboren. Kaum konnte ich die ersten selbstständigen Schritte machen, nahm ich diese geheimnisvolle Linie zwischen Himmel und Erde wahr. Ich wusste nicht, dass man sie Horizont nennt – aber dorthin wollte ich, wollte sehen, was sich dahinter verbirgt. Diese Neugier, verbunden mit Mut und Abenteuerlust, scheint mir also angeboren. Doch nie wollte ich reisen nur um des Reisens willen, sondern stets mit einem Auftrag, einer Zielsetzung, um zu entdecken, zu beobachten, zu beschreiben und die Erlebnisse an andere Menschen weiterzugeben. Reisen und dabei Neues erkunden ist für mich eine Leidenschaft und als Autorin mein Beruf geworden.

Mit meinen Geschichten möchte ich bewusst machen, wie wunderbar unsere Erde ist, wie vielfältig, schön und voller Überraschungen. Sie ist es wert, erhalten und beschützt zu werden. Einige meiner Touren liegen länger zurück, andere habe ich erst vor Kurzem durchgeführt. Über manche meiner Erlebnisse habe ich bereits berichtet, doch der Großteil blieb bisher undokumentiert.

Meine abenteuerlichen Reisen unternehme ich stets allein und meist zu Fuß, ab und zu in Begleitung von Esel, Pferd oder Kamel. Alles ist mir bei meinen Wanderungen gleich wichtig, die Blumen und Gräser am Wegesrand, die Gesteine und Tiere, die Menschen und ihr traditionelles Leben; erzählenswert ist aber auch, welche geschichtlichen Ereignisse sich einst abgespielt haben. Über die Gegenwart hinaus fasziniert mich die Vergangenheit.

Auf meinen frühesten Unternehmungen konnte ich noch von Menschen unbeeinflusste Wildnis erleben, die uns inzwischen mehr und mehr verloren geht. Doch immer wieder erlebe ich auch, dass sie dort zurückkehrt, wo wir Menschen uns zurückziehen und der Natur Raum geben. Allerdings nicht so wie vor der Zerstörung, denn eine ausgestorbene Tier- oder Pflanzenart kann nicht wieder aus dem Nichts entstehen. Dafür entwickelt sich etwas anderes, Neues, und dies zu entdecken und zu bewahren, könnte eine unserer Aufgaben sein.

Die Geschichten sind nicht chronologisch, sondern nach Landschaftsformen geordnet. Jeder Erzählung habe ich eine Erläuterung vorangestellt, wann die Reise stattfand und warum ich dieses Gebiet auswählte. Am Ende des Buches folgt ein Anhang mit Informationen zu den einzelnen Reisen, zu Land und Leuten und mit Kommentaren, wie sich die Lage in den besuchten Gebieten heute darstellt.


WEGE - So weit die Füße tragen

(Philippinen, Deutschland, Frankreich, Spanien)


PHILIPPINEN - Der weite Weg nach El Nido

Der Anlass meiner Philippinenreise im Jahr 1984 war ein Dokumentarfilm, der auf Palawan gedreht werden sollte. Wir waren ein kleines Team von nur drei Personen und suchten den Kontakt zu Menschen, die zurückgezogen im Urwald unter steinzeitlichen Verhältnissen lebten. Als das Projekt abgeschlossen war, reiste ich allein weiter, um die Insel zu erkunden und die Bevölkerung kennenzulernen.

Palawan, eine der über 7000 Inseln der Philippinen, liegt lang gestreckt im Westen des Archipels. Die nördlichste Ortschaft El Nido sollte mein Ziel sein. Sie ist 250 Kilometer von der Inselhauptstadt Puerto Princesa entfernt, wo ich meine Wanderung begann.

„Where are you going?“, ruft plötzlich jemand.

