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Not Working

Not Working

Lisa Owens
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Roman

„Lisa Owens entpuppt sich nicht nur als scharfzüngige Satzbaumeisterin, sondern als feinsinnige Alltagsbeobachterin einer Generation von motivierten Menschen, denen angeblich in Zukunft die Welt offensteht. Eine neue starke Stimme in der britischen Literatur.“ - Neue Voralberger Tageszeitung (A)

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Not Working — Inhalt

Claire ist Mitte zwanzig und hat ihren ersten Job gerade erst begonnen, da kündigt sie ihn wieder. Nimmt man das Projekt Selbstverwirklichung ernst, findet sie, dann war es nicht der richtige. Apropos der Richtige: Freund Luke ist gut aussehend, nett und von Beruf wegen Leben rettend. Wäre jetzt nicht ein guter Zeitpunkt, um Kinder zu kriegen? Schon, sagt Claire, aber muss man nicht erst sein eigenes Leben auf die Reihe bekommen, bevor man ein anderes in die Welt setzt? Humorvoll, kurzweilig und voller Lebensweisheit: „Not working“ ist wie ein Glas Wein mit der besten Freundin.

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 02.06.2017
Übersetzt von: Brigitte Jakobeit, Karen Witthuhn
288 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97899-6
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Leseprobe zu „Not Working“

1
Mauerblümchen
Vor meiner Wohnung steht ein Mann in Kakigrün mit einem großen „Freiheit für Palästina“-Button.
„ Sind Sie die Eigentümerin ? “, fragt er, und ich drehe mich um, ob er vielleicht mit jemand anderem redet, aber hinter mir ist niemand. In der Zwischenzeit kann ich mir überlegen, auf welcher Seite des Israel-Palästina-Konflikts ich eigentlich stehe.
„ Ich denke doch, ja “, sage ich, und dann, etwas selbstbewusster, denn jetzt bin ich mir ganz sicher : „ Ja, ich bin die Eigentümerin. “
Er kratzt sich am Hals, der schmutzig grau ist. Seine Ohren [...]

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1
Mauerblümchen
Vor meiner Wohnung steht ein Mann in Kakigrün mit einem großen „Freiheit für Palästina“-Button.
„ Sind Sie die Eigentümerin ? “, fragt er, und ich drehe mich um, ob er vielleicht mit jemand anderem redet, aber hinter mir ist niemand. In der Zwischenzeit kann ich mir überlegen, auf welcher Seite des Israel-Palästina-Konflikts ich eigentlich stehe.
„ Ich denke doch, ja “, sage ich, und dann, etwas selbstbewusster, denn jetzt bin ich mir ganz sicher : „ Ja, ich bin die Eigentümerin. “
Er kratzt sich am Hals, der schmutzig grau ist. Seine Ohren haben denselben aschfarbenen Ton.
„ Sie müssen die Buddleja entfernen. Sie ist eine Gefahr. “
„ Oh, klar “, sage ich und folge seinem nach oben zeigenden Finger zu einer Gipssäule, die ein Schmuckelement krönt. Es ist mir noch nie aufgefallen, aber jetzt sehe ich beschämt, wie rissig und schmutzig der Anstrich ist. Wenn ich den richtigen Begriff dafür nennen müsste – und eine Million Pfund davon abhängen würden –, dann hätte ich auf „ Balustrade “ getippt. » Dient das nicht einem sta­tischen Zweck ? «, frage ich.
Er sieht mich an und zupft sich am Bart, der in einem schmalen Zopf endet.
„ Das ist Unkraut und darf da nicht sein “, sagt er, und jetzt verstehe ich : Aus der Spitze von dem Ding sprießt eine Pflanze, ein Strauch mit lilafarbenen Blüten. Eigentlich ganz hübsch.
„ Und – Entschuldigung, wer sind Sie ? “, frage ich und überlege, ob er von der Stadtverwaltung, ein Nachbar oder ein lästiger Passant ist.
„ Colin Mason, Member of the British Empire “, sagt er und reicht mir eine staubige Hand. Ich zögere kurz, dann melden sich meine guten Manieren, und ich reiche ihm meine.
„ Claire “, sage ich.
„ Soll ich mich darum kümmern ? “, fragt er und nickt in Richtung Buddleja. „ Und wenn ich schon da oben bin, kann ich auch gleich ein bisschen streichen. “
„ Hm, na ja – ich muss erst mit meinem Freund reden. Es gehört uns beiden. Wie kann ich Sie erreichen ? “
„ Ich bin in der Nähe “, sagt er. „ Sie sehen mich schon. “
Ich gehe ins Haus, wasche mir die Hände und rufe Luke an. Eine Frau hebt ab, seine Kollegin Fiona.
„ Er macht sich gerade für den OP fertig “, sagt sie. „ Soll er dich später zurückrufen ? “
„ Kannst du ihm vielleicht den Hörer hinhalten, damit ich kurz mit ihm reden kann ? Zwei Sekunden, versprochen. “
Ein leises Rascheln, dann Lukes Stimme.
„ Was gibt’s ? “
„ Ein Problem mit unserer Wohnung. Die Buddleja muss verschwinden. “
„ Die was ? “
Ich seufze. „ Das ist ein Unkraut. Ein lila blühendes Unkraut. Der Typ vorhin meinte, es muss weg. “
„ Welcher Typ ? “
„ Colin Mason. “
„ Wer ist das ? “
„ Er hat einen Orden. Er war ziemlich unnachgiebig. “
„ Und was hast du jetzt vor ? Musst du jemanden rufen ? Kann ich dir das überlassen ? Claire “, sagt er, „ ich muss los. “
„ Ja, überlass das mir. Was willst du heute Abend essen ? “
„ Er kommt heute Abend nicht zum Essen “, sagt Fiona. „ Er arbeitet lange. “
„ Oh “, sage ich. Ich glaube, ich sitze die Buddleja-Sache eine Weile aus. Mal sehen, ob sich was ergibt.

