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Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals (Die St. Pauli-Saga 1)Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals (Die St. Pauli-Saga 1)

Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals (Die St. Pauli-Saga 1) Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals (Die St. Pauli-Saga 1) - eBook-Ausgabe

Rebecca Maly
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Roman

— Historischer Hamburg-Roman
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Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals (Die St. Pauli-Saga 1) — Inhalt

Eine Krankenschwester muss sich in der Hamburger Familiensaga behaupten: historischer Roman mit starken Frauen  
Eine junge Krankenschwester muss sich in der Cholera-Epidemie beweisen und kämpft um die Liebe ihres Lebens. Für Leserinnen von „Die Ärztin“ und „Die Charité“.  

1885 – Svantje Claasen ist dreizehn Jahre alt, als ein Hochwasser den elterlichen Hof im Alten Land zerstört und die Familie gezwungen ist, nach Hamburg zu ziehen. Im lauten und überfüllten Gängeviertel der Stadt lernt Svantje schnell, sich durchzukämpfen. Doch das Elend lässt sie nicht los, und so beschließt die junge Frau, Krankenschwester zu werden, um den Menschen das Leben in den armen Vierteln erträglicher zu machen.

Als sie sich schließlich in den weltoffenen Tuchhändler Friedrich Falkenberg verliebt, muss Svantje gegen gesellschaftliche Konventionen und für eine gemeinsame Zukunft kämpfen. Dann bricht 1892 eine verheerende Choleraepidemie in Hamburg aus, und die junge Krankenschwester kann sich endlich beweisen …

Autorin Rebecca Maly wurde mit dem Delia-Preis ausgezeichnet. „Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals“ ist der erste Teil einer Trilogie, in der Svantje Claasen als starke Frau die Emanzipation greifbar macht. Die Liebesgeschichte bietet alles, was das Herz begehrt: große Gefühle, historisches Setting und eine Krankenschwester, die für das kämpft, was ihr wichtig ist.  

Historische Roman-Reihe in realistischem Krankenhaus-Setting  

Von der Cholera zur Arbeiterbewegung, von verhinderten Hochzeiten und erzwungenen Berufen: Rebecca Maly bereichert die Liebesgeschichte in „Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals“ mit einem gut recherchierten historischen Hintergrund, der die zeitgenössischen Probleme der Protagonisten greifbar macht. Und dass, ohne die Spannung auch nur eine Minute aus den Augen zu lassen.  

€ 10,00 [D], € 10,30 [A]
Erschienen am 04.05.2020
480 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31561-6
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€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 04.05.2020
496 Seiten
EAN 978-3-492-99548-1
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Leseprobe zu „Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals (Die St. Pauli-Saga 1)“

„Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln, die man mir gezeigt hat, am Hafen, an der Steinstraße, an der Spitalerstraße oder an der Niedernstraße. […] Ich vergesse, dass ich mich in Europa befinde.“ Robert Koch, 1892


1

Altes Land, 1885

Svantje zerrte mit aller Kraft an den Stricken, doch die beiden Ziegenböcke blieben stur. Erst als Mutter drohend den Stock hob, warfen sie sich wieder ins Geschirr und zogen den hoch beladenen Karren vorwärts.

»Du [...]

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„Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln, die man mir gezeigt hat, am Hafen, an der Steinstraße, an der Spitalerstraße oder an der Niedernstraße. […] Ich vergesse, dass ich mich in Europa befinde.“ Robert Koch, 1892


1

Altes Land, 1885

Svantje zerrte mit aller Kraft an den Stricken, doch die beiden Ziegenböcke blieben stur. Erst als Mutter drohend den Stock hob, warfen sie sich wieder ins Geschirr und zogen den hoch beladenen Karren vorwärts.

„Du darfst nicht so zögerlich sein!“, mahnte die Mutter und drückte dem Mädchen die Weidenrute in die Hand. „In der Stadt kommst du so auch nicht weiter.“

„Ja, Mutter“, erwiderte Svantje folgsam und wischte sich den Schweiß von der Stirn und die Tränen aus den Augen. Sie hasste es, Tiere zu schlagen. Kein Wesen verdiente es, schlecht behandelt zu werden! Die Rute hätte sie am liebsten fortgeworfen, doch ihre Mutter würde das nicht dulden. Die Ziegen kannten die Peitsche und waren nun, da Svantje sie in der Hand hielt, viel folgsamer. „Wir müssen alle schuften, also los, ihr zwee“, ermunterte sie die Böcke.

Sie hatten nur kurz Rast gemacht, um den Tieren und sich in der größten Mittagshitze eine Pause zu gönnen. Svantje hatte schon jetzt das Gefühl, keinen Schritt mehr tun zu können. Die hölzerne Trage auf ihrem Rücken schien von Stunde zu Stunde schwerer zu werden, und die kaum gepolsterten Riemen schnitten ihr in die Schultern. Klagen wollte sie dennoch nicht.

Mutter trug noch viel mehr Last und zog einen Karren hinter sich her, dazu hatte sie sich den kleinen Piet umgebunden, der ständig quengelte und weinte. Mit seinen drei Monaten verstand er nicht, warum er nicht in seiner Krippe schlafen durfte. Doch die war mit so vielen anderen Dingen in ihrem alten Haus zurückgeblieben.

Wann immer Svantje an den Ort dachte, an dem sie jeden Tag ihres dreizehn Jahre alten Lebens verbracht hatte, begannen ihre Augen zu brennen. Vermutlich würde sie den Hof nie wiedersehen. Nach dem letzten Elbhochwasser, dem dritten in wenigen Jahren, war er endgültig nicht mehr zu retten gewesen. Die Wände aus Fachwerk hatten dem erneuten Ansturm nicht standgehalten und waren einfach davongespült worden, genauso wie der Pflug. Das Ständerwerk schimmelte im abgelagerten Schlamm, das Vieh war ertrunken.

„Wir müssen fort“, hatte Mutter beschlossen. „Gott will es so.“ Vater war schon vor einigen Jahren nach Hamburg gegangen, um außerhalb der Aussaat und Erntezeiten auf einer Schiffswerft zu arbeiten. Nun würden sie ihm folgen. Das Land war für einen kümmerlichen Preis verkauft worden. Der Erlös reichte gerade aus, um die Schulden bei der Bank zu tilgen.

Freude auf den Vater wollte sich bei Svantje nicht so recht einstellen. Er war schon lange zu einem Fremden geworden, der alle paar Monate blass und hager zu ihnen kam, sich beinahe zu Tode ackerte und dann wieder verschwand. Er machte es Svantje nicht leicht, ihn zu lieben, aber sie tat es doch, still und leise, tief in sich vergraben. Sie wusste, dass er all die Mühen auf sich nahm, damit seine kleine Familie ein besseres Auskommen hatte. Er schuftete für Mutter, für sie und für den kleinen Piet.

Von nun an würden sie wieder zusammenleben. Bald, in der großen Stadt, die sie noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte. „Tor zur Welt“ hatte Vater sie genannt, weil jeden Tag und jede Stunde Schiffe aus allen Himmelsrichtungen eintrafen.

„Wie lange dauert es noch, bis wir da sind, Mutter?“

„Zwei Tage noch, vielleicht drei, und jetzt frag nicht mehr. Bitte den Herrgott lieber darum, dass wir für hüüt Nach eine Bleibe finden, denn dort kommt ein Unwetter heran.“

Sie wies nach Westen, wo sich dunkle Wolkentürme über den Horizont schoben. Drückend feucht war es geworden, aber noch immer heiß. In den trockenen Wiesen sangen die Grillen, und die Luftfeuchtigkeit lockte allerlei Plagegeister hervor. In Scharen fielen dicke Bremsen über Ziegen und Menschen her.

Das Vorankommen wurde immer mühsamer. Svantje meinte, kaum noch einen Schritt tun zu können, trotzdem kämpften sie sich immer weiter voran. Hin und wieder wurden sie von anderen Reisenden überholt. Von einem Händler mit einem dicht bepackten Leiterwagen, der sie schimpfend vom Weg trieb; von einem Zimmermann auf Wanderschaft, der seinen Hut lupfte und mit seinen langen Beinen an ihnen vorbeieilte, als spüre er die drückende Hitze nicht.

Mutter Claasens Wunsch, einen Hof zu finden, der ihnen Unterschlupf bot, wurde nicht erhört. Schon eine Weile verfolgte sie das aufziehende Unwetter mit tiefem Grollen und schweren Böen.

Piet zuckte bei jedem Donnerschlag zusammen und wimmerte.

„Gnade Gottes“, hörte Svantje ihre Mutter leise sagen, dann folgte ein Gebet.

Sie waren auf offenem Feld. Bis auf einige Büsche, einen Baum hier und da und den Graben neben dem Weg gab es keinen Schutz. Stur zerrte Svantje die Ziegen weiter vorwärts, kniff die Augen zusammen und spähte über das windgepeitschte Land. Sie mussten Schutz finden. Während Mutter um jeden Schritt rang, als würde sie angesichts eines weiteren Unwetters, das ihr Leben bedrohte, den Mut verlieren, erwachte Svantjes Dickkopf. Das letzte Unwetter hatte mit seinen Fluten den Hof zerstört. Dieses würde nicht auch noch ihr letztes bisschen Besitz bekommen. Svantje wusste selbst nicht, woher die Kraft kam, mit der sie den Karren nun weiterschob, um die Zugtiere zu entlasten. „Maak to, Mutter, maak to!“

Ihre Blicke begegneten sich. „Vielleicht sollten wir uns hier neben den Weg kauern, Svantje. Wo der Graben etwas tiefer ist …“

„Aber der läuft ganz schnell voll Wasser, wir müssen weiter!“

War der dunkle Schemen, der dort unter knorrigen Eichen kauerte, nicht ein Schuppen? Svantjes Herz tat einen Satz. Ja! Sie würden es schaffen, wenn sie sich nur beeilten. Schon konnte sie den herannahenden Regen hören, als stürze ein Wasserfall vom Himmel. Keine hundert Meter von ihnen begann die Wiese bläulich zu flirren. Ein dünner Lichtfaden stieg auf. Dann wurde alles gleißend hell, der Knall war ohrenbetäubend. Nach dem Blitzschlag war Svantje wie taub, und ein unheimliches Kribbeln lag auf ihrer Haut.

Ihre Mutter kauerte auf dem Boden, die Arme schützend um Piet gelegt. „Mutter!“, schrie Svantje.

Doch sie sah nicht auf. Wahrscheinlich hatte der Lärm des Einschlags auch sie taub gemacht. Außerdem hatte sie große Angst vor Gewittern, mehr noch als Svantje. Und zu Recht, denn beim nächsten Einschlag würden sie vielleicht nicht mehr verschont bleiben.

Svantje fasste sie am Arm und zog sie auf die Beine. „Komm!“, schrie sie. So war sie noch nie mit Mutter umgegangen, aber nun musste sie für sie beide mutig sein.

„Schau, dort ist eine Scheune, wir schaffen es!“ Svantje versuchte zu ignorieren, dass sie genau dort entlangmussten, wo der Blitz eingeschlagen war und das Gras schwarz verkohlt hatte. Die Ziegen waren vor Angst wie erstarrt, legten sich nun aber wieder ins Geschirr.

Sie verließen den Pfad. Auf der Wiese sanken die Räder des Karrens tief ein. Auch Stockschläge änderten nichts, die Ziegen schafften es nicht.

„Ich lasse den Wagen nicht zurück“, schrie ihre Mutter gegen das Tosen an. Die ersten dicken Regentropfen schlugen eisig gegen ihre erhitzten Wangen. Piet brüllte nun mit aller Vehemenz.

