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Die stille Braut (Martinsfehn-Krimis 2)

Die stille Braut (Martinsfehn-Krimis 2)

Barbara Wendelken
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Kriminalroman

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Die stille Braut (Martinsfehn-Krimis 2) — Inhalt

Gerade erst von ihren Verletzungen genesen nimmt Oberkommissarin Nola van Heerden ihren Dienst wieder auf. Gleich ihr erster Fall führt sie erneut nach Martinsfehn. An einem Badesee findet man die als Braut zurechtgemachte Leiche einer jungen Frau, die vor vier Jahren aus einer Internatsschule für Gehörlose verschwunden ist. Bei ihren Ermittlungen stößt Nola auf ein düsteres Geheimnis. Bald gibt es weitere Tote und es scheint, als wäre der Täter ihr immer einen Schritt voraus …

€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 14.09.2015
512 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97010-5
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Leseprobe zu „Die stille Braut (Martinsfehn-Krimis 2)“

Nie wird er die Stimme seiner Mutter vergessen. An manchen Tagen verfolgt sie ihn bis in den letzten Winkel der Wohnung, es gibt einfach kein Entrinnen, keinen Ort, an dem er vor ihr sicher ist. Ihre Worte scheppern in seinem Kopf wie Nägel in einem Blecheimer.

Idiot, hat sie ihn genannt, Blödmann, Faulpelz, Strafe meines Lebens. Egal, was er machte, wie er sich bemühte, er blieb immer der nichtsnutzige Trottel, der es zu nichts bringen würde im Leben, genau wie sein Erzeuger. Bis heute begreift er nicht, warum sie ihn so gehasst hat.

Bei den nichtigsten [...]

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Nie wird er die Stimme seiner Mutter vergessen. An manchen Tagen verfolgt sie ihn bis in den letzten Winkel der Wohnung, es gibt einfach kein Entrinnen, keinen Ort, an dem er vor ihr sicher ist. Ihre Worte scheppern in seinem Kopf wie Nägel in einem Blecheimer.

Idiot, hat sie ihn genannt, Blödmann, Faulpelz, Strafe meines Lebens. Egal, was er machte, wie er sich bemühte, er blieb immer der nichtsnutzige Trottel, der es zu nichts bringen würde im Leben, genau wie sein Erzeuger. Bis heute begreift er nicht, warum sie ihn so gehasst hat.

Bei den nichtigsten Anlässen hagelte es Ohrfeigen. Sie war eine Meisterin darin, ansatzlos zuzuschlagen, so schnell, dass man nicht mehr ausweichen konnte. Manchmal reichte schon ein Blick, den sie respektlos fand, damit sie auf ihn einprügelte. Sie machte ihm das Leben zur Hölle, jeden einzelnen Tag, jede Stunde. Er nässte ein, bis er neun war, was ihm den Namen Pisser einbrachte.

Die schönsten Erinnerungen an seine Kindheit, eigentlich sogar die einzigen, die es wert sind, in seinem Kopf aufbewahrt zu werden, sind die wenigen Abende, an denen seine Mutter ihm aus dem dicken Märchenbuch vorlas. Er mochte die Geschichten, die allesamt ein bisschen gruselig waren und nie wirklich gut ausgingen. Die Bilder, feine Federzeichnungen in SchwarzWeiß, fand er abstoßend und schön zugleich. Die Menschen
sahen hässlich aus und böse, selbst die Prinzessinnen hatten etwas Verschlagenes an sich. Wenn seine Mutter vorlas, klang ihre Stimme ganz anders, tief und ruhig und voller Zärtlichkeit. Ganz still lag er dann in seinem Bett, zugedeckt bis zum Hals, eingehüllt in den wohligen Geruchsnebel aus Waschpulver, den das Bettzeug verströmte ( es wurde jeden Montag gewechselt ) und dem Duft nach ihrem Haarspray, das sie so reichlich verwendete, dass ihre Haare sich ganz hart anfühlten und ein bisschen klebrig wie ein Gespinst aus Zuckerfäden. „ Taft “ stand auf der goldenen Spraydose. Noch heute macht sein Herz jedes Mal einen verzweifelten Hüpfer, wenn er den Namen in der Werbung hört. Inzwischen hat der Hersteller das Design mehrfach gewechselt, aber damals, als er ein kleiner, verängstigter Junge war, thronte auf der Ablage über dem Waschbecken eine große, goldene Spraydose, die so kostbar auf ihn wirkte, dass er überzeugt war, sie hätte ein Vermögen gekostet. Wenn seine Mutter ihn wieder mal grundlos geschlagen hatte und er nicht wusste, wie er sich trösten sollte, drückte er heimlich auf den Knopf und atmete den duftenden Nebel ein. Einmal erwischte sie ihn dabei. „ Schwul bist du auch noch, was ? “, kreischte sie und schubste ihn aus dem Badezimmer. Erst am Abend bemerkte er den riesigen Bluterguss auf seiner Hüfte, wo er gegen die harte Kante des Waschbeckens gefallen war. Als er älter wurde und stärker, hörte sie mit dem Schlagen auf, vielleicht fürchtete sie, dass er sich wehren könnte. Von da an malträtierte sie ihn nur noch mit ihrem schrillen, fordernden Gekeife.

