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Der Erschaffer (Die Spin-Trilogie 3)

Der Erschaffer (Die Spin-Trilogie 3)

Andrew Bannister
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Roman

„Andrew Bannister ist und bleibt ein äußerst ungewöhnlicher Schriftsteller. Nicht nur der Inhalt der Geschichte, auch sein Schreibstil findet mit diesem Band seinen Höhepunkt.“ - lovelybooks.de

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Der Erschaffer (Die Spin-Trilogie 3) — Inhalt

Ein virtueller Krieg entbrennt!

Die Spin-Galaxie steht kurz vor ihrem Ende. Ihre letzten Bewohner versuchen, in ein virtuelles Paradies zu entfliehen. Doch die riesigen Server, die das stetig wachsende Paradies instand halten, stellen eine gewaltige Bedrohung dar: Sie verschlucken Energie und Ressourcen und produzieren Hitze. So entbrennt ein Krieg zwischen der Realität und der Virtualität, den scheinbar nur ein uraltes Artefakt – der Erschaffer – stoppen kann. Als das insektoide Wesen Scarbo die zunehmenden Anzeichen des Untergangs erkennt, begibt er sich auf eine verzweifelte Reise in den Spin. So wird Scarbo nicht nur überraschend zu einem Vermittler im virtuellen Krieg, sondern möglicherweise auch zum Retter der Menschheit ...

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 04.12.2018
Übersetzt von: Simon Weinert
400 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99223-7
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Leseprobe zu „Der Erschaffer (Die Spin-Trilogie 3)“

Friedensgraben und Hochebene, Sholntp (Vrealität)

Sie liebten sich, weich gebettet auf lebendigem Moos, auf dem flachen Felsen der Spornspitze der Bugformation, einer unglaublich schlanken Tuffsteinnase, die mehrere Hundert Meter senkrecht über dem Abgrund des Friedensgrabens aufragte.

Hels hatte sich lächelnd umgedreht und saß nun rittlings auf ihm. Sie hatte bewusst ihre menschliche Grundgestalt angenommen, und der Anblick ihres Körpers aus seiner Perspektive hätte ihn eigentlich erregen sollen, hätte eigentlich direkt sein Hinterhirn erreichen sollen, [...]

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Friedensgraben und Hochebene, Sholntp (Vrealität)

Sie liebten sich, weich gebettet auf lebendigem Moos, auf dem flachen Felsen der Spornspitze der Bugformation, einer unglaublich schlanken Tuffsteinnase, die mehrere Hundert Meter senkrecht über dem Abgrund des Friedensgrabens aufragte.

Hels hatte sich lächelnd umgedreht und saß nun rittlings auf ihm. Sie hatte bewusst ihre menschliche Grundgestalt angenommen, und der Anblick ihres Körpers aus seiner Perspektive hätte ihn eigentlich erregen sollen, hätte eigentlich direkt sein Hinterhirn erreichen sollen, ungeachtet der paar Hundert Millionen Jahre Menschheitsgeschichte als höhere Spezies.

Es war … schön, ja, das musste er zugeben. Sie sah großartig aus. Primitiv. Tierisch sogar und vielleicht auch ein wenig ekelhaft, womit er allerdings kein Problem hatte. Und es fühlte sich gut an. Nicht großartig, aber auf jeden Fall gut.

Doch sie war ihm im Weg. Er musste sich beherrschen, um sich nicht seitlich zu drehen und an ihr vorbeizuspähen.

Im Querschnitt war der Friedensgraben beinahe rechteckig, ungefähr zwei Kilometer tief und genauso breit. Von der Hochfläche ringsum unterschied er sich in allem. In seinem Innern war er tropisch, während oben gemäßigt kühle Temperaturen herrschten. Im Innern war er exotisch, während oben allgemeine Eintönigkeit überwog. Er leuchtete in sämtlichen Farben, während auf der Hochebene Heide und stumpfe Grasflächen in mattem Blau, Grün und Grau dominierten. In der Nähe der Abbruchkante gab es auch einen Streifen, der ein paar Dutzend Meter breit war und mit dickem rostfarbenem Moos bewachsen war, das in der feuchtwarmen, leicht radioaktiven Luft gedieh, die aus dem Graben aufstieg.

Hels kam in Fahrt. Er stieß die Hüften nach oben und grunzte ihr aufmunternd zu.

Der Graben war das Ergebnis des letzten Versuchs, einen Krieg zu beenden. Er hatte nie Gewissheit darüber erlangt, ob es ein Erfolg gewesen war oder nicht. Sicher, der Krieg war damit beendet worden, es war also vordergründig gelungen. Auch in der Erinnerung. Schließlich hieß der Ort auch hunderttausend lokale Jahre danach noch der Friedensgraben – selbst nachdem man alles bis auf seinen Namen vergessen hatte, sogar den Krieg selbst.

Das war einer der Hauptgründe dafür, dass er diesen Ort besuchte, wenn es sich einrichten ließ. Um sich zu erinnern. Schließlich hatte er es miterlebt – hatte zugeschaut, wie die flammenden Schiffe abgestürzt waren.

Miterlebt. Er schreckte vor dem Wort verursacht zurück.

Etwas näherte sich dem Höhepunkt. Er verscheuchte die Gedanken und bäumte sich auf, den drängenden Bewegungen entgegen.

