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Blick ins Buch
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Die schmutzige Frau

Annette Pehnt
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„Die Sprache ist die eigentliche Hauptfigur in diesem feinen, ungewöhnlichen Roman über das Scheitern einer Ehe und die Selbstermächtigung durch das Schreiben.“ - Tagesspiegel

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Die schmutzige Frau — Inhalt

Ein trügerisch sanfter, inspirierender Roman über eine Ehe und ihre existenziellen Konsequenzen.

Ein Mann kauft seiner Frau ein großzügiges Apartment über der Stadt. Dort soll sie sich Zeit für sich nehmen und ihren Neigungen nachgehen. Aber die Sache hat einen Haken: Die Frau kann die Wohnung nicht mehr verlassen. „Hier oben brauche ich niemanden, keinen Liebhaber, keinen Ausblick und Meinenmann schon gar nicht“, sagt sie trotzig. Nun ist sie hoch über der Stadt sich selbst, ihren Wünschen und Fantasien ausgeliefert, während ihr Mann seine ganz eigenen Interessen verfolgt.

„Eine sprachgewandte, reflektierte Autorin, die sich auf Zwischentöne versteht.“ DLF

€ 22,00 [D], € 22,70 [A]
Erschienen am 26.01.2023
176 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
EAN 978-3-492-07107-9
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€ 16,99 [D], € 16,99 [A]
Erschienen am 26.01.2023
176 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-60417-8
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Leseprobe zu „Die schmutzige Frau“

1.

Meinmann: kaum verändert

An manchen Tagen kaum noch derselbe Mensch

Während ich ihn früher groß gewachsen fand, scheint er mir heutzutage eher klein

In seinem damals so kantigen und deutlich geschnittenen Gesicht: nun eine Härte

Seine Finger, früher eher schlank und spitz zulaufend: inzwischen knollig und an den Gelenken mit Haaren bewachsen

Nicht in jedem Licht und zu jeder Tageszeit fallen mir diese Veränderungen ins Auge

Manchmal, wenn wir in der Abendsonne, die großzügig durch die Fenster fällt, unsere Vorspeise löffeln und ich ihn von der Seite [...]

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1.

Meinmann: kaum verändert

An manchen Tagen kaum noch derselbe Mensch

Während ich ihn früher groß gewachsen fand, scheint er mir heutzutage eher klein

In seinem damals so kantigen und deutlich geschnittenen Gesicht: nun eine Härte

Seine Finger, früher eher schlank und spitz zulaufend: inzwischen knollig und an den Gelenken mit Haaren bewachsen

Nicht in jedem Licht und zu jeder Tageszeit fallen mir diese Veränderungen ins Auge

Manchmal, wenn wir in der Abendsonne, die großzügig durch die Fenster fällt, unsere Vorspeise löffeln und ich ihn von der Seite mustere, scheint er mir ganz der Alte, und ich wundere mich, wie die Jahre so spurlos an ihm vorüberziehen konnten

Er spürt meinen Blick, sieht mich an

Gleich senke ich die Augen, lasse mir die Haare ins Gesicht fallen, weil ich weiß, dass auch er mich vergleicht mit der Frau, in die er sich damals verliebt hat,

dass er meine Beine und Handgelenke mustert

Und ich schaue weg, fürchte diese Spur von Ekel in seinem Blick

Aber genau in solchen Momenten greift er nach meiner Hand oder fasst mich am Kinn

Schau mich an, sagt er dann leise, in seinem Blick sehe ich nur Lob und Bewunderung

Das wird sich erst ändern, wenn ich einen Fehler begehe: unendlich viele Möglichkeiten, Fehler zu
machen

Sehr viele sind mir bereits unterlaufen, andere kann ich nur ahnen

Als ich noch nicht wusste, wie leicht es ist, sich falsch
zu verhalten, beging ich zahlreiche, wurde aber nicht korrigiert, weil Meinmann sich zurückhielt

Das muss ihn viel Kraft gekostet haben

Ich erinnere mich, dass er ganz zu Anfang, als wir
uns noch nicht lange kannten, nachts im Schlaf mit den Zähnen knirschte

Er lag ganz still auf der Seite,

lang ausgestreckt wie ein ruhender Römer,

das Gesicht glatt und ruhig, bis die Kiefer anfingen zu mahlen

Ich wachte von dem Geräusch auf,

konnte erst im Dunkeln nicht erkennen, dass es von ihm kam, dann begriff ich, was sich da neben mir abspielte

