

Keep my Heart Safe (Island Summer 2) Keep my Heart Safe (Island Summer 2) - eBook-Ausgabe
Roman
— Mit limitiertem Farbschnitt und Page Overlay | New Adult mit Setting Hawai'i von SPIEGEL-Bestseller-AutorinKeep my Heart Safe (Island Summer 2) — Inhalt
Two hearts, one cause
Yu studiert ihr Traumfach Meeresbiologie in Hawai’i und kann es kaum erwarten, ihre Ideen zur Rettung der Weltmeere umzusetzen. Über die Semesterferien nimmt sie an einem Rechercheprojekt teil, bei dem nach Lösungen für das Korallensterben gesucht wird. Geleitet wird es von Dr. Kit Lewis, einem neuen Dozenten an der Uni. Schon seit Monaten freut sich Yu darauf, ihn kennenzulernen, da sie ein großer Fan seiner Arbeit ist. Doch ihre erste Begegnung ist eine Vollkatastrophe. Die beiden können sich nicht ausstehen, bis sie bemerken, dass sie vielleicht doch mehr verbindet, als sie dachten ...
Mit ihrer Island-Summer-Reihe entführt dich die SPIEGEL-Bestsellerautorin Carina Schnell nach Hawai'i. Freu dich auf Hängematten am Strand, bunte Surfbretter und das Rauschen der Wellen. Perfekte Lektüre zum Wegschmökern!
⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓
Diese Tropes erwarten dich in „Keep my Heart Safe“:
He falls first, Enemies to Lovers, Forbidden Love
⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓
„Was, wenn das Paradies vor unseren Augen zerstört wird?“
Dieser Satz lässt Carina Schnell seit ihrer Reise nach Hawai‘i nicht mehr los. Sie hat sich dort in die wunderschöne Landschaft und die Mentalität der Einheimischen verliebt, aber auch die Auswirkungen des Massentourismus erlebt. Auch in ihrer neuen New-Adult-Reihe wird Carina auf dieses Thema eingehen, in der Hoffnung, dass uns das Paradies noch lange erhalten bleibt, wenn wir alle etwas zu dessen Schutz beitragen.
Leseprobe zu „Keep my Heart Safe (Island Summer 2)“
Kapitel 1
Kit
Vor dem strahlend blauen Himmel wiegen sich Palmwedel im Wind. Einen Moment lang blicke ich durch die Glastür des Flughafengebäudes zu ihnen auf, während ich versuche, mich innerlich für den nächsten Schritt zu wappnen. Noch trennt mich die Scheibe von der neuen Welt, die draußen auf mich wartet. Noch höre ich nur das Summen Dutzender Gespräche und eine Durchsage, die knisternd durch die Lautsprecher dringt. „Willkommen im Paradies.“ Doch ich kann mir das leise Rascheln der Palmen bereits vorstellen. Den Wind auf meiner Haut fühlen. Das [...]
Kapitel 1
Kit
Vor dem strahlend blauen Himmel wiegen sich Palmwedel im Wind. Einen Moment lang blicke ich durch die Glastür des Flughafengebäudes zu ihnen auf, während ich versuche, mich innerlich für den nächsten Schritt zu wappnen. Noch trennt mich die Scheibe von der neuen Welt, die draußen auf mich wartet. Noch höre ich nur das Summen Dutzender Gespräche und eine Durchsage, die knisternd durch die Lautsprecher dringt. „Willkommen im Paradies.“ Doch ich kann mir das leise Rascheln der Palmen bereits vorstellen. Den Wind auf meiner Haut fühlen. Das Salz in der Luft schmecken. Bisher hat es mich noch nie an einen Ort wie Hawaiʻi verschlagen, aber Küstenleben ist Küstenleben, schätze ich.
Hinter mir räuspert sich jemand, und mir fällt auf, dass ich im Weg stehe. Also atme ich ein letztes Mal tief durch, schultere meine schwarze Reisetasche und stoße endlich die Tür auf, um mein neues Leben zu beginnen.
Feuchte Hitze trifft mich wie ein Hammerschlag, und mir entweicht ein verblüfftes Keuchen. Orientierungslos bewege ich mich weiter vorwärts, während sich Schweißperlen auf meiner Stirn bilden. Nur wenige Schritte später klebt mir mein schwarzes T-Shirt bereits am Rücken. Es ist, als würde ich durch zähflüssige Lava waten. Von wegen Paradies – im Moment fühlt sich das hier eher wie der Vorhof zur Hölle an.