„Lauf vor, Mutter, ich schaffe das schon!“ Svantje warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen das Ende des Karrens, während ihre Mutter die Böcke vorwärtszerrte und auch nicht mit Schlägen sparte.

Der Karren verhakte sich im Grund, dann plötzlich kam er frei. Mit schwankender Ladung rumpelte er vorwärts durch hohes Gras und Disteln. Svantje war so sehr damit beschäftigt, nach Luft zu ringen und das Brennen und Zittern in ihren Beinen zu ignorieren, dass sie gar nicht merkte, wie sie den Schuppen erreichten.

„Geschafft“, keuchte die Mutter. Svantje sank auf die Knie.

Die Ziegen standen breitbeinig und mit aufgerissenen Mäulern da, die Augen rot unterlaufen.

Der Sturm rüttelte an den dünnen Bretterwänden und fegte die Äste der Sanddorn- und Schlehenbüsche umher, die rings um den Verschlag wucherten. Im Inneren roch es nach faulem Heu, das allenfalls noch für Rinder taugte.

Mutter nahm Svantje in den Arm. „Mien dapper Deern. Ohne dich würde ich vielleicht noch immer dort am Wegesrand kauern.“

Svantje sagte nichts.

Während die Mutter den kleinen Piet ablegte, kümmerte sich Svantje schweigend um die Ziegenböcke. Sie schirrte sie aus, pflockte sie an, sodass sie Gras und Heu fressen konnten, und rieb etwas Fett auf die aufgescheuerten Stellen, wo das Zuggeschirr nässende Wunden verursacht hatte. Es war ein geringer Trost, dass die Tiere an ihrem Ziel ohnehin an einen Schlachter verkauft würden.

Als Svantje sich schließlich neben ihrer Mutter ins Heu setzte, tobte das Unwetter über ihnen. Es war so laut, dass eine Unterhaltung zwecklos war. Die Knie angezogen, stützte Svantje den Kopf auf und sah hinaus. Der Himmel war blauschwarz und schwer wie Blei. Äste und Laub trieben vorbei, das Getreide auf dem nahen Feld wurde flach gedrückt, und immerzu zuckten Blitze.

Piet hatte sich heiser geschrien und war nun in einen tiefen Erschöpfungsschlaf gefallen. Svantje nahm eine seiner kleinen geballten Fäuste in die Hand und streichelte sie vorsichtig. „Armer, armer kleiner Piet, ich verspreche dir, ich werde immer auf dich aufpassen.“

„Ach, Svantje“, seufzte ihre Mutter, „gib keine Versprechen, die du nicht halten kannst.“ Sie tauschten einen Blick. Wetterleuchten flackerte über ihre Gesichter. Mutters sah schmal aus und unendlich müde. Dennoch rang sie sich ein Lächeln ab, musterte ihren kränklichen Sohn und sah dann wieder auf. Die Hoffnung war aus ihren Augen gewichen. Ob Gott beschlossen hatte, auch dieses Kind von ihr zu nehmen?

Svantje wurde die Kehle eng. Sie lehnte den Kopf an Mutters Schulter und strich über Piets kleines Köpfchen. Das dünne Haar war nass und dennoch seidenweich.

„De Störm wird die Ernte unserer Nachbarn vernichten“, sagte die Mutter mit einem Mal.

„Dann ist es doch nur gut, dass wir keine Buuren mehr sind.“

 

Das Erste, was Svantje auffiel, war der Gestank. Er trieb von der Stadt her, die sie seit dem Morgen in der Ferne hatte auftauchen sehen. Es roch nach Herdfeuern, nach schalem Wasser, Gerbereien und Fäkalien.

Die Mutter, der kleine Piet und sie waren nun Teil eines steten Stroms von Menschen, Karren, Vieh und Waren, der sich Hamburg entgegenwälzte. Doch Svantje fand kaum die Muße, häufiger aufzuschauen als unbedingt nötig, um diese fremde Welt zu mustern.

Seitdem am Vortag einer der Ziegenböcke verendet war, zog sie im Geschirr den Wagen. Der überlebende Bock stolperte neben ihr her, und Svantje begann daran zu zweifeln, dass er noch bis Hamburg durchhalten würde. Doch sie hatten größere Sorgen. Piet war nun ernsthaft krank. Seit der Gewitternacht hatte er Fieber. Sein Kopf war feuerrot, und manchmal schlief er so fest, dass er kaum mehr wach zu bekommen war.

Der Schotterweg wandelte sich nach und nach zu einer breiten Prachtstraße, beschattet von mächtigen Linden – und dann waren sie da. Hamburg. Svantje hatte noch nie so viele Menschen und so viele Häuser auf einmal gesehen. Die Gebäude waren manchmal so hoch, dass sie meinte, sie würden sich mit ihren Dachtraufen nach vorne neigen, um einander zu berühren. Andere besaßen mächtige Portale, die von Löwen, Greifen und Fabelwesen gestützt wurden. Sie sahen derart lebendig aus, dass kaum vorstellbar war, dass jemand sie aus Stein geschlagen hatte.

Die Claasens schleppten sich über staubige Gassen und durch kopfsteingepflasterte Straßen, auf denen vornehme Damen in bunten Kleidern flanierten. Große Prachtbauten mit Arkaden und schmiedeeisernen Geländern reihten sich an Verwaltungsgebäude großer Firmen und die Stadthäuser der Reichen.

Dann wandelte sich das Bild und mit ihm der Geruch.

Sie überquerten einige Fleete, auf deren Wasser von Mal zu Mal mehr Unrat trieb. An den schmalen Holzbrücken mussten sie oft warten, bis sich entgegenkommende Passanten an ihnen vorbeigedrängt hatten. Höflich für eine Mutter mit ihrer Tochter Platz zu machen fiel diesen Leuten nicht ein. Sie schienen alle in Eile, und als Svantje in ihre verhärmten Gesichter sah, ahnte sie, dass ihr neues Leben nicht leichter werden würde als das alte.

„Komm, mien Deern, es ist nicht mehr weit“, rief die Mutter. Svantje warf sich noch einmal mit aller Kraft ins Geschirr, um den Karren weiterzuzerren.

Das Unwetter vor einigen Tagen schien auch in der Stadt Äste, Stofffetzen, Knochen und Kot aus jedem Winkel gespült zu haben. Svantje sah ertrunkene, aufgedunsene Ratten in den Rinnsteinen liegen. Fliegen machten sich darüber her, genauso wie die mageren Straßenhunde mit räudigem Fell und wehmütigen Augen.

Sie hielt die Luft an, riss den Karren voran und rumpelte weiter über die kopfsteingepflasterte Straße. Nun hatten sie das Gängeviertel erreicht, in dem Vater wohnte. Dicht an dicht standen hier die Häuser. Es waren keine Ziegelbauten wie zuvor an den Alleen und Prachtstraßen. Diese hier waren aus hölzernen Ständern und Flechtwerk, die Gefache lehmverputzt. Dieselbe Bauweise wie der Hof daheim, zu dem sie nie wieder zurückkehren würden.

Svantje schluckte an der würgenden Enge in ihrer Kehle vorbei. Sie wollte ihr neues Leben nicht mit Tränen beginnen. Also sah sie sich genau um, musterte die vielfach ausgebesserten Fachwerkbauten mit ihren drei, manchmal sogar vier Stockwerken. Zwischen den Häusern war so wenig Platz, dass die kleinen Gänge dazwischen wie finstere Höhlen wirkten.

Die Mutter blieb stehen und erkundigte sich bei einer älteren Dame nach dem Weg. Svantje verstand kein Wort, weil ein paar Burschen, die auf einer Treppe herumlungerten, plötzlich in Streit gerieten. Zwei von ihnen packten einen dritten, dem ein kräftiger Junge von vielleicht zwölf Jahren mehrfach in den Magen schlug, bis er wimmernd zusammenbrach. Ein fünfter Bursche in kurzen Hosen und löchrigem Hemd wirkte seltsam unbeteiligt. Er war so hager, dass seine Ellenbögen und Knie wie Knoten aussahen, und das braune Haar hing ihm in halblangen, ungewaschenen Strähnen vom Kopf. Als er zu Svantje sah, zuckte sie unter seinem intensiven Blick regelrecht zusammen.

Mutter ging weiter. Also legte sich Svantje erneut in die Riemen und gab dem Ziegenbock einen Schubs mit dem Knie, damit auch er sich anstrengte.

Als sie wieder zu den Burschen zurücksah, war von dem Dürren nichts mehr zu sehen, als habe er sich in Luft aufgelöst. Die anderen bespuckten den verprügelten Knaben und beschimpften ihn als rattengesichtigen Schwächling.

Die Gässchen wurden indes so eng, dass kein Fuhrwerk mehr hindurchpasste und die Claasens es sogar mit ihren kleinen Karren schwer hatten.

Ständig kam es zu Gedränge.

Ein Mann mit einem Bauchladen stieß die Mutter in die Seite und hätte mit seinem Ellenbogen beinahe den kleinen Piet getroffen. Svantje beugte sich blitzschnell vor und fing den Sturz ihrer Mutter ab, als sich plötzlich jemand an ihr vorbeischob. Ihr Rock verhedderte sich, kurz war das Geräusch von reißendem Stoff zu hören, und schon war der andere vorbei.

Sie sah sich nach dem Rüpel um und meinte, den dürren Jungen mit der zerlumpten Kleidung in der Düsternis zwischen zwei Häusern verschwinden zu sehen.

Mutter war noch immer blass vor Schreck und hielt ihre Hand schützend über Piets kleines Köpfchen. Dann zerrte sie energisch ihren Handkarren weiter.

 

Raik lehnte sich keuchend gegen die Hauswand und spuckte schwarzen Schleim aus. Langsam rächte es sich, dass er seit Wochen in einem Kohlenkeller schlief. Er hustete, bis ihm alles wehtat.

Das Beutelchen, das er dem Mädchen mit den flachsblonden Haaren entrissen hatte, drückte er dabei an seine Brust, als fürchte er, dass ihm sein Diebesgut im nächsten Moment entrissen werden könne. Schließlich trat er am anderen Ende des schmalen Gangs hinaus, drückte sich in einen Winkel unter einer Treppe und betrachtete sein Beutestück. Es war ein besticktes Säckchen aus blauem Leinen. Die Farbe war fleckig, als sei der Färberwaid nur in Teile des Stoffs gedrungen. Dennoch hatte sich jemand mit den Stickereien Mühe gegeben. Es waren Maiglöckchen zu erkennen und Gänse.

Raiks Magen rumorte, als er das Bändchen aufzog. Hoffentlich würde er darin etwas finden, was sich zu Geld machen ließ. Er musste dringend etwas essen. Schon seit Tagen hatte er kaum etwas zwischen die Zähne bekommen, weil die Gendarmen seit Kurzem auf dem Markt verstärkt Jagd auf ihn und seinesgleichen machten. Raik wollte nicht verprügelt werden, und noch weniger wollte er ins Gefängnis. Denn Burschen wie er kamen dort nur selten mit heiler Haut wieder heraus.

Er zog ein aufgerolltes Stück geklöppelter Spitze aus dem Säckchen, samt Fäden und Knäuel, zu kurz, um Geld einzubringen. Als Nächstes fielen ihm drei Glasmurmeln in die Hand, und dann kam das Merkwürdigste: ein weiteres, noch kleineres Säckchen, in das sandige Erde eingenäht war. Sie rieselte durch das winzige Loch, das Raik hineingerissen hatte. Außerdem fand er noch ein paar Nadeln und einen Fingerhut einfachster Machart sowie ein winziges Holzkreuz. Zuletzt fiel ihm ein verbogener Pfennig in die Hand. Einer nur.