Ich wagte es nicht, Meinenmann zu berühren, weil er sich oft über schlechten Schlaf beklagte und nicht geweckt werden wollte

Wenn ich ihm morgens erzählte, er habe wieder mit
den Zähnen geknirscht in der Nacht, nickte er nur, er wusste es ja

Er spürte sicher noch den Druck in den Zahnwurzeln

So ist es bei mir, wenn ich morgens mit geballten Fäusten und verdrehtem Nachthemd in meinem Schweiß aufwache

Zu den Fehlern, die ich immer wieder begangen habe und bis heute begehe, gehört:

Meinenmann stören, wenn er in die Arbeit vertieft ist (sehe ich denn nicht, dass er arbeitet)

Meinenmann nicht stören, wenn er in die Arbeit
vertieft ist, sodass er vergisst, eine Pause zu machen (langes Sitzen führt zu Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich)

Meinemmann unwillkürlich durch das Haar fahren, weil es in der Sonne glänzt (wieso jetzt gerade, wo ihm nicht danach ist)

Meinemmann nicht durch das Haar fahren, das in der Sonne glänzt (sehe ich denn nicht, wie schön die Sonne in seinem noch fülligen Haar spielt)

Meinenmann fragen, ob er die Kellertür abgeschlossen hat (als würde er das jemals vergessen)

Meinenmann nicht fragen, ob er die Kellertür abgeschlossen hat (wie konnte ich das vergessen)

Ihn unterbrechen, während er zu längeren Ausführungen ansetzt

Ihn fragen, wann ich diese Wohnung verlassen und
in das Haus zurückkehren könnte, das zu groß ist für
ihn und sicher für die Jahreszeit zu kühl, weil er immer vergisst, die Heizung rechtzeitig einzuschalten

Anfangs habe ich oft gefragt, er gab immer die gleiche Antwort: Niemand hält dich hier

Es ist wahr, niemand hält mich hier fest, Meinmann ist kein Wärter und ich keine Gefangene, die Tür ist nicht abgeschlossen, und ich besitze genug Kleidungsstücke, Schuhe, Jacken und Schals, die es mir erlauben würden, angemessen gekleidet dort unten auf die Straße zu
treten,

vielleicht D zu treffen oder H, oder all die anderen,
die ich schon so lange nicht mehr gesehen habe, dass ich
sie schon beinahe vergessen habe

Ich kann jederzeit meine schmalen braunen Lederschuhe schnüren, den hellen Mantel von der Garderobe nehmen und die Hand auf die Türklinke legen, ein schlichtes L aus Edelstahl, neu und praktisch

wie alles in dieser Wohnung

Alles andere wäre lächerlich

Ich selbst habe mit Meinemmann die Pläne für die Wohnung angeschaut, wir haben über die Armaturen
im Bad beraten und die schlichte, aber hochwertige Türklinke ausgewählt, denn was man täglich berührt, sollte einfach und haltbar sein

 

Als ich zum ersten Mal eintrat, musterte mich Meinmann genau,

um in meinem Gesicht zu lesen, ob ich mich einleben würde

oder nicht

Es entscheidet sich innerhalb der ersten Sekunden, ob man an einem Ort bleiben wird, ob man es dort aushält oder nicht

Das wusste auch Meinmann

Ich war vorher nie in der Wohnung gewesen, obwohl Meinmann mich dazu aufgefordert hatte

Ich müsse doch wissen, worauf ich mich einließe

Ich könne mich ja einbringen in die Planungen

Aber ich vertraue seinen Entscheidungen, er wusste immer, was gut für uns ist, und so wird es auch dieses Mal gewesen sein

Als die Wohnung fertig renoviert war und wir
zum ersten Mal hinfuhren, gab ich gut acht auf mein Gesicht,

hielt es im Aufzug ruhig und unbewegt, nur um dann, als er mir oben die Tür aufhielt und mir den Vortritt ließ, kurz zu zögern,

mich zu ihm umzudrehen,

ihm einen ernsten Blick zuzuwerfen und rasch und voller Vertrauen durch den Flur voranzugehen ins Wohnzimmer, das an diesem späten Sommernachmittag hell und still in der Sonne auf mich wartete, ein Geruch nach frisch gewachstem Parkett und Zitrone in der Luft

