Die Verborgenen
Sie leben in deinem Haus, und du weißt es nicht.
Die Verborgenen — Inhalt
Was wäre, wenn das Böse nicht von außen kommt, sondern längst mit dir unter einem Dach lebt?
Sven und Franziska Hoffmann haben alles, wovon sie einst träumten: eine wunderbare Tochter und ein traumhaftes Haus an der Küste. Alles könnte perfekt sein. Doch dann dringt jemand heimlich in ihr Haus ein. Der ungebetene Gast bedient sich an ihrem Essen, stöbert in ihren Schränken und steht neben ihren Betten, wenn sie schlafen. Als dann noch Gegenstände verschwinden und fremde Fußspuren im Keller auftauchen, bezichtigen sich die Eheleute gegenseitig. Je merkwürdiger die Vorgänge in ihrem Haus werden, desto mehr bröckelt die makellose Fassade der perfekten Familie. Und genau das ist es, was der Eindringling will …
Was als Urban Legend begann ist Realität: Es gibt Menschen, die sich heimlich in fremde Häuser schleichen und dort für eine Weile leben, ohne dass die Bewohner es bemerken. Diese Eindringlinge werden als „Phrogs“ bezeichnet, abgeleitet vom englischen „frog“ für Frosch. Denn in der Regel bleiben diese „Hausgäste“ nur ein paar Tage, bevor sie weiterziehen, sie „hüpfen“ von Haus zu Haus. Es sind aber auch Fälle bekannt, da lebte der unerwünschte Mitbewohner monatelang unentdeckt im Verborgenen.
Jede Geschichte braucht einen Anfang.
Die meines Thrillers „Die Verborgenen“ hat gleich zwei. Sie beginnt zum einen im November 2019, als im Kino der südkoreanische Film „Parasite“ anlief, in dem die Familie einer Hausangestellten unentdeckt im Keller ihres Arbeitgebers wohnt. Die Darstellerriege war beeindruckend, ebenso die beklemmende Atmosphäre, die durch die fantastische Kameraarbeit hervorgerufen wurde. Ein richtig guter Film, und dennoch verschwand er allmählich wieder aus den vorderen Bereichen meines Bewusstseins.
Der zweite Anfang der Geschichte liegt im Spätsommer 2021. Zu dem Zeitpunkt hatte ich „Das Loft“ gerade fertig geschrieben und war auf der Suche nach einem Stoff, der sich als Nachfolger eignen würde. Spannend sollte er sein, natürlich, dazu auch beklemmend und atmosphärisch – ohne allzu viel Blutvergießen. Ein waschechter Psychothriller eben, am besten wieder einer mit einer ungewöhnlichen Erzählperspektive.
Immer, wenn ich mit einem Buchprojekt noch ganz am Anfang stehe, bediene ich mich der stets gleichen Herangehensweise: Ich schaue in endloser Abfolge True-Crime-Dokumentationen, sucht unzählige Serien weg und suche in Sachbüchern nach Inspiration. Nein, eigentlich stimmt das nicht – ich suche nicht nach ihr, ich warte darauf, dass sie mich anspringt!
Das geschah, als ich vor dem Rechner sitzend durch ein US-amerikanisches Mystery-Forum surfte und dort auf den Begriff „Phrogging“ stieß. Ich wusste nicht, was das war, fand das Wort nur witzig, weil es mich an „Frog“ erinnerte, den Frosch also. Ein paar Klicks später war klar, was sich hinter der Wortspielerei verbarg: Phrogger sind Menschen, die in die Häuser anderer eindringen, um dort eine Zeitlang unentdeckt zu leben.
Wie ein Frosch springen sie dabei von Unterkunft zu Unterkunft, um sich auf staubigen Dachböden, in finsteren Kellern oder in ungenutzten Gästezimmern zu verbergen. Aus ihren Verstecken kommen sie nur heraus, wenn die Bewohner schlafen oder das Haus verlassen haben. Dann bedienen sie sich an deren Essen, tragen deren Kleidung und putzen sich mit deren Zahnbürsten die Zähne. Sie kundschaften das komplette Haus aus, dringen in jedes Zimmer vor und erkunden jeden noch so versteckten Winkel.
Die Erzählungen haben mich sofort gepackt, obwohl mir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar war, wie viel Wahrheit sie enthalten. Gibt es Phrogger tatsächlich oder handelt es sich bei ihnen lediglich um eine der unzähligen „Urban Legends“, von denen in den USA so viele kursieren? Ich wusste es nicht, ich wusste nur eins: Ich hatte mein Thema gefunden! Den Rest würde ich noch in Erfahrung bringen!
Bevor ich anfing, Bücher zu schreiben, habe ich siebzehn Jahre lang als Journalist gearbeitet. Eine Aufgabe des Journalisten ist das Recherchieren, also recherchierte ich, um dem Wahrheitsgehalt des Phänomens „Phrogging“ auf den Grund zu gehen. Ich durchstöberte weitere Foren, stieß auf Erlebnisberichte und sah mir Videos von Menschen an, die das Treiben von Phroggern heimlich mit einer Webcam filmten.
Schnell wurde klar, dass es sie tatsächlich gab. Nicht so häufig, wie in den Foren behauptet wurde, aber öfter, als man es sich vorstellen mag. Ich fand heraus, dass Phrogger meist in ländlichen Gegenden aktiv werden, oft in Asien oder den USA. Überall dort, wo es große freistehende Häuser gibt, die ihnen eine gute Auswahl an Versteckmöglichkeiten bieten. Die meisten Phrogger bleiben nicht lange in den einzelnen Häusern, zwei oder drei Tage nur, alles andere würde unnötig das Risiko erhöhen.