Vor dem Terminal wartet eine ganze Taxi-Armee, und ich flüchte mich eilig in den nächstbesten Wagen. Als mich kühle Luft begrüßt, seufze ich erleichtert auf. Der Fahrer starrt mich durch den Rückspiegel an, und ich erkenne, dass mein sonst eher blasses Gesicht krebsrot ist.
„Hi“, krächze ich, weil meine Kehle plötzlich wie ausgedörrt ist. »Ich möchte nach Kāneʻohe. Um genau zu sein, nach … einen Moment bitte.« Mit meinen schweißfeuchten Fingern gelingt es mir kaum, mein Handy aus der hinteren Hosentasche zu ziehen und die Adresse meiner vorübergehenden Bleibe aufzurufen. Dabei fallen mir Strähnen in die Stirn, die ich mit der freien Hand fortstreiche. Selbst meine Haare kommen nicht mit diesem Klima klar.
Ich nenne dem Fahrer die Adresse, und er nickt, was mich wenigstens ein bisschen beruhigt. Seufzend lasse ich mich zurücksinken und schnalle mich an, während er den Blinker setzt und aus der Parkbucht ausschert.
Als ich mir mit dem Unterarm Schweiß von der Stirn wische, treffen sich unsere Blicke erneut im Rückspiegel. »Sind Sie zum ersten Mal auf Oʻahu?«, fragt mich der Fahrer mit belustigtem Tonfall.
„Ja.“
„Machen Sie hier Urlaub?“
„Nein, ich ziehe für einen Job hierher.“
Seine buschigen Brauen heben sich. „Dafür haben Sie sehr wenig Gepäck dabei.“
„Jap.“ Ich tätschle das schwarze Fake-Leder meines Weekenders. „Brauche nicht viel.“
„Was machen Sie denn beruflich, wenn ich fragen darf?“
Wir verlassen das schattige Flughafengelände und fahren in den gleißenden Sonnenschein. Kurz schaue ich aus dem Fenster, wo ich bisher nicht viel mehr als Beton sehe, und frage mich, ob ich dem Mann die kurze oder die lange Version geben soll. Doch wem mache ich schon etwas vor? Wenn es um meine Arbeit geht, konnte ich mich noch nie zurückhalten. Von Google Maps weiß ich, dass wir eine etwa zwanzigminütige Fahrt vor uns haben, was ausreichen sollte, um ihm ein grobes Verständnis meiner Arbeit zu vermitteln.
„Ich bin Meeresbiologe“, erkläre ich. »Erforsche Korallen, insbesondere das Korallensterben. Die University of Hawaiʻi hat mir einen Lehrstuhl angeboten, und über den Sommer leite ich ein Forschungsprojekt auf Coconut Island.«
»Ah, Sie meinen Moku o Loʻe.«
„Ja, richtig.“ Hitze steigt mir in die Wangen, da ich bisher nicht herausgefunden habe, wie man den Originalnamen der Insel ausspricht, auf der ich die nächsten acht Wochen verbringen werde. Jetzt weiß ich es.
„Und was tun Sie da genau?“
„Grob zusammengefasst züchten wir Korallen, die besonders anpassungs- oder widerstandsfähig sind, was Veränderungen in ihrer Umwelt angeht, und pflanzen sie in abgestorbene Riffe, um diese neu zu beleben. Dabei werten wir unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte aus, wie erfolgreich diese Methode ist, um in Zukunft möglichst viele verloren geglaubte Riffe wiederherzustellen.“
Im Rückspiegel erkenne ich, dass er die goldbraune Stirn runzelt, während er auf den Highway fährt und sich in den zähen Verkehr einfädelt. „Wie soll das gehen? Was tot ist, ist tot, oder nicht?“
„Was Korallen betrifft, stimmt das nicht. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Riffe durchaus in der Lage sind, sich zu regenerieren, vorausgesetzt, wir Menschen lassen sie lange genug in Ruhe. Tatsächlich war es ein positiver Nebeneffekt der Pandemie, dass sich einige sonst stark vom Massentourismus belastete Riffe während dieser Zeit erholen konnten.“
„So ist das also.“ Der Fahrer kratzt sich an der kahlen Stelle an seinem Hinterkopf. „Dann besteht noch Hoffnung für die Ozeane?“
Er scheint zu wissen, dass das Korallensterben katastrophale Auswirkungen auf den allgemeinen Zustand der Weltmeere hat, was ihn mir sympathisch macht.
