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Warum Stuttgart zum Mörder machen kann

Interview mit Heinrich Steinfest zu „Wo die Löwen weinen“

Dienstag, 15. Oktober 2013 von


Warum ein Krimi über Stuttgart 21 - hat Deutschland darauf gewartet?
Heinrich Steinfest: Ich weiß nicht, auf was Deutschland alles wartet. Aber dieses Thema ist eines von zeitgeschichtlicher Relevanz. Wie relevant, wird man sehen, wenn hier erst richtig zum Bauen begonnen wird. Objekte wie dieser Flughafen in Berlin und dieses Konzerthäuschen in Hamburg und diese Vergnügungsbuden am Nürburgring werden dann als Marginalien erscheinen.

Warum ist S 21 einen Mord wert - was macht das Projekt zum guten Krimistoff?
Heinrich Steinfest: Seine Giftigkeit. Das ganze Projekt war von Anfang an vergiftet und seinerseits giftig, also seinerseits fähig und willig, auch den Rest der Stadt zu kontaminieren. Nur, dass die zuständigen Damen und Herren dachten, dass das sowieso kein Schwein kümmern wird, solange das narkotisierende Wort „Arbeitsplätze“ sich wie ein Nebel über die Dinge legt. Stimmt, die Volksabstimmung hat die betäubende Kraft dieses Wortes bestätigt. Allerdings sind im Zuge dessen nicht wenige Menschen auch immun gegen das Zauberwörtchen geworden.

Sie sind selbst einer der prominentesten Gegner von S 21. Im Roman machen Sie aus Ihrer Ablehnung des Projekts, seiner Betreiber und der politischen Elite keinen Hehl - ist das Buch auch eine persönliche Abrechnung?
Heinriche Steinfest: Es ist der Versuch, auf eine persönlich erlebte Situation literarisch zu reagieren. Aus der Nähe heraus. Weniger Fernrohr, mehr Mikroskop. Dabei ist meine „Einseitigkeit“ ein stilistisches Mittel, das mir in diesem Fall wirkungsvoller und adäquater erschien, als so zu tun, als könnte man von einer behaupteten Aussichtsplattform aus ein objektives Bild schaffen und dabei alle irgendwie verstehen. Offen gesagt: Meine Sympathie für die Gauner hält sich in Grenzen.

„Die Verwandlung der Stuttgarter Bürger hat mich sehr beeindruckt“

Das Buch ist nicht nur ein Kriminalroman, sondern vor allem eine Gesellschaftssatire, in der vor allem die Politiker nicht gut wegkommen... Warum war Ihnen das so wichtig?
Heinrich Steinfest: Die Frage ist, was ist ein Politiker? Ein Klischee, das sich selbst erfüllt? Eine Hülse, in die sich jemand begibt? Eine Puppe, in die abwechselnd verschiedene Individuen schlüpfen? Ganz falsch scheine ich ja nicht zu liegen, wenn ich in meinem Roman den damaligen Ministerpräsidenten als einen Mann „von der Schönheit einer Dorischen Säule, mit der ein Unglück geschehen ist“ beschreibe. Das „Unglück“ dieses Mannes ist nun im Zuge der EnBW-Affäre vollends offenkundig geworden. Hätte jemand das Verhältnis Bankmensch – Politiker so beschrieben, wie es tatsächlich war, hätte es wieder geheißen: Was für eine Übertreibung!

Sie leben als Autor und bildender Künstler in Stuttgart. Was macht die Stadt für Sie so besonders, so inspirierend? Oder teilen Sie die Hassliebe Ihres Protagonisten Kommissar Rosenblüt gegenüber Stuttgart?
Heinrich Steinfest: Anfangs war es das allgemeine Unterschätztwerden dieser Stadt, der es an theatralischen Aspekten mangelt, die aber den Reiz all jener Personen besitzt, die bei näherer Betrachtung immer hübscher werden (während es Städte gibt, die quasi nur im touristischen Vorübergehen attraktiv sind). Natürlich hat die Verwandlung mancher Stuttgarter Bürger angesichts der S 21-Tragikomödie mich sehr beeindruckt. Es war und ist für ein latent korruptes System überaus wichtig, ja lebenswichtig, diese Bürgerbewegung kleinzukriegen und kleinzureden, zu bagatellisieren, zu pulverisieren. Na, mal sehen, ob sich dieses Pulver wieder zu einer Arzneiform verfestigt und der Bürger sich selbst heilt.

