Gebrauchsanweisung für die Alpen Gebrauchsanweisung für die Alpen - eBook-Ausgabe
„Vor jedem alpin-Urlaub in den Rucksack packen.“ - Pörtschacher Zeitung (A)
Gebrauchsanweisung für die Alpen — Inhalt
Erlebnis-Kraftwerke und Skandal-Berge, Superlative und Geheimtipps – Bene Benedikt durchmisst die Alpen, vom Allgäu bis in die Dolomiten, vom Salzkammergut zum Mont Blanc. Immer wieder kommt er, der seit vier Jahrzehnten auch beruflich rund um die Welt auf Reisen ist, hierhin zurück. Er nimmt den Leser mit auf blühende Almen, schroffe Grate und Himmelsleitern, testet Gletschermusik und Firnabfahrten, kehrt in romantischen Stuben und High-Tech-Hütten ein. Er geht Klischees wie dem Alpenglühen nach, begegnet dem Steinbock, analysiert den Absturz am Berg und an der Schneebar. Er kennt die Stars der Szene und die Heilkraft von Obstler und Murmeltierfett, die Poesie der Gipfelbücher und die letzten Paradiese, die sich über 1200 Kilometer durchs Herz Europas ziehen.
Leseprobe zu „Gebrauchsanweisung für die Alpen“
Der Einstieg
Welch passender Begriff ! Jedes Buch braucht einen Einstieg, der den Leser bannt, jeder Berg hat seinen Einstieg. Zumindest ist da der Augenblick, in dem der Besteiger in seine Schuhe steigt. Und sie zubindet, denn mit offenen Schuhen ist man schlecht zu Fuß. Aber nicht nur ums Wandern wird es hier gehen, sondern um alles, was zu den Alpen gehört : um die Täler und Dörfer, die Menschen, die Kultur und die Natur. Und selbst, wenn es schließlich hoch hinaufgehen soll : Zum Einstieg wird meist nicht sofort gestiegen, sondern erst einmal [...]
Der Einstieg
Welch passender Begriff ! Jedes Buch braucht einen Einstieg, der den Leser bannt, jeder Berg hat seinen Einstieg. Zumindest ist da der Augenblick, in dem der Besteiger in seine Schuhe steigt. Und sie zubindet, denn mit offenen Schuhen ist man schlecht zu Fuß. Aber nicht nur ums Wandern wird es hier gehen, sondern um alles, was zu den Alpen gehört : um die Täler und Dörfer, die Menschen, die Kultur und die Natur. Und selbst, wenn es schließlich hoch hinaufgehen soll : Zum Einstieg wird meist nicht sofort gestiegen, sondern erst einmal sehnsuchtsvoll geschaut, dann gewandert, schließlich gestiegen. Das Schauen ist wichtig : Einfach irgendwo rauflaufen kann ja jeder ! Wird schon sehen, wie weit er kommt. Viel schöner ist es, sich den Berg anzuschauen, sich zu überlegen, ob man da wirklich hinaufmuss. Nein, man muss nicht, denn der Berg ruft nicht. Und doch, es ruft : in einem selbst. Manchmal spricht auch die Landkarte zu einem, zeigt feine Details, Höhenlinien, Kurven, Wege, die interessant sein könnten.
Aber die Karte braucht man nicht, wenn es um den Berg schlechthin geht, den Berg, den jeder Bergsteiger einfach haben muss. Das ist der Hausberg. Dieser Gipfel muss nicht unbedingt vor der Haustür liegen. Man muss auch nicht jedes Wochenende hinaufsteigen. Obwohl es das gibt : Der Berchtesgadener Bergführer Heinz Zembsch zum Beispiel feierte zum 70. Geburtstag seine 400. Watzmann-Ostwand-Durchsteigung, und ein ungenannter Bergfreund aus Lechbruck scheint so etwas wie eine Flatrate für den Schönleitenschrofen zu besitzen, so oft hat er sich ins Gipfelbuch eingetragen. Im Bergjargon heißen solche Menschen „ Hausmeister “, sie kennen ihren Hausberg in- und auswändig.