Raik schämte sich, als er das Geldstück in seine Hosentasche schob. Aber die Verzweiflung machte auch Menschen zu Dieben, die nie welche hatten werden wollen.

Er tat alle anderen Sachen zurück in den Beutel und stopfte ihn in einen kleinen Winkel unter der Treppe. Dann rannte er los zum nächsten Bäcker.

Kurz darauf saß Raik auf einem Geländer, ließ die Beine baumeln und aß das altbackene Stück gesüßten Brotes, das er für die erbeutete Münze bekommen hatte. Die getrockneten Apfelstückchen machten das zähe Teigstück zu einem regelrechten Festmahl.

Hier auf dem eisernen Brückengeländer war sein Lieblingsplatz. Von dieser Position aus hatte er einen perfekten Blick über den schlammbraunen Kehrwiederfleet unter ihm und den angrenzenden Block E der Speicherstadt. Lastkähne schoben sich aneinander vorbei. Sie brachten Fracht von den Dampfschiffen und Seglern, die weiter draußen im Hafen ankerten. Die Kähne transportierten Kisten und Bündel direkt zu den Speicherhäusern der Kontoreien. Wenn der Wind gut stand, konnte Raik den Kaffee riechen, den Duft von Rohrzucker und Kakao, süßlich und gleichzeitig bitter wie die Gedanken an seine Mutter, die der Geruch in ihm weckte.

Am Speicherhaus nebenan öffnete sich eine Luke, und gleich darauf summte ein Seil mit einem großen Haken durch die Winde. Auf dem Kahn darunter wurde er in ein Netz gesteckt, in dem sich ein Berg aus Kaffeesäcken türmte. Raik schloss die Augen, und für einen Moment überdeckte der exotische Duft den schmierigen Abwassergestank des Fleets.

Raik blieb, bis die Abenddämmerung heraufzog und der Kahn entladen war. Die Strahlen der niedrig stehenden Sonne verfärbten die Backsteingebäude kupferrot und machten die Rußwolken sichtbar, die aus unzähligen Schloten stiegen.

Zufrieden, das allererste Mal seit langer Zeit wieder satt zu sein, schlenderte Raik in Richtung des Ortes, den er im Augenblick sein Zuhause nannte.

Er machte einen Bogen um den Treffpunkt. Die anderen Burschen würden ihm ansehen, dass er Beute gemacht und nicht mit ihnen geteilt hatte. Immerhin wagten sie nicht, ihn zu verprügeln wie den kleinen Paule, den alle nur „Ratte“ nannten. Dafür hatte Raik gesorgt. Seitdem fehlte Torben, dem Anführer ihrer kleinen Bande, ein Schneidezahn. Er war ohnehin hässlich, da fiel der fehlende Zahn auch nicht mehr auf.

Raik blieb erschrocken stehen und drückte sich an die Wand. Das konnte doch nicht sein. Das Mädchen mit den blonden Haaren hockte ausgerechnet vor dem Haus auf seinem Karren, in dessen Keller er die Nächte verbrachte.

Er sah wieder hin, vorsichtiger dieses Mal. Ihre Mutter hockte neben ihr und gab einem kleinen Kind die Brust. Die beiden schienen auf etwas zu warten.

Hin und wieder streichelte das Mädchen die ausgeschirrte Ziege, die von einem Bündel Gras fraß, das sie offenbar mitgebracht hatten. Mutter und Tochter unterhielten sich leise. Sie wirkten abgekämpft, aber irgendwie zufrieden.

Raik lehnte sich gegen eine kleine Mauer. Er würde warten, bis sie fort waren. Sicher war sicher.

Nach und nach kehrten die Arbeiter heim. In den Gassen des Gängeviertels, auf denen tagsüber fast nur Frauen und Kinder zu sehen waren, erschienen kleine Gruppen von Männern, die mit hängenden Schultern und müden Augen heimschlurften.

Einer der Arbeiter, groß und schmal, mit hellblondem Haar, lief plötzlich schneller. Raik kannte ihn, es war sein Nachbar Herr Claasen. Der begann nun zu rennen, doch kurz bevor er Mutter und Tochter erreichte, zügelte er seinen Schritt.

Die Frau erhob sich, reichte den Säugling an das blonde Mädchen weiter und stand mit bebenden Händen da, bis Claasen vor ihr innehielt und sie einen Moment lang stumm ansah. Er legte seine große Rechte an ihre Wange, sie schmiegte sich kurz dagegen, dann begrüßte er das Mädchen, das ganz offensichtlich seine Tochter war, mit einer knappen Berührung. Den beinahe leblos wirkenden Säugling musterte er, die Stirn nachdenklich in Falten gelegt.

Na großartig, dachte Raik. Er hatte ausgerechnet seine neuen Nachbarn beklaut. Dabei war er auf das Wohlwollen aller anderen im Haus angewiesen! Zwar gehörte das Kohlelager im Keller einem der Einwohner, aber eigentlich hätte Raik trotzdem etwas dafür zahlen müssen, dass er dort schlief. Die Abmachung war einfach. Er passte auf, dass nachts niemand Kohlen stahl, und dafür hatte er ein Dach über dem Kopf. Doch sobald ihn jemand beim Eigentümer meldete, würde er sich eine neue Bleibe suchen müssen.

Besser, er verzog sich noch eine Weile, bis Claasen und seine Familie drinnen waren.

 

Svantje war erleichtert. Sie hatte schon geglaubt, der Vater würde gar nicht kommen. Zwar bestätigten die Leute, dass in diesem Haus ein Georg Claasen wohnte, der in der Harkenfeld-Werft arbeitete, doch so ganz glauben konnte sie es nicht mehr, nachdem Stunde um Stunde verstrichen war.

Das Gängeviertel war ein aufregender, aber auch unheimlicher Ort. So viele Menschen, die dicht an dicht lebten. Die Fensterläden der nebeneinanderliegenden Häuser berührten sich beinahe, und ein Nachbar konnte dem anderen in die Stube sehen. Ständig gab es irgendwo Lärm, Menschen stritten, Kinder weinten, und dann gingen hier und da auch noch Handwerker ihren Gewerken nach. Es schien niemals ruhig zu sein. Alle Fenster standen offen und ließen Geräusche und Gerüche nach draußen.

Svantje war es genauso ergangen wie dem Ziegenbock, der anfangs nur stocksteif dagestanden und die Augen ob all der Neuerungen weit aufgerissen hatte. Doch nach einer Weile begann er, das Gras zu fressen, das sie noch am Morgen, umgeben von nichts als Grün, für ihn geschnitten hatte, und auch sie selbst wurde ruhiger.

Nun endlich war der Vater da. Er bat eine Nachbarin, auf die Karren achtzugeben, nahm einige Gepäckstücke, und dann betraten sie das Haus. Svantje bemerkte zuallererst den schwarzen Schimmel, der in den Ecken des engen Treppenhauses wucherte.

Sie stieg hinter ihren Eltern die Stufen hinauf bis in den zweiten Stock. Dort sperrte der Vater eine Tür auf, und sie betrat, was ab nun ihr Zuhause sein würde. Die Wohnung bestand aus einem kleinen Raum, in dem ein Ofen und ein Schränkchen standen, und einer angrenzenden Kammer mit Strohsäcken zum Schlafen.

Die Mutter schlug die Hand vor den Mund und schwieg. Ihre Schultern zuckten. Doch als der Vater sich umwandte, hatte sie sich bereits wieder gefasst und legte Piet vorsichtig auf einer Decke vor dem Ofen ab. „Ich weiß, es ist ganz anders als de Hoff“, sagte der Vater.

Svantje fühlte, wie sich in ihr alles zusammenzog. „Anders“ war gar kein Ausdruck. Statt dem zweistöckigen Wohngebäude, der Scheune und den Stallungen, die zusammen mehr Platz eingenommen hatten als fünf der verschachtelten Häuser im Gängeviertel, würden sie nun alle gemeinsam in diesem kleinen Zimmer unterkommen. Durch die dünnen Wände konnte sie die Nachbarn hören, und von draußen drang ein Streitgespräch herein.

„Du wirst dich hier schon torechtfinnen“, sagte der Vater und legte Svantje eine Hand auf die Schulter. Für einen Mann wie ihn, der körperliche Nähe sonst mied, war das eine große Geste. Svantje rieb sich die Tränen von der Wange.

„Mit Gottes Hülp“, flüsterte die Mutter.

 

Die erste Nacht lag Svantje wach, wie es ihr auf dem Hof und selbst auf der Reise, wenn sie im Freien kampierten, niemals geschehen war. Die Stadt wollte einfach nicht still sein. Anfangs hörte sie ihre Eltern noch leise miteinander sprechen, später dann nur noch die Geräusche ihrer Bewegungen. Von draußen hallten Stimmen und Schritte hinauf, ein Gendarm blies in seine Trillerpfeife. Wie Hammerschläge donnerten die eisenbeschlagenen Hufe eines Pferds über das Kopfsteinpflaster. Dann ein Moment Stille. Mäuse piepsten, Svantje konnte sie über den Holzfußboden trippeln hören. Piets Atem ging rasselnd. Sie streckte die Hand nach ihm aus, berührte seine kleine Brust, die fiebrig glühte. Hoffentlich würde Gott ihn nicht zu sich holen wie die letzten beiden Kinder, die die Mutter zur Welt gebracht hatte.

Svantje überlegte angestrengt, wie sie ihm helfen konnte. Im Dorf hätte sie gewusst, was zu tun war. Sie wäre zur alten Heidrun Frerichs gelaufen, die sich auf Kräuterkunde verstand. Svantje hatte der verwitweten Alten hin und wieder in ihrer winzigen Kate geholfen. Sie mochte zwar arm an Gütern sein, aber sie war reich an Wissen, das sie mit Svantje geteilt hatte, die alles aufsog wie ein Schwamm. Von ihr hatte sie gelernt, dass viele Unkräuter, die sie auf dem Feld mit bloßen Händen ausriss, bis ihr der Rücken schmerzte, heilende Kräfte besaßen.

Kein Zweifel, die Witwe Frerichs hätte gewusst, wie sich Piets Leiden lindern ließ.

Svantje starrte gegen die niedrige Zimmerdecke und ging in Gedanken ein Kraut nach dem anderen durch. Dann fiel es ihr ein. Weidenrinde. Ja, ein Tee aus Weidenrinde würde das Fieber senken! Und Thymian würde gegen den Husten helfen. Doch ach, in der Stadt waren Bäume und Kräuter rar. Vielleicht könnten sie das Nötige in einem Geschäft besorgen? Gleich morgen früh würde sie die Mutter darum bitten.

Im Dunklen tastete sie nach dem kleinen Bruder. Er hatte die Decke von sich gestrampelt. Seine Haut glühte, sein feines Haar war nass geschwitzt. Erschrocken setzte Svantje sich auf. Mutter und Vater schliefen. Sie wollte sie nicht wecken, und so huschte sie leise durch das Zimmer, holte Wasser und Tücher, aus denen sie Piet kalte Wickel für die Beine bereitete.

Sie döste mehrfach wieder ein, doch wann immer sie wach wurde, tauschte sie die Wickel. Es wurde eine lange Nacht.

 

Der nächste Tag war ein Sonntag. Der Vater musste nicht zur Arbeit gehen, und das bedeutete, dass Svantje Abschied von ihrem treuen Begleiter nehmen musste. Während die anderen noch schliefen, stahl sie sich aus dem Bett.