Ich beuge mich ein wenig zu ihm vor. „Ich werde Sie nicht anlügen: Fünfzig Prozent der Korallenriffe sind weltweit bereits abgestorben. Wenn wir diese Entwicklung nicht aufhalten, verlieren wir innerhalb der nächsten dreißig Jahre fünfundsiebzig bis hundert Prozent aller Riffe. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich kann Ihnen versichern, dass eine Menge Leute mit Hochdruck an Lösungen arbeiten.“
Er schnaubt. „Um etwas zu reparieren, das wir Menschen gar nicht erst hätten kaputt machen dürfen.“ Wir verlassen den Highway, und meine Aufmerksamkeit wird von den vielen bunten Häusern vor dem Fenster abgelenkt. Es geht stetig bergauf.
„Da haben Sie recht“, antworte ich, ohne den Blick von der vorbeiziehenden Landschaft zu lassen. „Vieles können wir nicht mehr rückgängig machen, sondern nur versuchen, Schlimmeres abzuwenden. Aber was die Korallen angeht, bietet sich uns die Chance, den angerichteten Schaden zumindest teilweise wiedergutzumachen.“
Er schweigt einen Moment und murmelt dann etwas von wegen „Klingt zu gut, um wahr zu sein“. Als ich mich ihm wieder zuwende, wirkt er ein wenig misstrauisch. »Was wollen Sie eigentlich mitten in Kāneʻohe? Sie meinten doch, Sie würden auf Moku o Loʻe wohnen und arbeiten. Die Adresse, die Sie mir genannt haben, befindet sich in einem Wohngebiet. Meine Schwägerin wohnt in der Straße.«
»Das ist das Haus eines Kollegen. Ich übernachte bei ihm, bevor ich morgen für die Dauer des Forschungsprojekts nach Moku o Loʻe ziehe.« Beim Sprechen stolpere ich über die Laute, an die mein Mund nicht gewöhnt ist.
Der Fahrer lächelt jedoch und korrigiert mich nicht. „Schönes Fleckchen Erde“, sagt er. „Es wird Ihnen dort gefallen.“
Ich erwidere sein Lächeln und blicke dann wieder aus dem Fenster. Draußen hat sich die Landschaft drastisch verändert. Die Straße ist nur noch zweispurig und wird zu beiden Seiten von Bäumen flankiert. Dahinter ragen zu meiner Linken saftig grüne Steilhänge auf. Dank meiner Reisevorbereitungen weiß ich, dass wir das Hochland in der Mitte der Insel überqueren müssen, um an die gegenüberliegende Küste von Oʻahu, die windward side, zu gelangen. Trotzdem verschlägt es mir beim Anblick der majestätischen Berge den Atem.
Als es wieder bergab geht, wird die Straße schnell einspurig, und wir fahren an weiteren holzvertäfelten Häusern mit blühenden Vorgärten, einer Tankstelle und einigen Geschäften vorbei. Schließlich werden wir von einem Schild in dem kleinen Städtchen Kāneʻohe begrüßt. Während wir die breite Hauptstraße entlangfahren, habe ich erneut einen atemberaubenden Ausblick auf die üppig bewachsenen Steilhänge, und ich beginne zu verstehen, dass sie auf Oʻahu wohl nie fern sind. Bisher kann ich das Meer nicht sehen, doch die Gewissheit, dass es sich ganz in der Nähe befindet, lässt mein Herz schneller schlagen. Ich muss dem Drang widerstehen, die Fensterscheibe herunterzulassen, um das Salz in der Luft zu schmecken.
Kurz darauf biegt der Fahrer in eine Straße ein und bleibt vor einem weißen Haus stehen, das von hohen Büschen gesäumt wird. „Wir sind da.“
Als er mir den Preis nennt, ist es auch schon wieder vorbei mit meiner neu gefundenen Euphorie. Während ich den Schock verdaue, krame ich in meiner Hosentasche nach den Scheinen und reiche sie ihm, inklusive Trinkgeld. Sich auf Oʻahu fortzubewegen wird definitiv nicht billig. Zum Glück habe ich mich vor meinem Umzug darauf vorbereitet, dass das Leben hier viel teurer ist als in Boston, und ein bisschen was zur Seite gelegt.