Die Hypothek, die seine Mutter ihm für sein Leben mitgegeben hat, ist der Hass auf Frauen, auf ihre hohen Stimmen, mit denen sie ständig etwas von ihm verlangen.



Dienstag, 26. Februar

Es war der dunkelste Winter seit sechzig Jahren, nicht einmal hundert Sonnenstunden hatten die Wetterdienste bislang aufgezeichnet. Die Welt versank in stumpfem, trübseligem Grau. Schon tagsüber brannte Licht in den Wohnungen, und wer raus in die Kälte musste, hastete mit gesenktem Kopf durch die Straßen, die Zähne fest zusammengebissen und eingewickelt in warme Winterkleidung, die nur das Gesicht frei ließ. In den Wetterprognosen war die Rede von weiterhin frostigen Temperaturen. „ Keine Aussicht auf Frühling “, sagte die blonde Wetterfee im Fernsehen, und ihr Lächeln wirkte verlegen, als schäme sie sich für das, was sie verkünden musste.

Seit einer Woche war Nola van Heerden, Oberkommissarin bei der Kripo Leer, wieder im Dienst. Ab und an schmerzte der rechte Arm noch, wenn sie ihn zu stark beanspruchte wie am Vortag beim Tragen der Kiste Mineralwasser. Ihr Physiotherapeut hatte zu moderatem Hanteltraining geraten, am besten täglich. Obwohl sie den Sinn durchaus begriff, konnte Nola sich nur selten dazu aufraffen.

Gerade als sie den Flur des Ersten Fachkommissariats
betrat, stürmte ihr direkter Vorgesetzter, Kriminalhauptkommissar Robert Häuser, aus seinem Büro. Er hatte es so eilig, dass Jupp, sein uralter Rauhaardackel, der ihn häufig zum Dienst
begleitete, beinahe von der zufallenden Tür eingeklemmt worden wäre, was Robert nicht einmal bemerkte, Jupp hingegen zu seinem Herrchen aufschauen ließ, gekränkt, wie Nola fand.

„ Nola, der Anruf ist gerade reingekommen. Leichenfund. Eine junge Frau am Kreihenmeer. “ Da sie nicht reagierte, weil ihr Blick immer noch an Jupp hing, sah er sich zu einer weiteren Erklärung genötigt. „ Kreihenmeer. Das ist plattdeutsch und bedeutet Krähenmeer. Eine große Freizeitanlage mit
Badesee. Im Sommer ist da der Teufel los. Mehr kann ich dir noch nicht sagen. Dr. Fenders und die Spurensicherung sind informiert. “

„ Okay. Wer fährt mit ? Conrad ? “

Robert nickte. „ Ja. Sein Wagen streikt, und er kommt später, vermutlich erst gegen Mittag. Du musst also allein anfangen. “ Er räusperte sich und wich ihrem Blick aus. „ Das Kreihenmeer liegt in Martinsfehn. Kriegst du das hin ? “

„ Natürlich. “ Es klang weitaus überzeugter, als sie es wirklich war. Im November hatte Nola in Martinsfehn ermittelt und dabei Renke Nordmann, den Leiter des dortigen Polizeireviers, kennengelernt. Sie waren sich ziemlich nah gekommen, was Nola beinahe das Leben gekostet hätte. Sie betrachtete die Geschichte mit Renke als abgeschlossen, und im Nachhinein war es ihr unangenehm, dass jeder im Präsidium darüber Bescheid wusste. Never fuck the company. Daran würde sie sich künftig halten.