Für uns rekordlose Hausbergbesitzer ist nur wichtig, den Hausberg so genau zu kennen, dass man ihn glaubhaft als Hausberg schildern kann.
Mein eigener Hausberg liegt hundert Kilometer von meinem Haus entfernt, aber ich denke oft an ihn. Ich weiß, das genügt nicht. Aber immerhin ist er vom Elternhaus aus sichtbar. Wenn ich dort auf die Terrasse trete, sehe ich ihn halblinks, auf zehn Uhr. Zwischen zwei anderen Bergen.
Der eine ist der Säuling, ein sogenannter Modeberg, auf den jeder raufrennt, weil die Aussicht so toll ist. Ich habe das vor ein paar Jahren mit meinem Sohn gemacht – und traf dort oben zufällig einen alten Freund, mit dem ich 27 Jahre davor an genau derselben Stelle gestanden hatte : Da waren wir als Schüler gemeinsam heraufgestiegen. Was beweist, dass die Moden so kurzlebig nicht sind.
Der andere Berg, der Tegelberg, ist noch überlaufener, denn er hat eine Seilbahn und einen scheinbar leichten Gipfel, der aber ganz anders heißt : Von der Bergstation der Tegelbergbahn ( 1720 m ) führt ein steiler Pfad mit ein paar dramatischen Drahtseilen auf den Branderschrofen ( 1881 m ).
Ich liebe den Tegelberg, weil er mich zum Archäologen und zum Skifahrer machte. Das Interesse für die Archäologie verblasste irgendwann, sonst müssten Sie ganz andere Bücher von mir lesen; zu Grundschulzeiten aber, als ich mit Freunden bei der Renovierung der Stadtpfarrkirche ein paar Gräber mit richtigen Skeletten freilegen durfte, war es sehr lebendig. Später durchforschten wir Buben in großzügigen Kampagnen die Seilbahnbaustelle am Tegelberg, unter der eine römische Villa entdeckt worden war. Eine Sensation damals ! Nur die Gepäckträger unserer Dreigangräder begrenzten die Ausbeute dieser, nun ja, heute würde man sagen : Raubgrabungen. Als die Seilbahn dann fertig war, lockte sie mich vom Schaufeln zum Wedeln. Und im Sommer war Radeln angesagt, auf Wegen, die gestandenen Downhillern auch heute Angst machen. Glaube ich zumindest.
Das Risikopotenzial meiner Ski- und Radtouren haben meine Eltern wohl nicht überblickt. Nur die Angst vor dem Absturz haben sie mir eingeimpft. Der war nicht anders als tödlich vorstellbar und konnte jeden treffen, wie die kleine Kapelle auf dem Wankerfleck, einer idyllischen Wiese am Fuß der berüchtigten Geiselstein-Nordwand, noch heute beweist : Sie erinnert an die erschreckend vielen Bergsteiger, die hier ihr Leben ließen. Darunter waren auch einige Priester – was mich kleinen Erstkommunikanten damals besonders verstörte.
Die steilen Zacken meiner Füssener Heimat reizten mich als Kind nur aus der Ferne, aber mein Hausberg hat mich schon immer angezogen. Er ist nicht ganz so hoch wie etwa der Säuling, hat keine ganz so gute Aussicht. Er ist stiller, denn es führt keine Markierung hinauf, kein Wegweiser, kein roter Punkt. Das scheint erstaunlich, aber : „ Bei diesem ganz isoliert dastehenden Gipfel sollte einfach noch ein kleines › Abenteuer Berg ‹ erhalten bleiben. “ – Klingt gut, oder ? Ist ein Zitat aus dem Rother-Führer „ Schwangau-Hohenschwangau “ von Hermann Leeb aus dem Jahr 1977. Jahrzehntelang existierte also der Hohe Straußberg ( 1933 m ) als „ kleines Abenteuer Berg “, doch dann geschah es : Um 2010 fand ich fette Markierungen, dicke weiße Wegpfeile aus der Spraydose. Nun hoffe ich, dass ein gnädiger Wettergott all diese Zeichen bald weggewischt haben wird. Damit mein Hausberg still bleibt; ein bisschen geheim. Aber nein, das wäre nicht recht. Die Berge gehören doch allen : allen, die sich trauen, ihnen nahezukommen.