Piets Zustand hatte sich etwas gebessert, das Fieber war heruntergegangen, und nun schlief er tief und fest. Später würde sie die Mutter bitten, den Apotheker aufzusuchen.

Erfüllt von der Hoffnung, dass ihr Bruder wieder gesund werden würde, nahm sich Svantje einen Apfel und einen Kanten Brot und schlich nach einem letzten Blick auf Piet aus dem Zimmer.

Im Treppenhaus war es dunkel und stickig. Eine Ratte huschte davon. Svantje hatte ihre Holzpantinen noch nicht angezogen und tappte barfuß die abgetretenen Stufen hinunter, von denen einige knarrten. Durch eine niedrige Tür gelangte sie in den Keller. Der Ziegenbock, der hier unten in einem winzigen Verschlag untergebracht worden war, erkannte sie und begrüßte sie mit leisem Meckern.

Svantje setzte sich neben ihn auf den Boden und teilte ihr karges Frühstück mit ihm. Sie wusste genau, was Mutter sagen würde, wenn sie es herausfand: dass es eine Verschwendung war und sie ein undankbares Mädchen.

Aber verdiente das Tier an seinem letzten Tag nicht ein wenig Freundlichkeit? Ohne den Ziegenbock hätten sie vermutlich einen Teil ihres Hab und Guts zurücklassen müssen. Svantje kraulte ihn hinter den Ohren und an den lustigen Troddeln am Hals und versuchte, tapfer zu sein. Ja, sie versuchte es wirklich.

Es gab keinen anderen Weg. Hier war kein Platz für eine Ziege, und der Bock war so mager und übersät mit Scheuerwunden, dass keiner ihn als Zugtier kaufen würde. So war es sicher am besten.

Durch ein schmales Kellerfenster drang mehr und mehr Licht hinein. Svantje starrte auf die blassen Strahlen, in denen Staub tanzte, Kohlestaub, der sich unangenehm in der Kehle absetzte und mineralisch schmeckte. Sie sah sich um.

Die Kohle wurde hier unten zuhauf gelagert, in der einen Ecke in gestapelten Säcken, in der anderen in losen Haufen – und dort? Was war das? Svantje stockte. Dort schlief doch tatsächlich jemand auf dem Boden, unter sich einige Zeitungen, zugedeckt mit einer löcherigen Rupfendecke. Und sie hatte es die ganze Zeit nicht bemerkt.

Svantjes Herz begann zu jagen.

Aber dann sah sie, dass der Fremde in einem freien Winkel sorgfältig einen Tonbecher, einen Kochtopf und ein Bündel Kleidung aufgereiht hatte, und beruhigte sich. Offenbar durfte der Junge hier schlafen. Es war also kein Gauner, sondern nur ein weiterer Nachbar.

 

Raik hatte das Mädchen schon wahrgenommen, als es in den Keller hinuntergekommen war. Er hatte gehofft, dass es nur die Ziege füttern und dann wieder verschwinden würde. Doch so leicht machte es ihm das Schicksal nicht. Als wollte es ihm seine Sünde vor Augen führen, blieb das Mädchen neben dem Verschlag sitzen und begann dann auch noch zu heulen.

Die Heulerei war einer der Gründe, warum sich Raik von Mädchen lieber fernhielt. Ständig brachen sie in Tränen aus. Wahrscheinlich trauerte die hier ihrem verschwundenen Stickzeug hinterher.

Erst merkte Raik, wie in ihm alles auf Abwehr ging, als würde er sich in einen Stein verwandeln. Ganz still lag er da und hätte am liebsten neben seinen Augen auch seine Ohren verschlossen. Sein eigenes Leben war schon elend genug, was ging ihn da das Leid der anderen an?

Doch nach und nach schwand der innere Widerstand. Er lauschte wider Willen, wie das Mädchen sich von dem Tier verabschiedete. Also ging es gar nicht um das alberne Stickzeug!

Als es heller wurde, spürte er plötzlich, dass sie ihn bemerkt hatte. Nun schwieg auch sie. Aber sie ging nicht weg.

Raik hielt es nicht länger aus und tat so, als würde er langsam erwachen. Schließlich richtete er sich auf und sah in ihre Richtung. Sie saß stocksteif da. „Oh“, sagte er, Überraschung vortäuschend.

„Hallo“, sagte das Mädchen und hob zögerlich die linke Hand, als überlege sie, ihm zuzuwinken.

„Ich bin Raik.“

„Wohnst du hier?“

Er zuckte mit den Schultern. „So in der Art. Ich passe auf die Kohle von Herrn Adam auf. Und du?“

„Wir wohnen jetzt hier. Ich bin Svantje.“

Schwänchen, der Name passte zu ihr. Ein Schwan, der hier im schwarzen Kohlenstaub wie eine Märchengestalt wirkte. Ihr blondes Haar glänzte selbst in dem schwachen Licht, das in den Keller fiel. Sie hatte sich einen ordentlichen Zopf geflochten und ihn hochgesteckt. Sie musste Locken haben, denn einige Haare hatten sich herausgelöst und ringelten sich über ihre hohe Stirn. Ihre Haut war goldbraun von der Sonne, und auf ihrer Nase und den runden Wangen tummelten sich Sommersprossen. Sie war hübsch und würde vermutlich eines Tages zu einer schönen Frau heranwachsen, aber noch hatte sie etwas Kindliches an sich, obwohl aus ihren Augen bereits die Lebenserfahrung sprach und von harten Zeiten erzählte.

„Was machst du hier unten?“, fragte er.

Sie biss sich auf die Lippe und schien die Antwort nicht herauszubringen, als mit einem Mal schwere Schritte auf der Holztreppe zu hören waren. Svantje sah zu dem Ziegenbock und wischte sich hektisch über die Wangen, dabei waren ihre Tränen längst getrocknet.

„Vater“, sagte sie, sobald sie den Mann erkannte.

Raik reckte sich. Hoffentlich nahm Herr Claasen es ihm nicht übel, dass er mit seiner Tochter gesprochen hatte. Der Mann trug eine Gaslaterne bei sich, außerdem zwei große Schüsseln, ein Messer und ein Seil. Erst konnte sich Raik keinen Reim darauf machen, doch dann, als er sah, wie blass Svantje geworden war, verstand er.

Aber anstatt zu schreien und hysterisch zu werden, wie Raik es von einem Mädchen erwartet hätte, schenkte sie ihrem Vater ein scheues Lächeln und nahm ihm die Schüsseln ab. Ihr Blick begegnete Raiks, und erst jetzt wandte sich auch Herr Claasen ihm zu. „Hätt ich mir denken können, dass du hier bist. Moin, Raik, und danke fürs Aufpassen. Ich hoffe, der Bock hat nachts nicht randaleert.“

„Na kloor, Herr Claasen. Und nee, er war ganz tamm heut Nacht.“

Der Mann hängte die Gaslaterne auf und drehte sie heller, während Svantje mit einem Tuch durch die Schüsseln wischte und sie nebeneinander in dem Lichtstreifen aufstellte, der durch das einzige Kellerfenster fiel. „Hier, Vater?“, fragte sie.

Herr Claasen nickte. „Bring du ihn her, dich kennt er besser.“

Raik hätte sich am liebsten abgewandt. Die anderen Jungs gingen oft zu den Schlachtern, um ihnen zuzusehen und dabei Witze zu machen, und auch er war hin und wieder mitgegangen, um nicht als weibischer Feigling dazustehen. Aber wie auch jetzt, so hatte dabei stets etwas in ihm rumort und sich gegen das Kommende aufgelehnt.

Doch hier war es anders. Noch stank es nicht nach Blut und Eingeweiden, und kein Tier brüllte vor Angst.

Svantje öffnete das Gatter und führte den Ziegenbock heraus zu ihrem Vater. „Gleich ist es vorbei“, sagte sie leise und kraulte den Bock zwischen den Hörnern. Dann ging alles ganz schnell. Mit einem geschickten Handgriff warf Herr Claasen das Tier auf die Seite, klemmte es mit dem Knie ein und schlitzte ihm die Kehle auf.

Svantje hielt eine Schüssel darunter und fing die rote Flüssigkeit auf. Nicht ein Tropfen ging daneben.

Der Ziegenbock starb ohne einen einzigen Laut. Als kein Leben mehr in ihm war und alles Blut herausgeflossen war, stand Svantje auf und trug die Schüssel vorsichtig davon.

„Komm her, Raik, und help mi mal, du hast doch bestimmt nichts dagegen, dir ein paar frische Würste zu verdienen.“

„Nee, natürlich nicht, Herr Claasen.“ Mit einem Satz war er auf den Beinen. „Was muss ich tun?“

Sie schlangen die Seile um die Hinterbeine des Bocks und hängten ihn an einen Haken. Schnell überwand Raik seinen Ekel und zog mit aller Kraft an der Haut samt Fell, während Herr Claasen mit geschickten Schnitten dafür sorgte, dass sich alles gut ablösen ließ.

Als er den Bauchraum öffnete, trat Raik doch lieber einen Schritt zurück. Platschend fielen die Innereien in die Schüssel. Jetzt war da auch der Geruch, den er von den Schlachtereien kannte.

Herr Claasen musterte ihn. „All op Stee, Raik?“

Der Junge nickte, zuckte mit den Schultern und starrte auf die graugrünen Gedärme. Seine eigenen Innereien schienen auf den Anblick der fremden irritiert zu reagieren. Es fühlte sich an, als würden sie sich zu einem kleinen, festen Knoten zusammenwinden.

Claasen ahnte vermutlich, wie es um ihn stand. Trotzdem winkte er ihn wieder heran, und Raik half dabei, das Tier zu zerlegen. Die einzelnen Stücke wurden auf einem Wachstuch aufgereiht, und nach und nach verschwand seine Übelkeit wieder. Als sie fertig waren, drückte Claasen ihm das aufgerollte Fell in die Hand. „Weißt du, wo du einen Gerber findest?“

„Ja, bin schon mal dran vorbeigekommen.“

„Dann geh hin und verkauf das Fell, aber lass dich nicht übers Ohr hauen. Und von dem Geld kaufst du dir eine lange Büx. Du bist doch kein lütte Jung mehr.“

Raik stotterte seinen Dank heraus und verbeugte sich sogar. Dann rannte er los, hielt aber gleich darauf noch einmal inne. „Wenn Sie mal was brauchen, irgendwas …“

„Schon gut.“ Claasen lachte. „Jetzt verschwinde.“

 

Der gesamte Sonntag war damit vergangen, die Ziege zu verarbeiten. Fast alles hatte Svantje allein bewerkstelligen müssen, denn die Mutter kümmerte sich um Piet, der noch immer von Fieber geplagt war. Auf Svantjes Bitten hin war am Ende der Vater losgezogen und hatte so lange eine geschlossene Apotheke nach der anderen abgeklappert, bis ihm jemand öffnete und Weidenrinde und Thymian verkaufte. Svantje hatte einen starken Tee zubereitet, wie sie es von der Witwe Frerichs gelernt hatte, und ihn dem kleinen Bruder vorsichtig eingeflößt. Das Fieber ging schleichend zurück, doch Piet bekam noch immer schlecht Luft. Einmal hatte er sogar kurz aufgehört zu atmen. Die Mutter schrie, nahm ihn auf, schüttelte ihn, während Svantje danebenstand und sich für den Schmerz wappnete. Sie hatte so sehr versucht, den kleinen Bruder nicht allzu lieb zu haben, weil sie doch schon zwei Geschwisterchen verloren hatte. Doch als sein kleiner Brustkorb aufhörte, sich zu heben, wurde ihr klar, dass ihr Vorhaben gescheitert war. Dann war da plötzlich ein Zorn, der alles überflutete. Sie wollte, konnte nicht dastehen und zusehen, wie er starb.