Erschrocken zucke ich zusammen, aber niemand ist zu sehen. Hohe Maisstauden neben dem schmalen Pfad versperren mir die Sicht. Zögernd bleibe ich stehen. Da bewegt sich die Pflanzenmauer, und ein Mann tritt heraus. Er ist barfuß, in der Hand hält er eine Hacke. Ein rotes Stirnband bändigt seine langen Haare, das Hemd ist verschwitzt und staubig. Als ich ihm sage, dass ich nach El Nido gehe, schüttelt er staunend den Kopf. Höflich bittet er mich, sein Gast zu sein. Er meint, ich müsse mich ausruhen, weil ich einen so weiten Weg vor mir hätte.
Sein kleines Haus steht auf Stelzen, ist mit Palmwedeln bedeckt und hat Wände aus geflochtenen Matten. Innen begrüßt mich freundlich Clarita, die Frau von Tulduang, wie er sich mir vorgestellt hat. Auch sie beherrscht die englische Sprache. Vier Kinder schauen mich neugierig aus dunklen Augen an. Bald haben sie ihre Scheu verloren, probieren an mir ihr Schulenglisch aus und plaudern drauflos.
Tulduang ist mit seiner Familie erst vor zwei Jahren nach Palawan gekommen, zuvor lebten sie auf einer anderen philippinischen Insel.
„Dort war das Wetter furchtbar. Wirbelstürme haben immer wieder die Ernte vernichtet und unser Leben bedroht“, erzählt Clarita. Deshalb wollen sie sich hier eine neue Existenz aufbauen.
„Sechs Hektar Land habe ich schon gerodet“, berichtet Tulduang stolz.

Palawan ist die fünftgrößte Insel der Philippinen. 400 Kilometer lang, aber an keiner Stelle breiter als 40 Kilometer, liegt sie zwischen dem Südchinesischen Meer und der Sulusee, die zum Pazifik gehört. Ein Gebirge zieht sich wie ein Rückgrat längs durch die schmale Insel. Mit 2073 Meter ist der Mantalingajan der höchste Gipfel dieses Bergmassivs.
Palawan wurde erst spät dem philippinischen Hoheitsgebiet zugeordnet. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts regierten hier muslimische Sultane. Die Spanier hatten im 16. Jahrhundert die anderen philippinischen Inseln unterworfen, doch die Eroberung Palawans war ihnen nicht gelungen. Noch heute ist der islamische Einfluss im Süden der Insel spürbar. Immer wieder flammt Widerstand gegen die Regierung auf.

Palawan war lange Zeit ein ungestörtes Naturparadies, bis Zuwanderer aus übervölkerten Gebieten der Philippinen auf diese westliche Insel strömten. Als ich Palawan besuchte, wucherte noch unberührter Dschungel im Bergland, und auch an der Küste lebten nur wenige Menschen. Die Einwanderung von Neusiedlern, die für ihre Felder immer mehr Platz benötigen, hatte gerade erst begonnen. Mit Brandrodung verdrängten sie die ursprüngliche Vegetation, und später vollendete die Holzindustrie das Vernichtungswerk.
Als ich mich nach meiner Rast verabschieden will, wollen Clarita und Tulduang mich nicht gehen lassen. Das nächste Anwesen sei zu weit entfernt, vor der Dunkelheit könne ich es nicht erreichen. „Übernachte bei uns. Wir haben eine Schlafmatte für dich“, sagen sie.
Zum Abendessen gibt es Reis und gekochte Maniokwurzel, die auf den Philippinen cassava genannt wird. Zusammen mit den Eltern und Kindern hocke ich auf dem Holzboden, eine große Schüssel steht in der Mitte. Wir essen mit den Händen. Ein Glas mit Petroleum und einem Docht aus Pflanzenfasern spendet Licht. Als wir satt sind, kehrt Clarita die Essensreste durch die Lücken zwischen den Dielenbrettern. Lautes Grunzen ertönt. „Das sind unsere Schweine“, sagt sie lachend, als ich überrascht aufblicke, und ich erinnere mich, dass ich unter dem Pfahlbau eine schwarze Sau mit ihren Ferkeln gesehen hatte. Jetzt machen sie sich über die Reste unseres Mahls her.
Matten werden auf dem Boden ausgerollt, und ich lege mich inmitten der Familie zum Schlafen nieder. In der Nacht regnet es heftig. Tropfen fallen mir durchs Palmblätterdach mitten ins Gesicht. Im Dunkeln erkenne ich einen Schatten. Es ist Clarita, die geschickt innen an den Bambusstangen bis zum Dachfirst hochklettert und die Blätter zusammenzieht, sodass kein Regen mehr eindringen kann. Am nächsten Morgen besteht sie darauf, dass ich erst noch frühstücke. Sie kocht wieder Reis und freut sich über mein Abschiedsgeschenk, eine Tüte Bohnenkaffee sowie Kekse für die Kinder.

