

Verlorener Thron (Die Legenden von Astray 4) - eBook-Ausgabe Verlorener Thron (Die Legenden von Astray 4)
Die Legenden von Astray 4
Verlorener Thron (Die Legenden von Astray 4) — Inhalt
Die entscheidende Schlacht um Astray: Die Kämpfe an den Fronten des zerrissenen Reichs Astray brechen offen aus. Die Hoffnung ruht allein auf den Legenden, den sieben Helden von einst, die sich erneut zusammenfinden müssen. Doch die alten Verbündeten sind mehr entzweit denn je, da jeder seine ganz eigenen Ziele verfolgt. Wird es Bray und ihren Gefährten gelingen, die Legenden zu einen und das Schicksal des Kontinents noch zu wenden? Dieser Band ist der Abschluss der großen Saga um „Die Legenden von Astray“.
Leseprobe zu „Verlorener Thron (Die Legenden von Astray 4)“
1 Hobheim, Westland
38 Jahre später
Ebbo Grauling war stehen geblieben.
Diesen Teil seiner Runde mochte er nicht, besonders in Nächten wie dieser. Wenn der Nebel lautlos aus den Senken kroch und alles einzuhüllen begann – die windschiefen Häuser und verwinkelten Gassen von Hobheim ebenso sehr wie Ebbo Graulings alte Knochen.
Mit einer halblauten Verwünschung stellte er die Laterne mit dem Talglicht ab und lehnte seine Hellebarde an die nächste Hauswand. Dann griff er in den Beutel an seinem Gürtel und holte Pfeife, Tabak und Stopfzeug hervor. Der süßliche, [...]
1 Hobheim, Westland
38 Jahre später
Ebbo Grauling war stehen geblieben.
Diesen Teil seiner Runde mochte er nicht, besonders in Nächten wie dieser. Wenn der Nebel lautlos aus den Senken kroch und alles einzuhüllen begann – die windschiefen Häuser und verwinkelten Gassen von Hobheim ebenso sehr wie Ebbo Graulings alte Knochen.
Mit einer halblauten Verwünschung stellte er die Laterne mit dem Talglicht ab und lehnte seine Hellebarde an die nächste Hauswand. Dann griff er in den Beutel an seinem Gürtel und holte Pfeife, Tabak und Stopfzeug hervor. Der süßliche, vertraute Duft des getrockneten Krauts tröstete ihn ein wenig, trotz der langen Wachschicht, die noch vor ihm lag.
Seufzend stopfte er sich die Pfeife, die noch von seinem Urgroßvater stammte, der vor fast dreihundert Jahren in der Schlacht am Alten Wall gekämpft hatte und dort gefallen war, ein für einen Halbling eher ungewöhnliches Ende. Normalerweise pflegten die Bewohner des Westlands sich nämlich aus den Belangen der großen Welt so ziemlich herauszuhalten. Bei den Kriegern des Eislands mochte es zum guten Ton gehören, in blutigem Kampf und mit dem Schwert in der Hand zu sterben – aber sie waren ja schließlich auch Menschen. Ein Halbling hingegen tat seinen letzten Atemzug wenn überhaupt dann erst nach einem sehr langen Leben in einem warmen Bett. Kein Wunder also, dass man dem alten Enurch Grauling ein Denkmal aus Stein gesetzt hatte, das bis zum heutigen Tag jeden begrüßte, der sich dem Friedhof von Hobheim näherte – und das im Augenblick auch auf Ebbo herabsah.
Unter den steinernen Blicken des Großvaters ließ dessen Urenkel das Stopfzeug und den restlichen Tabak wieder im Beutel verschwinden. Dann griff er nach der Laterne, öffnete sie und hielt sie so, dass er sich die Pfeife an der Flamme anstecken konnte. Schmatzend sog er daran, bis die Glut den Tabak erfasst hatte, dann nickte er zufrieden und paffte einen blauen Rauchkringel in die neblige, mondlose Nacht. So, sagte er sich, würde es wenigstens einigermaßen auszuhalten sein.
Er nahm die Hellebarde wieder auf, und indem er sie schulterte, setzte er seinen Weg fort und betrat unter den strengen Augen seines Ahnen den Friedhof. Schon unzählige Male hatte Ebbo mit dem Lordkanzler darüber gesprochen, dass der nächtliche Rundgang über den Friedhof unsinnig war – für Diebe gab es dort schließlich nichts zu holen, und es stand auch nicht zu befürchten, dass jemand von dort entfloh. Aber Latimer Thinkling, der das Amt des Lordkanzlers von seinem Vater geerbt hatte, war ein großer Bewahrer von Traditionen, und als solcher bestand er darauf, dass der nächtliche Rundgang auf die überlieferte Weise durchgeführt wurde.