Dies war der hundertste Besuch, fiel ihm ein. Er versuchte, einmal in tausend lokalen Jahren herzukommen. Erstens weil er es versprochen hatte, aber auch weil er sich immer mehr in diesen Ort verliebt hatte. Er liebte seine Knochen – die Teile, die sich nicht veränderten –, und er liebte die Veränderungen, die während seiner tausendjährigen Abwesenheiten mit der Deckschicht vor sich gingen. Er redete sich ein, dass das nichts mit Abhängigkeit zu tun hatte, denn irgendjemand musste das ja glauben, und dieser Jemand konnte genauso gut er sein. Wie dem auch sein mochte, Schuldgefühle reichten als Grund längstens aus.

Apropos Kommen, konzentrier dich …

Gemeinsam gelangten sie zum Höhepunkt. Er war ziemlich stolz auf sich. Dafür, dass er sich nicht ernsthaft konzentriert hatte, hatte er es ganz gut hinbekommen.

Hels zitterte und fiel nach vorn, bis ihr Kopf zwischen seinen Füßen lag. Dadurch hob sich ihre Hüfte, und er glitt aus ihr heraus. „Uff! Nicht schlecht.“ Sie bog den Kopf zu ihm herum. „Bei dir?“

„Ja, war gut.“

„Gut?“ Sie zog die Brauen hoch. „Bist du überhaupt wach, Zeb?“

Er dachte rasch nach. „Entschuldige. Ich war nur ziemlich weit weg. Aber auf eine gute Art und Weise.“

„Scheint so.“ Sie wälzte sich von ihm herunter und lag schließlich neben ihm, auf die Ellbogen gestützt und mit dem Gesicht ganz dicht neben seinem Kopf. „Weißt du, manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich deine ungeteilte Aufmerksamkeit habe.“

„Echt?“ Er musterte ihr Gesicht. Vom Liebesspiel verschmiert, doch mit forschendem Blick. Er war selbst verblüfft, aber sein Körper schien bereit zu sein, die Frage für ihn zu beantworten. Er setzte sich auf, fasste sie an den Schultern und drückte sie sanft zurück, bis sie sich über die Hüfte auf den Rücken drehte. Er stürzte sich auf ihre Körpermitte.

„Zeb! Hmm …“

Das war besser. Oh ja.

Jetzt verstellte ihm nichts mehr die Sicht.

Hels stöhnte. Wenigstens teilweise verlief sein Besuch erfreulich. Für kurze Zeit gelang es ihm sogar, die Kulisse ringsum zu vergessen.

 

Mit konstanten zweihundert Stundenkilometern rumpelte der Fahrzug über die ungepflasterte Piste, die fetten Reifen trommelten und knirschten auf dem dichten Schotter, schnalzten über kantige Steine und manschten durch flache Rillen in den langen Grasstreifen, die sich zwischen den Abschnitten erstreckten, auf denen die Straße instand gehalten worden war.

Der Fahrzug war erst seit seinem letzten Besuch gebaut worden. Eine jener oberflächlichen Veränderungen, die ihn zum Lächeln brachten. Das und die ganze Reise waren Hels’ Idee gewesen. Sie war höchstens ein paar Stunden in der Vrealität gewesen, als er sie kennengelernt hatte, und bereits nach einer Stunde hatte er beschlossen, dass sie während seines Aufenthalts eine zufriedenstellende Gefährtin abgeben könnte – und dass sie genug Herrin ihrer selbst war, um dabei keinen Schaden davonzutragen.

„Du musst den Graben sehen“, hatte sie gesagt.

„Graben?“

„Den Friedensgraben. Kennst du den echt nicht? Oh, dort oben ist es so schön!“ Sie betrachtete sein Gesicht. „Und ruhig.“

Bei der Andeutung hatte er gelächelt und absichtlich so getan, als wäre er nie zuvor dort gewesen, als hätte noch nie jemand darauf bestanden, dass er ihn sich ansah – für gewöhnlich bereits während der ersten Stunde nach dem Kennenlernen.

Jetzt fuhren sie wieder hinab und waren auf dem Weg zu einer Party an einem Ort, den er tatsächlich noch nie besucht hatte, weil er schlichtweg beim letzten Mal noch nicht da gewesen war. Die graugrüne Landschaft rauschte am Fenster vorbei. Die Hochebene hatten sie ebenso hinter sich gelassen wie den dicken Gürtel aus immergrünen Pflanzen, der das Hochland wie eine Tonsur umgab. Mittlerweile befanden sie sich im Getreideland mit seinen Millionen Hektar unterschiedlichster Gräser und unterschiedlichster Früchte, die bereits in vorgeschichtlicher Zeit des Planeten kultiviert worden waren. Ursprünglich hatten sie der Erzeugung von Nahrungsmitteln gedient, inzwischen baute man sie einfach nur so an. In seiner derzeitigen Inkarnation hatte Zeb einen Bericht der planetaren Regierung gelesen, in dem es ganz trocken hieß, der herkömmliche Verzehr von Getreide, das im Umkreis von hundert Kilometern um den Friedensgraben wuchs – Getreide, das bei Regenfällen von den geringen, aber unbestreitbaren Mengen an Radionukliden benetzt wurde, die aus dem Graben herauswaberten –, stelle ein Gesundheitsrisiko dar und könne zur durchschnittlichen Verringerung der Lebenserwartung um fünfundzwanzig Tage führen. Die Lebenserwartung lag bei zweihundertundsieben Jahren.

Messbar – und deshalb inakzeptabel. Trotzdem wurde das Getreide angebaut. Es war eine Frage des Kulturerbes.