Ich schnappe mir meine Tasche vom Sitz und beuge mich vor, um dem Fahrer meine Hand hinzuhalten. „Danke für das nette Gespräch.“
Er dreht sich zu mir um, ergreift meine Hand und schüttelt sie. „Viel Erfolg mit Ihrem Projekt. Ich hoffe, damit können Sie etwas bewirken.“
„Danke. Sie können uns jederzeit auf der Insel besuchen und sich ein Bild von unserem Fortschritt machen.“
Vor Überraschung schießen seine Brauen in die Höhe. „Klingt gut.“
„Dann vielleicht bis bald.“
Nachdem ich ausgestiegen bin und die Autotür hinter mir zugeworfen habe, stelle ich meine Tasche auf den Gehsteig und schirme die Augen mit der Hand ab. Die Sonne brennt erbarmungslos auf mich nieder, und ich beginne sofort wieder zu schwitzen. Ich wünschte, ich hätte an eine Sonnenbrille gedacht. Blinzelnd sehe ich mich um und entdecke Makoa, der über den gepflegten Rasen vor dem Haus auf mich zukommt. Obwohl wir uns bisher nur über Videoanrufe gesehen haben, erkenne ich meinen geschätzten Kollegen sofort. Beruflich hatten wir schon mehrfach Kontakt, und ich freue mich darauf, nun vor Ort mit ihm zusammenarbeiten zu können.
„Kit! Aloha.“ Wir schütteln uns die Hand, und er klopft mir freudestrahlend auf die Schulter. „Wie war die Anreise?“
„Hervorragend.“ Ich drehe mich zu dem Fahrer um und winke. Er hupt einmal zum Abschied, bevor er davonfährt. »Ich wurde sehr nett auf Oʻahu empfangen.«
„Freut mich zu hören. Kann ich dir irgendwas abnehmen?“ Makoa reckt sich, um über meine Schulter zu spähen, als erwarte er, noch mehr Gepäck am Straßenrand vorzufinden.
„Nein, das passt. Ich habe nur die eine Tasche.“ Als er verblüfft blinzelt, füge ich schnell hinzu: »Ein paar größere Sachen wie Möbel lasse ich mir mit einem Container hinterherschicken. In den ersten Wochen brauche ich auf Moku o Loʻe ja nicht viel.«
Das scheint Makoa als Stichwort zu nehmen. „Mein Angebot steht“, erinnert er mich mit leicht besorgtem Tonfall. „Es ist noch nicht zu spät, dich umzuentscheiden und stattdessen bei mir und James zu wohnen. Und falls es dir unter den ganzen Studierenden mal zu viel wird, kannst du auch immer gern kurzfristig zu uns fliehen.“
„Danke, Mann. Aber ich bevorzuge es, mich voll und ganz auf das Projekt einzulassen. Totale Immersion und so.“
„Das sagst du jetzt. Ich frage dich nach der ersten Woche noch mal.“
„Meinst du wirklich, dass ich einen Inselkoller bekommen werde?“
„Das nicht, aber wenn die Studierenden jede Nacht durchfeiern und du keinen Schlaf bekommst, wirst du mir noch dankbar für mein Angebot sein.“
Ich lache. „Sollte ich mich in einen übermüdeten Zombie verwandeln, komme ich gerne darauf zurück.“
Makoa wirkt nicht überzeugt, zuckt aber mit den Schultern. „Jedenfalls habe ich dafür gesorgt, dass du die beste Bleibe auf der Insel bekommst.“
„Weit weg von den Studierenden, was?“
„So weit wie möglich, ja, aber es ist nun mal ein recht kleines Eiland. Und jetzt komm erst mal rein.“ Er deutet auf sein Haus. „Wir sollten dich schnellstens in den Schatten bringen. Dein Nacken ist schon ganz rot.“
„Großartig“, grummle ich, schultere meine Reisetasche und folge ihm ums Haus herum. Dahinter tut sich ein üppig bewachsener Garten auf.
„Hast du Hunger? James kocht sein berühmtes Lau Lau, das ist ein traditionelles hawaiianisches Gericht mit Schweinefleisch und Fisch. Es müsste in einer halben Stunde fertig sein.“
„Klingt gut.“ Er hat mir bereits verraten, dass sein Partner leidenschaftlich gerne kocht.
Wir kommen an einem Pool vorbei, und ich muss dem Drang widerstehen, mir mein durchgeschwitztes T-Shirt vom Leib zu reißen und sofort hineinzuspringen.