Die Reinigungskräfte hatten alles vorbereitet

Ich sollte nicht das Gefühl haben, in eine alte, abgestandene Bude geschickt zu werden

Er hatte mir Bilder gezeigt, auch die Rechnungen verbarg er nicht vor mir, ich wusste, was mich erwartete, und ich war bereit

 

Meinmann stellte den Koffer ab, einige Kisten hatten wir schon vorher hierher transportieren lassen

Dann gingen wir eine Weile in der leeren Wohnung
hin und her,

fuhren mit den Fingerkuppen über den grauen Sofaüberzug und die dunkelblau schimmernde Ceranplatte in der Küche,

klopften gegen die weiß verputzte Küchentheke und strichen an den makellos lackierten Türrahmen entlang, bevor wir uns umarmten und eine Weile festhielten, die Gesichter an den Hals des anderen gepresst,

so wie früher, ein fiebrig vergangener Augenblick, der auf einmal in diese neue, frisch geordnete Gegenwart hineineiterte, bis wir es nicht mehr aushielten und uns voneinander lösten

Meinmann stellte mir noch eine Flasche Rosé neben den Herd, die ich vorher nicht bemerkt hatte, sodass es mir vorkam, als zaubere er sie aus seinem Jackettärmel, nickte mir zu und schloss leise die Tür hinter sich

Nun war ich allein, so wie ich es mir gewünscht hatte

 

Wir hatten vorher ausgemacht, dass er mich gleich verlassen und die Tür ohne große Worte hinter sich zuziehen sollte

Bald würde ich ihn ja ganz gewiss wiedersehen

Ich musste mich einleben, so rasch wie möglich

Ich setzte mich auf das anthrazitfarbene Sofa und atmete langsam durch die Nase ein und aus

Meine Bauchdecke und auch die Oberschenkel: merkwürdig gespannt, als stünden ein Niesanfall oder
ein plötzlicher Sprint unmittelbar bevor

Ich stellte die Beine nebeneinander auf den Boden,
legte beide Hände in den Schoß und achtete darauf, dass sich meine Finger nicht verkrampften

Plötzlich ging mir die Luft aus,

ich riss den Mund auf, um mehr Luft in mich hineinzulassen

So saß ich eine Weile, kerzengerade, mit aufgerissenem Mund, bis mein Blick sich wieder schärfte und ich mich selbst in den großen Fenstern erkannte,

eine kleine, lautlos schreiende Frau, und gleich schloss ich den Mund, lächelte über das kleine Schnappgeräusch und bekam nun auch wieder Luft

 

Meinmann hat mir Papier gebracht, einen ganzen Stapel weiße Bögen,

und auch ein kleines gebundenes Buch, falls mir das mehr liegt

Du wolltest doch immer schreiben, sagt er und lächelt mir zu, während er das Buch und den Papierstapel vorsichtig auf meinem Schreibtisch ablegt, Gedichte wolltest du schreiben

Es gefällt ihm, dass ich eine künstlerische Neigung habe

Nun habe ich einen Ort ganz für mich, an dem ich mich entfalten kann

Setz dich nicht unter Druck, sagt er, mach es einfach so, wie es sich ergibt, du musst lernen, auf dich selbst zu hören

Das klingt überzeugend, alle wollen das, warum sollte ich es nicht wollen

 

Ich sitze an diesem Schreibtisch aus dunklem Kirschholz (den Meinmann für mich endlich erworben hat) und probiere es aus,

hier zu sitzen, mit all dem Papier und den Stiften, fürsorglich gespitzt

Gedichte schreiben:

Oft stellte ich mir im alten Haus vor, wie ich an einem sorgfältig polierten Schreibtisch säße, einem wie diesem, und die ersten Worte mit der Hand in ein leeres Heft schriebe, wie die Tinte in das Papier hineinsickerte und niemand sie mehr auslöschen könnte,

vielleicht nicht gerade Gedichte,

aber warum nicht,

das sind ja auch nur Geschichten in Zeilen,

und wie meine Hand in langsamen Bahnen von links nach rechts zöge, um immer wieder frisch anzusetzen