U-Bahn
Mir gegenüber unterhalten sich drei Frauen über das Wetter, als wäre es ein Freund, den sie nicht gern mögen.
„ Und noch was “, sagt eine und beugt sich vor, „ meine Vor-Oktober-keine-Strümpfe-Regel ist dahin. “ Ihre Freundinnen nicken weise, schlagen die Beine übereinander und strecken sie dann wieder aus.

Die andere
Meine Mutter ruft mich in ihrer Mittagspause an. Sie ist in einem Café.
„ Wo bist du denn ? “, fragt sie, als würde sie im Hintergrund einen rätselhaften Lärm hören und nicht die Stille meiner Küche.
„ Zu Hause. “
„ Verstehe. Wie läuft die Du-weißt-schon ? “
Sie meint „ Jobsuche “, und dass sie von „ Du-weißt-schon “ spricht, ist erstaunlicherweise weniger ärgerlich als die ­Frage an sich.
„ Ja. Gut. Bin grade wieder dabei. “
„ Hör mal, bevor du weitermachst, was hältst du davon ? Letzte Nacht habe ich ganz schrecklich geträumt, dass ich Diane sehe, die … Diane von der Arbeit. Es war ganz bestimmt Diane, aber im Traum dachte ich, sie wäre eine andere, eine Fremde. “
Bisher hat meine Mutter sie mir nur als „ Diane, die schwarze Frau am Empfang “ beschrieben. Ich habe so ein Gefühl, da kommt noch was.
„ Komischerweise “ – in einem Ton, als wäre es ihr eben erst eingefallen – „ hab ich gestern in der Stadt tatsächlich eine Frau gesehen, die ich für Diane hielt. Als ich hinging, um Hallo zu sagen, wurde mir klar, dass sie es nicht ist. “ Sie lacht. „ Claire. Was sagst du dazu ? Glaubst du, sie wäre beleidigt gewesen ? “
„ Wer ? “, frage ich boshafterweise. „ Diane oder die Frau, die du für Diane gehalten hast ? “
„ Die andere. Nicht Diane. Glaubst du, sie hätte gemerkt, dass ich sie mit jemandem verwechsle, mit einer anderen … “
„ Farbigen ? “, helfe ich ihr weiter.
„ Oh “, sagt meine Mutter, » ich glaube, das ist nicht poli­tisch korrekt. Ich glaube, heutzutage sagt man nicht mehr farbig. «

U-Bahn
Ein paar Sitze weiter im Wagen strickt ein alter Mann, kahlköpfig und lauschig in einer großen weißen Wolljacke. Als ich ihm mit hochgezogenen Augenbrauen zulächle, sehe ich plötzlich die Ohrringe, violette baumelnde Dinger, und mir wird klar, es ist gar kein alter Mann, sondern eine Frau, nicht so alt, vielleicht wie meine Mutter, die ihre Haare verloren hat. Sie grinst mich an, während ihre Nadeln drauflosklappern und ich mit noch immer hochgezogenen Augenbrauen meine Hände anlächle, die still in meinem Schoß liegen.

Leichenschmaus
Nachdem das Hauptgericht abgeräumt ist, bringen die Kellner – eigentlich noch halbe Teenager – die Nach­speise : Schalen voll schmelzendem Eis mit Früchten, schwimmend in Sirup. Ich sitze mit den anderen Kindern ( wir sind alle über fünfundzwanzig ) am Kindertisch. Mein Cousin Stuart, der unter seiner Anzugjacke ein „ No Fear “-T-Shirt trägt, fragt mich, was ich zurzeit so mache.
„ Daran arbeite ich gerade “, sage ich. Ich hatte schon ziemlich viel Wein : Ständig kommt welcher, und ständig trinke ich ihn. „ Vor zwei Wochen bin ich aus meinem Job ausgestiegen, damit ich etwas Zeit habe, über den Grund meines Daseins nachzudenken. Nicht im religiösen Sinn, aber ich glaube fest daran, dass jeder eine Bestimmung hat. Du zum Beispiel bist wie geschaffen für die Welt der Computer. Das leuchtet absolut ein. “ Ich verstumme, plötzlich besorgt, dass er ein normaler Ingenieur ist und kein Softwareentwickler, aber er nickt.
„ Dann war Marketing nicht deine Berufung. “
„ Kreative Kommunikation “, verbessere ich ihn.
„ Ehrlich gesagt : Ich wusste nie, was das eigentlich ist. “
„ Das … “, ich setze zu einer Erklärung an und merke, dass sich das jetzt wohl erledigt hat, „ … ist nicht mehr wichtig. “
„ Die Löffel fehlen “, sagt Stuart, und ich winke einen der Teenager zu uns.
„ Könnten Sie uns bitte Löffel bringen ? “ Ich bin empört, dass ich überhaupt darum bitten muss, und mein Tonfall ist angenehm kühl. Der Kellner grinst affektiert. Als er zurückkommt, umklammert er eine Handvoll Messer, die er in einer silbernen Kaskade vor mir fallen lässt.
„ Es sind keine Löffel mehr da “, sagt er, „ und Gabeln auch nicht, wir haben heute sehr viel zu tun. “
Ich schüttle den Kopf. „ Unglaublich “, raune ich Stuart zu, während wir die Messer verteilen. Ich schneide ein Stück von der schrumpfenden Eis-Insel ab, hebe es vorsichtig zum Mund und blicke zu dem Tisch, an dem meine arme Großmutter sitzt. Ihr sechzigjähriger Mann ist ge­­rade erst unter der Erde, und sie leckt an einer aufgespießten Pfirsichhälfte, als wäre es ein Lolli.
Zum Kaffee hält Stuarts Dad, mein Onkel Richard, eine Rede auf Gum. Freundlich macht er sich darüber lustig, wie stolz Gum auf seine „ Kriegsverletzungen “ war – die Narben von seinen vielen Operationen.
„ Er hat wirklich gern mit seinen Kriegsverletzungen geprahlt “, sage ich, an unseren Tisch gewandt. Meine Cousins und Cousinen stimmen mir nickend und lächelnd zu. „ Und mit noch mehr ! “, fahre ich fort und zeige lachend auf meinen Schoß. „ Selbst nach der Herz-OP. “
„ Wow “, sagt meine Cousine Faye. „ Wirklich ? Gum hat ihn dir gezeigt, seinen … ? “
„ Oh – nein, nein. Zeigen klingt so – es war keine, ich glaube nicht, dass es Absicht war. “
Alle sehen mich an. Keiner sagt ein Wort. „ Ehrlich, es war definitiv keine große Sache. Überhaupt nicht. Ich dachte immer, es war – kennt ihr das nicht auch ? Dass es einfach immer rausrutscht ? “
Faye schüttelt den Kopf. Ihre Ohren, die durch ihr dünnes blondes Haar ragen, sind rot angelaufen. Ich sehe all den anderen Cousins und Cousinen ins Gesicht : Die meisten starren in ihren Kaffee. Ich kippe ein Zucker­tütchen in meinen und rühre ihn mit dem Messer um, das ich vom Nachtisch behalten habe.