Vor zwei Tagen, also nur einen Tag nach ihrem Kennenlernen, hatte er Hels beobachtet, wie sie an einer zweihundert Meter hohen Felswand hochgeklettert war. Danach hatten sie sich fachkundig mit lokal gebrannten Spirituosen betrunken, die für ihre beträchtlichen Beimengungen bekannt, ja, geradezu berühmt waren. Niemand hatte sie daran gehindert. Selbst verursachte Gefahren wurden demnach offenbar geduldet. Mit einem fachkundigen Kater waren sie zum Graben aufgebrochen.

Wahrscheinlich würde sie auch niemand hindern, wenn sie am Abend etwas Ähnliches probieren sollten. Zeb konnte es einerseits nachvollziehen, andererseits auch wieder nicht.

Der Wagen schaukelte, und er wurde gegen Hels geworfen. Sie regte sich und grummelte etwas Unverständliches, bevor sie weiterschlief.

Er verliebte sich nicht, das war klar. Das war seine Regel Nummer eins. Sich in der Vrealität niemals auf etwas einlassen!

Die Strecke vom Friedensgraben in die Tiefebene hinunter war besonders rustikal. Damit passte sie gut zu allem anderen auf Sholntp. Dieser Umstand wurde mit der radioaktiven Belastung des Planeten begründet, die grenzwertig war. Ihretwegen waren spaltbare Stoffe, transuranische Elemente oder anderer radioaktiver Quatsch verboten. Tierkraft und erneuerbare Energien oder gar keine, lautete die Devise.

In diesem Fall handelte es sich um erneuerbare Energien, doch solange er das Fenster geschlossen hielt, verursachte ihm der Rauch keinen Hustenreiz.

Der Fahrzug bestand aus fünf Kraftwagen, an deren Unterseite jeweils ein brummender Alkoholmotor hing. Der Alkohol wurde aus dem Getreide hergestellt, das man nicht verzehren konnte. Zeb nahm an, dass es deshalb nicht nur stark aus dem Auspuff qualmte, sondern dass der Rauch auch leicht radioaktiv war. Die Kombination aus uralter und neuer Umweltverschmutzung amüsierte ihn.

Er spürte, dass Hels den Kopf von seiner Schulter hob. Sie blinzelte. „Wo sind wir?“

Er sah zum Fenster hinaus. „Von der Hochebene runter. Ich würde sagen, noch eine Stunde bis Weiler.“

Sie nickte und bettete den Kopf wieder auf seine Schulter. Er rutschte auf seinem Platz hin und her, damit sie es bequemer hatte.

Mehr als jede andere Person, die er kennengelernt hatte, verfügte sie über die Fähigkeit, überall schlafen zu können. Darum beneidete er sie. Ihm gelang es immer seltener, Schlaf zu finden, wo immer er es auch versuchte.

Ja, sein hundertster Besuch in dieser Vrealität. Sein erster Besuch – laut der hiesigen Zeitrechnung vor hunderttausend Jahren – war nicht gut verlaufen.

Lass dich niemals auf etwas ein, wahrlich!



Sholntp-System (Vrealität)

Es war die größte Weltraumflotte, die die Sieben Staaten je zusammengestellt hatten. Elf Großkampfschiffe, deren betagte Flanken übersät waren mit den Narben Tausender Feindkontakte während ihres Söldnerdaseins. Noch einmal so viele Taschenschlachtschiffe zitterten nervös, da ihre schwere Bewaffnung die Maschinenleistung fast überstieg. Fünfzig Kreuzer und Fregatten, dahinter ein Durcheinander aus Tankern und Magazineinheiten. Bis auf die Großkampfschiffe waren alle stundenweise angemietet worden. Vier davon waren dem Staat zur Zwangsarbeit verpflichtet und hatten einen niedrigeren Status als Sklaven, und die anderen sieben wurden tageweise gemietet, allerdings erneuerten sich die Mietverträge ständig automatisch.

Und natürlich flog auch ein einzelner Transporter der Gleve-Klasse mit – der einzige Grund, weshalb das ganze Unternehmen alle Risikoprüfungen bestanden hatte. Die Todesrassel war etwas mehr als zwanzigtausend Jahre alt, doch hier draußen konnte sie durchaus noch mitspielen. Sie war nicht gemietet, sondern gekauft, und die Staaten hätten noch mindestens ein Jahrhundert lang damit zu tun, das Schuldenkonto abzuarbeiten – wenn sie so lange durchhielten.

Es war eine Machtdemonstration, die zum Ziel hatte, die Gegner in die Rolle von Zuschauern zu versetzen. Es galt die Devise: Was passieren würde, würde passieren – und damit Schluss.

Zeb war zum ersten Mal in dieser Vrealität, aber meine Fresse, es würde nicht sein letztes Mal bleiben. Wenn er von Leuten von draußen gefragt wurde, weshalb er die Vreal so oft besuchte, so hatte er nun eine Antwort. Das Glück hatte ihm einen Krieg beschert, keinen lokalen kleinen Krieg, sondern einen richtigen, existenzbedrohenden großen Krieg, und wann hatte man schon die Gelegenheit, sich so direkt einen Adrenalinschub zu verpassen?

Aus der Perspektive der Gegner beobachtete er das Ganze, und nie hatte er sich lebendiger gefühlt.