Reisfelder bedecken das Land so weit ich blicken kann. Wasserbüffel suhlen sich im Schlamm oder ziehen den Pflug durch morastigen Boden. Der Wasserbüffel oder carabao, wie er auf den Philippinen genannt wird, ist trotz seiner Furcht einflößenden Hörner und der imposanten Größe ein gutmütiges Tier. Ich sehe junge Mädchen auf Büffeln reiten, und es gehört zu den Aufgaben der Kinder, ihn nach der Arbeit zu seinem Wasserloch zu führen. Die Haut des Wasserbüffels ist empfindlich gegen Sonnenstrahlen, deswegen suhlt er sich gern in schlammigen Tümpeln und schützt seine Haut mit einer dicken Lehmschicht.
Schon nach weniger als einer Stunde, nachdem ich mich von meinen Gastgebern verabschiedet habe, erreiche ich wieder eine Siedlung aus Pfahlhäusern, dabei hatte Tulduang doch behauptet, weit und breit sei nur unbewohntes Land. Kinder haben mich entdeckt und laufen mir neugierig entgegen. Ich bin erstaunt, dass selbst die Kleinsten schon Englisch sprechen. „Meine Schwester geht in die Schule. Von ihr lerne ich Englisch“, erklärt ein vielleicht fünfjähriger Junge. Lächelnd kommt die Mutter hinzu. „Bitte, komm ins Haus. Ich rufe gleich meinen Mann, er pflügt gerade das Feld. Er wird sich freuen, dich kennenzulernen, denn bei uns kommt selten jemand vorbei.“ Und schon beauftragt sie einen ihrer Söhne, den Vater zu holen.
Am Anfang meiner Wanderung glaube ich noch, diese freundlichen und liebenswürdigen Begegnungen seien eine Ausnahme, doch ähnliche Szenen wiederholen sich immer wieder. Ein Gefühl von Verlegenheit und Scham breitet sich in mir aus. Womit habe ich diese Herzlichkeit verdient?

Eines Morgens, als ich wieder durch eine Ortschaft komme, läutet gerade die Schulglocke. Kinder mit Ranzen auf dem Rücken, die Jungen mit blauen Hosen und weißen Hemden, die Mädchen in bunten Kleidern, schlendern mit fröhlichen Gesichtern lachend und scherzend zur Schule, was aber nicht bedeutet, dass sie das Lernen nicht ernst nehmen. Die Schule ist für sie wichtig, das scheint schon den Jüngsten bewusst zu sein. Von einer guten Schulbildung erhoffen sie sich ein besseres Leben, höre ich von Kindern und ihren Eltern. Selbst die ärmsten Familien bringen irgendwie das Geld auf, um ihren Nachwuchs möglichst auf höhere Schulen und Colleges zu schicken, wobei die Mädchen nicht benachteiligt werden. Wenn ihnen das Lernen Spaß macht, bekommen sie die gleiche Ausbildung wie die Jungen.