Für viele von ihnen scheint das Ganze sowieso nur ein Spaß zu sein, ein Abenteuer vielleicht – so, wie andere Menschen ein Wochenende lang in die Wildnis fahren, um zu ihren Wurzeln zurückzufinden. Wenn Phrogger bei ihrem Tun erwischt werden – was übrigens äußerst selten geschieht –, drohen ihnen Anzeigen wegen Einbruchs und Diebstahls. Strafen, die die meisten Phrogger billigend in Kauf nehmen und die nichts gegen die Traumata sind, die sie bei ihren „Gastgeberfamilien“ auslösen können.
Für die meisten Menschen ist alleine schon die Vorstellung, ein Fremder könnte in den Bereich eindringen, in dem sie sich am sichersten fühlen, erschreckend. Das Wissen, dass sich dieser Eindringling dort dann tagelang aufgehalten hat, muss unerträglich sein. Das sind die bekannten Fakten, der Hintergrund quasi. Der Rest der Handlung in „Die Verborgenen“ ist reine Fiktion.
Wie sie meiner Vita entnehmen können, bin ich kein Asiate und auch kein US-Amerikaner, also habe ich die Handlung einfach dorthin verlegt, wo ich mich auskenne: nach Deutschland. Ein einsamer Hof in Bayern hätte sich als Setting angeboten, ein abgelegenes Haus im Osten oder Norden der Republik. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich dann für die Nordseeküste als Kulisse entschieden; einfach, weil bislang noch kein Buch von mir dort spielt.
Das grobe Thema und das Setting des Thrillers standen somit, der nächste Schritt war die Erschaffung des Personals. Serienkiller ermüden mich, ebenso klassische Heldenfiguren mit fast übermenschlichen Kräften. Was ich für meine Bücher brauche, sind ganz normale Menschen, und mit den Bewohnern des Hauses fing ich an. Darf ich vorstellen: die Hoffmanns! Der zweiundvierzigjährige Sven Hoffmann arbeitet als Journalist bei einem Bremer Fernsehsender, seine Frau Franziska als Teilzeitkraft in einem Tourismusbüro. Gemeinsam haben die beiden eine siebzehnjährige Tochter, Tabea, die kurz vor dem Abitur steht.
Das Mädchen ist der Auslöser für alles, der heimliche Star der Geschichte. Nur wegen ihr geschieht, was geschieht. Sagte ich gerade, Tabea sei der Star der Geschichte? Vergessen Sie‘s, das stimmt so nicht. Eigentlich sind es die Phrogger, und auch für sie musste eine glaubhafte Hintergrundgeschichte her. Das ist mir wichtig. Erst die Vergangenheit macht das Handeln eines Menschen begreif bar; ohne sie bleiben die Bösen in Büchern nur ein eindimensionales Abziehbild.
Am liebsten würde ich Ihnen jetzt noch viel mehr über die Phrogger erzählen, aber das geht nicht, es würde der Story die Spannung rauben. Um herauszufinden, was hinter dem Tun der Eindringlinge steckt, müssen Sie sie schon durch die Buchseiten begleiten. Sie müssen dabei sein, wenn sie nachts durch die Flure der Hoffmanns schleichen, die Schränke öffnen, die Truhen durchwühlen. Sie müssen ihnen über die Schultern schauen, wenn sie die feinen Risse in der Ehe der Hoffmanns vergrößern, sie zu tiefen Gräben werden lassen.
Es ist ein ausgesprochen perfides Tun, das kann ich Ihnen versprechen. Ein ungleicher Kampf zwischen den Bewohnern und den Eindringlingen, weil die einen nicht einmal wissen, dass es die anderen überhaupt gibt. In „Die Verborgenen“ geht es also nicht um einen sinnlosen Akt der Gewalt; es geht um ein Spiel mit den Ängsten, die wir alle in uns tragen. Sollte dieser Umstand in Ihnen jetzt ein unwohles Gefühl auslösen, kann ich Sie beruhigen: Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist in Deutschland noch kein einziger Fall von Phrogging bekannt geworden. Alles, was zwischen den Buchdeckeln in „Die Verborgenen“ passiert, ist lediglich (und hier zitiere ich meine Frau) „meiner kranken Fantasie entsprungen“.
Sie liebe Leserinnen und Leser, können somit ganz unbesorgt sein. Machen Sie sich bitte keine Sorgen, wenn Sie im Kellerstaub Fußabdrücke finden oder verdächtige Geräusche vom Dachboden hören. Wenn das Vanilleeis im Gefrierfach plötzlich leer ist, wird nur Ihr minderjähriges Kind davon genascht haben, und wenn Sie persönliche Gegenstände vermissen, haben Sie diese garantiert nur verlegt. Niemand wird nachts regungslos neben ihrem Bett stehen und Sie im Schlaf beobachten, und niemand wird ihre kleinen, schmutzigen Geheimnisse aufdecken, weil jemand so Nettes wie Sie doch sicherlich gar keine hat. Oder etwa doch? Gibt es auch bei Ihnen etwas, was sie lieber vor anderen verbergen möchten? In diesem Fall wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an den Piper Verlag oder an mich, gerne auch anonym, und erzählen Sie davon. Sie wissen doch: Von Inspiration kann ich gar nicht genug bekommen!
Liebe Grüße aus dem Keller, Linus Geschke
Moderation: Mike Altwicker
Lesung im Rahmen der Essener Krimi-Couch im Kulturzentrum Alter Bahnhof Kettwig.
Kriminacht im Rahmen von "Leseland Hessen" zusammen mit Linus Geschke und Antje Zimmermann.
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