Während der Fahrt versuchte Nola, ihre Gefühle zu sortieren. Freute sie sich auf ein Wiedersehen mit Renke oder fürchtete sie sich davor ? Wahrscheinlich beides, auf jeden Fall war sie aufgeregt, und das nicht nur aus beruflichen Gründen.


Laut Google Maps lag das Kreihenmeer außerhalb der Ortschaft Martinsfehn, und es gab nur eine einzige Zufahrt, den Meerweg, der direkt von der Bundesstraße abging. Kurz vor der Abzweigung entdeckte Nola auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein großes Schild, das auf einen Reiterhof hinwies, der etwa vierhundert Meter zurück lag. Wenn es überhaupt Zeugen gab, dann wohnten sie dort. Von der Straße aus konnte man allerdings nur die große, fensterlose Reithalle sehen, deren grüne Fassade sich nahtlos in die Landschaft einfügte, und davor eingezäunte Koppeln, auf denen um diese Jahreszeit keine Tiere grasten. An der Stelle, wo der Meerweg begann, wartete ein uniformierter Kollege, dessen Aufgabe darin bestand, jeden, der nichts mit den Ermittlungen zu tun hatte, weiterzuwinken. Obwohl er zum Revier Martinsfehn
gehören musste, hatte Nola ihn noch nie gesehen. Ihr fiel ein, dass jemand die zwei Beamten ersetzen musste, die im
Dezember getötet worden waren. Sie verzichtete darauf, sich mit Namen vorzustellen, zückte nur ihre Dienstmarke, und er gab mit einer angedeuteten Verbeugung den Weg frei.

Die erstaunlich gut ausgebaute Zufahrtsstraße wurde auf beiden Seiten von Buschwerk gesäumt, die kahlen Äste sahen aus, als hätte jemand sie kürzlich gestutzt, sehr rigoros und ein bisschen lieblos. Dahinter erstreckte sich kilometerweit nur Weideland, ein Anblick, der typisch war für Ostfriesland. Was ihre neue Heimat anging, schwankte Nola zwischen wunderschön und todlangweilig, heute Morgen schlug der Pegel eindeutig Richtung langweilig aus, was durchaus an dem trübseligen Wetter liegen mochte. In der Nacht hatte es erneut gefroren, der Himmel konnte sich nicht so recht zwischen grau und weiß entscheiden, die Luft war dunstig, und auf dem bräunlichen Gras glitzerte Raureif. Irgendwo, ganz in der Ferne, meinte Nola ein Gehöft zu erkennen. Vielleicht handelte es sich auch nur um einen Geräteschuppen auf einer der Weiden.

Nach tausendfünfhundert Metern endete die Straße auf
einem gepflasterten Parkplatz mit weiß markierten Stellplätzen, dessen Größe Nola erstaunte. Sie überschlug kurz, dass hier an die hundert Autos stehen konnten, was auf einen regen Sommerbetrieb schließen ließ. Bis auf zwei Polizeiwagen und einen orangefarbenen Pick-up mit der Aufschrift Gemeinde Martinsfehn war der Parkplatz leer.

Sie stellte ihren Mini direkt neben die beiden Polizeiwagen und stieg aus. Der eisige Wind raubte ihr für einen Moment den Atem. Hier draußen war es erheblich kälter als in der Stadt, und sie ärgerte sich, dass sie sich heute Morgen in Erwartung eines Bürotages gegen ihre gefütterten Winterstiefel entschieden hatte. In spätestens einer halben Stunde würden ihre Füße sich in Eisklumpen verwandelt haben, das wusste sie jetzt schon. Auch ihre Jacke war keineswegs für einen stürmischen Wintertag gedacht, und einen Schal hatte sie nicht
dabei. Mist.

Nola erkannte Jens Stiller, einen jungen Kollegen aus Martinsfehn, der grüßend die Hand hob. Neben ihm hauchte sich eine weibliche Beamtin in die Hände, ihre leuchtend rote Nasenspitze verriet, dass sie genauso mit der Kälte zu kämpfen hatte wie Nola. Renke war nirgends zu sehen, und sie spürte eine leise Enttäuschung. Sei nicht blöd, rief sie sich zur Ordnung.