Dabei schreibe ich nie mit der Hand

Aber es ergab sich nicht, ich hatte keine Zeit oder war erkältet, am Küchentisch fiel mir nichts ein, und das Büro war für Meinenmann reserviert

Es ergab sich eben nicht

Als der Schreibtisch (Kirschholz) kam, ließ Meinmann ihn ans Fenster stellen

Er wünschte mir einen freien, weiten Ausblick beim Arbeiten (weil er selbst in einem Büro sitzt, dessen Fenster auf den Hinterhof eines Bankgebäudes hinausgehen, und ganz gleich, wohin er seinen Schreibtisch schiebt, er sieht immer nur Beton)

Das wollte Meinmann mir ersparen

Er liebt den freien Blick, will immerzu hinauf in die Höhe

Früher bestieg er jeden Kirchturm, und am Wochenende nahm er mich in die Berge mit, die nicht so weit von unserer Stadt entfernt sind, wie man meinen könnte

Wir gingen stundenlang bergauf und verirrten uns nie, denn Meinmann kannte jeden Weg und brauchte keine Karten

Manchmal kamen mir die Richtungen vertauscht vor

Ich war mir fast sicher, wir wären vor einigen Stunden schon an jenem Felsblock und dieser schütteren Kiefer vorübergelaufen

Aber Meinmann bestand darauf, dass er genau wusste, wo wir waren

Felsen und Kiefern sehen nun mal immer gleich aus, sagte er

Da ich nicht gut darin war, die Landkarten zu lesen, konnte ich ihm wohl kaum widersprechen

Es war ja auch egal, denn wir gingen zusammen durch die kühlen Wälder, Meinmann trug den Rucksack, ich brauchte einfach nur weiterzugehen, dann würden wir schon ankommen

So war es auch

 

Der Schreibtisch am Fenster, makellos und aufgeräumt, wie er war, machte mir Angst

Ich traute mich nicht, etwas dort abzustellen

Selbst ein Stift wirkte fehl am Platze

Natürlich sagte ich Meinemmann nichts von dieser Angst, es hätte ihn enttäuscht, wenn ich sein großzügiges Geschenk auf diese Weise zurückgewiesen hätte,

er glaubte ja an mich

Auf diesen Tisch passte kein Computer, mein altes Notebook war im Haus zurückgeblieben, wir hatten es so vereinbart, damit ich für mich sein könnte, statt mich ständig um die ganze Welt zu kümmern

Das hast du lange genug getan, sagte Meinmann, und es tat mir gut, das aus seinem Mund zu hören

Also notiere ich gelegentlich einige Zeilen auf Zettel und Blätter, ich lege sie ihm vor und erzähle ihm, wie ich am Schreibtisch gesessen und den Schwalben zugesehen habe, die man aus der siebten Etage gut beobachten kann, wie sie durch die Luft schießen, ohne jemals zusammenzustoßen, und dann, sage ich ihm, sei mir ein Einfall gekommen

Den ich gleich aufgegriffen hätte

 

Meinmann lächelt ohne Triumph, mein Tagwerk bereitet ihm aufrichtige Freude, und an seinem Stolz, mir diese Arbeit ermöglicht zu haben, wärme ich mich fast jeden Abend

So kamen bisher, obwohl ich langsam schreibe, schon einige Seiten zusammen

Er ist so stolz auf mein Werk, dass er mich unseren Freunden gegenüber lobt und manchmal auch einige Verse zitiert, die aus seinem Mund seltsam klingen

Er liest die Pausen nicht mit

Die Freunde lauschen beklommen, sie sind nicht gekommen, um eine Dichterlesung zu hören, sondern
um Wein zu trinken und mit Meinemmann zu
debattieren

Meinmann liebt die Debatte, er versteht es, jedes Wort feinsinnig zu drehen und zu wenden, aber er kann auch laut werden

Wenn die anderen ihn dann verstört ansehen und verstummen, genießt er die Stille und hält aus dem Stegreif eine kleine, wohlformulierte Rede (für alle lehrreich)

Das war auch früher schon so

Ich wusste, dass ich mich beteiligen musste

Auf gar keinen Fall wollte ich schweigend an der Seite Meinesmannes sitzen und ihm lauschen, das wäre auch ihm nicht recht gewesen

Wir haben oft darüber gesprochen, dass er sich eine kluge, wortgewandte Frau wünsche, die ihre Meinung sagte, wann immer ihr danach war