Vorbei an Grabsteinen, die ebenso windschief waren wie die Häuser der Stadt, jedoch mit großer Sorgfalt behauen, ging Ebbo den Hauptweg hinab. Der Lichtschein der Laterne riss Inschriften aus dem Dunkel, in Stein gemeißelte Namen und Widmungen, die auftauchten und wieder vergingen wie das Leben selbst. Die Bäume, von denen viele um diese Jahreszeit noch kein Laub trugen, warfen lange Schatten, und nicht wenige davon nahmen in Ebbo Graulings Fantasie ein schauriges Eigenleben an. Hier ein Ast, der wie eine Klaue wirkte. Dort eine dunkle Gestalt, die sich über dem Grabstein erhob …
Je älter Ebbo wurde, desto unheimlicher waren die Dinge, die er sah. Oder vielleicht, sagte er sich, war es gar keine Frage der Jahre, sondern der Ereignisse, die sich erst unlängst in Westland abgespielt hatten.
Nicht nur, dass der Orden der Exekutoren in Hobheim Fuß gefasst und einen seiner Schwarzen Türme errichtet hatte – völlig unerwartet war auch Lorymar Thinkling, der von vielen tot geglaubte Bruder des Lordkanzlers Latimer, wieder zurückgekehrt. Und wie es bei jemandem, der lange Zeit in der Menschenwelt gelebt hatte, nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte der Ärger an ihm geklebt wie der Dung am Hintern einer Kuh. Ein Morwolf war kurz darauf aufgetaucht und hatte nicht nur den amtierenden Exekutor Thero Borkling getötet, sondern darüber hinaus auch wie ein Berserker unter den Bewohnern Hobheims gewütet.[1]
Zwar war es gelungen, die Bestie aus dem Morwald zu töten, und Lorymar Thinkling hatte Hobheim wieder verlassen, ebenso wie die geheimnisvolle Ostragierin, die ihn begleitete und von der es hieß, dass sie eine waschechte Prinzessin gewesen sei. Doch das änderte nichts daran, dass all diese Ereignisse höchst beunruhigend gewesen waren und Ängste geschürt hatten, nicht nur bei Ebbo Grauling, sondern auch bei allen seinen Freunden und Bekannten. Kein Abend war seither vergangen, an dem in den zahlreichen Tavernen der Stadt nicht über die jüngsten Ereignisse gesprochen wurde.
Und es machten Gerüchte die Runde …
Von unheimlichen Schreien, die einige des Nachts gehört haben wollten. Von dunklen Gestalten, die bei Dunkelheit durch die Gassen schlichen. Und von …
Ebbo stieß einen heiseren Laut aus.
Das Herz wollte ihm vor Schreck fast stehen bleiben, als er das Etwas sah, das sich ihm in den Weg stellte, hünenhaft groß und mit ausgebreiteten Armen!
Schon einen Herzschlag später schalt er sich einen Narren – es war nur die abgestorbene alte Eiche, die in der Mitte des Friedhofs stand.
Ebbo paffte einige Wölkchen, während er sich einen elenden Narren schalt – hatte er trotz seiner achtundneunzig Jahre denn noch gar nichts gelernt? Genügte jetzt schon ein alter Baum, um ihn zu erschrecken?
Kopfschüttelnd ging er weiter. Die Hälfte der Runde lag bereits hinter ihm, nur noch an den Gräbern der Fremden vorbei und dann rasch zum Ausgang.
Diesen Teil des Friedhofs mochte er am wenigsten. Dort lagen keine Halblinge begraben, sondern Menschen – Leute aus Vangart, Waywart oder anderen, noch ferneren Orten. Nicht nur, dass diese Menschen ihren Fuß ungebeten nach Westland gesetzt hatten. Sie hatten auch noch die Dreistigkeit besessen, hier zu versterben. Und da die Tradition es verlangte, dass die Körper Verstorbener auch dann geehrt wurden, wenn sie so unhöflichen wie groben Menschen gehört hatten, waren sie auf diesem Teil des Friedhofs beigesetzt. Den „Fremdseelenacker“ nannten die Leute von Hobheim ihn, und manche behaupteten, dass jene fremden Seelen niemals wirklich Ruhe fänden und dazu verurteilt wären, körperlos umherzugeistern …
Plötzlich ein Knacken.
Ebbo blieb stehen.
Sein erster Gedanke war, dass er auf einen Ast getreten sei, doch unter seinen Füßen war nur Kies.
Wieder ein Geräusch, ein Rascheln diesmal.