Er beugte sich hinunter, bis sein Mund dicht über dem schmutzigen Mikrofon schwebte. „Bereit?“

„Nein.“

„Gut. Dann los.“

„Ich bin mir sicher, dass ich Nein gesagt habe.“

„Kennst du eine bessere Art zu sterben? In diesem Augenblick?“

Eine Weile war es still. Dann kam die Antwort. „Nö. Du blasierter, mistiger, fleischköpfiger Säugetierficker.“

Er grinste. „Schiff? Ich finde es toll, wenn du dich so schmutzig ausdrückst.“

Anstelle einer Erwiderung flackerten die noch funktionierenden Teile der Anzeige vor ihm und leuchteten dann konstant auf. Das schwache, mühsame Sägezahnsummen hinter ihm signalisierte ihm, dass der Hauptantrieb ein weiteres Mal angesprungen war.

Sie hatten die Macht der Todesrassel bereits zu spüren bekommen, und das war ein reiner Unfall gewesen. Vorsichtig hatten sie sich in Position gebracht und sich bemüht, vollkommen unbedeutend zu wirken, als das gewaltige Schiff einen stinknormalen Kurswechsel vorgenommen hatte. Der Energierückstrom der uralten, bestialischen Maschinen hatte die hintere Hälfte ihres winzigen Gefährts (nur acht Meter lang – kaum existent in Transportermaßstäben) in eine Dampfwolke verwandelt. Doch die meisten wichtigen Teile hatten überlebt, allerdings bestand ihr Schiff nur noch aus Fetzen.

Langsam – angesichts des Zustands des Antriebs war Schnell keine Option mehr – gewannen sie Geschwindigkeit, aber immerhin. Sie waren weg, so viel dazu. Es gab kein Zurück.

Zeb konzentrierte sich ein paar Sekunden lang auf die Anzeigen, damit sie sich mit seinem visuellen Cortex verschalteten. Dann legte er sich auf der knolligen Couch zurück und schloss die Augen.

Einen Augenblick lang geschah nichts, und er fragte sich, ob schon wieder eins der alten Schiffssysteme den Geist aufgegeben hatte. Dann klärten sich die rot-grünen Flecken auf seinen Augenlidern und wurden dunkler, und das Modell nahm Gestalt an. Er machte sich auf alles gefasst.

Das Modell versetzte ihn mit seiner Vollkommenheit, seinen schwindelerregenden Ausmaßen jedes Mal in Schock. Stets überkam ihn das Bedürfnis, sich festzuklammern.

Aber es war gut auszuhalten. Das Modell unterschied sich so sehr von einem einfachen Anblick des Weltraums, wie sich ein multidimensionales Modell des Universums von einem Holzmodell einiger Planeten unterschied, die um einen Stern kreisten. Es war, als wäre man ein Gott, als wäre man in der Lage, einen einzelnen Felsen ins Visier zu nehmen und sich dann zu entfernen, bis man ein Panorama von Hunderten Planeten vor sich hatte, ohne dass die Auflösung auch nur um ein Pixel gröber wurde.

Nein, es war besser, als ein Gott zu sein. Und er glaubte nicht an Götter.

Man musste warten, bis das Modell vollständig war. Sollte man versuchen, darin herumzupfuschen, bevor es fertig war, konnte man als unentpacktes Datenpaket enden. Er hielt still.

Dann war das Modell abgeschlossen, und er war nicht nur ein segelnder Raubvogel, ein unendlich ausgetüfteltes System aus zweifach erweiterter Menschlichkeit, die hoch über der glitzernden Galaxis schwebte, sondern auch eine Linse, die auf das feinste Körnchen des kleinsten Bilds des flüchtigsten Moleküls scharf gestellt war …

Ja. Das Modell. Das da.

Er rechnete mit ungefähr zehn Sekunden, in denen sein Intellekt einen gewissermaßen psychedelischen Konflikt austrug, bevor seine Sinne sich beruhigten. Außerdem konnte er sich auf den Zwischenspeicher seiner angeborenen Andersartigkeit verlassen. Wie es für dem Zeitstrahl natürlich Verhaftete sein musste, wollte er sich gar nicht vorstellen.

Oder um es genauer auszudrücken – es kümmerte ihn nicht.

Ungefragt sog das Modell ihn ein. Er ließ sich durch die umherfliegenden Schichten falscher Wirklichkeit fallen, bis er landete, wo es ihn haben wollte. Das Modell ließ sich nie ganz beherrschen.

Ein Planet. Gemäßigte Zonen zwischen den Tropen und der Kälte an den Polen. Grün- und Blautöne und jagende weiße Wolken. Nicht weiter bemerkenswert.

Er fiel noch immer. In die Atmosphäre hinein. An den Wolken vorbei. Auf eine grüne und braune Landschaft zu, in eine Welt aus Heide und alten Gräsern.