„Gib ihn mir! Gib ihm mir“, hatte sie die Mutter angefleht und ihr den Säugling aus dem Arm gerungen. Ja, sein Herzchen schlug noch. Das Einzige, was ihm fehlte, war Atem, und den konnte sie ihm geben. Die alte Frerichs hatte ihr davon erzählt, und ihr eigener Vater hatte hin und wieder neugeborenen Zicklein und Lämmern Luft in die Mäulchen gepustet, wenn sie nicht atmen wollten. Behutsam hatte Svantje ihren Bruder auf den Boden gelegt und ihm dann sacht in die Nase geblasen. Einmal, zweimal, immer wieder, vielleicht ein Dutzend Mal.

Die Mutter war neben ihr auf den Boden gesunken, über ihre Wangen floss ein Tränenstrom. „Lass es gut sein. Gott hat ihn zu sich geholt.“

„Nein, das lasse ich nicht zu!“ In Svantje tobten die Gefühle wie ein wilder Strudel. Solange Piets Herzchen noch schlug, würde sie für ihn atmen. Sie stieß die Mutter zur Seite, die ihr den Kleinen wegnehmen wollte.

„Svantje, hör auf!“, stöhnte diese. „Lass ihn …“

Da unterbrach Piet sie mit einem leisen Wimmern.

Beide hatten sie einen Augenblick dagesessen wie erstarrt, hatten auf seinen kleinen Brustkorb gestarrt, der sich sacht hob und senkte. Dann waren sie einander in die Arme gefallen und hatten gemeinsam geweint.

„Ich glaub es nicht, ich glaub es nicht“, stammelte die Mutter immer wieder. Sie hatte bislang all ihre Söhne verloren, bevor sie drei Jahre alt geworden waren.

„Es wird alles gut“, versicherte Svantje, doch auch ihre eigene Stimme zitterte.

„Du hast eine Gabe, mien Deern. Mien klooke Deern!“ Die Mutter strich Svantje über die Wange und sah ihr in die Augen. In ihrem Blick lagen all die Worte, die ihr nicht aus dem Mund wollten.

 

Svantje stürzte sich in die Arbeit, um nicht ständig vor Angst um ihr Brüderchen zu verzweifeln. Wenn sie nur mehr gewusst hätte! Sie wollte lesen, wollte lernen, um ihrem Brüderchen zu helfen. Doch sie ging ja noch nicht einmal mehr zur Schule.

Sie wusch die Därme aus, bereitete Fleisch und Innereien vor und kochte eine kräftigende Brühe für Piet. Bis in den Nachmittag hinein füllte sie Würste, während der Vater im winzigen Hinterhof einen improvisierten Räucherofen baute. Spät am Abend waren sie mit allem fertig und aßen gemeinsam.

An dem winzigen Tisch herrschte Schweigen, als habe jeder Angst, seiner Sorge um den fiebernden Jungen Ausdruck zu verleihen und den Tod damit erst recht anzulocken. Svantje musterte ihren Vater, der ihr nach und nach wieder vertrauter wurde. Merkwürdigerweise schien er viel besser hierher zu passen als auf den Hof. Dort war er nur alle paar Monate aufgetaucht und hatte immer wie ein Fremder gewirkt. Das hier war nun sein Zuhause, hier war er mit allem vertraut. Ob es auch ihr bald so ergehen würde?

Die Nacht verging mit unruhigem Schlaf. Svantje träumte von ihrem Ziegenbock, von dem Bauernhof und Piets Geburt. Als der Vater ganz früh am Morgen zur Arbeit aufbrach, erwachte sie aus tiefem Schlaf, der endlich traumlos gewesen war. Kurz darauf brach die Mutter mit dem kleinen Piet auf, um auf Svantjes Drängen hin im Hospital um Hilfe zu bitten.

Und zum ersten Mal war Svantje allein in ihrem neuen Heim.

Auf dem Hof hatte es immer etwas zu tun gegeben. Unkraut jäten, die Ziegen und Schafe melken, Butter machen. Und wenn all das erledigt war, konnte sie sich der Spitzenherstellung widmen und die Borten und Bänder verkaufen. Doch ihre Klöppel waren samt angefangener Spitze und einigen Erinnerungen verloren. Unterwegs musste ihr das Beutelchen unbemerkt abhandengekommen sein.

Hier fühlte sie sich nutzlos. Sie blieb eine Weile liegen und lauschte dem lauten Treiben des Viertels.

Sie musste etwas tun, irgendetwas. Sobald der Entschluss gefasst war, war sie auf den Beinen. Erst einmal würde sie Ordnung schaffen.

Sie räumte und lüftete, dann schrubbte sie auf Knien den Holzboden, bis er deutlich heller war. Als sie gerade die Scheuerbürste zur Seite legte, klopfte es an der Tür.

Oder war es nur Lärm aus dem Treppenhaus? Sie horchte auf. Wieder das zaghafte Klopfen.

Svantje wischte sich die schmerzenden, aufgeweichten Hände an ihrer Kittelschürze ab und öffnete. Draußen stand der Junge aus dem Keller, der nun eine lange Hose trug. „Raik?“

„Ja.“ Betreten belastete er mal den einen, mal den anderen Fuß. „Is dien Vader tohuus?“

Svantje schüttelte den Kopf. „Auf der Arbeit.“

Raik strich sich nervös durchs Haar, dann wandte er sich um.

„Geh nicht. Was wolltest du denn von ihm? Kann ich Vater etwas ausrichten?“

Der Junge druckste herum, sah auf seine Füße, die in abgelatschten Schuhen steckten. „Ich wollt mich bedanken, für die lange Büx und … und er hatte mir Würste versprochen, weil ich gestern geholfen hab.“

„Ach so, natürlich.“ Svantje erinnerte sich wieder an den Hinweis, dass jemand etwas abholen würde. „Warte kurz, ich weiß, wo sie sind.“

Der Vater hatte sie in ein Stück alte Zeitung eingeschlagen. Das Fett hatte das Papier glasig werden lassen. Als sie sich zu Raik umdrehte, hielt er die rechte Hand hinter den Rücken, die linke streckte er aus, um das Päckchen entgegenzunehmen. Sie gab es ihm, und sein Magen antwortete mit einem lauten Knurren.

„Hast du etwa heute noch nichts gegessen?“

„Doch, sicher“, erwiderte er schnell und errötete.

Er log, eindeutig. Svantje eilte ins Zimmer zurück und nahm zwei von den Kartoffeln, die sie für später gekocht hatte. „Hier, damit schmecken sie besser.“

„Aber … ich will keine Almosen.“

Svantje verschränkte die Arme vor der Brust, damit er ihr die Kartoffeln nicht zurückgeben konnte. Sie erinnerte sich noch genau an die Zeit, als sie selbst bei den Nachbarn um Essen gebeten hatte. Lange war das nicht her.

Plötzlich streckte Raik die andere Hand vor. „Hier, ich glaube, das gehört dir.“

Er hielt Svantje ihr verlorenes Beutelchen hin. Es sah dreckig aus und etwas zerrupft, aber es war heil.

„Wo hast du das gefunden?“ Sie nahm es und drückte es an ihre Brust.

„Unten bei der Treppe“, sagte er und wich dabei ihrem Blick aus. „Ik mutt jetz gahn.“

„Raik, warte doch!“

Er lief die Treppe hinauf, nicht hinunter, und Svantje beschloss mit einem aufgeregten Summen in der Brust, ihm zu folgen. Sie zog die Tür ins Schloss, verriegelte sie und rannte die immer schmaler werdenden Treppen hinauf. Hier und da zweigten schmale Gänge ab, es gab offen stehende Wohnungstüren, die den Blick in ärmliche Zimmer freigaben, wo sich oft ein halbes Dutzend Menschen drängte.

Dann ging es nicht mehr weiter.

Svantje war auf dem Dachboden angekommen. Auch hier wohnten Leute, die Quartiere waren mit Laken abgeteilt. Eine schmale Stiege führte aufs Dach, die Luke stand einen Spalt offen.

Einen Herzschlag lang zögerte sie, verdrängte Mutters Warnungen, die durch ihren Kopf spukten, raffte den Rock und war im Nu die Stiege hinauf. Als sie die Luke hochdrückte, strich ihr frischer Wind über die Wangen. Sie sog die Luft mit einem tiefen Atemzug in ihre Lungen und sah sich um.

Dort, bei den Schornsteinen, die wie schlanke Pilze aus den Schindeln lugten, saß Raik.

Offenbar rechnete er nicht damit, dass sie ihm hierher folgen würde, denn er hatte ihr den Rücken zugedreht. Svantje versuchte, nicht nach unten zu sehen, und lief das kurze Stück über die Schindeln zu ihm hinüber.

Der Junge sah sie mit zusammengezogenen Brauen an, ein Blick, den sie nicht recht zu deuten wusste. War er zornig, weil sie ihm gefolgt war?

Er sagte nichts, sondern packte das Essen aus.

Sie konnte seinen Magen erneut knurren hören, bevor er einen riesigen Bissen nahm und hastig kaute. Seine Art zu essen bestätigte ihren Verdacht: Er war völlig ausgehungert. Svantje fragte sich, wo seine Eltern waren, ob er Geschwister hatte. Doch ihr war klar, dass sie diese Frage nicht stellen durfte. Stattdessen wandte sie ihren Blick ab und sah hinab auf das Gängeviertel. Es war ein Gewirr von Häusern, die wie wahllos zusammengewürfelt wirkten. Nur entlang der Straßen war eine gewisse Ordnung zu erkennen, in den Hinterhöfen war kreuz und quer gebaut worden, neben- und übereinander, immer mehr, immer höher, bis kaum noch Platz zum Atmen war.

Hier oben bekam sie endlich wieder genug Luft. Eine kleine Brise wehte von Westen und schien den Duft von Wiesen und Wasser mit sich zu tragen. Voller Wehmut dachte Svantje an den Hof zurück.

Raik aß noch eine zweite Wurst und die andere Kartoffel, wickelte den Rest wieder in die Zeitung und schob das Päckchen in seine Jackentasche. Seufzend lehnte er sich zurück und drückte den Rücken an den Kamin, aus dem eine dünne Rauchfahne aufstieg.

Svantje musterte sein Profil. Gebräunte, hagere Wangen, dunkle Augen, die ihre Umgebung nahezu aufzusaugen schienen, eine gerade, etwas zu große Nase und die Reste eines Veilchens, das sich unter einer verkrusteten Schramme auf der Braue ausbreitete. Offenbar hatte Raik vor einer Weile Prügel bezogen.

„Es ist schön hier oben“, sagte Svantje. Raik gab ein zustimmendes Geräusch von sich und stützte den Kopf auf.

„Woher kennst du meinen Vater? Wie lange …?“

Wieder dieses Schulterzucken. „Letztes Jahr hat er mir mal ein bisschen was zugesteckt. Da hab ick noch draußen geschlafen.“

„Draußen? Auch im Winter?“

Raik nickte. „Wenn man sonst nix hat. Dien Vader is een gooter Mann.“

„Ja, das ist er wohl“, sagte Svantje und musste daran denken, dass dieser Raik ihren Vater vermutlich häufiger gesehen hatte als sie selbst. Der Vater hatte sich immer einen Sohn gewünscht. Bis auf Piet, den er zuvor nur zweimal gesehen hatte, lebte keiner der kleinen Brüder mehr. Vielleicht, überlegte Svantje, half der Vater diesem Straßenjungen namens Raik ja deshalb, weil er einen Sohn vermisste, mit dem er reden und dem er helfen konnte, ein Mann zu werden.