„Ha-hallo?“, fragte Ebbo Grauling heiser in die Stille, um sich gleich darauf selbst zu ermahnen, wer er war und welches Amt er doch schließlich bekleidete. „Wer ist da?“, fragte er und gab sich Mühe, seine Stimme dabei tiefer klingen zu lassen, als sie es eigentlich war. „Hier spricht Ebbo Grauling, Nachtwächter seiner Lordschaft des Kanzlers!“
Die Hellebarde halb gesenkt, wartete er ab, aber nichts geschah. Mit der Laterne leuchtete er hierhin und dorthin, doch weder konnte er etwas Verdächtiges entdecken noch wiederholten sich die Geräusche.
Schließlich kam er zu der Erkenntnis, dass er sich getäuscht haben musste. Die Hellebarde wieder über der Schulter, die Laterne in der Hand und die Pfeife zwischen den Zähnen nahm er seine Runde wieder auf. Sein Herz pochte noch immer, als er den Pfad zu den fremden Seelen einschlug und der Lichtschein der Laterne die Grabsteine und die Inschriften darauf erfasste.
Ebbo schauderte.
Wie immer, wenn er diesen Weg ging, hatte er das Gefühl, dass ein eisig kalter Wind ihn streifte. Seine Nackenhaare sträubten sich, und er begann zu frösteln. Unwillkürlich beschleunigte er seinen Schritt und war erleichtert, als das letzte Grab in Sichtweite kam.
Es war erst unlängst ausgehoben worden.
Eine Menschenfrau namens Kira, die Dienerin der angeblichen Prinzessin, war dem Morwolf zum Opfer gefallen und hatte hier ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Jammerschade, dachte Ebbo. Für eine Menschenfrau war das Mädel verdammt hübsch gew…
Er erstarrte, als der Lichtschein der Laterne das Grab der Ostragierin erfasste. Ebbos Gesicht wurde schlagartig glühend heiß, die Pfeife fiel ihm aus dem offenen Mund.
Denn dort, wo spärlich sprießendes Gras hätte sein sollen, war das Erdreich aufgeworfen, und eine dunkle Öffnung klaffte und starrte dem Nachtwächter voller Hohn entgegen.
Was immer in diesem Grab gelegen hatte – es war verschwunden.
2 Festung Vanheim
Ein halbes Jahr später
Vanheim befand sich in der Hand des Feindes.
Nicht etwa desjenigen Feindes, der auf der anderen Seite des Bruchs lauerte und dessentwegen diese Grenzfestung einst besetzt worden war; sondern wegen einer neuen, anderen Bedrohung, die den Tiefen der Welt entstiegen war.
Veysi wusste darum.
Als General der ostragischen Armee war er einst Befehlshaber der mächtigen Garnison von Makashar gewesen und hatte als solcher auch den Oberbefehl über die Grenzfeste Vanheim innegehabt. Mit ihrem Verlust hatte alles angefangen, doch wie so viele andere hatte auch Veysi die Zeichen der Zeit falsch gedeutet. Das war ihm zum Verhängnis geworden.
Dass er noch vor nicht allzu langer Zeit ein mächtiger Mann mit einer vielversprechenden Karriere gewesen war, kam ihm im Nachhinein wie bitterer Hohn vor. Stets hatte er seine Pflichten treu und vorbildlich ausgeführt und loyal zum Königshaus gestanden, in der Hoffnung, nach dem siegreichen Ende des Krieges gegen Westrien nach Altashar an den Königshof berufen und mit einem Posten als Minister oder königlicher Berater belohnt zu werden.
Doch zwei Dinge waren ihm inzwischen nur zu klar geworden, nämlich dass dieser Krieg niemals enden würde und ein Sieg in unerreichbare Ferne gerückt war. Denn jener neue Feind war ebenso erbarmungslos wie furchterregend, und jeder Widerstand gegen ihn war zwecklos.
Von einer hohen Tanne aus, auf die er, der einstmals so mächtige General, sich in seiner Not geflüchtet hatte, beobachtete er die Festung, die über einem gewaltigen Felsenkessel thronte. Unterhalb der trutzigen Mauern und Zinnen ergoss sich tosend der Vanfall in die Tiefe und verschleierte den dunklen Abgrund mit Nebel und Dunst. Doch selbst über das Rauschen der Wassermassen hinweg waren die grässlichen Schreie zu hören, die über der Festung Vanheim lagen. Und endlos war die Kolonne der Krieger, die sich von Südosten kommend dem Felsenrund näherten.