Genau das war ich ja immer gewesen

 

Schließlich hatte ich ein Leben, bevor ich Meinenmann traf:

gelernt und studiert

gute Noten verdient und viel Lob bekommen (ich
war nicht auf den Kopf gefallen, ein helles Köpfchen, ja, eigentlich war mein Kopf sogar das Beste an mir)

H, der Mann vor Meinemmann, liebte meinen Kopf so sehr, dass er ihn beständig streichelte und an sich drückte, manchmal so heftig, dass ich keine Luft bekam

Seitdem ich hier oben in der siebten Etage an meinem Tisch sitze, denke ich oft an H, mit dem ich über die Wiesen ging und in der Bibliothek Bücher tauschte

Wir lasen oft nacheinander dasselbe, schrieben mit
fein gespitzten Bleistiften, obwohl das strengstens
verboten war, Anmerkungen an den Rand, die der andere dann fand, und wir lächelten uns über den Tisch und die aufgetürmten Bücher hinweg zu

Ich habe schon überlegt, ob ich H einen Brief schreiben könnte, aber ich weiß nicht, wie ich ihn ihm zukommen lassen würde

Vielleicht sollte ich doch mein Notebook hierher bringen lassen, dann wäre ich mit allen in Kontakt

Aber dann wäre schnell wieder alles beim Alten

Das wäre gegen die Abmachung

Die einzige Möglichkeit: Meinenmann bitten, die Post zum Briefkasten zu tragen, aber er würde sie vermutlich unterwegs aufreißen und lesen

Ich weiß nicht, warum ich das schreibe, ich vertraue Meinemmann natürlich und habe keinen Grund anzunehmen, er könnte mich ausspionieren

Dennoch möchte ich ihn nicht fragen

Es wäre ein Fehler

Ich habe ein feines Gespür für Fehltritte jeglicher Art entwickelt

Annette Pehnt

Über Annette Pehnt

Biografie

Annette Pehnt, geboren 1967 in Köln, studierte und arbeitete in Irland, Schottland, Australien und den USA. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Freiburg und Hildesheim, wo sie das Institut für Literarisches Schreiben & Literaturwissenschaft leitet. 2001 veröffentlichte sie ihren ersten Roman »Ich...

INTERVIEW mit Anette Pehnt

Worauf möchten Sie beim Schreiben auf keinen Fall verzichten?
Ich schreibe immer in Gesellschaft eines Hundes - und das kann ich mir auch nicht anders vorstellen.

Gibt es Autor:innen, die Sie von Ihren Anfängen als Schriftstellerin bis heute begleiten?
Eigentlich lese ich immer wieder die gleichen Autorinnen, die mich interessieren, fesseln, herausfordern, ich brauche sie für mein eigenes Schreiben - von Virginia Woolf bis Joan Didion und Friederike Mayröcker.

Nach vielen Jahren des freien Schriftstellerinnendaseins sind Sie inzwischen Professorin für Literarisches Schreiben in Hildesheim. Beruhigt oder beflügelt Sie das, oder lenkt es Sie von Ihrem Schreiben ab?
Es nimmt sehr viel Zeit und Kraft in Anspruch, da ist es manchmal nicht so leicht, Raum für das eigene Schreiben zu finden. Zugleich finde ich es unglaublich bereichernd, mit jungen Autor:innen arbeiten zu können, ständig neue Schreibweisen zu entdecken und in einem dauernden Textgespräch zu leben. Und ein regelmäßiges Einkommen ist natürlich auch sehr beruhigend.

Verändert die Beschäftigung mit jungen Texten in Hildesheim Ihr eigenes Schreiben oder den Blick auf Ihr Werk?
Auf jeden Fall! Viele junge Autor:innen hinterfragen traditionelle Schreibweisen sehr radikal. Und sie haben einen frischen, kritischen Blick auf den Literaturbetrieb. Darauf lasse ich mich ein; so muss ich mich selbst natürlich auch ständig in Frage stellen.

Ihr erster Roman erschien 2001. Und ähnlich wie Ich muss los erzählt Ihr neuer Roman Die schmutzige Frau von ungewöhnlichen Beziehungen. Was fasziniert Sie so am Zwischenmenschlichen?
Es ist der Stoff, aus dem unser Zusammenleben, unsere Biografien, unsere kleinen Leben gemacht sind - für mich ist das ganz existentiell. Alles zeigt sich darin: wie wir sprechen, wie wir lieben, wen wir hassen, worauf wir hoffen, was wir fürchten, wie wir sterben.