Von unten drangen Schreie herauf, und Svantje zuckte zusammen.

Raik, der ihre Reaktion bemerkt hatte, grinste. „Bist das Stadtleben wohl noch nicht gewöhnt. Hier ist immer irgendwo was los.“

„Schon gemerkt, und ich finde es fürchterlich. Wenn ich könnte, würde ich so schnell wie möglich wieder von hier weg. Du nicht?“

„Ich bin so gut wie noch nie aus der Stadt raus. Wenn ich afhau, dann fahr ich zur See, einmal um die ganze Welt!“ Er breitete die Arme aus und seufzte.

„Du willst Seemann werden?“

Er zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht, und du?“

„Wenn ich machen könnte, was ich will?“

Er nickte. „Träumen darf man doch.“

„Dann würde ich lernen, wie man Krankheiten heilt. Ich ertrage es kaum, einfach nur zuzusehen, wie es meinem kleinen Bruder schlechter und schlechter geht, und nicht zu wissen, wie ich ihm helfen kann. Auf dem Dorf habe ich von einer Alten viel über Kräuter und Hausmittel gelernt. Aber es muss noch so viel mehr geben. Sie besaß kein einziges Buch, alles, was sie wusste, hat sie von ihrer eigenen Mutter gelernt. Stell dir vor, wie viel mehr Wissen es im Hospital gibt, und erst an Universitäten!“

„Du willst Frau Doktor werden?“ Offenbar wollte er spotten, doch als er sich zu ihr umwandte und ihr ins Gesicht sah, blieb ihm das Lachen sichtlich im Hals stecken. Er wandte sich ab, als fürchte er, sich bei ihrer traurigen Stimmung anzustecken.

„Doktor nicht, aber ich könnte Krankenschwester werden. Dafür müsste ich wieder zur School gehen, und die kostet Geld, das wir nicht haben. Es ist wohl besser, dass ich mich damit abfinde. Vorerst.“

Obwohl sie Raik kaum kannte, fühlte sie sich in seiner Nähe wohl. All die vergangenen Wochen hatte sie ihren Kummer heruntergeschluckt. Mutter hatte schon genug Sorgen, da brauchte sie sich nicht auch noch ihre anzuhören. Nun konnte Svantje nicht mehr. Ihr Herz war so schwer, der Kummer musste einfach heraus. Und so erzählte sie ihm von den zwei verlorenen Brüderchen, von Piets Fieber und wie er am Vormittag beinahe gestorben war. Raik schwieg und hörte zu, und nach und nach fiel ihr das Reden leichter. Sie erzählte ihm, dass sie den elterlichen Hof vermisste und dass sie ihn wegen des Hochwassers hatten verlassen müssen.

„Hier steht das Wasser auch oft bis auf die Straßen. Die Kanäle und Fleete verteilen es überallhin.“

„Und dann?“

„Dann packen alle mit to und räumen auf, sobald es wieder weg ist.“

„Bei uns hat das Wasser den Hof und das Vieh mitgenommen.“ Svantje zog die Beine an und umklammerte ihre Knie. Noch eine Erinnerung, der sie keinen Platz in ihrem Herzen einräumen wollte. Also schnell an etwas anderes denken. „Sag mal, Raik … auf dem Hof gab es immer viel zu tun, aber hier …“

„Du suchst Arbeit? Lass mich överleggen.“ Sein Blick schweifte in die Ferne. „Also, ich an deiner Stelle wüsste was, aber du bist ein Mädchen. Das ist schwere Arbeit.“

Svantje war gekränkt. „Ja, glaubst du denn, wir haben uns auf dem Hof einen faulen Lenz gemacht? Ohne Vater war die ganze Arbeit an Mutter und mir. Wir haben alles allein gemacht. Den Garten bestellt, geackert, im Frühjahr die Tiefställe ausgeräumt, sogar Entwässerungsgräben haben wir ausgehoben. Ich bin nicht schwach, Raik.“ Sie hatte sich aufgerichtet und sah ihn bestimmt an. Und an seinem Blick konnte sie ablesen, dass er sie auf einmal mit anderen Augen sah. Sosehr sie sich manchmal wünschte, zu leben wie die Tochter des Großbauern, die an den Sonntagen in den schönsten Kleidern und mit ihrer milchweißen Haut in die Kirche gekommen war – so war sie nicht.

„Was auch immer es ist, Raik, ich versuche es. Ich will Geld verdienen, damit es uns besser geht.“ Und damit ich irgendwann vielleicht doch wieder in die Schule gehen kann, fügte sie in Gedanken hinzu. „Was ist es?“

„Du könntest Wasser ausliefern.“

„Wasser ausliefern?“

„Viele Lüüd nehmen einfach das aus den Fleeten, aber es ist dreckig, du hast es sicher gerochen. Wer er sich leisten kann, kauft Wasser, das andere von den Brunnen holen. Auf genau solchen Karren, wie ihr zwei mitgebracht habt. Du bräuchtest nur noch ein Fass. Aber wie gesagt, es ist Schwerstarbeit.“

Svantje reckte das Kinn vor. „Na und?“

„Was, wenn jemand dir den Karren wegnimmt, wie willst du dich wehren?“

Sie musterte ihn, sein blaues Auge und die sehnigen Unterarme. Die Fäuste hatte er geballt, als male er sich soeben einen Kampf aus. „Und du kannst dich wehren?“, fragte sie frech.

„Klaar.“

„Dann machen wir es zusammen. Wir haben zwei Karren, dann brauchen wir nur noch zwei Fässer!“

Raik lachte laut, lachte sie aus. Im Nu war er auf den Beinen, balancierte über den First und verschwand mit einem gewagten Satz durch die Dachluke.

In Svantjes Innerem zitterte alles. Sie war verletzt und wütend. „Ich weiß, dass du meinen Beutel nicht gefunden, sondern geklaut hast, Raik. Ein Dieb bist du! Raik, de Deev! Das sag ich dem Vater!“

Doch Raik kam nicht zurück. Womöglich hatte er sie nicht einmal gehört. Und Svantje sagte es trotzdem nicht ihrem Vater. Als sie in die Wohnung zurückkam, war Mutter mit Piet zurück vom Hospital. Er lag schlaff in ihren Armen.

„Der Arzt sagt, nur Gott kann uns jetzt noch helfen.“



2


Richard Harkenfeld saß neben seinem Vater in der Kutsche und versuchte, seine schlechte Stimmung so gut wie möglich zu verbergen, was ihm aber nur schwerlich gelang.

Die Wochenenden, an denen er aus dem Internat hinauskam, waren selten, und auf dieses hatte er sich ganz besonders gefreut. Er wollte mit seinem besten Freund Friedrich zum Gutshof von dessen Eltern fahren und ein Wochenende lang frei sein. Reiten, fischen und unter den Kronen des alten Eichenwaldes diskutieren, bis ihnen die Köpfe rauchten.

Doch daraus wurde nichts. Vater, der große Hans Werner Harkenfeld, hatte beschlossen, seinen Stammhalter ins Familiengeschäft einzuführen. Was bedeutete, dass sie den ganzen Tag im Büro und auf der riesigen Schiffswerft zubringen würden. Richard, der sich mehr für Forstwirtschaft und Politik, für Philosophie und Literatur interessierte als für den Schiffsbau, versuchte, gute Miene zu machen. Sein Vater duldete ohnehin nichts anderes. Seine Pläne für den ältesten Sohn standen so fest, als wären sie in Stein gemeißelt. Richard würde erst das Internat abschließen, dann noch eine Kadettenschule besuchen, wo er den letzten Schliff bekommen sollte, und anschließend die Firma übernehmen. Natürlich sollte er auch noch eine Frau aus reichem, am besten adeligem Haus heiraten, was die Werft mit zusätzlichem Kapital ausstatten würde, und dann eigene Söhne zeugen. Mehr Harkenfelds, die ihre Frachtschiffe auf die Weltmeere hinausschickten.

Der einzig tröstliche Gedanke an diesem Tag war sein bester Freund Friedrich. Friedrichs Familie waren Reeder und Fernhändler. Während Richard eines Tages einen Posten in der Werft antrat, würde Friedrich frei sein. Eine Zeit lang würde er auf den väterlichen Schiffen reisen und die Welt sehen. Richard beneidete ihn schon jetzt um diese Chance.

Er starrte aus dem Fenster, wo die Fassaden der Stadtvillen vorbeistrichen. Sie fuhren den Harvestehuder Weg entlang, wo sich blendend weiße Prunkbauten mit Alleebäumen abwechselten. Teure Kutschen bewegten sich über die Straßen, auf den Gehwegen liefen einige Bedienstete, zu erkennen an ihrer einfachen Kleidung und der Körperhaltung, immer ein wenig gebeugt, immer etwas demütig, auch wenn sie niemand beachtete.

Im Hause Harkenfeld arbeiteten fünf Angestellte, allesamt darauf gedrillt, stehen zu bleiben und die Augen niederzuschlagen, sobald jemand aus der Industriellenfamilie vorbeikam. Selbst die Kinder waren von klein auf so behandelt worden, und heute erschien es Richard merkwürdig, dass es ihm nicht früher unangenehm geworden war. Doch erst durch die hitzigen Diskussionen mit Friedrich war ihm aufgefallen, welche Ungleichheit in seinem Zuhause herrschte. Seitdem behandelte er die Bediensteten mit mehr Freundlichkeit, während sie für den Rest seiner Familie nach wie vor kaum mehr waren als Gegenstände, die eine Funktion ausübten. Richard hatte versucht, mit dem Gärtner ein Gespräch anzufangen, etwas über den Mann zu erfahren, den er schon seit Kindertagen kannte. Doch der verstand den Sinn seines plötzlichen Interesses nicht, und Richard hatte das Gefühl, dass ihm der Mann seitdem auswich. Dem Gärtner schien viel daran zu liegen, dass die Trennung zwischen Angestellten und Obrigkeit gewahrt blieb.

„Worüber grübelst du, Sohn? Hast du Probleme im Internat?“

„Nein, Vater. Ich lerne sehr fleißig.“

„Das will ich dir auch geraten haben, denn so gehört es sich für einen echten Harkenfeld. Außerdem kostet es mich eine Stange Geld. Ich hoffe, es ist gut investiert.“

„Ja, das hoffe ich auch.“

„Nicht frech werden, Bürschchen.“ Richard wusste den drohenden Unterton in der Stimme seines Vaters sehr wohl zu deuten. Auch wenn er bereits siebzehn Jahre zählte, war er in Harkenfeld seniors Augen noch lange nicht aus dem Alter für eine Tracht Prügel herausgewachsen. Deshalb zog er es vor, zu schweigen und seinen Widerstand nur im Innern auszuleben. Seine drei Jahre jüngere Schwester Hilde hatte es gut, sie bekam höchstens mal eine Backpfeife oder einen Schlag auf die Finger.