Als ich in der Fischersiedlung Abongan nach einer Unterkunft für die Nacht frage, schicken mich die Leute zum Barangay-Captain, wie der Dorfälteste hier heißt. Barangay ist die Bezeichnung für seetüchtige Auslegerboote, mit denen vor etwa 2000 Jahren malaiische Völker zu den Philippinen übersetzten. Die neuen Siedlungen benannten sie nach diesen Booten, und der Bootsführer wurde meist Anführer im Dorf. Erstaunlich, dass sich diese Bezeichnung über den langen Zeitraum bis heute erhalten hat.
Die Inseln waren damals schon bewohnt, denn während der Eiszeit gab es eine Landbrücke zum asiatischen Festland, sodass Menschen der Steinzeit leicht einwandern konnten. Später wich diese Urbevölkerung der Übermacht der Neuankömmlinge, zog sich in den unwegsamen Urwald der Berge zurück und ist heute durch Abholzung der Wälder besonders bedroht.
Der Dorfvorsteher bringt mich zum Haus seiner Schwester. Als am nächsten Tag im Dorf eine Hochzeit gefeiert wird, werde ich dazu eingeladen. Die junge Braut sieht aus wie eine Prinzessin. Sie trägt ein kostbares, mit Spitzen besetztes weißes Seidenkleid und einen hauchdünnen Schleier. Inmitten der einfachen ländlichen Umgebung wirkt diese teure Ausstattung unwirklich, eher wie eine Filmszene.
Der Hochzeitszug formiert sich. An der Spitze, allen voran, geht der Bräutigam in einem schwarzen Anzug mit weißem Hemd, hinter ihm folgen in Zweierreihen die Verwandten. Am Ende kommt die Braut, neben ihr die Mutter. So ziehen sie durchs Dorf zu der kleinen, mit Palmblättern bedeckten Holzkirche. Das Paar wird von einem katholischen Pfarrer getraut. Er ist von Taytay, einer etwas größeren Ortschaft, mit dem Boot extra für die Hochzeit angereist.
Lange glaubten die Einheimischen an Naturgottheiten, bis sie von den Spaniern vor 400 Jahren unterworfen und missioniert wurden. Sie übernahmen den katholischen Glauben, und heute sind die Philippinen das einzige asiatische Land, in dem über 90 Prozent der Einwohner katholisch sind.
Nach der Trauung führt das junge Ehepaar die Gäste zum Dorfplatz, der mit Matten aus geflochtenen Palmblättern bedeckt ist. Das Paar nimmt auf Stühlen Platz und blickt hoheitsvoll in die Menge. Verwandte, Freunde und Bekannte treten einzeln heran, wünschen ihnen Glück und Segen und heften der Braut einen Geldschein ans Kleid. Bald ist sie über und über damit bedeckt.

Auf den Philippinen ist es Aufgabe der Frau, die Familie zu erhalten und zu bewahren, denn sie verwaltet das Familieneinkommen. Ein Relikt aus vorkolonialer Zeit, als es noch das Matriarchat gab. Damals hatten Frauen eine bevorzugte Stellung. Sie besaßen eigene Felder und Vieh, konnten Tausch betreiben und sogar einem Dorfverband vorstehen. Als Wahrsagerinnen und Heilerinnen nahmen sie eine hohe Stellung ein. Nach der Heirat zog der Mann an den Wohnort der Frau, und auch die Namensgebung der Kinder und das Erbrecht waren mütterrechtlich geregelt. Als die christliche Missionierung ab dem 16. Jahrhundert begann, verloren die Frauen fast alle ihre Rechte. Sie wurden entmündigt, auf die Hausfrauen- und Mutterrolle beschränkt und waren fortan den Männern untertan. Dennoch, trotz der jahrhundertelangen spanischen Herrschaft, blieben Reste früherer Normen erhalten. So ist es die Mutter und nicht, wie bei uns üblich, der Vater, die die Tochter zum Altar führt, und es ist die Braut, die die Geldgeschenke der Verwandtschaft erhält.
Auf Holzfeuern kochen riesige Töpfe mit Reis, fünf Schweine werden geschlachtet. Eine Dorfhochzeit ist teuer, alle müssen ihren Anteil bekommen. Keiner der 300 Einwohner darf übergangen werden, denn das würde lebenslange Feindschaft bedeuten.