„Ich zeige dir erst mal dein Zimmer“, fährt Makoa fort. „Du hast ein eigenes Bad, wo du dich frisch machen kannst. Würdest du dich vor dem Essen gerne ausruhen?“ Stirnrunzelnd mustert er mich von der Seite. „Du siehst … mitgenommen aus.“
Ich lache und fahre mir durch das sicher heillos zerzauste Haar. „So schlimm, was? Tatsächlich habe ich mich so akribisch auf alles andere vorbereitet, dass ich ganz vergessen habe, mich auf etwas so Banales wie das Wetter einzustellen. Ich meine, wie hoch ist die Luftfeuchtigkeit hier bei euch? Neunzig Prozent?“
Während Makoa mir die Hintertür aufhält, wirft er einen raschen Blick auf sein Handy. „Heute sind es zweiundneunzig Prozent.“
Auf mein Stöhnen hin entweicht ihm ein Lachen. »Tja, was soll ich sagen, Kit? Willkommen auf Hawaiʻi!«
Kapitel 2
Yumo
Wohlig seufzend vergrabe ich meine nackten Zehen im Gras. Ein letztes Mal neige ich die Gießkanne und lasse den verbliebenen Inhalt auf die körnige Erde meiner Monstera Deliciosa Variegata tropfen. Dann lege ich den Kopf in den Nacken und blicke an der Pflanze hinauf, deren herzförmige Blätter sich am Verandapfosten entlang bis fast aufs Dach recken. Die Strahlen der Abendsonne streichen über mein Gesicht, und ich schließe die Lider. Meine Welt schrumpft, und einen Augenblick lang gibt es nichts als die Wärme auf meinem Gesicht, das feuchte Gras unter meinen nackten Sohlen, das Rascheln der vielen Blätter, die mich von allen Seiten umgeben. Ich werde eins mit der Natur, spüre sie um mich pulsieren – im Takt meines eigenen Herzens. Dieses Herz, das schon den ganzen Tag ein kleines bisschen zu schnell klopft und auch jetzt trotz des friedlichen Moments nicht zur Ruhe kommen will.
Mit einem frustrierten Laut öffne ich die Augen und stelle die Gießkanne ab. „Ach, Monty, was soll ich nur tun?“, sage ich zu der Monstera. „Wenn das so weitergeht, bin ich morgen zu gar nichts zu gebrauchen.“
Mit dem Zeigefinger fahre ich über die weiße Panaschierung, die sich von dem Blattgrün abhebt und dieses Exemplar so besonders macht. Die Farbe erinnert mich an Wellenschaum. Wellenschaum erinnert mich an den Ozean. Der Ozean erinnert mich wiederum an Korallen, und wenn es um Korallen geht, überkommt mich schon seit meiner Kindheit jedes Mal die traurige Gewissheit, dass sie vom Aussterben bedroht sind. Und damit sind meine Gedanken nun unwiderruflich beim morgigen Tag angekommen. Dieser Tag, auf den ich hinfiebere, seit ich vor ein paar Wochen die Zusage für mein absolutes Traumprojekt erhalten habe.
Streng genommen hat mich in den letzten Wochen so gut wie alles daran erinnert – von den Zeichnungen an den Wänden in meinem Zimmer, über einen Rettet die Weltmeere-Sticker an einem vorbeifahrenden Auto, bis hin zu einer wie eine Koralle geformten Wolke am Himmel. Das liegt wohl daran, dass ich vor lauter Vorfreude nur noch an das Projekt denken kann. Selbst das Einschlafen fällt mir seit ein paar Tagen schwer. Sobald ich die Augen schließe, befinde ich mich bereits auf Moku o Loʻe. Und wann immer ich in den letzten Wochen neben dem Lernen für die Uniprüfungen etwas Zeit erübrigen konnte, bin ich tatsächlich auf die Insel gefahren, um mich bestmöglich auf die Gegebenheiten vor Ort einzustellen. Was lächerlich ist, weil ich mich praktisch schon mein ganzes Leben auf dieses Projekt vorbereite. Ich wurde bereit geboren. Doch warum fühle ich mich dann jedes Mal, als müsste ich mich übergeben, wenn ich an morgen denke?
Weil es dir viel bedeutet, flüstert eine Stimme in meinem Inneren und trifft damit voll ins Schwarze. Es bedeutet mir sogar so viel, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Dennoch habe ich es in letzter Zeit immer wieder versucht, weil mir das hilft, meine Gedanken zu ordnen. Auch jetzt juckt es mich in den Fingern, meine Nervosität aus mir herausfließen zu lassen und auf Papier zu bannen.