Der Vater schenkte Richard von allen Kindern die größte Aufmerksamkeit, schließlich sollte sein Ältester nach ihm den Platz an der Spitze der Werft übernehmen. Der Urgroßvater hatte einst die Dynastie begründet. Seitdem waren die Werften immer größer geworden. Wo anfangs noch hölzerne Fischerboote gebaut worden waren, entstanden nun riesige, stahlverstärkte Frachter, die die Weltmeere durchkreuzten. Und Richards Lebensaufgabe bestand aus Sicht des Vaters einzig darin, die Familiengeschichte weiterzuführen und der Werft zu noch größerem Ruhm und Erfolg zu verhelfen. An Versagen war nicht zu denken.

Sie näherten sich dem Hafen. Die Kutsche kam nun langsamer voran. Draußen herrschte dichtes Gedränge. Schwere Pferde zogen Wagen, auf denen sich Ballen, Kisten oder Fässer stapelten. Andere brachten Bauholz und Brennmaterial für die ewig hungrigen Dampfmaschinen zu den Werften. In der Luft hing der Geruch von Ruß, Teer und dem fauligen Morast der Elbe. Die Kutsche passierte das Tor des Werksgeländes, auf dem der Name Harkenfeld prangte. Hier war Richards Vater König.

„Mach mir keine Schande“, hielt der ihn an, und Richard nickte schweigend. Besser, er hielt den Mund, bevor noch etwas Falsches herauskam. Doch in seinem Inneren brodelte es.

Der Kutscher öffnete die Tür und hielt sie ihnen auf. Harkenfeld stieg zuerst aus, dann folgte sein Sohn. Sie hatten auf einem kopfsteingepflasterten Platz gehalten, der zwischen den Verwaltungsgebäuden und der eigentlichen Werft lag. Rauch der nahen Dampfmaschinen färbte den Himmel bleiern. Möwen zogen schreiend ihre Kreise, die Federn rußbefleckt. Richard schob die Hände in die Taschen und lief hinter seinem Vater her, der ohne Umschweife auf die Werft zuhielt. Ein Vorarbeiter sah ihn kommen und rannte ihnen entgegen. Der Mann, sehnig, mit Halbglatze und üppigem Backenbart, schüttelte seinem Vorgesetzten die Hand, machte einen halben Bückling und begrüßte auch Richard mit Handschlag. Dann begann er einen eifrigen, wenn auch knappen Bericht über die verschiedenen Bauprojekte. An Richard flogen die Worte nur so vorbei. Halbherzig hörte er vom Einbau eines Dampfgetriebes, der Fertigung der hölzernen Schaufelräder, murrenden Arbeitern und vorgefertigten Stahlplatten, die mit dem falschen Krümmungsgrad hergestellt und an die Werft geliefert worden waren. Erst zu spät war der Irrtum bemerkt worden, und nun wollte der Stahlfabrikant die Ware nicht mehr zurücknehmen.

Mit widerwillig erwachendem Interesse musterte Richard die Holzkonstruktionen, die sich an den Gerippen der unfertigen Schiffskörper erhoben. Dutzende, womöglich Hunderte Männer arbeiteten auf ihnen. Nebeneinander lagen Schiffe in verschiedenen Baustadien und Größen. Die Werftanlage war noch weiter gewachsen, seitdem er vor einem Jahr zum letzten Mal hier gewesen war.

Sein Vater hatte offenbar mehr mobile Dampfmaschinen angeschafft, die Lastenaufzüge, riesige Sägen und andere Geräte antrieben.

Sie kletterten auf eine Empore, von der aus sie das größte im Bau befindliche Schiff überblicken konnten. Arbeiter brachten die beiden seitlich gelegenen, riesigen Schaufelräder an, die von einzelnen Maschinen angetrieben werden sollten und das Schiff so manövrierfähiger machen würden als die der Konkurrenten. Dafür waren die Schaufelraddampfer von Harkenfeld bekannt. Dutzende Arbeiter liefen umher und hielten Seile, die am Rad festgemacht waren. Mit einem hohen Kran wurde das tonnenschwere Rad abgelassen. Schreie wurden laut. Die Arbeiter zerrten an den Seilen, als wollten sie einen Riesen bändigen.

Richard war so fasziniert von dem Schauspiel, dass er nach vorne trat und die Brüstung umklammerte. Vergessen war für einen Moment auch der Groll, den er gegen seinen Vater hegte.

„Geh ruhig hinunter, und sieh es dir aus der Nähe an, Richard“, sagte der in diesem Moment. Klang da Hoffnung in der Stimme mit, dass sein Sprössling doch noch ein aufrichtiges Interesse am Familiengeschäft entwickeln würde?

Der Vorarbeiter stieß einen Pfiff aus. „He, Jakob, zeig dem jungen Herrn Harkenfeld alles, was er sehen will.“

Während Richard noch die Holztreppe hinunterstieg, kam ein sehniger Mann in ölverschmierter Kleidung auf ihn zugerannt und machte einen tiefen Bückling.

Zwei Dinge fielen Richard sofort an seinem dunkelhaarigen Gegenüber auf, das, wenn überhaupt, nur wenige Jahre älter war als er selbst: die lebhaften blauen Augen und die abgetragenen Arbeitsstiefel, die so löcherig waren, dass die groben Wollsocken darunter zu erkennen waren. Um Jakobs restliche Kleidung war es nicht besser bestellt. War die Bezahlung bei Harkenfeld wirklich so schlecht, dass selbst qualifizierte Arbeiter sich nichts Besseres leisten konnten?

Das war beschämend. Jakob Roosen entging der musternde Blick offenbar nicht, denn er wandte sich verlegen ab. Richard hielt ihm die Hand hin und stellte sich vor.

Überrascht, von dem Höherstehenden derart begrüßt zu werden, schüttelte der junge Mann Richard die Hand und verneigte sich wieder. „Jakob Roosen, Herr Harkenfeld, zu Diensten. Was darf ich Ihnen zeigen?“

„Fangen wir mit dem Schaufelrad an. Ich würde gerne aus der Nähe sehen, wie es eingesetzt wird.“

„Natürlich, da müssen wir uns allerdings beeilen.“

Das Rad schwebte mittlerweile schon relativ dicht über dem Boden. Ein Vorarbeiter kommandierte die vier Männergruppen, die je ein Seilende hielten, mit Handzeichen und erinnerte Richard darin an den Dirigenten eines Orchesters. Den Rhythmus gab das Stampfen der Dampfmaschinen vor.

Eine große stählerne Nabe ragte aus dem Schiff, und langsam, ganz langsam näherte sich das Rad seinem Bestimmungsort. Die Arbeiter spannten die Muskeln, zogen und zerrten an den Seilen. Es war spannender als ein Pferderennen, und Richard ballte die Fäuste und vergaß vor Aufregung beinahe das Atmen. Selbst den einsetzenden Nieselregen bemerkte er kaum, während er fasziniert beobachtete, wie das Rad festgezurrt wurde. Als Nächstes wurden drei massive Eichenbalken am Kran befestigt und schwebten Minuten später über Richard durch die Luft.

Roosen zog ihn am Arm. „Entschuldigung, Herr Harkenfeld, aber man sollte niemals unter der Last stehen.“

Richard trat schweigend zurück und verfolgte den Weg der Balken zu dem im Entstehen begriffenen Gerippe eines weiteren Schiffs. Noch sah es aus wie die Knochen eines Urzeitwesens. Die Balken, das sah er nun, waren Teile des zukünftigen Bugs.

Der Nieselregen wurde stärker und setzte sich als glänzender Film auf Dinge und Menschen. Ein merkwürdiges Rattern erklang. Richard zuckte zusammen und sah gerade noch, wie die Seilwinden seltsame Sprünge vollführten, als sich die Schwankungen auch schon auf die Ladung übertrugen.

Die Arbeiter am Schiffsgerippe hetzten plötzlich los, um die Seilenden zu fassen, mit denen die Ladung gelenkt werden konnte. Roosen schrie: „Weg, weg mit euch!“

Fast alle kamen seiner Warnung nach, nur ein junger Mann klammerte sich verbissen ans Halteseil. Dann geschah es. Die Ladung neigte sich gefährlich. Ein Balken löste sich und kippte ab, doch noch hielt er. Noch. Richard rannte, obwohl er nicht wusste, was er tun sollte. Jakob Roosen lief neben ihm und fuchtelte gestikulierend mit den Armen. Dann schien die Zeit plötzlich stillzustehen. Ein schneidendes Geräusch wie ein Peitschenknall. Das Seil riss, die Balken drehten sich im Fall, und einer von ihnen begrub den jungen Mann unter sich.

Stille.

Bewegungslosigkeit.

Dann Schreie. Männer riefen um Hilfe, andere schrien ihren Schrecken heraus, und der Getroffene brüllte wie ein sterbendes Tier.

Augenblicke später war Richard bei ihm. Gemeinsam mit Jakob Roosen drängte er an den anderen vorbei und fiel neben dem Verwundeten auf die Knie. Der Anblick schnürte ihm die Kehle zu. Einer der Balken lag quer über der Hüfte des Mannes und hatte den Körper tief in den Morast der Werft gedrückt.

„Ruft einen Arzt!“, schrie Richard, doch niemand schien auf ihn zu hören. Die anderen Arbeiter standen einfach nur da, manche zogen ihren Hut, einer betete. „Ruft doch einen Arzt, verdammt!“

„Kein Arzt der Welt kann dem mehr helfen.“

Jakob Roosen liefen Tränen übers Gesicht. Vorsichtig strich er dem Verwundeten über die Wangen, und Richard befiel eine schreckliche Ahnung. Der Verwundete war mehr als nur ein Kollege, vermutlich ein Freund, ein Verwandter …

„Aaron, Aaron, hörst du mich?“, flüsterte Roosen.

Der Verwundete bewegte die Lippen. Er hatte aufgehört zu schreien, aufgehört zu krampfen. Nun war er sogar zu schwach für Worte. Noch immer stand ihm der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Das Unglück hatte ihn so schnell ereilt, dass sein Verstand es noch nicht erfasst zu haben schien. Zitternd hob er die Hand, Jakob nahm sie in seine. „Ja, Brüderchen?“

„Judith … ich …“, stotterte der Verunglückte und holte rasselnd Atem.

„Die Familie wird sich um deine Frau und dein Kind kümmern, sei unbesorgt. Hab keine Angst, hab keine …“ Roosen hielt inne, als sich sein Bruder plötzlich aufbäumte und seine Hände in den matschigen Untergrund krallte, aus dem der Geruch von Blut und Elbschlamm stieg. Dann sank der Verletzte zurück und sein Körper erschlaffte. Es war vorbei. Richard legte Jakob Roosen die Hand auf die Schulter. „Er ist jetzt bei Gott“, sagte er leise, auch wenn er nicht ganz glauben wollte, dass es so war.

Der Nieselregen wurde stärker. Dicke Tropfen fielen wie kleine Bleigewichte vom Himmel, schnurgerade und so schwer, dass sie die Menschen niederzudrücken zu schienen. Richard fasste schweigend mit an, als die Arbeiter sich anschickten, den Balken von dem Toten zu heben.

Jakob Roosen umarmte seinen toten Bruder, strich Schlamm aus seinem Haar und betete leise auf Hebräisch.

Sie brauchten Seile und Pfähle, die sie als Hebel benutzen konnten. Ein Dutzend Männer war nötig, um den mörderischen Balken zu heben. Niemand wollte mehr auf den Hebekran vertrauen, als schien das Gerät verflucht. Richard stemmte sich Schulter an Schulter gegen das Eichenholz, rutschte immer wieder im Elbschlamm aus. Matsch spritzte ihm bis an die Brust und ins Gesicht. Völlig erhitzt wuchtete er sich den Balken auf die Schulter und half den Männern, ihn beiseitezuschaffen. Der Schweiß rann ihm von der Stirn, und seine Beinmuskeln zitterten.