Von Abongan sind es noch gut 50 Kilometer bis El Nido. Ich kann wählen, ob ich von hier mit einem Boot an der Küste entlangfahre oder quer durchs Land laufe. Man warnt mich, es sei ein einsamer, von Vegetation überwucherter Pfad und ich könnte mich leicht verirren. Ich müsse durch Wasser und Morast waten, zudem würden Krokodile in den Flüssen lauern. Aber gerade diese Schwierigkeiten fordern meine Abenteuerlust heraus. Das erste Mal in meinem Leben liegt vor mir ein Gebiet ursprünglicher Wildnis, nach der ich mich immer schon gesehnt habe. Ich will diese Erfahrung unbedingt machen.
Inzwischen hat der Monsun begonnen, und der Habágat, der Südwestwind, bläst jeden Tag dunkle Regenwolken heran. Es ist schwül und feucht, meine Kleidung trocknet kaum noch nach den täglichen Regengüssen. Der Pfad verwandelt sich in einen Bach, knietief wate ich durchs Wasser. Es wird immer mühsamer, voranzukommen. Aber das Wetter hat auch einen Vorteil, es ist weniger heiß, und die Moskitos können mich nicht piesacken. Der dichte Dschungel glänzt in seiner regennassen Schönheit. Die Blätter glitzern voll perlender Tropfen.
Dann erreiche ich den ersten Fluss, den ich durchqueren muss. Trübbraune Lehmfluten wälzen sich im Bett und überspülen bedrohlich das Ufer. Ob ich da durchkomme? Werden die Fluten mich nicht mitreißen? Vorsichtig taste ich mit den Füßen über den steinigen Grund. An der tiefsten Stelle reicht mir das Wasser bis zur Taille. Doch die Strömung ist nicht sehr stark. Gestützt auf einen Stock, den Rucksack auf dem Kopf balancierend, gelingt es mir, das andere Ufer zu erreichen. Dort atme ich erleichtert auf, bis mir einfällt, dass die Leute erzählten, in den Flüssen würden Krokodile leben. Mir fährt der Schreck in die Glieder. Schnell entferne ich mich vom Ufer. Nach etwa zwei Stunden liegt der nächste Fluss vor mir. Er ist wild und reißend. Mir ist klar, da komme ich nie und nimmer hindurch. Um in Ruhe überlegen zu können, packe ich den Proviant aus und koche mir eine Suppe. Gestärkt erkunde ich die Umgebung und entdecke einen kaum sichtbaren Pfad. Er führt am Fluss entlang durch alles überwuchernde Vegetation. Am Abend erreiche ich das Dorf Cataban, einsam mitten im Urwald gelegen. Ich hatte nicht erwartet, auf meinem Weg durch die Wildnis Menschen zu begegnen, denn auf meiner Karte war kein Dorf vermerkt. Der Dorfälteste schickt mich zu Cresilda Gonzales. Sie wohne allein und habe genug Platz, sagt er. Cresilda empfängt mich erfreut. Sie empfindet es als Auszeichnung, dass sie mich beherbergen darf. Sie ist 70 Jahre alt, doch ich hätte sie jünger geschätzt, denn ihr Haar, zu einem Pferdeschwanz gebunden, ist noch rabenschwarz. In ihrem Gesicht mit den hohen Wangenknochen leuchten fröhliche Augen.
„Vor 20 Jahren kamen wir hierher. Wegen der Taifune mussten wir unsere Heimat auf einer anderen philippinischen Insel verlassen“, erzählt sie. „Damals war hier nichts als Urwald. Es war harte Arbeit, bis wir das Land für die Felder gerodet und die Häuser gebaut hatten, doch jetzt fühlen wir uns hier zu Hause.“
Wir sitzen zusammen auf dem Lattenboden ihres Häuschens, das, wie die anderen, auf Pfählen errichtet wurde, die beste Bauweise in dieser immer feuchten Umgebung.
Cresilda lebt allein. Schon seit vielen Jahren ist sie Witwe, und Kinder hat sie keine. Sie ist darüber traurig und empfindet ihre Kinderlosigkeit als Makel.
„Alle anderen Frauen im Dorf haben Nachwuchs“, klagt sie. „Nur mir hat Gott kein Glück geschenkt.“ Als sie erfährt, dass auch ich keine Kinder habe, wirkt sie einen Moment erleichtert. Nun ist sie nicht mehr die einzige vom Schicksal geschlagene Frau. Doch gleich lächelt sie mir aufmunternd zu: „Du bist jung. Du kannst noch viele bekommen.“