Ihre Erzählerin wird von ihrem Ehemann in einem Apartment untergebracht, um vorgeblich ihrer Dichtung nachgehen zu können. Sie schreibt über die Menschen, die sie kennt. Ist jedes Schreiben autobiografisch oder autofiktional?
Eigentlich weiß die Leser:in ja gerade nicht, ob sie die Figuren kennt oder ob sie ausgedacht sind. Das ist vielleicht schon ein Teil meiner Antwort. Ich denke, eigene Erfahrungen schreiben wir immer in unsere Geschichten ein - von daher gibt es sicher immer diesen Anteil. Aber wir sind ja trotzdem frei, mehr oder weniger eng am eigenen Leben entlang zu schreiben, abzuweichen, uns Alternativen und auch ganz andere Welten hinzu zu erfinden. Ich finde gerade diesen Freiraum so beglückend - dass wir in der Literatur nicht auf unsere eigenen Geschichten festgelegt sind, sondern mit der Sprache auf Entdeckungsreisen gehen können.
 

Veranstaltung
Lesung und Gespräch
Mittwoch, 12. Juni 2024 in Ladenburg
Zeit:
18:00 Uhr
Ort:
41. Baden-Württembergischen Literaturtagen in Ladenburg, Ladenburg
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Pressestimmen
Hannoversche Allgemeine Zeitung

„In Pehnts ›Versroman‹, der sich wie ein langes prosagedicht liest, bleibt vieles unklar – und dabei spannend.“

Ö1 "Ex libris"

„Pehnt nähert sich der schmutzigen Frau in einer grandiosen Vielschichtigkeit und mit unterschiedlichen Erzählstilen, Geschwindigkeiten und Blickwinkeln.“

Logbuch

„Wieder ist Annette Pehnt ein schmaler Roman voller Nuancen und Ambivalenz über eine lebensechte Beziehung gelungen.“

Lesart

„Ein kluger und herausfordernder Text, der seinen Kern lange verborgen hält.“

die tageszeitung

„Das Undefinierte lässt Pehnt in die Sprache einsickern, ihre Sätze enden ohne Satzzeichen, die Leserin hängt ebenso in der Luft wie die Namenlose, die hoch oben über der Stadt um Selbstbestimmung ringt.“

SWR2 „Am Samstagnachmittag“

„Rätselhaft schön ist dieser Text, ein modernes Märchen, faszinierend und beunruhigend zu gleich, denn der goldene Käfig hat etwas nur allzu verlockendes.“

SWR "lesenswert" mit Denis Scheck

„Ein starkes Stück Gegenwartsliteratur.“

Aachener Zeitung

„Entfremdung, Isolation, gescheiterte Selbstverwirklichung, die Zweischneidigkeit des Glücks und die Schwierigkeiten des Schreibprozesses – all das hat Annette Pehnt mit leichter Hand thematisiert.“

Abendzeitung München

„Damit stellt sich Annette Pehnts lesenswerter Roman ›Die schmutzige Frau‹ selbstbewusst in die Tradition der feministischen Literatur einer Marlen Haushofer oder Marlene Streeruwitz.“

literaturkritik.de

„Am Ende glaubt man zu spüren, dass dieser Roman nicht nur geschrieben, sondern komponiert wurde. Vielstimmig – mit zarten Geigentönen und kräftigen Trompetenklängen. Entfremdung, Isolation, gescheiterte Selbstverwirklichung, die Zweischneidigkeit des Glücks und die Schwierigkeiten des Schreibprozesses – all das hat Annette Pehnt mit leichter Hand thematisiert.“

Landshuter Zeitung

„Annette Pehnts lesenswerter Roman ›Die schmutzige Frau‹ stellt sich selbstbewusst in die Tradition der feministischen Literatur einer Marlen Haushofer oder Marlene Streeruwitz.“

Wiener Zeitung

„Die Autorin verzichtet auf Punkte als Satzzeichen, bringt aber viele Aussagen zielsicher und sprachgewandt auf den Punkt.“

