Strom — Inhalt
Nora ist wie vom Blitz getroffen. Sie steckt mitten in der Ausbildung zur Notfallsanitäterin, als sie bemerkt: Sie ist schwanger. All ihre Pläne lösen sich plötzlich in Luft auf. Um einer Entscheidung zu entkommen, wirft sie sich in das Praktikum auf der Demenzstation. Dort trifft sie Diddy, der alles gibt für seine eigenwilligen Patienten. Und sie begegnet Frank, einem verschlossenen Typen, der selbst mal Sanitäter war und im Notfall über sich hinauswächst. Notfälle hat es hier zuletzt auffällig viele gegeben. Bald erkennen Nora und Diddy, dass Frank für den Rausch des Rettens Leben aufs Spiel setzt …
Ein mitreißender, berührender Roman übers Helfen und Hilflosigkeit, über Pflege, Macht und die Frage nach dem Wert des Lebens.
Lieber Tobi Schlegl, im Mittelpunkt Ihres zweiten Romans „Strom“ stehen zwei äußerst unterschiedliche Figuren – Nora und Frank. Wer sind die zwei und warum wollten Sie gerade sie aufeinandertreffen zu lassen?
Nora und Frank begegnen sich auf der Demenz-Station einer großen Klinik. Sie machen dort dieselbe Arbeit – und doch prallen zwei komplett unterschiedliche Universen aufeinander. Das fand ich spannend. Nora, Anfang 20, steckt mitten in der Ausbildung und genießt ihre Unabhängigkeit. Sie brennt für ihren Beruf, will Menschen helfen, für ihre Patienten da sein, einen Unterschied machen.
Auf der anderen Seite Frank, um die 40, Krankenpfleger. Er ist frustriert, im Job wie im Privatleben. Aufmerksamkeit und Bestätigung holt er sich auf perfide Art – in dem er Menschen an die Schwelle des Todes spritzt, um sie dann zu „retten“. Sie, die alles gibt, um das Leben der Patient:innen zu schützen, trifft also auf denjenigen, der es ihnen nehmen will.
„Strom“ erzählt von der Welt der Pflege, Sie blicken dabei vor allem auf die PflegerInnen. Spielen sich die wahren Dramen gar nicht bei den PatientInnen ab?
Doch auch. Aber die Perspektive der Pfleger:innen wird oft unterschlagen. Auch sie erleben diese Dramen und fühlen mit. Die dauerhafte Konfrontation mit Leid, Tod und Trauer macht etwas mit ihnen. Und leider gibt es aufgrund des Dauerstresses bei der Arbeit wenig Möglichkeiten, diese Erlebnisse psychisch zu verarbeiten. Das ist auch ein strukturelles Problem in den Krankenhäusern: psychosoziale Nachsorge wird kaum angeboten. Hierarchische Strukturen sorgen zudem dafür, dass Kommunikation untereinander schwierig ist. Das führt zu Überforderung,Frust und Abstumpfung. Durchzuspielen, wie die verschiedenen Figuren damit umgehen, fand ich spannend. Im Roman kann man ihnen unglaublich nahekommen. Das schafft echtes Verständnis – und das braucht es: Denn ich bin sehr dafür, dass wir uns besser um alle Menschen in der Pflege kümmern sollten.
Nora erlebt bei ihrer Arbeit im Krankenhaus Fürsorge, Hilfsbereitschaft, aber auch Missstände und menschliche Abgründe. Was hat Sie erzählerisch daran gereizt?
In meiner Ausbildung zum Notfallsanitäter habe ich viele Stunden im Krankenhaus gearbeitet, auch auf der Geriatrie mit Schwerpunkt Demenz – eine eindrückliche Zeit. Schwer berechenbare Patient:innen, die meisten liebenswürdig, einige aggressiv. Ein herausfordernder Bereich, der häufig übersehen wird. Deshalb wollte ich ein Schlaglicht darauf werfen. Auf verschiedenen Ebenen ging es mir auch um die Frage, wann ein Leben lebenswert ist – und ob man sich von außen anmaßen darf, das zu bewerten.
Sie kennen die Arbeit im Krankenhaus sehr gut – wie gehen Sie beim Schreiben mit den eigenen Erfahrungen um? Sie werden ja nicht alles genau so erlebt haben…
Die eigenen Erfahrungen helfen, mich in die Situationen und Menschen hineinfühlen können. Außerdem ist mein Anspruch, ein möglichst realistisches Bild zu zeichnen – das fällt mir leichter,
wenn ich es selbst erlebt habe. Ich finde es toll, die Leser:innen in eine Welt mitnehmen zu können, von der sie in der Regel im Detail nur wenig wissen. Dabei spielt „Strom“ wie schon „Schockraum“ in einem sehr relevanten Bereich, in dem viele berührende, existenzielle Momente entstehen. Es gibt aber natürlich auch Situationen im Roman, die sich in ihrer düsteren Konsequenz und Verdichtung von der Realität entfernen und nur Geschichten sind. Und: So eine Figur wie Frank ist mir im realen Leben Gottseidank nie begegnet.
Als Notfallsanitäter haben Sie sicherlich häufig die Erfahrung gemacht, nicht darüber entscheiden zu können, wie ein Einsatz ausgeht. Beim Schreiben haben Sie alles selbst in der Hand. Ist das Erzählen für Sie ein heilsames Gegengewicht?
Es ist vor allem die Art der Arbeit, die ein Gegengewicht darstellt. Das Schreiben bildet in seiner Zeitlosigkeit und Ruhe den kompletten Gegensatz zu den zeitkritischen Einsätzen im Blaulichtbereich.
Zudem hilft es mir, die intensiven Erlebnisse im Grenzbereich zwischen Leben und Tod zu verarbeiten. Wenn ich diese aufschreibe, verschwinden sie besser aus meinem Kopf. Und gleichzeitig kann ich durch mein Schreiben Einblicke in verschlossene Bereiche geben und damit zur Aufklärung beitragen. Ich will beide Welten nicht mehr missen. Die Kombination der Dinge erfüllt mich sehr.
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