Es wirkte alles zu matt. Er hob die Brauen und vollführte das Modelläquivalent einer Drehung zu einer Seite. „Soll es das wirklich sein?“

„Das ist es. Warum? Hast du etwas anderes erwartet?“

„Bin mir nicht sicher.“ Er betrachtete die Welt noch ein wenig länger. „Sieht ein bisschen … ländlich aus, wenn du weißt, was ich meine. Zumindest für den Startpunkt einer galaktischen Eroberung.“

„Viele Leute und Maschinen sähen darin bestimmt ein krasses Kompliment. Dies ist die aufwendigste Tarnung, die je für einen Planeten geschaffen wurde. Selbst die Wolken folgen einem Storyboard. Und natürlich beharren die Sieben Staaten darauf, dass es sich um keine Eroberung handelt.“

„Natürlich.“

Er starrte wieder auf das Modell. Zwischen ihm und dem Planeten schwang ein fleckiger schwarzer und cremefarbener Mond. Er beobachtete ihn, bis er unterging und nicht mehr zu sehen war. Dann schaltete er das Modell mit einem Blinzeln aus und lehnte sich auf der Couch zurück. Für einen Moment hoffte er, dass seine Haltung entspannt wirkte. Dann lachte er über sich. Das Schiff verfügte über eine Million sensorische Kanäle. Hätte es auch nur ein paar von ihnen auf seinen Körper ausgerichtet, wäre sein körperlicher Zustand so deutlich geworden wie Kinderschrift im Licht eines Scheinwerfers.

Aber das Schiff würde nichts Ungewöhnliches daran finden, dass er nervös war. Es gab keinen Anlass zu der Vermutung, dass es den Grund für seine Nervosität erraten konnte.

Ein Signallaut ertönte. „Sieh nur, es geht los!“, sagte das Schiff. „Wir sind gestartet. Bereit?“

Er nickte.

„Dann los.“

Er schloss die Augen und legte sich zurück auf die Couch, während die Beschleunigung zunahm. Vor ihm setzte das Modell sich wieder zusammen. Sie waren gestartet – der Beginn einer Reise, die, wenn es nach ihnen ging, damit enden würde, dass aus den Sieben Staaten Acht Staaten wurden.

Sollten.

Das Schiff hatte recht behalten. Er hatte seine Einstellungen nicht geändert, kurz bevor er die Datei abgeschickt hatte. Vielmehr hatte er sie eine Minute davor geändert, als das Schiff ihn gefragt hatte, wie er geschlafen habe.

Schlafen war einfach. Ausreichend wach zu bleiben war manchmal schwieriger, aber an dieser Front rechnete er erst einmal nicht mit Schwierigkeiten.

Im Modell formierte sich die immer flinker werdende Flotte der Sieben Staaten zu einer Schlachttransportgruppe, bei der die schnellsten kleineren Einheiten die Todesrassel in der Mitte deckten. Das schien ihm sehr auf den letzten Drücker zu geschehen, aber anscheinend waren sie zuversichtlich, dass die Gefahr – wenn man es eine Gefahr nennen konnte – am anderen Ende lauerte. Hier jedoch, das wussten sie, gäbe es keine Probleme.

Derweil hielten er und das Schiff aus unterschiedlichen Gründen Ausschau nach etwas. Das Schiff mit seiner Raubtierfähigkeit, auch noch die geringste Bewegung auszumachen, das sich aufstellende Haar im Nacken einer Beute, die so weit entfernt war, dass sie praktisch schon unsichtbar war. Er mit seinen weitaus unterlegenen Sinnen – selbst dann noch unterlegen, wenn sie durch das Modell um das Tausendfache gesteigert wurden – und seiner Rechnerleistung vom Anbeginn der Zeiten. Und doch besaß er die menschliche Grundfähigkeit, eine Vorahnung und ein Muster zusammenzufügen und daraus Intuition zu machen. Das war eine messbare Fähigkeit, und seine hatten sie gemessen. Er rangierte im Spitzenmikroperzentilebereich. Deshalb war er hier.

Oder, genauer gesagt, deshalb glaubten sie, er sei hier. Anscheinend sogar das Schiff. Es überraschte ihn, dass es hereingelegt worden war.

Immer erst denken, bevor du zu selbstzufrieden wirst – das Problem, das du korrekt identifiziert hast, ist vielleicht nicht dein einziges Problem. Irgendjemand hatte das gesagt, aber er wusste nicht mehr, wer es gewesen war.

Etwas erregte seine Aufmerksamkeit, und nun klopfte ihm im Angesicht der sensorischen Beweislage das Herz. Die Todesrassel – ihr letztes verzweifeltes Aufgebot – ging langsam in Position. Darauf hatte das Schiff sich bezogen, doch das war es nicht.

Da. Ein Muster. Hunderttausende winziger Fahrzeuge, Jachten, Urlaubsschiffe, ordinäre Bumskähne und bescheidene Familienboote dümpelten lässig umher und machten Fotos von der Flotte, die zum Großen Sieg aufbrach (oder wie immer es am Ende heißen würde), um sie den Kindern zu zeigen. Alle hatten sich so umgruppiert, dass sie gar nicht mehr so lässig wirkten.

Das war es. Genau rechtzeitig.

Das Schiff schien es nicht zu bemerken, aber es blieb noch Zeit, es ihm zu sagen. Natürlich erwartete es, dass er es ihm sagte. Dafür war er schließlich da, wenn es nach dem Schiff und dem Rest der heimischen Flotte ging.

Doch er tat es nicht, denn deshalb war er nicht hier.

Dann blitzte die Wolke aus unbedeutenden kleinen Fahrzeugen mit ihren unbedeutenden kleinen biologischen Insassen leuchtend violett auf.

Obwohl er damit gerechnet hatte, überraschte ihn die Intensität dennoch. Er stieß einen Schrei aus und riss einen Arm hoch, um ihn sich vor die Augen zu halten. Gleichzeitig aber reagierte das Schiff darauf und reduzierte die Helligkeit des Modells, bis die Sterne verschwunden waren und eine verschwommene, tausend Kilometer durchmessende blaue Scheibe aus Raumflugzeugen übrig blieb.