Traum
Eine Nachtfahrt auf der Autobahn, meine Scheinwerfer funktionieren nicht, aber alle vorbeifahrenden Wagen haben voll aufgeblendet, gleißende Bahnen zwischen nervig dunklen Abschnitten.

Kontext ist alles
Die Buddleja ( oder Buddleia ) kann, laut einer Webseite, entweder ein schöner blühender Gartenstrauch sein, reizvoll für Schmetterlinge, oder ein gemeines, zerstörerisches, wucherndes Unkraut.

Bus
Ich fahre mit dem Bus ins Fitnessstudio, das ich mir ­eigentlich nicht mehr leisten kann. Ich wähle einen Fensterplatz und versuche, mit meinem Buch voranzukommen ( ich lese schon seit fast neun Monaten Ulysses ). Als ich denselben Absatz fünf- oder sechsmal gelesen habe, blicke ich auf, weil ich mich dringend vom Inhalt erholen muss. Ein alter Typ in einer taubenblauen Jacke mit langem, schütterem Haar kommt langsam den Gang entlang. Er sieht sich nach einem Platz um, aber sie sind alle besetzt und niemand steht auf, also presst er stoisch die Lippen zusammen und hält sich am Handlauf fest. Ich überlege, ob ich ihm meinen anbieten soll, aber dann müsste ich die Frau neben mir bitten aufzustehen. Sie sieht wichtig aus, elegant gekleidet, als wäre sie auf dem Weg zu einem Meeting. Sie geht irgendwelche Notizen durch, und ich will sie nicht stören oder ihr ein schlechtes Gewissen verursachen, dass sie ihren Platz nicht angeboten hat. Ich widme mich wieder Ulysses, und obwohl mir ganz heiß ist von dem Versuch, so zu tun, als hätte ich den alten Typen nicht gesehen, schaffe ich es schließlich auf die nächste Seite. Als die Frau neben mir aussteigt, bleibt der alte Mann stehen. Ich schaue zu, wie er sich wiegt und wankt, seine orthopädischen Schuhe tanzen im Rhythmus des schaukelnden Busses.

Fitnessstudio
Im Fitnessstudio versuche ich, aus meinem Vertrag herauszukommen.
„ Sie können Ihre Kündigung erst zum Dreißigsten des Monats einreichen, dann endet Ihr Vertrag zwei Monate später “, sagt die Frau, auf deren Namensschild „ Frankie “ steht. Es ist Halloween, und sie ist als Hexe verkleidet, mit Hut, Cape und schwarz lackierten Nägeln. Unter dem Cape trägt sie einen glänzenden schwarzen Gymnastik­anzug.
„ Aber der Dreißigste ist erst in einem Monat “, sage ich. „ Können wir nicht so tun, als wäre es gestern ? “
„ Schön wär’s ! “, sagt sie und reicht mir mitfühlend eine Dose mit Retrobonbons. Ich nehme eine Rolle Parma Vio­lets und zerkaue zwei auf einmal.
Sie wirft einen Blick auf ihre Unterlagen. „ Wie ich sehe, fehlt bei Ihnen der Gesundheitscheck. Wollen wir das nicht jetzt machen, wenn Sie schon da sind ? “
Ich habe ihn hinausgeschoben, weil ich fitter sein und ein besseres Ergebnis als Luke haben wollte, aber das ist zwei Jahre her, und wenn ich kündige, kann ich das ebenso gut jetzt erledigen. Sie kommt hinter dem Empfangs­tresen vor, greift ihren Plastikbesen und führt mich an ­einen Tisch.
Als Antwort auf den Fragebogen erzähle ich Frankie, dass ich weder Alkohol noch Kaffee trinke und dass ich jede Nacht neun Stunden schlafe. Mein Blutdruck ist gut, genau wie meine Ruhewerte, aber als sie meine Grund­ausdauer auf dem Laufband testet, bin ich so darauf bedacht, Eindruck zu schinden, dass ich fast abrutsche und mir schwarz vor Augen wird, während ich nach Luft schnappe.
„ Wie oft, sagten Sie, kommen Sie hierher ? “, fragt Frankie und sieht auf ihr Klemmbrett. „ Haben Sie schon mal an einen Personal Trainer gedacht ? “
Als ich gehe, habe ich mich für drei Einzelstunden bei einem PT namens Gavin angemeldet, zum ermäßigten Sonderpreis von neunundneunzig Pfund.