Nach einem letzten Blick auf Monty die Monstera lasse ich die Gießkanne links liegen und eile die Verandastufen hinauf. Sorgfältig säubere ich meine nackten Füße mit der Bürste, die an einem Nagel am Türrahmen hängt, bevor ich ins Haus schlüpfe. Alles ist ruhig. Meine Eltern sind nicht zu Hause. Ich drehe eine Runde durchs Wohnzimmer und die Küche, um die Jalousien zu öffnen, sodass die schattenliebenden Pflanzen, die sämtliche Fensterbretter, Kommoden und Regale zieren, ein wenig Abendlicht abbekommen. Dann geht es weiter ins Bad, wo ich mir die Hände wasche, um sie von Erdresten zu befreien. Erst dann betrete ich mein Zimmer, das am Ende des Flurs liegt.
Die Wände sind von oben bis unten mit meinen Zeichnungen behangen, die verschiedene Korallenarten und Meereslebewesen zeigen und deren Anblick mir sonst immer ein Lächeln entlockt. Diesmal nehme ich sie jedoch kaum wahr, während ich zielstrebig auf den Schreibtisch zusteuere. Ich muss ein paar Unibücher, Notizzettel und die eine oder andere halb leere Kaffeetasse zur Seite schieben, bis ich mein Journal entdecke. Mit einem triumphierenden Laut ziehe ich das Büchlein mit dem meerblauen Einband unter einer Packung Pflanzendüngestäbchen hervor. Glücklicherweise finde ich kurz darauf auch mein Mäppchen mit den Finelinern.
Auf dem Weg zurück zur Tür nehme ich mir vor, das Chaos baldmöglichst zu beseitigen. In den letzten Wochen hatte ich einfach keine Zeit zum Aufräumen, obwohl Mom mich mehrfach darum gebeten hat.
Bevor ich auf den Flur hinausgehe, fällt mein Blick auf den gepackten Koffer, der offen auf dem Boden vor meinem Bett liegt. Ganz oben türmen sich fünf Packungen meiner Lieblingssonnencreme, SPF 50+, ohne die ich niemals das Haus verlasse. Erneut macht sich die Nervosität flatternd in meiner Brust bemerkbar. „Morgen“, flüstere ich. Morgen ist es endlich so weit.
Zurück auf der Veranda lasse ich mich mit meinem Journal in der Hand auf die Bank sinken. „Hi, Don“, begrüße ich den Philodendron, der direkt neben mir an einer Rankhilfe die Hauswand hinaufklettert. Ich positioniere eins der gepunkteten Kissen an der Armlehne, lehne mich mit dem Rücken dagegen und strecke die Beine vor mir auf der Bank aus. Die nackten Füße überkreuze ich über den Knöcheln und bette mein Journal auf die Oberschenkel. Beinahe andächtig schlage ich es auf.
Auf der ersten Seite begrüßt mich die E-Mail von Dr Kit Lewis, die ich ausgedruckt und hineingeklebt habe. Stolz wallt in mir auf, während ich sie zum tausendsten Mal lese.
Sehr geehrte Frau Yoshida,
vielen Dank für Ihr Interesse am diesjährigen HIMB-Sommerprojekt mit dem Thema »Renaturierung von Oʻahus Riffen: multifaktorielle Analyse der Stressresilienz bei endemischen und zuchtoptimierten Korallenformen«. Ihre Bewerbung habe ich mit Interesse gelesen und freue mich, Ihnen heute auch im Namen des Hawaiʻi Institute of Marine Biology und der International Coral Reef Society mitzuteilen, dass Sie für die Teilnahme am Projekt ausgewählt wurden.
Um eine möglichst intensive Auseinandersetzung mit dem Thema zu gewährleisten, werden alle Teilnehmenden dazu angehalten, die für das Projekt vorgesehenen acht Wochen auf Moku o Loʻe zu verbringen. Dafür werden Unterkünfte auf der Insel zur Verfügung gestellt.
Alle weiteren Details folgen zeitnah in einer separaten E-Mail.
Wir sehen uns im Juni!