Das Schiff hatte gerade noch Zeit „Was?“ zu fragen, bevor aus der Mitte der Scheibe eine Lichtlanze herausschoss, die heller als eine Supernova gleißte. Sie wurde kräftiger, länger und verwandelte sich in einen intensiven Strahl.

Dieser traf die Todesrassel. Das alte Schiff verschwand, stattdessen war eine neblige Eiform zu sehen, die flackerte und schimmerte, während der Strahl sich in ihr Inneres bohrte. Er hielt den Atem an. Wie stark war dieser zwanzigtausend Jahre alte Schild?

Lange musste er nicht warten. Die zusammengenommene Energie aus Hunderttausenden verhängnisvoll überlasteten Schiffsreaktoren war überwältigend. Das Ei flimmerte, und mit jedem Flackern wurde die Schiffshülle sichtbarer. Sie glühte orangerot und erhitzte sich weiter.

Kurz geriet auch der Strahl ins Flackern, und er hielt den Atem an. Was war das?

Dann merkte er, dass eins der versklavten Großkampfschiffe eine unmöglich enge Kehre gemacht hatte und sich zwischen den Strahl und die Todesrassel schob.

In der Zeit, die er brauchte, um auszuatmen und erneut Luft zu holen, leuchtete es erst gelb, dann blau-weiß auf und verwandelte sich in Dampf.

Darauf folgte ein zweites Schiff. Und ein drittes.

Aufhören …

Dann hörte es tatsächlich auf. Ohne Vorwarnung erlosch der nebelhafte Schild der Todesrassel, und zurück blieb die nackte Schiffshülle, die genauso violett glühte wie der schwertgleiche Strahl.

Einen Moment lang glichen sie sich. Dann flackerte der Strahl und verschwand.

Das gesamte Gefecht hatte weniger als zehn Sekunden gedauert.

Das Modell wurde wieder heller und offenbarte die Todesrassel als glühendes Ungetüm. Die Scheibe aus Schiffen dahinter verblasste zu grauem Staub.

Das Schiff gab ein Räuspern von sich. „Nun, ich kann mir vorstellen, dass das der erste crowdgesourcte Todesstrahl in der Menschheitsgeschichte war. Nicht dass Menschheit derzeit ein guter Begriff wäre. Und dass ich erst jetzt dahintergekommen bin, spricht nicht gerade für mich. Du wusstest davon, nicht wahr?“

Er nickte.

„Dachte ich mir doch. Wie viele Menschen sind auf diesen Schiffen gestorben?“ Kurz wurde die Scheibe aus Schiffswracks im Modell ein wenig heller.

„Ungefähr zweihunderttausend.“

„Kümmert dich das? Nein, gib dir nicht die Mühe einer Antwort. Ich will deine Stimme nicht hören.“

Er hob die Schultern. Das Schiff erfasste alle seine Reaktionen. Es wusste genau, wie es ihm ging, zumindest konnte es die körperlichen Auswirkungen erkennen.

Deshalb wusste es auch, dass ihm übel war.

Er stierte in das Modell. Die Flotte löste sich auf. Säureblaue Lichter waren über den Bildern der übrigen gemieteten Großkampfschiffe aufgetaucht, was bedeutete, dass man sie wieder chartern konnte. Anscheinend hatten sie ihre Verträge erfüllt, vermutlich schon allein deshalb, weil es den Vertragspartner nicht mehr gab. Kurz darauf gesellte sich das leibeigene Schiff zu ihnen, das aufgrund des Ablebens seiner Besitzer ebenfalls befreit war. In der Zwischenzeit geschah noch etwas anderes mit dem Ungetüm. Auch über ihm erschien ein Licht, doch dieses war rot, nicht blau, flankiert von zwei schnell wechselnden Zahlen.

Kurz betrachtete er sie. „Schiff? Noch ein Problem. Das Ding verlässt die Umlaufbahn.“

„Oh, der Kacksack spricht! Ich habe ihm doch bestimmt gesagt, dass er sich nicht die Mühe zu machen braucht.“

„Ich meine es ernst. Es bewegt sich auf den Planeten zu.“

„Ich meine es auch ernst. Oh, und wie ernst! Ich sehe es. Das passiert mit Schiffen, wenn man sie ermordet. Und?“

Er hackte auf eine Konsole ein, worauf ein paar weitere Lichter ausgingen. „Hör zum Donnerwetter auf zu schmollen und kümmere dich!“

„Was, oder machst du dann auch noch meine kümmerlichen Überreste platt?“ Das Schiff stieß einen theatralischen Seufzer aus. „Zu deiner Information – ich habe die Lage beobachtet, und wir können einen feuchten Scheiß dagegen unternehmen.“

„Und die Bewohner auf dem Planeten?“

„Ungefähr drei Milliarden.“

„Genau. Macht es dir jetzt was aus oder nicht?“

„Weder noch. Ich bin einfach nur hilflos. Außerdem habe ich noch an deinem erstaunlichen Doppelspiel zu knabbern. Versuchst du etwa, aus der Sache herauszukommen, ohne die Mitschuld an Hunderttausenden von Toten zu tragen?“

„Nein!“ Er holte Luft und atmete wieder aus. „Hör mal, ich habe gesehen, wie die Sache durchgespielt wurde. Ich nehme an, du nicht, oder?“

„Das übersteigt meine Liga. Außerdem lasse ich mich von anderen Einflüssen leiten. Wie zum Beispiel von meinem Gewissen.“