Erfolg
Ich weiß nicht genau, ob meine Mutter Stoff für unsere Gespräche sammelt oder ob es zum Trauerprozess für ­ihren Vater gehört, jedenfalls erzählt sie zurzeit schrecklich viele schreckliche Geschichten, wenn sie mich anruft :
„ Pippa aus der Kirche, die vom Chor, du weißt schon. Ihren Mann – ein Atheist – kennst du vermutlich nicht. Er ist in der Dusche ausgerutscht und gestürzt : Es steht auf der Kippe, ob er wieder laufen kann. Ich hab Dad zu John Lewis geschickt, um so eine Gummimatte zu kaufen. Man kann nicht vorsichtig genug sein. “
Und : „ Gordon, der zwei Häuser weiter wohnt, nun, sein Schwiegersohn – der Polizist, ich hab dir von ihm erzählt, erinnerst du dich ? Depressiv. Mehrere Versuche über die Jahre, aber sie dachten, er wäre drüber hinweg. Jedenfalls “, seufzt sie, „ hat es diesmal offenbar geklappt. “

Mein nächster Schritt
Ich gehe in ein Café, um aus dem Haus zu kommen, und nehme meinen Laptop mit, damit ich ein bisschen Berufsrecherche machen kann. An einem Tisch sind ungefähr acht Frauen, alle mit Babys, ein paar von ihnen stillen. Sie erzählen sich, wie zupackend ihre Männer sind, und obwohl mich ihr gegenseitiges Sich-übertreffen-Wollen misstrauisch macht, kann ich nicht leugnen, dass sie toll aus­sehen. Ihre Haut ist fantastisch, und die Babys sind alle so süß – winzig, ruhig und zufrieden. Ich surfe auf Kultur-Webseiten nach Jobs, ohne genau zu wissen, wonach ich suche, und meine Suchergebnisse beschränken sich auf Stellen im Verkauf und Führungs­positionen, die weit über meiner Gehaltsklasse liegen. Eine Frau in etwa meinem Alter kommt ­herein, auf der Hüfte ein kleines Kind, ein Mädchen. Die beiden tragen pas­sende blau-weiß gestreifte Oberteile und Jeans, und als sie Kaffee bestellt, hat sie tatsächlich einen französischen Akzent. Sobald sie sich am Tisch neben meinem niederlässt, ist die Kleine auf und davon : rennt hinter den Tresen, unter den Tisch, klettert die mit „ Kein Zutritt “ gekennzeichnete Treppe hoch. Sie ist entzückend ; den Baristas ist es völlig egal.
Ich klicke auf eine Beschreibung für einen Job im Denkmalschutzbereich, zu dem das Verfassen von Texten auf den blauen Gedenktafeln an Gebäuden gehört, in denen früher namhafte Personen lebten. Jemanden in ein paar Worten zusammenfassen, das könnte ich ganz bestimmt.
Ich überlege mir Gedenktafeltexte für Leute, die ich kenne : Luke = „ Hervorragender Arzt “.
Paul = „ Wegbereitender Künstler “.
Sarah = „ Pädagogische Vorkämpferin “.
Bei Bekannten aus dem Bereich PR und Unternehmens­beratung fällt es mir schwerer, was vermutlich daran liegt, dass sie ohnehin keine blaue Gedenktafel verdienen.
Das kleine Mädchen ist an meinem Tisch, streckt die Arme aus und winkt strahlend mit beiden Händen. Ich mache dasselbe, und sie lacht, rennt davon, vergräbt ihr Gesicht im Schoß ihrer Mutter und sagt : „ Maman, Maman ! “, und die Mutter, die sogar jünger sein könnte als ich, beugt sich vor und murmelt einen Schwall Französisch in das glänzende, kurz geschnittene Haar ihrer Tochter.
„ Vielleicht sollte ich ein Kind kriegen. “ Ich räume die Spülmaschine nach dem Essen ein, und Luke lacht.
„ Mit wem ? “
„ Stimmt, ich meinte, wir sollten. Aber ich bekomme es, oder ? Ich könnte Hausfrau und Mutter sein. “
„ Ich dachte, du suchst deine Bestimmung “, sagt Luke, „ ich dachte, darum geht es bei alldem. “ Bei „ alldem “ macht er eine ausladende Geste, als wäre die Küche ein Teil meines Plans, als wäre „ alldem “ der Ort, wo ich jetzt meine ganze Zeit verbringe.
„ Vielleicht ist meine Bestimmung die Mutterschaft. “
Luke nickt mit großen Augen, schiebt nachdenklich, aber letztlich nicht überzeugt die Unterlippe vor. Er winkt mich zu sich, und ich setze mich auf seine Knie, schlinge meine Arme um seinen Hals und lege mein Kinn auf seine Schulter.
„ Ich glaube, ich nehme Französischstunden “, sage ich. „ Bau auf dem auf, was ich in der Schule gelernt habe. Es ist eine Schande, das ganze Wissen verkümmern zu lassen. “
„ Mais oui “, sagt Luke und dreht mein Gesicht zu sich. Dann gibt er mir einen Zungenkuss, was bedeutet, dass wir gleich Sex haben.