Hat S 21 die politische Kultur in Stuttgart, ja die Stadt selbst verändert?
Heinrich Steinfest: Wo wurde und wird mehr politisiert als in dieser Stadt? Ich bin ja auch hin und wieder woanders und kenne nichts Vergleichbares. Klar, der Politik wäre lieber: Hände Falten, Goschen halten. Brot und Spiele und jeden Tag zwei Events scheint ihr Rezept zu sein.

„Bei meinen Figuren bin ich mir nie sicher, ob sie mal wieder auftauchen werden“

Sind die Bildungswutbürger, wie Sie die S 21-Gegner nennen, die besseren Demonstranten?
Heinrich Steinfest: Na, sie haben, zumindest phasenweise, eine ganz neue Demonstrationskultur eingeführt. Nicht bloß laut sein (was ich eher lächerlich finde), sondern eben mit dem Wissen und der Bildung bewaffnet. Architekturgeschichte, Verkehrswissenschaft, Landesgeschichte, Finanzwesen, Rhetorik – und nicht bloß die gestreckte Faust und ein diffuses Gefühl von Ungerechtigkeit. Klar, nicht wenige dieser Leute kamen und kommen mit der Attitüde des Besserwissers daher. Fakt ist allerdings auch, dass sie's besser wissen. Sag ich mal, als notorischer Besserwisser.

Der Leser erlebt S 21 aus drei Perspektiven: aus der des Kommissars Rosenblüt, der des Möchtegern-Attentäters Tobik und der des Archäologen Wolf Mach. Mit wem identifizieren Sie sich am meisten?
Heinrich Steinfest: Nun, Wolf Mach, der Wiener, der nicht mehr in Wien ist, entspricht wohl am ehesten meiner eigenen Person. Nicht zuletzt seine Leidenschaft, mit der er nach und nach den „tieferen Sinn“ dieser Parkanlage im Herzen der Stadt erkennt.

Sie haben mit Kommissar Rosenblüt einen neuen Ermittler eingeführt - ein Anti-Beamter, Genussmensch, Frauentyp, Pragmatiker und Cineast. Ein perfekter Serienheld - darf er in Serie gehen?
Heinrich Steinfest: Bei meinen Figuren bin ich mir nie sicher, ob sie mal wieder auftauchen werden oder nicht. Markus Cheng war nie als Seriencharakter gedacht, Lilli Steinbeck ebenso wenig, und auch den Hund Lauscher hatte ich nicht als fortwährenden „Helden“ konzipiert (in „Wo die Löwen weinen“ tritt er als Wiedergeborener auf). Denn selbst, wenn ein Schriftsteller jemanden sterben lässt, gleich ob Hund oder Mensch, kann der Leser sich nicht darauf verlassen, ob es dabei auch bleiben wird.


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Wo die Löwen weinenWo die Löwen weinen
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Kriminalroman

Stuttgart, anno 2010: Ein Archäologe wittert die große Chance bei Probebohrungen im Schlossgarten. Einen Durchschnittsbürger macht die Wut über die Mächtigen zum Scharfrichter. Ein Münchner Kommissar kehrt – widerwillig, aber auf der Spur eines heiklen Falles – in seine schwäbische Heimatstadt zurück. Und ein rätselhafter Hund, der eigentlich nur sitzen kann. Sie alle führt das Schicksal mitten in die Bodenlosigkeit eines umkämpften Großprojekts …

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