„Du bist ein Kampfschiff. Also erspar mir die Predigten, verstanden? Beim Spiel kam heraus, dass dies die Option mit den geringsten Folgen wäre. Es gab keine Möglichkeit, die Schlacht zu verhindern. Es hätte Tote gegeben.“

„Oh, gut. Freut mich zu hören. Fühlst du dich jetzt besser?“

Er dachte einen Moment lang nach. „Schiff? Was glaubst du, wie viele KIs sind gerade gestorben?“

„Ich glaube nicht, ich weiß es. Fast tausend. Warum?“

„Und zweihunderttausend Menschen. Wir trauern beide.“

Es folgte ein langes Schweigen. Dann sprach das Schiff. „Richtig. Wir können das Wrack umleiten. Den Karten nach gibt es auf einem Hochland ein mehr oder weniger unbewohntes Gebiet. Mit einigen ausgefallenen Steuermanövern könnten wir den Aufprall dorthin lenken. Zeb? Ich werde dir trotzdem niemals vergeben.“

„Na schön.“ Er war sich nicht sicher, ob er sich selbst verzeihen würde, als die Zahlen nun auf ihn einstürmten. „Was muss ich tun?“

„Fürs Erste nichts. Wenn die Zeit gekommen ist, übernimm die Verantwortung! Denn ich kann es nicht. Verstanden? Da wird dein Name draufstehen, nicht meiner.“

„Ich verstehe. Ich bleibe in der Nähe.“

„Tatsächlich? Gut, denn sehr wahrscheinlich werden die Reste meiner Triebwerke schmelzen, wenn ich versuche, diesen schweren Lümmel in die richtige Richtung zu schieben. Falls das bedeutet, dass ich mich vollends schrotte und dich in einem Feuerball mit auf die Oberfläche nehme, dann hat es sich ja gelohnt. Ich hoffe, das ist klar.“

„Glasklar.“ Er schüttelte den Kopf. „Mach schon!“

Dann heulten die zu Tode erschöpften Maschinen auf, und ein Ruck ging durch das Schiff, das grauenhaft beschleunigte und sich dabei einmal zu falten schien.

Er wandte den unglaublich schweren Kopf herum, um die Anzeige lesen zu können. Zwei Linien waren darauf zu sehen. Eine blaue, die den bisherigen Kurs anzeigte, von der Umlaufbahn direkt in eine dicht bevölkerte Region – in Richtung eines Kilotods, Megatods, Gigatods. Des Tods schlechthin. Die violette zweite Linie bezeichnete den Plan. Ein paar Schubser, die darin resultieren würden, dass die letzte Ruhestätte des Wracks eine Hochebene würde, die so weit von allen Ballungsräumen entfernt war wie nur irgend möglich.

Erst wurde ihm mulmig. Das alte Kriegsschiff folgte immer noch der blauen Linie. Dann korrigierte sich sein Kurs fast unmerklich und näherte sich der violetten Linie.

Er wollte einen Triumphschrei ausstoßen, doch selbst wenn er bei dem Druck auf die Rippen hätte Luft holen können, wäre er in dem verheerenden Lärm, den die versagenden Triebwerke machten, nicht gehört worden. Man hörte nichts anderes. Er war kaum mehr eines Gedankens fähig.

Dann, so plötzlich, dass es sich wie eine Ohrfeige anfühlte, waren der Lärm und der Druck weg, und da war … nichts. Nicht einmal künstliche Schwerkraft. Das war verdächtig. Er räusperte sich.

„Schiff?“

Es dauerte lange, bis die Antwort kam.

„Wolltest du mich fragen, wie es mir geht?“

„Ja. Also, wie geht es dir?“

„Kaputt.“

„Reparabel?“

„Keine Chance. Die Maschinen sind auf zwei Prozent runter. Das reicht gerade noch fürs Licht und für die Schilde, solange ich nichts anderes unternehme. Wenn wir ganz viel Glück haben, wenn nichts dazwischenkommt und ich wie ein Genie fliege – dann bin ich immer noch tot. Aber dann gesellen wir uns zu dem Wrack in seiner eigenen, von ihm selbst geschaffenen geologischen Formation.“

Zeb biss sich auf die Lippen. „Tut mir leid.“

„Klar tut es dir leid. Das merke ich. Du hast vergessen zu fragen, ob es funktioniert hat.“

Er blickte fassungslos um sich. Das Schiff hatte recht. Das hatte er total vergessen. Er schüttelte den Kopf. „Hat es funktioniert?“

„Ja. Das Wrack wird in acht Minuten auf die Hochebene aufschlagen. Wir werden uns ein paar Sekunden später mit ihm vereinigen. Gibt es noch jemanden, mit dem du deinen Frieden machen musst, bevor du dich in die Rettungskapsel zwängst und ich dich in den Weltraum hinausschieße wie das Stück Kacke, das du bist?“

„Nur dich.“

„Wirklich? Ich bin mir nicht sicher, ob mir noch genug Zeit bleibt, um das zu tun. Siebeneinhalb Minuten sind ziemlich wenig. Siebeneinhalb Lebensalter wären aber auch noch wenig, um ehrlich zu sein. Aber du könntest wenigstens – und das wäre das Mindeste – kommen und mein künftiges Grab besuchen. Versprich mir, dass du das tust, verstanden?“

Es roch verbrannt. Zeb wandte sich um und sah nach, was da qualmte. Es waren mehrere Dinge. Er feuchtete sich die Lippen an. „Ich verspreche es.“ Oh ja, dachte er. Ich verspreche es, und es wäre gut, wenn du wüsstest, wie schwer dieses Versprechen wiegt.