Die Alpen, wie sie jeder kennt
Schütteln wir die Schneekugel : Aus dem Flockenwirbel tauchen sie auf, die alpinen Klischees. Matterhorn und Murmeltier, Enzian, Alpenglühen und Gams ( oder ist das ein Steinbock ? ), Seil und Haken, Geweihe. Das Geweih ist übrigens im Zuge der um sich greifenden Heimatisierung und Alpinisierung auch im Flachland wieder gesellschaftsfähig geworden, mal ganz ernsthaft, mal als gewolltes Kitsch-Zitat, in Rosa, Silber oder Gold verfremdet.
Da ist es tröstlich, dass manches alpine Stereotyp keinen Moden unterworfen ist. So hat das Matterhorn, 4478 Meter hoch, dauerhaft Bestand als Urbild des Berges schlechthin, egal ob in echt oder in Schokopapier. Seine Nordwand konnten die Münchner Toni und Franz Schmid 1931 erstmals durchsteigen, sie erhielten dafür die olympische Goldmedaille Prix olympique d’alpinisme.
Ähnlich verlässlich wie das Matterhorn taucht das Alpenglühen als Sehnsuchtsmotiv auf – in Wirklichkeit ist es jedoch ein ausgesprochen launisches Phänomen. Es zeigt sich je nach Wetter, Sonnenstand, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Blickwinkel. Streulicht spielt eine Rolle oder die Gegendämmerung, aber feste Regeln, wann und wie alles zusammenpasst, gibt es nicht. Es bleibt immer eine Überraschung : Mal zeigen sich die Gipfel und Wände in kräftigem Orange oder Rot, mal verblassen sie einfach.
Bozen ist ein guter Ort, um vor dem Abendessen entspannt auf den Rosengarten hinaufzublicken, einen Veneziano zu trinken und zu schauen, was die Sonne mit diesem Wald aus Felspfeilern, den Bündeln von Türmchen und den schroffen Wänden macht. Enrosadira heißt das Phänomen auf Ladinisch, der alten Sprache der Dolomiten. Die Sage liefert eine poetische Erklärung dafür. Demnach lag dort oben einst der Rosengarten des Zwergenkönigs Laurin. In Liebe entflammt, entführte Laurin das Menschenkind Simhild. Eine Tarnkappe schützte den Zwerg, und ein Wundergürtel verlieh ihm die Kraft von zwölf Männern, doch der Ritter Dietrich von Bern und seine Freunde überwältigten ihn mit einer List. Da verfluchte der gefesselte Zwerg seinen Rosengarten, der fortan weder bei Tag noch bei Nacht für das Menschengeschlecht sichtbar sein sollte. Aber Laurin tat den Fluch wohl ohne ausgefuchsten juristischen Beistand : Die Natur war spitzfindig, und so können die Menschen den Rosengarten doch noch sehen : in der Zeit „ zwischen Tag und Nacht “, wenn hoch über Bozen die Felsen im Abendlicht wie Rosen erglühen.
Und Simhild ? Die wurde dem tapfersten Ritter angetraut und ging in der Männer-Saga fast ein bisschen unter. Heute erinnert nicht mehr viel an sie : ein Ferienappartement in Bozen, ein Café mit veganen Brunch-Events in Leipzig und vielleicht die Bozner Rockband „ Mad Puppet “. Von ihr stammt das Album „ King Laurin and His Rose Garden “, auf dem sie zusammen mit einer Blasmusikkapelle zu hören ist.
Auf der Ostseite heißt der Rosengarten schlicht und einfach Catinaccio, angelehnt an das Wort catenaccio : Riegel. Die Morgensonne bestrahlt also nicht Südtirol, sondern das Trentino, verläuft doch die Grenze auf dem Kamm von Nord nach Süd. Manchmal überwindet der Gesang die Grenzen – so wie es die Bergsteigerchöre aus den Dolomiten tun. Mit „ La Montanara “ oder den „ Bergvagabunden “, jenem Lied, in dem das sprichwörtliche Klischee von Seil und Haken vorkommt :
Wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen, steigen dem Gipfelkranz zu, in unsren Herzen brennt eine Sehnsucht, die läßt uns nimmer mehr in Ruh. Herrliche Berge, sonnige Höhen, Bergvagabunden sind wir. Mit Seil und Haken, den Tod im Nacken, hängen wir in der steilen Wand. Herzen erglühen, Edelweiß blühen, vorbei geht’s mit sicherer Hand.