Ihr Blick blieb an einem achteckigen Gebäude mit Reetdach und dunkelgrün gestrichenen Fensterrahmen hängen. Kiosk stand auf einem weißen Schild. Zur Wasserseite hin schloss sich eine leicht erhöhte Terrasse an, an drei Seiten eingegrenzt von einem leuchtend weißen Lattenzaun. Auf dem Spielplatz zerrte der Wind an den rot und blau lackierten Schaukeln. Ein Holzsteg führte etwa zehn Meter weit ins Wasser. Wie ein Schild verkündete, wurden dort während der Saison Tretboote angebunden. Es gab einen etwa zehn Meter breiten Sandstrand, von dem Nola annahm, dass er künstlich aufgefahren war. Im Sommer musste es hier ganz nett sein. Um diese Jahreszeit wirkte die Anlage dagegen trostlos und verlassen.

Die Tote lag auf einer Bank, die unter dem Überdach des Kiosks stand. Von Weitem hatte es den Anschein, als ob sie einfach nur schlief. Nola holte tief Luft und machte sich auf den Weg. Sie war davon überzeugt, dass der erste Eindruck des Tatorts, noch völlig unverfälscht von Tatsachen, scheinbaren Tatsachen und den Wahrnehmungen und Gedanken der Kollegen, einer der wichtigsten Momente einer Todesermittlung bedeutete, und ging deshalb betont langsam, um alle Einzelheiten aufzunehmen.

Keine Anwohner und damit potenzielle Zeugen, dachte sie und dass der Täter den Platz sehr klug gewählt hatte. Das hier war ein ruhiger, sehr friedlicher Ort, der etwas Heiles, Erhabenes ausstrahlte. Gleichzeitig verspürte Nola einen Hauch von Melancholie, weil die Anlage so verwaist wirkte wie ein längst vergessenes Paradies. Das Wasser, der Strand, der in eine gepflegte Rasenfläche überging, im Hintergrund die hohen Bäume, Silberpappeln, wie es aussah, und darüber ein glasklarer Winterhimmel von beinahe durchsichtigem Grau. Selbst die Gebäude, die die Gemeinde Martinsfehn hatte errichten lassen, störten die Idylle nicht allzu sehr. Vor allem der
Kiosk mit seiner annährend runden Form, den schmalen,
hohen Sprossenfenstern und dem tief runtergezogenen Reetdach sah aus, als hätte er schon immer hier gestanden.

Irgendwo keckerte ein Vogel, ein Eichelhäher oder eine
Elster, als wollte er sich über die vielen Menschen beschweren, die seine Ruhe störten.

Die Tote trug ein weißes, wadenlanges Gewand, scheinbar ein Nachthemd, mit breiten Trägern und einem viereckigen, mit Spitzen verzierten Ausschnitt. Warum auch immer fiel Nola sofort das Wort züchtig ein. Die Tote sah aus wie ein braves, anständiges Mädchen. Ihr Alter schätzte Nola auf Anfang zwanzig. Sie lag auf dem Rücken, die Augen waren geschlossen und die Hände unterhalb der Brust übereinandergelegt, aber nicht gefaltet. Sie war ungeschminkt und trug weder Schuhe noch Strümpfe. Ein Haarreifen, dicht besetzt mit weißen Plastikmargeriten und langen, gedrehten Seidenbändern, ebenfalls weiß, hielt ihr glattes, hellblondes Haar aus der Stirn, das so lang war, dass es bis auf den Boden herabfiel. Unter die Hände hatte jemand einen Strauß aus künstlichen Rosen geschoben, der billig wirkte und bei näherem Hinsehen eingestaubt. Ein Lederband mit einem winzigen, weißen Delfin, scheinbar aus Plastik, schmiegte sich eng an ihren Hals, und an ihrem rechten Ringfinger steckte ein breiter, goldener Ehering. Über den Körper der Toten, die Bank und die Bodenplatten davor waren dunkelrote Blütenblätter verstreut, und zu beiden Seiten der Holzbank brannten jeweils zwei Grablichter.

Barbara  Wendelken

Über Barbara Wendelken

Biografie

Barbara Wendelken wurde 1955 in Schwanewede bei Bremen geboren. Die gelernte Kinderkrankenschwester veröffentlicht seit 1996 regelmäßig Kinderbücher, Kriminalromane sowie zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien. Wenn sie nicht schreibt, genießt die Autorin mit ihrem Mann das Landleben in...

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