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Der verbrannte Koffer

Der verbrannte Koffer

Eva Züchner
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Eine jüdische Familie in Berlin

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Der verbrannte Koffer — Inhalt

Bei der Recherche über einen Berliner Mordfall aus dem Jahr 1938 stößt Eva Züchner hinter der Kriminalstory auf eine ganz andere Geschichte. Denn einer der Verdächtigen war Jude. Als sie beginnt, dessen weitere Stationen zu rekonstruieren, trifft die Autorin auf eine Handvoll Menschen, über deren Lebenswege sich ein beeindruckendes Panorama dieser Zeit erschließt. Wie in einem Brennglas bündeln sich in diesen Biographien nicht nur die nationalsozialistischen Maßnahmen zur Aushöhlung und Zerschlagung menschlicher Existenzen, sondern auch der Widerstand dagegen und der Wille zu überleben. Präzise recherchiert, knapp und auf kleinem Raum erzählt, ist Der verbrannte Koffer eine mitreißende Lektüre - ein kleiner, beinah zufälliger Ausschnitt deutscher Geschichte, der uns aber umso tiefer in deren Abgrund blicken lässt.

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 10.03.2012
160 Seiten, WMePub
EAN 978-3-8270-7551-2
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Leseprobe zu „Der verbrannte Koffer“

Prolog
Die Geschichte beginnt im September 1938 mit einem
Mord, der Schlagzeilen macht. Das Mordopfer ist ein blondes
Mannequin namens Tilly A., der Tatort liegt im mondänen
Berliner Westen am oberen Kurfürstendamm.
Die Kriminalpolizei vernimmt in fünf Tagen dreißig Zeugen
und Verdächtige. Alle Befragten heben Tillys Schönheit
hervor, ihre elegante Kleidung, ihren kostbaren Schmuck.
Ein charmantes Glamourgirl soll sie gewesen sein, immer
dort zu finden, wo etwas los ist: auf der Sommerolympiade,
auf dem Filmball, in den Kinos, Cafés und Tanzbars
rund um den [...]