So zitiert es die schöne Website „ volksliederarchiv.de “ aus dem „ Liederbuch der Fallschirmjäger “ von 1983. Ob die „ Vagabunden “ heute noch politisch korrekt sind ? Ich bin mir da nicht sicher. Zumal die Fallschirmjäger, jedenfalls nach der genannten Website, dem „ Gipfelkranz “ zustreben und nicht, wie ich es gelernt habe, dem „ Gipfelkreuz “. Aber das ist vielleicht auch nicht mehr „ korrekt “; es mag inzwischen ungetaufte Fallschirmjäger geben, die in ihren religiösen Gefühlen verletzt sein könnten. Die „ schwindelnden Höhen “ habe ich als Knabe in den Gruppennachmittagen einer katholischen Jugendgruppe namens „ Bund Neudeutschland “ besungen. Unter Führung eines Pfarrers oder Religionslehrers tobten wir uns in den Bergwäldern meiner Füssener Heimat bei sogenannten Geländespielen aus und sangen danach im Dämmerlicht des „ Schützenheims “ ( einer Holzhütte am Berg ). Ich erinnere mich dunkel, dass das Anschleichen, Jagen, Fangen aufregend schön, aber auch seltsam kriegerisch war. Die hohen Berge über uns waren allgegenwärtig, manchmal lockend, manchmal bedrohlich.
Streben wir also dem Kranz der Gipfel zu. Da brauchen wir „ Seil und Haken “. Den „ Tod im Nacken “ lieber nicht – daher ist das Seil, das Symbol des Bergsteigens schlechthin, heute ein Hightech-Gebilde, das nichts mit dem Hanfstrick der Pionierzeiten gemein hat oder mit der Wäscheleine aus rotem Perlon, die wir in meiner Jugend auf unsere Erkundungstouren zu den Felsen im Wald mitnahmen, aber zum Glück nie wirklich brauchten. Das moderne Seil ist nicht starr, sondern gibt nach und fängt einen Sturz flexibel ab. Und dieser lebensrettende „ Gummi-Effekt “ ist genormt, und zwar sowohl was die Federkraft des Seils angeht als auch die Anzahl der Normstürze, die es aushalten muss. Der Normsturz ist keine ironische Erfindung. Es gibt ihn tatsächlich, als Europäische Norm 892. Sie verlangt, grob vereinfacht, dass ein Seil fünf Stürze eines Achtzig-Kilo-Gewichts aus fünf Meter Höhe aushalten muss.
Und was hält den Normsturz ? Der Haken, richtig. Bei Luis Trenker, dem idealtypischen Bergsteiger schlechthin, ist das ein Stück eckig gebogenes Metall, das er mit energischen Hammerschlägen in eine Felsritze treibt. Das ist Old School. Bisweilen wird es auch als Trad Climbing ( trad für „ traditional “ ) oder Clean Climbing bezeichnet, und je nach Gegend gebietet es der lokale Konsens entweder oder er ächtet es.
Oder denken Sie bei „ Haken “ an „ Karabinerhaken “ ? Also an ein rundlich gebogenes Stück Metall mit Schnapper ? Der heißt im Bergdeutsch nur noch „ Karabiner “, und fast noch häufiger als am Berg begegnen wir ihm als Schlüsselanhänger. Richtige Kletterer bändigen damit imponierend gewichtige Bünde von Schlüsseln : für Haus, Auto, Mountainbike, Rennrad, Boulderraum der Alpenvereinssektion, Berghütte und – ganz wichtig – Schranke des Forstwegs zum Hausberg.