Die Wege in der kleinen Ortschaft sind mit Gras bewachsen. Autos gibt es hier nicht, höchstens einmal einen von Wasserbüffeln gezogenen Karren. Die Dorfbewohner haben auch kein Fernsehen, keine Zeitung, keinen elektrischen Strom, aber sie sehen zufrieden aus. Es scheint, als würden sie nichts entbehren.

Am nächsten Tag bringt mich ein Nachbar Cresildas mit seinem Kahn ans andere Ufer des Flusses. Nebel liegt wie ein zarter Schleier über dem Bergwald. Ein Pfad führt weiter durch den Dschungel, doch dann lichtet sich das Dämmergrün, und ich erblicke die Weite des Meeres. Steil fallen schwarzgraue Klippen hinab in die tosende Brandung. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine wildere Küste gesehen zu haben. Beschwingt wandere ich oberhalb der Steilküste entlang, dann führt der Pfad mich wieder hinein in den Urwald. Dort kämpfe ich mich durch die tropfnasse Pflanzenwelt, eine Wildnis scheinbar ohne Tiere, nicht einmal Blutegel oder Moskitos machen sich bemerkbar. Ich verliere das Zeitgefühl, gehe und gehe. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit trete ich aus dem Wald. Vor mir breitet sich gerodetes Land aus, verbrannte Baumstümpfe ragen aus einem frisch angepflanzten Reisfeld.

Zuerst rieche ich es, das Meer, dann höre ich auch seinen Wellenschlag und weiß, ich habe mein Ziel erreicht. Umgeben von senkrechten Kalksteinfelsen liegt El Nido, spanisch für „Nest“, an einer flachen Meeresbucht. Vielleicht trägt der Ort wegen dieser geschützten Lage seinen Namen. Möglicherweise wurde die Siedlung aber auch nach den Vogelnestern benannt, die an den Felswänden kleben. Die Salanganen bauen ihre Nester aus Speichel, einem zähflüssigen Sekret, das sich an der Luft zu einer gummiartigen Masse verfestigt. Unter chinesischen Feinschmeckern gelten diese Nester als lukullische Spezialität, für die hohe Preise bezahlt werden. Deshalb riskieren manche Einwohner von El Nido immer wieder ihr Leben bei gefährlichen Klettertouren, um die Nester einzusammeln. Für die meisten aber ist das Meer die Existenzgrundlage. Wer kein Boot besitzt, fischt zu Fuß von der Küste aus. Das Netz wird in der flachen Bucht ausgeworfen und dann vom Strand aus eingeholt. Als ich neugierig zuschaue, werde ich von den Männern spontan aufgefordert, kräftig mitzuziehen. Groß ist der Fang nicht: ein paar Hornfische, ein Tintenfisch und sonstige Fischchen, klein wie Sardinen. Wieder und wieder wird das Netz ausgeworfen.