An den Anblick der hinkenden, torkelnden und stürzenden Leiber, die teils mit teeriger Masse überzogen waren, deren Röcke und Rüstung aber noch die Zugehörigkeit zu seiner alten Armee erkennen ließen, würde Veysi sich nie gewöhnen. Er hatte eine Weile gebraucht, um zu begreifen, dass jene schwarze Substanz der eigentliche Feind war, denn sie war nicht nur in der Lage, beseelte Kreaturen zu willenlosen Dienern zu machen, sondern auch dazu, die Gefallenen bereits geschlagener Schlachten mit widernatürlichem Leben zu erfüllen und sie stets von Neuem in den Kampf ziehen zu lassen.
In Brückstadt, das vom ostragischen Heer belagert worden war, war Veysi diesem unheimlichen Feind erstmals begegnet[2], und innerhalb von Tagen hatte dieser die beinahe zwölftausend Mann zählende ostragische Streitmacht besiegt. Nicht im Kampf wohlgemerkt, sondern indem er leise und feige aus dem Abgrund kroch und sich der ostragischen Streiter bemächtigte – und jetzt gehörten sie alle zu seinem Heer.
Lanzenträger aus Nabara, Bogenschützen aus Ugarya und selbst die gefürchteten Sturmreiter Turaniens, einst der Stolz der königlichen Armee, waren der schwarzen Essenz verfallen und zu willenlosen Werkzeugen geworden, zu lebenden Toten, die jeden Befehl ihres Anführers ohne Zögern ausführten – selbst, wenn es ihr eigenes Ende bedeutete.
Ihr Anführer …
Veysi kam es vor, als würde seine linke Hand schmerzen – dabei war sie gar nicht mehr an Ort und Stelle. Kraft jener zerstörerischen, übernatürlichen Gabe, die er besaß, hatte Xusra, Hohepriester des Feuers und selbst ernannter Oberbefehlshaber der ostragischen Armee, sie in Flammen aufgehen lassen. Veysi betrachtete den in einen schmutzigen Lappen gewickelten Stumpf, in den sein linker Arm endete. Selbst jetzt noch konnte er den grässlichen Schmerz spüren und hatte den Geruch seines eigenen verbrannten Fleisches in der Nase. Doch der Schmerz hatte auch sein Gutes gehabt, denn er hatte Veysi die Augen geöffnet.
Er hatte erkannt, dass Xusra dem Wahnsinn verfallen war, und noch in derselben Nacht war Veysi aus dem ostragischen Lager geflüchtet. Der große General hatte seiner eigenen Armee den Rücken gekehrt und war zum Deserteur geworden, war heulend in die Wälder Yarowas geflüchtet, um dort seine Wunden zu lecken wie ein wildes Tier.
Bis er die Laute gehört hatte, die Schreie, die der Wind vom fernen Heerlager herübertrug, das unmenschliche Gebrüll. Und bis er den Gestank gerochen hatte, den grässlichen Odem von Tod und Verwesung …
Bei allem Schmerz und allem Zorn auf Xusra hatte die Sorge um seine Leute schließlich die Oberhand gewonnen, und Veysi war zum Heerlager zurückgekehrt. Doch von der einstmals stolzen ostragischen Armee war nichts mehr übrig gewesen.
Überstürzt war das Lager verlassen worden, die Zelte jedoch nicht abgebrochen, sondern niedergetrampelt, die Wagen und Karren verbrannt. Von einer fremden, anderen Macht gelenkt, hatte sich das gesamte Heer, Reiter und Fußvolk nach Norden gewandt, fort von Brückstadt, von dem nichts als schwelende Trümmer geblieben waren.
Und Veysi war ihnen gefolgt.
Zunächst war ihm nicht klar gewesen, was das Ziel des Marsches war, doch nun, nachdem sie Vanheim erreicht hatten, hatte er erkannt: Sie wollten den Bruch umgehen und nach Westen vorstoßen.
Nachdem die letzten Verteidiger von Brückstadt in einem Akt der Verzweiflung sowohl die Häuser als auch die Brücke in Brand gesteckt hatten, war eine Überwindung der Kluft dort nicht mehr möglich; hier im Norden jedoch, wo der Weltenbruch im Kessel von Vanheim endete, konnten sie ihn umgehen und nach Westrien gelangen.
Es war ein gefährliches Unterfangen: Da es so weit im Norden keine Heerstraße gab, führte der Weg mitten durch die Wildnis Noryas, über schmale und verschlungene Pfade, die normalerweise den Grenzern und Waldläufern vorbehalten waren. Zudem lag Schnee in der Luft, Veysi konnte ihn riechen. Wenn er das Heer auf dem Marsch überraschte, würden viele Soldaten jämmerlich erfrieren, denn die Krieger Turaniens und Dusharas waren für solches Wetter weder gekleidet noch waren sie daran gewohnt.