Wettbewerb
Sechs Uhr abends, und ich habe mich zwar nicht für irgend­welche Jobs beworben, dafür aber als potenzielle Gewinnerin für diverse Preise zur Verfügung gestellt : ­einen Mini Cooper, zwei Nächte in Paris und sieben in Miami, Gutscheine im Wert von fünfhundert Pfund für eine skan­dinavische Kleidermarke, einen riesigen Fernseher ( den ich weiterverkaufe ), eine Espressomaschine ( die ich defi­nitiv behalte ), Tickets für drei Ausstellungen, eine Kiste Pro­secco, eine Fruchtpresse, eine Designer-Handtasche, ­einen Designer-Mantel, ein Essen für zwei in einem Kettenrestaurant in der City, einschließlich eines Begrüßungscocktails, aber ohne Wein, eine Mitgliedschaft in einem Programmkino und ein VIP-Paket für zwei in einem Day Spa nur für Frauen – wer könnte da von einem völlig vergeudeten Tag sprechen ?

Arbeit
Paul, ein Freund aus der Unizeit, ist von einer Dienstreise zurück, die ihn nach Berlin, Tokio, Wien und Johannesburg geführt hat. Er ist Konzeptkünstler von zunehmendem Ruf : Seine Werke werden in Blogs erwähnt ( auch wenn ich sie immer über von ihm gesetzte Links finde ).
Wir wollen uns in einer Kellerbar treffen, die wir in der guten alten Zeit nach dem Studium häufiger besucht haben. Damals fuhr ich vom Haus meiner Eltern am Stadtrand nach London, um mich für Stellen zu bewerben, ­deren Anforderungen mein unbeständiger beruflicher Werdegang – Kellnern, Babysitten – bei Weitem nicht erfüllte. Anschließend versackten wir bei mehreren Flaschen Wein, betrauerten unsere verlorene Jugend ( wir waren einundzwanzig ) und verfluchten die Ungerechtigkeit des Lebens. Was sollten wir denn noch tun ? Warum gab uns nicht irgendjemand eine Chance ? Aber während ich jedem nur denkbaren Unternehmen im Kunst-, Werbe- und Medien­bereich unaufgefordert meinen Lebenslauf zuschickte ( egal, ob ein Job in Aussicht stand ), erhielt Paul in aller Stille Stipendienangebote von angesehenen Kunsthochschulen überall auf der Welt. Als ich das herausfand, zwei Wochen vor seinem Umzug nach New York, war ich zutiefst gekränkt. Wie konnte er es wagen, solche Träume zu hegen ? Wer hatte ihm erlaubt, so hoch hinauszuwollen ? Was bildete er sich eigentlich ein ?
Er kommt in klobigen Stiefeln, die Schnürsenkel offen, Vollbart und das neuerdings ausgewachsene Haar zu einem kleinen Knoten gebunden.
„ Glückwunsch zum Ausstieg aus dem Hamsterrad, meine Kleine “, sagt er. Er tätschelt mir auch den Kopf, eine patriarchalische Geste, die er nicht lassen kann – es ist witzig gemeint, aber trotzdem, er macht es jedes Mal. „ Und das nach all den Jahren der leeren Drohungen ! Was hat dich dazu bewogen ? “
Ich erzähle ihm von dem Tag, an dem mich der übermächtige Impuls erfasste, Dinge auf meinem Schreibtisch zu verschlucken : Reißzwecken, Klebgummiklumpen, was immer in meinen Mund passen würde.
„ Ich ging so weit, mir eine Büroklammer auf die Zunge zu legen, aber dann wurde mir klar, dass es einen anderen Weg gibt. Also spuckte ich sie aus und ging ins Chefbüro, um zu kündigen. “
„ Und wie hat er reagiert ? “
„ Sie war in Urlaub, ich musste noch zwei Wochen warten. Aber sobald ich die Entscheidung getroffen hatte, war es, als … hätte ich jahrelang die Luft angehalten, ohne es zu merken, und jetzt konnte ich sie endlich rauslassen. Dazu musste ich noch nicht mal eine Heftklammer schlucken. “
„ Selbstmord durch Bürokratie : Das gefällt mir “, sagt er und tut mit langsamem Nicken seinen Beifall kund.
„ Hey, das ist ein Gratisgeschenk. Nimm es für deine nächste Arbeit. “
„ Mm. Ist eigentlich nicht so mein Bereich. Aber danke “, fügt er hinzu, und seine Augen verziehen sich zu einem Lächeln.

Marienkäfer
Überall sind Marienkäfer ; ständig trete ich auf welche und muss ihre zerquetschten Körper wegwischen. Sie kommen durch das Schiebefenster rein und erschrecken mich, wenn sie zu nah fliegen und wie winzige Drohnen vor meinem Gesicht brummen. Luke sagt, er habe keine gesehen, und ich frage mich, ob sie mich verfolgen oder ob es einfach daran liegt, dass ich zu viel Zeit im Haus verbringe.
In dem Jahr, als die Firma meines Vaters ihren Standort verlegte, mussten wir umziehen, und auf den Gehsteigen in unserem neuen Viertel wimmelte es von Marienkäfern. Ich war zehn, und die einzige Freundschaft, die ich in ­jenem Sommer schloss, war die mit Jeff, einem Jungen von neben­an. Eines seiner längerfristigen Projekte war das ­wochenlange Sammeln Hunderter von Marienkäfern in einem großen Branston-Pickle-Glas. Als es voll war, warf er ein angezündetes Streichholz hinein. Ich weiß nicht mehr, was als Nächstes passierte : Es ist möglich, dass ich davonlief, als ich sie zerplatzen hörte, es könnte aber auch sein, dass er den Deckel wieder draufsetzte und die Flamme erlosch. Große Ideen, schlechte Umsetzung, das war Jeffreys Stil.
Ich gebe online „ Marienkäfer Schiebefenster “ ein und freue mich über die vielen Suchergebnisse. „ Sie überwintern in Ihren Fensterrahmen “, bestätigt Quizking2, dessen Nut­zerbeurteilung in dem Forum bei drei von fünf Sternen liegt. Ich sehe bei „ Überwintern “ nach. » Winterschlaf und Migration sind die besten Möglichkeiten, um zu über­wintern «, empfiehlt Wikipedia. Beides klingt für mich ziemlich gut.