Mit freundlichen Grüßen
Kit Lewis, PhD
University of Hawaiʻi at Mānoa
Department of Oceanography
Die wenigen Zeilen haben sich mir längst ins Gedächtnis gebrannt, doch ich werde nie genug davon bekommen, sie zu lesen. Glasklar erinnere ich mich an den Moment, als ich die E-Mail geöffnet und so laut gequietscht habe, dass sich einige Kommilitonen in der Unibibliothek empört zu mir umgedreht haben. Eine E-Mail von Dr Kit Lewis höchstpersönlich – das erschien mir in dem Moment vollkommen surreal, obwohl ich mich ja für sein Projekt beworben hatte. Dieser Augenblick der Euphorie wurde nur von dem Tag übertroffen, an dem ich erfahren habe, dass mein größtes akademisches Vorbild ab nächstem Semester an der University of Hawaiʻi lehren wird. In einem seiner Kurse zu sitzen und in den Genuss seines intellektuellen Genies zu kommen, ist ein weiterer Lebenstraum, den ich in nicht allzu ferner Zukunft von meiner Liste abhaken kann. Doch nun darf ich ihn im Rahmen des Projekts bereits vor Beginn des neuen Semesters kennenlernen.
Wie es wohl ist, sich mit ihm zu unterhalten? Mit ihm zusammenzuarbeiten? Wie er wohl ist? Diese Fragen habe ich mir schon tausendmal gestellt. Das Internet gibt nämlich nicht viel über ihn her. Keine Fotos, keine persönlichen Informationen. Neben seinen akademischen Veröffentlichungen und ein paar Artikeln in wissenschaftlichen Magazinen, die über ihn als einen der jüngsten Pioniere auf dem Gebiet der Korallenforschung berichten, lässt sich kaum etwas über ihn herausfinden. Aber ab morgen werde ich endlich die Gelegenheit bekommen, ihm meine Fragen persönlich zu stellen – nur vielleicht nicht alle auf einmal.
Als Schritte auf dem Weg ertönen, der durch den Pflanzendschungel zur Veranda führt, werde ich aus meinen Tagträumen gerissen.
„Yu-chan!“ Mein Vater duckt sich unter dem ausladenden Hibiskusstrauch hindurch und hebt eine Hand zum Gruß. „Ist deine Mutter noch nicht zu Hause?“
Ich winke zurück und schüttle den Kopf. „Sie hat angerufen. Macht mal wieder Überstunden.“
Dad kommt die Stufen herauf. In seinen klobigen Arbeitsschuhen sind seine Schritte schwerfällig. Er beugt sich zu mir runter und gibt mir einen raschen Kuss auf den Scheitel. „Dann wasche ich mir schnell den Baustellenschmutz ab und bereite danach das Abendessen vor. Sie wird sich freuen, wenn sie zu einem gedeckten Tisch nach Hause kommt.“
„Ich komme gleich rein und helfe dir.“
„Nein. Du bleibst schön hier sitzen und genießt die Ruhe.“ Vielsagend deutet er auf das aufgeschlagene Journal auf meinem Schoß. „Ich weiß doch, dass morgen dein großer Tag ist.“
„Danke, Dad. Ich bin echt nervös.“ Bei dem Gedanken an morgen ist mein Mund plötzlich ganz trocken, und ich schlucke so laut, dass Dad es gehört haben muss.
„Yu-chan.“ Lächelnd streicht er mir übers Haar. „Morgen erfüllt sich einer deiner Träume. Es ist in Ordnung, deswegen aufgeregt zu sein.“
„Ein bisschen vielleicht schon, aber so stark, dass ich deswegen nicht schlafen kann?“
Nun runzelt er die Stirn und macht Anstalten, sich neben mich auf die Bank zu setzen. Rasch ziehe ich die Knie an, um ihm Platz zu machen. Erdbrocken rieseln aus seiner Arbeitskleidung, und seine sonst schwarzen Haare sind von einer grauen Staubschicht überzogen.
„Möchtest du darüber reden?“
Ich winke ab. „Wird schon werden. Ich glaube, wenn Tag eins erst mal vorbei ist, wird sich auch die Nervosität legen. Der erste Eindruck ist einfach so wichtig, weißt du? Ich will es nicht vermasseln.“
Dad zieht die schwarzen Brauen zusammen. „Aber es ist doch kein Beliebtheitswettbewerb, sondern ein akademisches Forschungsprojekt. Ich weiß, dass du mit deiner Arbeit alle aus den Socken hauen wirst. Das ist es, was zählt.“
Bei der Vorstellung, wie ich Dr Kit Lewis aus den Socken haue, muss ich lachen. „Ich werde mir Mühe geben.“
„Das tust du immer.“ Ächzend erhebt er sich, um ins Haus zu gehen.