Jemand klopfte ihm anerkennend auf den Rücken. Doch als er sich umdrehte, erkannte ihn der vollbärtige Arbeiter und trat mit geneigtem Kopf zurück. „Oh, Herr Harkenfeld, ich wollte nicht, verzeihen Sie …“

„Schon gut.“ Richard verzog den Mund zu einer lächelnden Grimasse, dann stapften sie gemeinsam zu dem Toten zurück. Erst jetzt war das ganze Ausmaß des Unglücks zu erkennen. Der Balken hatte dem Mann Becken und Unterleib zerschmettert, der Körper war aufgerissen.

Blut, überall Blut. Richard zog hastig seine Jacke aus und bedeckte die zertrümmerte Körpermitte. Dann wandte er sich ab. Ihm war übel. Sein Magen krampfte. Er biss die Zähne zusammen. Der inzwischen heftige Regen prasselte auf seinen Nacken, kühl und lindernd. Der Drang, sich zu übergeben, ließ nach.

Erst jetzt hörte Richard die Rufe seines Vaters. Er klang ungehalten. Die Arbeiter hörten ihn ebenfalls. Vielen wurde erst jetzt klar, dass Richard keiner von ihnen war. Seine Kleidung war so verdreckt, dass er sich äußerlich kaum noch von den anderen unterschieden hatte.

Nun musterten die Männer ihn kurz, manche abfällig, andere erstaunt. Leise flüsternd kehrten sie dem Unglücksort den Rücken zu und nahmen ihre eigentliche Arbeit wieder auf.

Harkenfeld senior stapfte neben seinem Vorarbeiter durch den Morast, den Kopf rot vom Schreien. Durch den prasselnden Regen hatte Richard ihn nicht gehört, nun lief er seinem Vater entgegen, noch zu erschüttert, um etwas zu sagen.

„Bist du taub?“, brüllte Harkenfeld.

„Nein, Vater, der Regen, das Unglück“, stammelte er. „Der arme Mann.“

Sein Vater packte ihn grob am Arm und zog ihn mit sich. Hilflos sah sich Richard zu Jakob Roosen um, der seinen toten Bruder beklagte. Nur ein Mann stand noch bei ihm, den Hut in den Händen, den Kopf wie zum Gebet geneigt. Der Starkregen wusch sämtliche Farben aus der Szenerie. Wie in Trance stolperte Richard hinter dem Vater her, am Verwaltungsgebäude vorbei, über den Hof und zurück zur Kutsche. Harkenfeld senior schob ihn hinein und stieg dann selbst ein. Der Kutscher schloss die Tür, und schon setzte sich das Gefährt in Bewegung. Räder rollten über Kies und durch Pfützen. Richard lehnte den Kopf an die Scheibe. Er zitterte, schlang die Arme um den Oberkörper, an dem das nasse Hemd klebte wie eine zweite Haut. Draußen fuhr ein Leiterwagen vorbei, gezogen von schweren Kaltblutpferden, und brachte die nächste Ladung Holzbalken.

„Hörst du mir überhaupt zu?“, drang mit einem Mal die Stimme seines Vaters zu ihm durch. Richard lehnte sich im Polster zurück, um ihn anzusehen.

„Entschuldigung, was haben Sie gesagt, Vater?“

„Dass es dich leicht ebenfalls das Leben hätte kosten können. Als ich dir sagte, du könntest dir die Werft ansehen, meinte ich nicht, dass du dich in Gefahr bringen solltest.“ Überrascht nahm Richard die Sorge in der Stimme seines Vaters wahr. So kannte er ihn gar nicht. Gefühle zeigte sein Erzeuger – einmal abgesehen von Zorn und Enttäuschung – selten.

„Ich wollte nur das Schaufelrad und den Kran näher betrachten, und dann ist es auch schon passiert.“ Richard rieb sich über das Gesicht und streifte die regennassen Haare zurück. Sobald er die Augen schloss, suchten ihn die Erinnerungen an den blutüberströmten Körper des Arbeiters heim. „Wie oft gibt es solche Unfälle?“

Harkenfeld zuckte mit den Schultern. „Ein paarmal im Jahr.“

„Das heißt, auf der Werft sterben jedes Jahr Menschen?“

„Natürlich. Es ist kein ungefährlicher Arbeitsplatz. Meistens erwischt es die Hilfsarbeiter oder diejenigen, die Wagemut mit Dummheit verwechseln. Jeder, der in einer Werft anfängt, weiß, dass es eine gefährliche Arbeit ist. Wem das nicht gefällt, der muss eben Schuhputzer werden.“

Fassungslos musterte Richard seinen Vater. War er wirklich derart kalt? Erwartete er von seinem Sohn, irgendwann genauso zu werden? Richard war so sehr darauf gedrillt, seinem Vater keine Angriffsfläche zu bieten, dass er zunächst nur nickte, auch wenn alles in ihm danach schrie, lautstark zu protestieren. Er würde nicht den Streit mit seinem Vater suchen, das wagte er nicht. Aber er ertrug es auch nicht, wie sonst einfach nur stumm und gefügig dazusitzen. „Was geschieht nun?“

„Besser ist es, wir fahren nach Hause. Mit den Investoren treffen wir uns ein anderes Mal, Tote sind nicht gut fürs Geschäft. Wir wollen doch nicht ins Gerede kommen.“ Harkenfeld senior lächelte, doch es war ein kaltes Lächeln.

„Nein, Vater, natürlich nicht. Aber verunglücken auf den anderen Werften nicht auch Arbeiter?“

„Natürlich, das gibt es überall. Nur spricht man nicht darüber.“

„Aber …“

Harkenfeld senior zog fragend die Braue hoch. Eine deutliche Warnung.

„Aaron Roosen war verheiratet und wäre bald Vater geworden. Nun hat seine Familie kein Einkommen mehr. Er ist für unser Geschäft gestorben, für den Profit von Harkenfeld. Es ist unsere Verantwortung …“

„Unsinn!“, donnerte Harkenfeld. „Es ist nicht die Schuld der Firma, sondern seine Dummheit gewesen. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören.“

Jedes andere Mal hätte Richard den Mund gehalten, aber nicht heute. Nicht nach dem, was er gesehen hatte. „Können wir nicht etwas für seine Familie tun? Oder für die Männer, die verunglücken?“

„Und wovon soll ich das bezahlen?“ Harkenfeld senior lachte trocken auf. „Wenn du dich nur ein wenig mehr für die Werft interessieren würdest, mein Sohn, dann wüsstest du, dass es ein hartes Geschäft ist. Wir müssen knapp kalkulieren, wenn wir mit den anderen mithalten wollen. Sehr knapp. Wenn ich Almosen an die Leute verteile, ist wenigen damit gedient. Was sollen ihre Kameraden sagen, wenn ich sie Wochen später entlassen muss, weil wir nicht genug Aufträge haben? So ist das Geschäft. Es hat seine dunklen Seiten – so wie alles auf der Welt.“

Richard dachte an die Villa, in der sie wohnten, an das Landhaus von Friedrichs Eltern und den Prunk und Protz befreundeter Familien. Es war nicht richtig, und doch fühlte er sich in diesem Augenblick ohnmächtig. Was konnte er allein schon ausrichten, um etwas an der Situation zu ändern?

Rebecca Maly

Über Rebecca Maly

Biografie

Rebecca Maly, geboren 1978, arbeitete als Archäologin, sowie in Köln und Los Angeles beim Film, bevor sie sich ganz der Schriftstellerei widmete. Gespräche mit indianischen Freunden und ausgedehnte Reisen im Westen der USA inspirierten sie zu diesem Roman. Unter ihrem realen Namen Rebekka Pax...

Kommentare zum Buch
Ein richtig tolles Buch
lese_sessel am 08.04.2022

1885 - Svantje, ein junges Mädchen mit großen Träumen. Durch ein Hochwasser von einem Bauernhof ins Gängeviertel von Hamburg katapultiert muss sie lernen, mit dem Elend und Leid der dortigen Bewohner zu leben. Der kleine Bruder springt dem Tod gerade noch einmal von der Schippe und nun steht ihr Traumberuf fest – sie möchte Krankenschwester werden. 1890 - 5 Jahre und viele Wasserkarren später hat sie endlich ihr Ziel erreicht – sie ist offiziell Krankenschwester und freut sich darauf, ihrem Beruf endlich nachgehen zu können. Doch nicht alles läuft wie geplant und so muss sie, gegen ihren eigentlichen Willen, ihrer schwangeren Mutter auf deren Arbeitsstelle als Dienstmädchen bei der Reederfamilie Harkenfeld zur Hand gehen. Schnell lernt Svantje dort den Sohn und die Tochter der Familie kennen und freundet sich trotz der Standesunterschiede mit ihnen an. Friedrich Falkenberg, ein Freund des Sohnes, kreuzt immer wieder ihren Weg und Svantje verliebt sich in ihn. Aller Widrigkeiten zum Trotz entsteht aus dieser Verliebtheit eine Verbindung. Doch das Glück währt nur kurz. Als eine Choleraepedemie ausbricht, ist niemand vor ihr sicher. Weder die Menschen im Gängeviertel noch die reichen Reedereibesitzer. So steckt sich auch Friedrich mit Cholera an und plötzlich müssen alle an einem Strang ziehen. Raik, der in der sozialistischen Arbeiterbewegung seine Erfüllung findet, Hilde Harkenfeld, die gegen ihren Willen mit einem Kollegen ihres Vaters verheiratet wird und daraufhin in die Frauenbewegung eintritt. Svantje, die alles gibt, um zu helfen.   Rebecca Maly hat einen ersten fesselnden Teil geschaffen, der eindrücklich zeigt, wie es zu dieser Zeit gewesen sein muss.

Zwischen Hammer und Amboss
Viktoria am 03.08.2020

'Die Krankenschwester von St. Pauli - Tage des Schicksals' ist ein historischer Roman der Autorin Rebecca Maly. Der Roman bildet den ersten Band der Saga um die Krankenschwester Svantje Claasen mit den Titel 'Die Krankenschwester von St. Pauli'. Ich finde das Cover gut und passend zum Inhalt und der Zeit gewählt. Mir gefällt es sehr und ich habe es während des Lesens immer wieder gerne betrachtet. Die Geschichte umfasst einundzwanzig Kapiteln sowie eine Epilog mit Ausblick auf den nächsten Band. Den Einstieg ins Jahr 1885 fand ich gelungen. Auch der Sprung ins Jahr 1890 ist stimmig gestaltet, vor allem mit den kurzen Erinnerungen zwischendrin an die fünf Jahre dazwischen. Man darf Svantje zwei Jahre begleiten - und ich muss sagen diese sind sehr spannend! Ich freue mich bereits sie wiederzusehen und werde die weiteren Bände bestimmt verfolgen! Fazit: Mit so manchen Wörtern (ich weiß nicht ob diese Hamburgisch waren?) hatte ich mir etwas schwer getan und es irgendwann aufgegeben jedes nachzuschlagen - vorallem da ich einige davon überhaupt nicht finden konnte, bei Seivel z.B. hat sogar das Internet aufgegeben und mir nichts sinnvolles ausgespuckt... Es hat, muss ich leider gestehen, doch meine Lesefreude getrübt aber ich fand es hatte auch etwas Charme und verlieh dem ganzen mehr Glaubwürdigkeit. Ich habe lange geschwankt wohin ich mehr tendiere und alles zusammengenommen fand ich es dennoch störend und ziehe deshalb einen Stern ab.

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