Wasabi
Ich gehe mit zu einer Party, die einer von Lukes Schulfreunden gibt. Bis auf Luke sind alle in der Gruppe Stadtjungs : Sie tragen leichte Leinenhosen oder dunkle Jeans und frisch gebügelte Hemden, und ihre Freundinnen sind Variationen auf ein gebräuntes, schlankes Thema. Ich ­spüre ihre Blicke auf meinem Haar, das platter ist, als es mir gefällt, und meinem Kleid, das im Badezimmerspiegel etwas billig aussieht. Mein erstes Glas Prosecco ist fünf Minuten nach meiner Ankunft leer, und ich richte mein Glas aus, um den Blick des Einschenkers aufzufangen, und lasse mir jedes Mal auffüllen, wenn die Flasche sich nähert.
„ Wirklich schade, dass ihr nicht mit nach Marbella kommt “, sagt eine der Freundinnen, die Lou heißen könnte. „ Luke arbeitet zu hart, er braucht mal Ferien. “ Ich höre zum ersten Mal von diesem Marbella-Plan und kann mir nichts Schlimmeres vorstellen. Aber ich bin überrascht und froh, dass Luke die Sache abgeschrieben hat, ohne mich ausnahmsweise als die Buhfrau dastehen zu lassen.
„ Ja, wirklich schade “, sage ich. „ Nächstes Mal ganz bestimmt. “
„ Definitiv “, sagt Vielleicht-Lou und sucht den Raum ab. „ Ich geh nur mal eben zu … “, fährt sie fort und schlüpft vorbei, ohne sich die Mühe zu machen, sich für ihren Abgang eine Entschuldigung auszudenken.
Ich setze mich auf eines der gewaltigen Ledersofas ­neben eine lange Schale mit Wasabi-Erbsen und werfe mir ein paar in den Mund. Lukes Freund Nish setzt sich zu mir. Er hat seinen Kragen hochgeklappt und trägt eine Sonnenbrille auf dem Kopf, obwohl wir drinnen sind und es Abend ist. Trotzdem ist er ein netter Typ und gut darin, die Sache am Laufen zu halten, wenn die Unterhaltung ein wenig abflaut. Er ist eindeutig der beste unter Lukes Freunden.
„ Pass auf, die sind wie Crack “, sagt er und nickt in Richtung der Schale. Ich sehe ihn an, greife mir noch eine Handvoll und träufle mir die Dinger einzeln in den Mund. Meine Augen tränen, als ich sie hinunterwürge.
„ Was gibt’s Neues ? “, frage ich durch die brennende Masse. „ Irgendwelche Skandale ? “
Er erzählt mir, was er weiß. Alle heiraten : Er zeigt auf vier frisch verlobte Paare und jammert, wie schwer es sei, bei jeder neuen Ankündigung wieder die erforderliche Begeisterung aufzubringen. Nish ist Single und teilt meine Langeweile über das, was wir die „ endlose Parade der Verlobungsbrigade “ nennen.
„ Das ist so ähnlich, wie wenn Großeltern sterben “, sage ich. „ Wenn es einen anderen betrifft, ist es auf eine vage, universelle Art traurig, aber eigentlich ist es dir egal. Wenn es aber dich betrifft, ist es ein Riesending. “
„ Ja ! “, sagt Nish. „ Genau ! “
„ Mein Opa ist gerade gestorben “, sage ich. „ Gut zu wissen, dass dich das einen Dreck kümmert. “ Nish lacht und stößt mich mit der Schulter an.
„ Und was hast du so getrieben ? “, fragt er. Ich erzähle ihm von der Stelle bei den Denkmalschutzleuten, auf die ich mich vermutlich bewerbe.
„ Vielleicht krieg ich irgendwann auch eine blaue Gedenktafel “, sage ich. „ Hier lebte Claire Flannery, die Schmiedin blauer Gedenktafeln. “
„ Meta “, sagt Nish. » Dann hat es ja nicht lange ge­dauert, deine raison d’être zu finden. Hast du deinen letzten Job nicht erst vor ein paar Wochen geschmissen ? «
„ Ich teste nur meine Möglichkeiten. Vielleicht nehme ich die Stelle gar nicht. “
„ Wenn du sie kriegst “, sagt er.
Mein Glas, beschlagen mit salzig-verschmierten Fingerabdrücken, ist leer. Ich wedle damit in Nishs Richtung. „ Wir haben einen Notfall. “
Während er weg ist, arbeite ich mich weiter durch die Wasabi-Erbsen. Ich kann nicht aufhören, sie mir handvollweise in den Mund zu stopfen. Nish kommt zurück und hat eine ganze Flasche Prosecco aus der Küche ergattert. Ich huste, um das Ploppen des Korkens zu überspielen, erreiche damit aber nur, dass sich einige Köpfe umdrehen. Wir müssen beide lachen und gehen laut anstoßend da­rüber hinweg.
„ Ich glaube, ich überspringe diese Runde “, sagt Nish und lehnt sich im Sofa zurück. „ Mit dem Heiraten, meine ich. Ich warte auf die zweite Welle, wenn alle geschieden sind, und treffe dann die Wahl unter euch schönen Frauen, sobald die Konkurrenz nicht mehr so groß ist. “
„ Euch schönen Frauen “ sagt er in einem leicht scherzhaften Tonfall.
Ich glaube, dass Nish, ermutigt durch den Schampus, vielleicht Gefallen an mir findet. Ich spüre ganz stark seinen Oberschenkel an meinem, seine Augen auf meinem Gesicht, seinen heißen Atem.
„ Für dich ist mehr drin als eine abgewrackte Geschiedene ! “, sage ich und komme mir charmant vor, unwiderstehlich. So habe ich mich schon sehr lange nicht mehr gefühlt.
„ Ich mochte dich schon immer, Claire “, sagt er und ­lächelt jetzt. Seine Augen sind glasig, und sein Kopf rollt wie der eines kleinen Hündchens zu mir.
Eine Weile später entdeckt uns Luke, ich mit dem Kopf auf Nishs Schultern, sein Arm um mich, die leere Flasche zu unseren Füßen. Ich merke, wie Nish sich verkrampft.
„ Unser Taxi wartet. Ich nehm es – kommst du mit, oder hast du’s zu gemütlich ? “ Er scherzt, jedenfalls glaube ich das, und ich schlinge meine Arme um Nishs rosa behemdete Mitte.
„ Nish ist der Beste ! “, sage ich und grinse zu Luke hoch, der mit den Händen in der Tasche dasteht. Ich stehe auf und esse die letzten Wasabi-Erbsen : die winzigen grauen, die ich bisher verschmäht habe. Ich hatte bestimmt so um die hundert.
„ Du hast nicht gefragt, ob ich schon gehen will “, sage ich, als ich ihm nach draußen folge. „ Du bist einfach los und hast ein Taxi gerufen. Das machst du immer. “
„ Du willst nie gehen. “
„ Ich wollte vor allem gar nicht erst hierher. Du solltest froh sein, dass ich bleiben wollte “, sage ich und stolpere leicht über eine unebene Steinplatte.
„ Bleiben und mit Nish flirten ? Du hast recht, warum freut mich das eigentlich nicht ? “
Als ich zu Hause meinen BH öffne, fallen drei Wasabi-Erbsen auf die Holzdielen. Ich küsse Luke, aber er rollt sich auf die Seite und schaltet das Licht aus, als hätte er nicht gemerkt, dass ich mich ihm nähere.