„Ich komme gleich nach!“
Mit einem strengen Blick schüttelt er den Kopf, doch ich strecke ihm bloß die Zunge heraus.
Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hat, blättere ich zu der nächsten leeren Seite im Journal und krame in meinem Mäppchen nach dem blauen Fineliner. Da öffnet sich die Tür wieder, und Dad kommt mit einer Schale in den Händen heraus. Selbst von Weitem erkenne ich die bunten Kugeln, die sich darin türmen.
Meine Brauen schießen in die Höhe. „Süßes vor dem Abendessen?“
„Ich glaube, das hast du gerade nötig.“ Er zwinkert mir zu. „Aber verrate es nicht deiner Mutter.“
„Danke, Dad!“ Strahlend nehme ich die Schüssel entgegen. „Du verwöhnst mich.“
„Du bist meine einzige Tochter. Das ist mein Job.“
Eilig schnappe ich mir ein Mochi und schiebe es mir in den Mund. Als mir die Eisfüllung auf der Zunge zergeht, seufze ich wohlig auf. „Himmlisch. Da geht es mir direkt besser.“
Lachend verschwindet Dad im Haus, und ich höre kurz darauf durch das gekippte Fenster, wie im Bad die Dusche angeht.
Nachdem ich mir ein weiteres Mochi gegönnt habe, wische ich mir die Finger an der Serviette ab, die Dad in weiser Voraussicht dazugelegt hat. Dank seinem Pep Talk und dem Mochi-Eis ist meine Nervosität tatsächlich abgeflaut. Während sich der Zucker in meinem Blut ausbreitet, bleibt nichts als Vorfreude auf den morgigen Tag übrig.
Lächelnd streiche ich die offene Seite meines Journals glatt und ziehe die Kappe vom Fineliner. In die obere Ecke kommt das heutige Datum, dann schreibe ich in meiner schönsten Schrift direkt in die Mitte der Seite: Erkenntnis des Tages.
Einen Moment betrachte ich die Schüssel mit den kleinen runden Glücklichmachern und füge dann hinzu:
Nervosität lässt sich gut mit Mochi-Eis bekämpfen.
DATENSCHUTZ & Einwilligung für das Kommentieren auf der Website des Piper Verlags
Die Piper Verlag GmbH, Georgenstraße 4, 80799 München, info@piper.de verarbeitet Ihre personenbezogenen Daten (Name, Email, Kommentar) zum Zwecke des Kommentierens einzelner Bücher oder Blogartikel und zur Marktforschung (Analyse des Inhalts). Rechtsgrundlage hierfür ist Ihre Einwilligung gemäß Art 6I a), 7, EU DSGVO, sowie § 7 II Nr.3, UWG.
Sind Sie noch nicht 16 Jahre alt, muss zwingend eine Einwilligung Ihrer Eltern / Vormund vorliegen. Bitte nehmen Sie in diesem Fall direkt Kontakt zu uns auf. Sie selbst können in diesem Fall keine rechtsgültige Einwilligung abgeben.
Mit der Eingabe Ihrer personenbezogenen Daten bestätigen Sie, dass Sie die Kommentarfunktion auf unserer Seite öffentlich nutzen möchten. Ihre Daten werden in unserem CMS Typo3 gespeichert. Eine sonstige Übermittlung z.B. in andere Länder findet nicht statt.
Sollte das kommentierte Werk nicht mehr lieferbar sein bzw. der Blogartikel gelöscht werden, ist auch Ihr Kommentar nicht mehr öffentlich sichtbar.
Wir behalten uns vor, Kommentare zu prüfen, zu editieren und gegebenenfalls zu löschen.
Ihre Daten werden nur solange gespeichert, wie Sie es wünschen. Sie haben das Recht auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung, ein Widerspruchsrecht, ein Recht auf Datenübertragbarkeit, sowie ein Recht auf Widerruf Ihrer Einwilligung. Im Falle eines Widerrufs wird Ihr Kommentar von uns umgehend gelöscht. Nehmen Sie in diesen Fällen am besten über E-Mail, info@piper.de, Kontakt zu uns auf. Sie können uns aber auch einen Brief schicken. Sie erhalten nach Eingang umgehend eine Rückmeldung. Ihnen steht, sofern Sie der Meinung sind, dass wir Ihre personenbezogenen Daten nicht ordnungsgemäß verarbeiten ein Beschwerderecht bei einer Aufsichtsbehörde zu. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gerne an unseren Datenschutzbeauftragten, den Sie unter datenschutz@piper.de erreichen.