Doch was auch immer die einstigen Kämpfer Ostragiens antrieb, die unter dem Einfluss der teerigen Substanz zu lebenden Toten geworden waren – es scherte sich nicht um Dinge wie diese. Mehrmals hatte Veysi von seinem Versteck aus beobachtet, wie Soldaten von den schmalen Felsenpfaden abgestürzt waren, die in schwindelerregender Höhe um den Gebirgskessel herumführten. Schreiend waren die Männer in die Tiefe gestürzt, oftmals mitsamt ihren Pferden – und ihre Kameraden hatten sich nicht einmal nach ihnen umgedreht.
Gleichgültig wurde weitermarschiert, und je länger Veysi alldem zusah, desto mehr fragte er sich, welcher dunkle Wille die unseligen Kreaturen beherrschte.
War es Xusra?
Der Hexenpriester war zu manchem Übel fähig, der Stumpf seines linken Armes erinnerte Veysi jeden Tag daran. Aber dass er über eine solch große, unheimliche Macht verfügte, die in der Lage war, Tausende von Kämpfern zu kontrollieren und selbst den Toten zu gebieten, konnte sich Veysi dann doch nicht vorstellen. Etwas anderes musste dahinterstecken. Etwas, das noch sehr viel größer und mächtiger war als Xusra oder irgendjemand sonst in Astray. Etwas, das nicht menschlichen Ursprungs war …
Der Gedanke jagte ihm kalte Schauer über den Rücken. Was immer dieses beinahe zwölftausend Mann umfassende Heer dort lenkte, war dabei, Tod und Untergang nach Westrien zu tragen. Doch obwohl Veysi erst nach der Katastrophe geboren war und folglich nichts anderes kannte als eine geteilte Welt; obgleich er von Kindesbeinen an in dem Bewusstsein erzogen war, dass in Ostragien der wahre Herrscher von Astray sitze und der Westen mit all seinem Zwist, seinen Fürsten und Königen, mit all den Menschen, Halblingen und den Astari ein unberechenbarer Feind sei, der weder Ehre noch Gewissen kenne; obwohl Veysi wie sein Vater und dessen Vater vor ihm als Offizier in den Diensten der ostragischen Armee gestanden hatte und sein Leben dem Thron von Altashar gewidmet hatte, zerriss es ihm das Herz, all diese Krieger, die nicht mehr Herr ihrer selbst waren, nach Westrien marschieren zu sehen.
Er stellte sich das Chaos vor, das sie dort anrichten würden, die Zerstörung und das Leid, das sie über die Menschen brachten. Die kleinen Dörfer in den Wäldern Noryas würden die ersten sein, die die Zerstörungswut zu spüren bekamen. Dann die Gehöfte an den nördlichen Hängen des Haymos. Und durch die Pforte von Archos würde das Heer der Untoten nach Achaya vordringen und auf die Küste zumarschieren, und selbst die Sterngeborenen in Archos würden von ihrem Auftauchen überrascht sein und ihnen nicht Einhalt gebieten können.
Es sei denn …
Veysi erstarrte innerlich.
Er konnte selbst nicht glauben, dass er diesen Gedanken hegte – ausgerechnet er, der stets für Ostragien gelebt hatte. Doch zwei Dinge hatte der General gelernt: Dass es auch in den Reihen der Ostragier Verrat und Schlechtigkeit gab – und dass jenes Heer, das dort nach Vanheim marschierte, noch ungleich böser war als jede Bedrohung, die in Westrien lauern mochte.
Mit einem Mal stand ihm alles wie eine lange unentdeckte Wahrheit vor Augen: Vor dem schwarzen, unheimlichen Feind waren alle Wesen von Astray gleich. Nicht länger durften sie einander als Feinde gegenüberstehen, sondern mussten gemeinsam gegen diese Bedrohung vorgehen – und aus diesem Grund würde er, Veysi, einst Befehlshaber von Makashar und General der ostragischen Armee, nach Archos eilen und den Astari berichten.
Er würde sofort aufbrechen und den Schutz der Dämmerung nutzen. Er durfte nicht säumen, musste Tag und Nacht auf den Beinen sein, stets auf der Hut vor dem unheimlichen Feind – und das alles nur, um König Elayan zu warnen, seinen ehemaligen Feind.
Die alten Regeln galten nicht mehr.
Dies war eine neue Welt.
[1] siehe DIE LEGENDEN VON ASTRAY 2. TIEFER ZORN
[2] siehe DIE LEGENDEN VON ASTRAY 3. ROTE FLAMMEN
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