Lisa Owens

Über Lisa Owens

Biografie

Lisa Owens, geboren 1985, lebt in London. Sie wuchs in Glasgow und Hertfordshire auf und besuchte das renommierte Emmanuel College in Cambridge. Sechs Jahre lang arbeitete sie in Literaturagenturen und Verlagen, bis ihr Debütroman "Abwesenheitsnotiz" ihre ehemaligen Kollegen in Aufruhr versetzte....

INTERVIEW mit Lisa Owens

Lisa Owens ist die neue junge Stimme der britischen Literatur. Ihr von der Presse gefeiertes und in der Verlagswelt heiß umkämpftes Debüt „Not Working“ ist der Soundtrack einer ganzen Generation. Er erzählt die Geschichte von Claire Flannery, Mitte zwanzig, die gerade ihren Job gekündigt hat. Ohne Alternative, das heißt, um ihre ›wahre Berufung‹ zu finden. Was das genau sein soll, steht noch in den Sternen. Aber ist der Sprung ins kalte Wasser wirklich der erste Schritt zur ersehnten Selbstverwirklichung?

Claire kündigt ihren Job, um sich auf die Suche nach dem für sie richtigen Karriere- und Lebensweg zu begeben. Haben Sie selbst je eine ähnliche Auszeit genommen und vielleicht ähnliche Erfahrungen wie Claire gemacht?

Ich gab meinen ersten Job auf, bevor ich einen nächsten in Aussicht hatte, weil ich – wie Claire – fürchtete, mich niemals weiterzuentwickeln, wenn ich mich nicht dazu zwingen würde.

Bevor ich meine neue Stelle antrat, hatte ich sechs Wochen frei, was sich für mich als eine sehr merkwürdige Erfahrung entpuppte: Genau wie Claire hatte ich große Pläne, die Stadt zu erkunden, anspruchsvolle Bücher zu lesen und mir mal wieder Kulturelles vorzunehmen, aber die Tage vergingen wie im Flug. Es war neu für mich, während der Arbeitszeiten durch die Nachbarschaft zu schlendern und Leuten zu begegnen, die ebenso wenig abhängig vom üblichen Arbeitsrhythmus waren wie ich. Mit dieser Zeit werde ich immer bestimmte Gefühle verbinden: Die Ziellosigkeit und Langeweile, genau wie den Unglauben über das eigene Unvermögen, die simpelsten Aufgaben zu erledigen.

„Wer will ich sein, wenn ich sein kann, wer ich will?

Gab es Vorbilder für Ihr Buch, zum Beispiel aus Filmen oder Büchern?

Ich bin ein großer Fan von amerikanischer Literatur, vor allem von Autoren, denen es gelingt, zugleich humorvoll und tiefgründig über die Facetten des alltäglichen Lebens zu schreiben. Ann Beattie, Lydia Davis, A. M. Homes und Lorrie Moore haben mich alle auf unterschiedliche Art und Weise beeinflusst. Was Filme betrifft, bin ich ein großer Fan von Lena Dunhams „Girls“. Außerdem schaute ich mir, während ich Not Working schrieb, Noah Baumbachs „Frances Ha“ an und sah Überschneidungen unserer Themen und Anliegen.

Glauben Sie, diese Art Sinnsuche ist typisch für Ihre Generation? Oder vielleicht typisch für Frauen Ihrer Generation? In anderen Worten, ist die Suche nach dem richtigen Lebensweg heute das, was früher die Suche nach dem richtigen Mann war?

Ich sehe bei meinen Altersgenossen tatsächlich einen gewissen Druck, einen Beruf zu finden, der nicht nur gut bezahlt, sondern darüber hinaus existenziell erfüllend ist. Zum Teil liegt es wohl an der heutigen Vielfalt der Jobs und Berufsfelder, die es früher einfach nicht gab. So viel Auswahl kann auch verunsichern und Panik hervorrufen: Habe ich unter den unzähligen Möglichkeiten für mich die richtige gewählt?