Seil und Haken also, beides fest verankert in unserem alpinen Klischeebild. So wie die schon zum Sprichwort geronnene Behauptung des Volksmunds : „ Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd’ “. Das deftig dialektale koa und das Auslassungszeichen bei der Sünd’ sind wichtig. Lustgewinn ohne moralisierende Hintergedanken – als ob dafür auf der Alm Zeit wäre ! Denn hier nimmt die Arbeit ja kein Ende, das Gras, und damit der Mist, wächst ständig nach, sodass es naheläge, die Sense ins Heu zu werfen und den Frust im Korn zu ertränken. Doch halt : Der Korn müsste ja auch erst hochgetragen werden. Dann lieber einen Enzian, den aus dem Lied : „ Blau, blau, blau blüht der Enzian … “ Aber macht der blau leuchtende Kelch denn auch blau ? Nein, tut er nicht. Hier fließen zwei Klischees ineinander, die wir sorgfältig trennen müssen. Die blaue Frühjahrsblume ( Gentiana alpina ) gehört ins Gras, nicht ins Glas. Für den Schnaps sind die Wurzeln des Gelben Enzians ( Gentiana lutea ) und seiner Verwandten zuständig, die im Sommer hohe, großblättrige Triebe mit meist gelben Blüten bilden. Diese Wurzeln auszugraben, zu sammeln und schließlich zu brennen ist ein uraltes Privileg, das über die Generationen weitergereicht wird. Kühe fressen den Gelben Enzian übrigens nicht. Ihn mögen allenfalls die Nager, an denen kein Jäger alpiner Stereotype vorbeikommt.
Murmeltiere murmeln nicht – oder wenn, dann heimlich, im Winter in ihrer Höhle. Wir hören sie nur pfeifen. Dieser Warnruf war aber wohl in keiner Sprache namensgebend : Marmotto sagen die Italiener, marmot die Engländer und marmote die Franzosen. Alle diese Begriffe sind wohl dem deutschen Namen entlehnt, der wiederum dem Lateinischen mus montis ( Gebirgsmaus ) entstammen mag. Doch in Slowenien pfeift der svizec, ein Name, der etwas mit „ Rolle “ zu tun haben könnte, so erklärten mir slowenische Gewährsleute ( also mit dem Aussehen der Tiere ? Oder mit ihrem Verhalten ? ), und wer das googelt, stößt auf ganz besondere Übungssätze, darunter : „ Warum sollte jemand ein Murmeltier stehlen ? “ ( „ Zakaj je ugrabil svizca ? “ ). Oder dieser Beitrag zum freundlichen Alltagsgespräch : „ Nein, ich hatte heute schon Murmeltier. “ ( „ Ne, jedel sem ga za kosilo. “ )
Murmeltiere leben in Höhenlagen von 1300 bis 2700 Meter, und zwar auf Wiesen oder im Geröll, so gut wie nie im Wald, am liebsten an sonnigen Südhängen mit Aussicht. Das kann man gut verstehen. Manche Menschen beneiden die Murmelis auch um den Winterschlaf : Tief in ihren Bauten schlafen sie oft mehr als sechs Monate lang, atmen nur zwei oder drei Mal pro Minute und kuscheln sich mit ihren Familienmitgliedern in ein bequemes Lager aus Heu, das sie im Herbst geerntet haben. Über den Sommer fressen sie sich dick und rund, damit sie im Winter von ihrem Fett zehren können. Im Frühjahr kommen sie dann mit vier statt acht Kilogramm aus dem Bau, blinzeln in die Sonne, fressen, fressen, fressen, spielen – und pfeifen, wenn Menschen oder gefährliche Tiere in ihre Nähe kommen.
Ende des 19. Jahrhunderts waren die Murmeltiere nach intensiver Jagd fast ausgestorben; in Deutschland gab es nur noch kleine Kolonien in Berchtesgaden und im Allgäu. Inzwischen hat sich ihr Bestand erholt oder wurde nach Wiederansiedlung neu begründet – sogar im Schwarzwald.