Berliner Zeitung

„So wird ›Die schmutzige Frau‹ auch ein kluges Buch über das Schreiben, ohne dass Pehnt ihre nicht zuletzt spannende Geschichte aus den Augen verliert.“

lokalkompass.de

„Am Ende glaubt man zu spüren, dass dieser Roman nicht nur geschrieben, sondern komponiert wurde. Vielstimmig - mit zarten Geigentönen und kräftigen Trompetenklängen. Entfremdung, Isolation, gescheiterte Selbstverwirklichung, die Zweischneidigkeit des Glücks und die Schwierigkeiten des Schreibprozesses – all das hat Annette Pehnt mit leichter Hand thematisiert.“

Buchkultur

„Ein verstörend-intensiver und bemerkenswerter Roman.“

WDR 5 „Bücher“ (Buch der Woche)

„Sicher ist, dass die Erzählerin sehr viel versierter ist, als sie zu sein scheint und alles unter Kontrolle hat. So wie Annette Pehnt, die hier gekonnt mit Bildern, Stimmungen, Textsorten, Leerstellen und den Erwartungen der Leserinnen und Leser spielt, und dabei die verrätselte Geschichte einer Selbstermächtigung erzählt.“

NDR Kultur „Neue Bücher“

„Ein starker Stoff: Die gehirngewaschene Frau, die ihre Lebenslüge aufdeckt und zaghaft aus ihrem männergemachten Korsett heraussteigt. Mit diesem Text zeigt Annette Pehnt, dass sie ihr Handwerk beherrscht. Die Struktur ist schlau durchkomponiert. Sie schreibt hochreflektiert und glasklar.“

WDR 3 „Lesestoff“

„In vielen Kulturen gelten Frauen traditionell als unrein; bei Pehnt wird der angebliche Schmutz zur eindrucksvollen Metapher für Widerständigkeit und die Weigerung, sich Stereotypen von Weiblichkeit anzupassen. Damit stellt sich Annette Pehnts lesenswerter Roman ›Die schmutzige Frau‹ selbstbewusst in die Tradition der feministischen Literatur einer Marlen Haushofer oder Marlene Streeruwitz.“

Frankfurter Rundschau

„So wird ›Die schmutzige Frau‹ auch ein kluges Buch über das Schreiben, ohne dass Pehnt ihre nicht zuletzt spannende Geschichte aus den Augen verliert.“

Tagesspiegel

„Die Sprache ist die eigentliche Hauptfigur in diesem feinen, ungewöhnlichen Roman über das Scheitern einer Ehe und die Selbstermächtigung durch das Schreiben.“

Süddeutsche Zeitung

„Annette Pehnts Roman, wie hinter Glas geschrieben, ist ein allegorisches Meisterstück, in dem beinahe jeder Satz das Zeug dazu hat, sich selbst zu wiederlegen.“

Badische Zeitung

„Am Ende führt die Autorin sehr kunstvoll – wie sie hier überhaupt ihr Können und ihre Lust am Experimentieren eindrucksvoll unter Beweis stellt – die beiden Stränge des Buches zusammen.“

marie.falou

„Der Roman ist mir sehr nahe gegangen. Die 164 Seiten gehen in die Tiefe. (...) Ein wichtiges Buch! Ein gutes Buch! Und sehr schön geschrieben!“

Deutschlandfunk „Büchermarkt“

„Annette Pehnts ›Die Schmutzige Frau‹ ist nicht nur ein Roman über toxische Beziehungsdynamiken, sondern auch eine Reflexion über das autofiktionale Schreiben, dessen derzeitige Konjunktur durchaus kontrovers diskutiert wird.“

www.studentpartout.de

„Pehnts Roman ist auf sonderbare Weise gefühlvoll und beklemmend zugleich.“

Münchner Merkur

„Annette Pehnt gelingt das Kunststück, über einen Narzissten zu schreiben, ohne ihm sonderlich viel Raum zu geben.“

studentpartout.de

„Der Roman lädt nicht nur zum Denken, sondern auch zum Fühlen ein.“

Kommentare zum Buch
Pressestimmen
Albrecht S. am 31.01.2023

"Annette Pehnts Roman, wie hinter Glas geschrieben, ist ein allegorisches Meisterstück, in dem beinahe jeder Satz das Zeug dazu hat, sich selbst zu *widerlegen*" - kleiner Hinweis zum Vertipper!

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