Am Abend sitze ich am Strand. Das gleichförmige Spiel der Wellen vermittelt den Eindruck von Ewigkeit. Ich nehme das friedliche Bild in mich auf. Die einfachen Hütten auf hohen Pfählen, umgeben von schlanken Palmen, im Hintergrund die bizarren dunklen Felsen. Freundliche Menschen sitzen im warmen Abendlicht plaudernd zusammen. Ein Mädchen in einem roten Kleid und mit flatternden schwarzen Haaren rennt vorbei, in der Hand schwenkt es einen silbern glänzenden Fisch. El Nido, im äußersten Winkel der kleinen Insel Palawan gelegen, wirkt auf mich, als wäre es unverändert immer so gewesen und als würde es immer so bleiben. Ein Leben in Gleichmaß und Zeitlosigkeit.


DEUTSCHLAND - Osterspaziergang in der Eifel

Im Jahr 1985 konnte ich es wieder einmal nicht erwarten, bis endlich der Frühling kam. Um das Warten unterhaltsamer zu gestalten, beschloss ich, dem Frühling entgegenzugehen. Die freien Tage zu Ostern kamen mir gerade recht. Mein Ziel war die Eifel. Als ehemaliges Vulkangebiet hat dieses Mittelgebirge eine spannende geologische Vergangenheit.

Über dem Bienenhaus trillern zitronengelbe Girlitze in den noch kahlen Baumkronen. Es ist Karfreitag am frühen Morgen. Die Luft duftet wie frische Wäsche.
Acht Tage will ich in der Eifel wandern. Gestern bin ich gestartet, bin mit dem Zug bis Koblenz und dann mit dem Bus nach Prüm gefahren. Bei meiner Ankunft am späten Nachmittag begrüßte mich Nieselregen. Tatendurstig trieb es mich dennoch hinaus in die Landschaft. Ich schulterte den Rucksack, schlüpfte unter den Regenponcho und schritt drauflos. Das leichte Tröpfeln verwandelte sich bald in einen heftigen Landregen, der Boden weichte auf, und die Wiesen wurden zu Seen. Die Abenddämmerung senkte sich über das Land, und ich hatte noch immer keinen trockenen Platz für mein Zelt gefunden. Im Dörfchen mit dem seltsamen Namen „Tafel“ war kein Mensch auf den regennassen Straßen zu sehen, vergeblich suchte ich nach einem Gasthaus zum Übernachten. Es blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzuwandern. Es regnete noch immer, als ich am Waldrand ein winziges Holzhäuschen entdeckte. Die Tür ließ sich öffnen. Innen reihten sich Bienenkästen aneinander. Vorsichtig legte ich mein Ohr an die Kästen. Stille, kein Laut, kein Summen. Dabei schlafen Bienen im Winter nicht, sondern regulieren durch Flügelschlagen die Temperatur im Kasten, ernähren sich vom gesammelten Vorrat und warten auf den Frühling.
Im Raum war es trocken und warm. Auf dem schmalen Gang zwischen den Kästen breitete ich Matte und Schlafsack aus. Ich war mir sicher, dass keine Biene und kein Imker und auch sonst niemand mich in dieser regnerischen Nacht stören würde. Und so schlief ich tief und fest.

Als das Morgenlicht durch ein Fensterchen scheint, wache ich auf. In Minutenschnelle packe ich meinen Rucksack, blicke mich noch einmal im Raum um. Keine Spur bleibt zurück, niemand wird feststellen können, dass mir das Bienenhaus für eine Nacht als Notquartier gedient hat. Sorgfältig schließe ich die Tür hinter mir.

Carmen Rohrbach

Über Carmen Rohrbach

Biografie

Carmen Rohrbach, geboren in Bischofswerda, ist Entdeckerin aus Leidenschaft. Sie studierte Biologie in Greifswald und Leipzig und schloss mit der Promotion in München ab. Ihre Reisen führten sie nach Südamerika, Afrika, Asien und Arabien, auf dem Jakobsweg durch Frankreich und Spanien und entlang...

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