Wem man dort sicher nicht begegnet, sind Steinbock und Gams. Viele Menschen können die beiden nicht auf Anhieb unterscheiden : Manche halten sie für Männchen und Weibchen, andere für Jung und Alt ein und derselben Tierart. Spielt auch keine Rolle. Der durchschnittlich höhenfeste Bergler kann meist auch nicht sagen, was Dorsch ist und was Kabeljau. Hörner tragen beide, Steinbock und Gams, und zwar das ganze Jahr über, ein weißes Hinterteil hat dagegen nur die Gams. Essbar sind beide. Als Braten, Steak, Schinken oder Hartwurst. Je nach Alter und Zubereitung – und der Virtuosität des Verarbeiters – liegt der Geschmack irgendwo zwischen Zicklein und Hirschkalb oder zwischen Ziege und zähem Zwölfender.
Schauen wir genauer hin : Der Steinbock ( Capra ibex ) ist größer, meist einfarbig graubraun und hat große, durchgehend gebogene Hörner mit Buckelreihen auf der Vorderseite. So zumindest die Männchen, die Böcke. Die Damen haben kurze, weniger gebogene Hörner. Das Gehörn galt seit alters her als heilkräftig – wie eigentlich der ganze Steinbock. Kein Wunder, dass er zwischen 1600 und 1800 fast in den ganzen Alpen ausgerottet wurde : durch obrigkeitliche Jagd, aber auch durch Wilderei. Nur am Gran Paradiso, wo die Könige von Piemont ( später Italien ) ihr Jagdgebiet streng bewachen ließen, überlebten ein paar Tiere, die Stammväter aller Alpensteinböcke des 21. Jahrhunderts. Die ersten Steinböcke, die in der Schweiz wieder angesiedelt wurden, waren tatsächlich Schmuggelgut aus Italien. 1906 war das, und 1911 konnten die ersten fünf Tiere in die Freiheit entlassen werden. Einer wollte übrigens nicht, erzählt Bernhard Grzimek, dem gefiel es in der Obhut der Menschen besser – er wusste wohl, dass sie ihm nicht an den Pelz wollten oder an den Bart. Aber nein, der Bart stammt ja von der Gams.
Die Gämse ( Rupicapra rupicapra, einst „ Gemse “ geschrieben und gerne „ Gams “ genannt ) ist kleiner als der Steinbock, hat einen weißen Kopf mit schwarzen Augenstreifen und spazierstockähnlichem Gehörn ( „ Krucken “ ). Und der Gamsbart ? Der fehlt : Eine Gams ist ja keine Ziege. Der „ Pinsel “, der auf den Trachtenhut gehört, stammt vom Rücken der Gams – von den langen Haaren auf dem „ Aalstrich “, die im Idealfall auch noch von einem feinen hellen „ Reif “ überstrahlt werden. Preiswerter ist da ein Bündel Hirschhaare – aber an so etwas wollen wir bei der echten Tracht gar nicht denken.
„Vor jedem alpin-Urlaub in den Rucksack packen.“
„Hier erfährt man wie wohltuend ein Bad in einem Bergsee sein kann, wie fantasieanregend schnarchdurchwachte Hüttennächte oder warum Murmeltierfett Muskelschmerzen lindert.“
„Lesenswert!“
„Das Buch ist für jedermann. Ob es jetzt der Bergmuffel oder der eingefleischte Alpinist ist.“
„Bene Benedikt ist ein charmanter Erzähler, ein geist- und kenntnisreicher Plauderer.“
„Bene Benedikt gibt in ›Gebrauchsanweisung für die Alpen‹ –oft persönlich gefärbte – Anekdoten, Geschichten und Geschichtchen zum Besten. Interessanten, Skurriles und Überraschendes rund um die Berge und von ganz droben.“
„Benedikt geht den sog. Geheimtipps ebenso auf den Grund wie alten Klischees. Ein wirklich lesenswertes Buch.“
„Witziges und Wissenswertes über die Berge (...) – stets erzählt der Autor Bene Benedikt dazu kenntnisreiche Geschichten, die höchst kurzweilig zu lesen sind.“
„Ein humorvoller Einblick in die Feinheiten und Eigenarten der Bergwelt und ihrer Besucher.“
„Ein Buch, das uns unterhaltsam mitnimmt: zu Attraktionen, Abenteuern und Besonderheiten in den Alpen.“
„Man kann mit seiner wissensprallen ›Gebrauchsanweisung‹ auch mühelos Quizfragen für einen ganzen verregneten Hüttentag generieren.“
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