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Prolog
Die Geschichte beginnt im September 1938 mit einem
Mord, der Schlagzeilen macht. Das Mordopfer ist ein blondes
Mannequin namens Tilly A., der Tatort liegt im mondänen
Berliner Westen am oberen Kurfürstendamm.
Die Kriminalpolizei vernimmt in fünf Tagen dreißig Zeugen
und Verdächtige. Alle Befragten heben Tillys Schönheit
hervor, ihre elegante Kleidung, ihren kostbaren Schmuck.
Ein charmantes Glamourgirl soll sie gewesen sein, immer
dort zu finden, wo etwas los ist: auf der Sommerolympiade,
auf dem Filmball, in den Kinos, Cafés und Tanzbars
rund um den Kurfürstendamm. Ein Friseur und eine beste
Freundin sind der Kripo behilflich, Tillys Liebhaber zu
identifizieren – darunter zwei Attachés der lettischen Gesandtschaft
und ein adliger Fliegeroffizier, ein Fabrikant
und ein Hauptmann der Schutzpolizei, ein Sportlehrer
oder Autoverkäufer oder Gigolo aus der Schweiz. Am
sechsten Tag wird das Verbrechen aufgeklärt. Der Mörder,
ein kleiner Angestellter der Likörfabrik Mampe, ist der
jüngste und attraktivste Liebhaber des Mannequins gewesen.
Nachdem er Tilly in der Nacht zum 17. September
erwürgt hat, setzt er ihr Schlafzimmer in Brand und flüchtet
mit Schmuck und Pelzen. Er ersticht sich, Minuten vor
seiner Verhaftung, in Mampes Herrentoilette mit einem
Kampfmesser.
Diese Mordakte, die ich im Landesarchiv Berlin gefunden
habe, wäre, so dachte ich anfangs, der ideale Stoff für einen
spannenden Berlin-Krimi mit Dreißiger-Jahre-Touch.
Die Tatsache, dass einer der verdächtigen Liebhaber Jude
gewesen ist, hätte auf den düsteren Hintergrund des schillernden
Zeitkolorits verwiesen. Dieser Verdächtige aber,
ein unauffälliger Mann mit unauffälligem Namen und unauffälligem
Beruf, hat meinen Blickwinkel radikal verändert
– mit dem Ergebnis, dass der Mordfall an den Anfang
einer ganz anderen Geschichte gerückt ist. Deren
Erforschung glich dem Öffnen einer Falltür. Nach und
nach wurde sichtbar, wie sich in einem einzelnen Leben
und seinem allernächsten Umfeld die Maßnahmen zur
Aushöhlung und Zerschlagung menschlicher Existenzen
wie in einem Brennglas gebündelt haben. Nun zeigten sich
auch in der Mordakte selbst reale und zeichenhafte Verweise
auf das Zeitgeschehen hinter der grellen Kriminalstory.
Tilly A. hört am 16. September 1938, dem Abend vor
ihrem gewaltsamen Tod, in ihrem Volksempfänger die
22-Uhr-Nachrichten des Reichssenders Berlin. Hauptthemen
sind „der tschechische Terror“ gegen Sudetendeutsche
und Slowaken, die sudetendeutschen Flüchtlingsströme
ins Reich, die Erklärung von Premierminister Chamberlain
über sein freundschaftliches Treffen mit Hitler
auf dem Obersalzberg. Es ist das Vorspiel zum Münchener
Abkommen, das zwei Wochen später die Brücke zu Hitlers
Angriffs- und Vernichtungspolitik bauen wird.
Obduktionsfotos zeigen die durch den Brand bis zur
Unkenntlichkeit entstellte Leiche des erwürgten Mannequins.
Allein die sorgfältig gefeilten und lackierten Fingernägel erinnern noch an die schöne Tilly A. Ihre Haut ist
schwarz verkohlt, die gebleckten Zähne im aufgerissenen
Mund und die zu Krallen verformten Hände sind die eines
rasenden Tiers im Todeskampf.
Ein sechseitiges Gutachten von Kriminalkommissar
Theo Saevecke belegt mit hoher Detailgenauigkeit und
Sachkompetenz, dass der Brand im Schlafzimmer von Tilly
A. vorsätzlich gelegt worden ist. Mit siebenundzwanzig
Jahren ist Saevecke in der Mordkommission bereits zum
Leiter des Brand- und Katastrophendezernats aufgestiegen.
Seine eigentliche Karriere beginnt ein Jahr später mit
dem Überfall auf Polen, wo er einem der Exekutionskommandos
angehört. In Libyen und Tunesien wird er
die Einsätze jüdischer Zwangsarbeiter organisieren, als
Gestapo-Chef in Mailand die Erschießung italienischer
Zivilisten und die Deportation von über siebenhundert
Juden in die Vernichtungslager befehlen.
Vor dem Brand hat unter dem Bett von Tilly A. ein
Koffer gestanden. Saevecke schreibt in seinem Gutachten:
„Der Koffer wurde zwischen dem Brandschutt auf der
Straße gefunden. Unversehrt war nur der Boden mit den
Scharnieren. Der Inhalt des Koffers ist unbekannt.“
Mit diesen drei Sätzen hat der Gutachter und angehende
Kriegsverbrecher nichtsahnend ein Menetekel skizziert,
aus dem sich der Titel des Buches herleitet, denn Der
verbrannte Koffer steht als Chiffre für eine unheilvolle
Assoziationskette. Die kaum zu identifizierenden Überreste
von Tillys Koffer und dessen unbekannter Inhalt
gleichen dem Urzustand der Geschichte, die hier erzählt
werden soll. Um sie zu rekonstruieren, galt es, versprengte
und oft bis zur Unkenntlichkeit zersplitterte Fundstücke
in den Archiven auszugraben, zu deuten und neu zusammenzusetzen.
Als unsichtbares Emblem begleitet der
verbrannte Koffer eine Handvoll Menschen in einen ungesicherten
Alltag, auf ihren Wegen ins Exil, in den Untergrund,
in Gefängniszellen, in die Konzentrations- und
Vernichtungslager. So umschreibt der Titel dieser deutschen
Geschichte den Versuch, das Faktenskelett noch
erhaltener Dokumente zu einer Erzählung zu verdichten,
deren Grundmotiv die allmähliche bis rasende Zerstörung
menschlichen Lebens ist.

Eva Züchner

Über Eva Züchner

Biografie

Eva Züchner studierte in Berlin Vergleichende Literaturwissenschaft und Neuere Geschichte. Sie arbeitete als Ausstellungskuratorin und Archivleiterin am Landesmuseum Berlinische Galerie.

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