Die sozialen Medien, in denen wir uns gern im bestmöglichen Licht präsentieren, verstärken dieses Gefühl noch: Wir sehen die perfekt inszenierten Ausschnitte aus dem Leben anderer und beginnen, unsere eigene Lebensweise zu hinterfragen.

Die ‚Suche nach dem richtigen Mann‘ scheint heute ein ausgelutschtes, ermüdendes Narrativ zu sein. In den Medien heißt es häufig, die Zeit der romantischen Komödie sei vorüber, und ich denke, dies zeigt sich so langsam auch in heutigen Filmen und Büchern: Die Idee, dass die Partnerfindung der einzige Weg zur Glücksfindung sei, erscheint mir doch als inzwischen überholt und kleingeistig. Und so einschränkend! Für mich war es beim Schreiben meines Buchs viel interessanter, in jemanden hineinzuschauen, der zwar eine gute Beziehung hat, sich aber dennoch persönlich nicht erfüllt fühlt.

IMMER DRAN DENKEN
„Ich habe nicht in der Schule hart gearbeitet und anschließend studiert, um mein Leben lang E-Mails zu verschicken.

Ihr Debüt war heiß umkämpft – gleich acht Verlage wollten Ihren Roman in England veröffentlichen, und die Übersetzungsrechte sind in über zehn Länder verkauft. Das ist äußerst ungewöhnlich für ein Debüt. Inwiefern haben Ihre Insider-Kenntnisse aus Literaturagentur und Verlag zu diesem Erfolg beigetragen?

Meine Zeit im Verlagswesen war weitgehend auf Sachbücher begrenzt, sodass ich mich zwar in der Welt der Bücher bewegte, aber praktisch über keinen Wissensvorteil verfügte, was den Belletristik-Markt betrifft. Jedenfalls hatte ich nicht die leiseste Ahnung, ob mein Text kommerzielles Potenzial versprach, aber durch meine Kontakte landete mein Manuskript nicht auf dem großen Sammelhaufen, was den Prozess zweifellos beschleunigte. Ich hatte unglaubliches Glück, dass meine brillante Agentin Jane Finigan von Lutyens & Rubinstein früh etwas in „Not Working“ zu sehen meinte und mich anspornte, es zu Ende zu bringen: Ohne sie wäre ich wahrscheinlich immer noch erst bei der Hälfte … 

Pressestimmen
Die Welt am Sonntag - kompakt

„Claire ist wie eine jüngere, pfiffigere Londoner Schwester von Bridget Jones und Lisa Owens Debüt ›Not working‹ die sehr amüsante, kurzweilige und kluge Geschichte von Claires Erwachsenwerden.“

Iserlohner Kreisanzeiger

„Originelle Stimme mit viel Witz“

Bolero

„...Eine der spannenden jungen Stimmen Englands.“

rbb Fritz

„Claires Welt, ihre Rast- und Planlosigkeit, das hektische London, SMS-Kommunikation, Posts in sozialen Netzwerken - alles spiegelt sich in der Erzählform wider. ›Abwesenheitsnotiz‹ lässt sich in einem Rutsch runterlesen und es macht Spaß.“

lovelymix.de

„Lisa Owens trifft mit dieser Selbstfindungsgeschichte (...) einen Nerv.“

vanessasbuecherecke.wordpress.com

„Lisa Owens schafft es mühelos, dem Leser einen Spiegel vor das Gesicht zu halten.“

NZZ am Sonntag (CH)

„Lisa Owens gilt heute als eine der interessantesten jungen Stimmen Englands. Zu Recht, denn Thema und Tonfall zeugen von einer eigenständigen literarischen Qualität. (...) ein amüsanter und gleichzeitig zutiefst ehrlicher Roman“

Neue Voralberger Tageszeitung (A)

„Lisa Owens entpuppt sich nicht nur als scharfzüngige Satzbaumeisterin, sondern als feinsinnige Alltagsbeobachterin einer Generation von motivierten Menschen, denen angeblich in Zukunft die Welt offensteht. Eine neue starke Stimme in der britischen Literatur.“

herzpotential.com

„Ich finde nicht nur mich und eigene Gedankenspiele darin, sondern auch Freundschaften, Beziehungen und Modelle, die ich genauso beschreiben würde. Ich verstehe Claire, indem ich genauso wenig mein Leben verstehe und mich manchmal nach diesem Mut sehne, einfach alles hinzuschmeißen und nur noch zu sein, zu leben.“

Kleine Zeitung (A)

„In ihrem Debütroman rechnet Lisa Owens (30) mit der viel gepriesenen Wahlfreiheit unter jungen, gut ausgebildeten Menschen ab. Aber wie! Sie entpuppt sich dabei nicht nur als scharfzüngige Satzbaumeisterin mit frechem Humor, sondern als feinsinnige Alltagsbeobachterin einer Generation von motivierten Menschen, denen angeblich in Zukunft die Welt offen steht.“

gedankenglas.com

„Das Buch ist tatsächlich wie aus dem Leben gegriffen. Es hat Spaß gemacht, Claires Alltagsbeobachtungen zu verfolgen, ihre verschrobene Suche.“

soundsandbooks.com

„Die englische Autorin Lisa Owens hat mit ihrem Debütroman ›Abwesenheitsnotiz‹ ein witziges und charmantes Abbild der Twenty-Something-Generation geschrieben. Ein Roman, der mit Gender Klischees spielt, gut unterhält und zum Nachdenken anregt.“

schonhalbelf.de

„Keine Situation ist zu alltäglich, kein Dialog zu schade, um nicht gnadenlos ehrlich wiedergegeben zu werden und für einen Lacher nach dem anderen zu sorgen.“

ÖKO-Test

„So anregend und entspannt, wie mit einer Freundin durch die Stadt zu schlendern.“

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