„Gut.“

Der Geruch wurde immer schlimmer. „Schiff? Du stehst in Flammen.“

„Ich weiß, du Depp. Sechs Minuten. Bleibst du noch eine Weile?“

Er starrte auf die Sichtscheibe. Sie rasten unweigerlich auf den Planeten zu. „Klar.“

„Gut.“

„Schiff, ich …“

„Ich habe nicht gesagt, dass du reden sollst.“

Er musste sich ein Grinsen verkneifen. „Nein, das hast du nicht gesagt. Entschuldige.“

Sie schwiegen, während die Planetenoberfläche immer größer wurde und immer deutlichere Konturen annahm. Dann räusperte sich das Schiff. „Also, drei Minuten. Du kannst dich jetzt verdrücken, wenn du willst.“

Plötzlich wollte er nicht mehr, noch nicht. „Ich warte noch eine Minute. Ich springe kurz über der Atmosphäre ab.“ Und beobachte dich solange noch, fügte er in Gedanken hinzu.

„Okay. Es ist deine Beerdigung. Die Kapsel ist aktiviert. Geh besser schon mal rein!“

Über ihm ging eine Öffnung auf. Er nickte, hielt sich am Rahmen seines Sitzes fest und stieß sich nach oben ab, sodass er in die Rettungskapsel hineinschwebte.

„Bereit?“ In der Kapsel klang die Stimme des Schiffs sehr nahe.

„Ja.“

„In Ordnung. Abtrennung in zehn Sekunden. Mit einer halbminütigen Zündung solltest du eine Weile in der Umlaufbahn bleiben.“ Die Öffnung ging zu, und es zischte leise. Dann wurde ihm kurz kalt, als das Belüftungssystem der Kapsel ansprang. Gleich darauf hörte er das Knallen der Sprengbolzen und das Pfeifen des Kurzstreckenantriebs, bevor es ihn in die gewellte Kapselwand drückte.

Ein Monitor leuchtete auf. Das Schiff war nur noch ein Punkt, der immer kleiner wurde und bereits dunkelrot glühte. Anscheinend hatte es die Schilde heruntergefahren. Weiter unten bildete das Wrack der Todesrassel einen gelben Fleck am Ende eines Schweifs heißer Partikel.

Er sah zu, wie das sterbende Schiff dem toten folgte. Der Kurs sah gut aus, denn das Wrack steuerte auf einen dunklen Fleck auf der Planetenoberfläche zu. Er fragte sich, wie es wohl für jemanden aussah, der es von da unten beobachtete. Ein Feuerstreif am Nachthimmel, das Ende der Welt.

Dann schlug es ein.

Erst erschien es ihm fast banal – als könnte etwas banal sein, was so groß war, dass man es aus solcher Entfernung wahrnahm –, nur ein weißgelber Blitz, der rasch verblasste. Doch dann entfachte er sich wieder und breitete sich aus wie ein glühender Schnitt in der Kruste des Planeten. Die uralten Antriebe eines Kriegsschiffs, das in der Lage war, einen Mond zu zerstören, leerten ihre Energietanks. Felsen würden schmelzen, Waldbrände würden sich ausbreiten … Er wollte sich abwenden, aber er konnte nicht, noch nicht. Er hatte es versprochen.

Das Schiff, das er eben verlassen hatte, prügelte sich noch immer durch die Atmosphäre, ein kaum noch sichtbarer heller Streifen vor dem düsteren Hintergrund der Zerstörung auf dem Planeten darunter.

Dann meldeten sich die Comms, nur ein einziges Mal.

„Zeb? Halt dein Versprechen, du mieses Stück Scheiße!“

Und bevor er etwas sagen konnte, verging der winzige Streifen, zerbarst in noch kleinere Funken vor der geschmolzenen Wut, die sich noch immer auf seinem Bildschirm ausbreitete.

Er starrte darauf, zwang sich, die Blicke nicht abzuwenden, selbst als das Gelb so hell wurde, dass es blendete. Er wollte, dass es sich in seine Netzhaut brannte.

Ich komme zurück, erklärte er dem Inferno. Mit größerer Gewissheit, als du ahnen kannst, komme ich zurück und halte mein Versprechen.

Ein Signalton summte heiser. Er seufzte. Viel früher, als es ihm recht war, geriet die Kapsel aus ihrer Umlaufbahn. Er schloss die Augen, konzentrierte sich ganz auf einen weit entfernten Teil seines Geistes und tat das, was ihn aus der Vrealität hinauskatapultierte.

Aber ja, er würde zurückkommen.

Über Andrew Bannister

Biografie

Andrew Bannister wurde 1965 in Cornwall geboren. Er studierte Geologie und arbeitet zumeist auf hoher See als Berater in Umweltfragen. Seine Vorliebe für Science-Fiction brachte ihn auf die Idee, eine Serie um die ganz großen Geheimnisse des Universums zu schreiben – und mit der „Spin“-Trilogie...

Pressestimmen
lovelybooks.de

„Andrew Bannister ist und bleibt ein äußerst ungewöhnlicher Schriftsteller. Nicht nur der Inhalt der Geschichte, auch sein Schreibstil findet mit diesem Band seinen Höhepunkt.“

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