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Reiner Krimitourismus- Ein Interview mit Thomas Raab

Dienstag, 10. September 2013 von Piper Verlag


Der Restaurator Willibald Adrian Metzger ist einer der eigenwilligsten Ermittler der Krimiszene. Wer womöglich sein Vorbild sein könnte, erzählt sein „geistiger Vater“ Thomas Raab im Interview.

„Nach diesem Buch bekomme ich nie wieder einen Skipass in Österreich.“ Thomas Raab 

Herr Raab, darf man Ihre Krimis auch als „Krimitourismus“ bezeichnen?

Thomas Raab: Das Wort gefällt mir irrsinnig gut. Es zeigt ein bisschen, dass ich mit meinem Koffer durch den Krimi spaziere und nur mit einem halben Fuß dort hineingehöre. Es muss meiner Meinung nach nicht immer einen Toten geben. Manchmal reicht es wiederzugeben, was man täglich erlebt und vor sich hat. Außerdem würden sie keine Freude daran haben, mich nach kriminaltechnischen Dingen zu fragen. Ich bin da einfach zu unerfahren und kenne mich da viel zu wenig aus. Das langweilt mich eher sogar. Ich glaube dagegen, dass in jedem Menschen ein kleiner Ermittler steckt, der von seiner Neugierde angetrieben wird. Wenn ich schreibe frage ich mich eher: Welche Fähigkeiten und Möglichkeiten hat ein Otto Normalverbraucher um zu ermitteln.


Ist der Metzger eigentlich ein Naturtalent als Ermittler?

Thomas Raab: Ich muss wohl den Lesern danken, dass er jetzt bereits im fünften Roman ermitteln darf. Diesbezüglich scheint er tatsächlich Talent zu haben. Aber grundsätzlich hat er die Gabe sich die Dinge ohne Stress anzuschauen. Er ist ja Restaurator und hat ein gutes Auge. Das ist schon sehr hilfreich. 


Ist „Der Metzger“ in Ihren Augen ein typischer Österreichkrimi? 



Thomas Raab: Zunächst einmal: Die Reihe ist lokal-technisch nirgendwo angesiedelt. Es kommen ganz bewusst keine Städte oder Ländernamen vor. Ich bin auch kein Freund von Regionalkrimis. Ich entwickle beim Lesen gerne meine eigene Fantasie. So ist es auch wenn ich Schreibe. Es befreit mich sehr, dass ich den Metzger nicht durch Wien spazieren lasse.

Bedienen Sie sich dennoch an Alltagsbeobachtungen?

Thomas Raab: Natürlich bedient sich jeder Autor auch am Alltag. Man darf nur nicht anfangen mit dem geschriebenen Wort Rache an bestimmten Leuten zu üben. Eigenschaften von Menschen, oder auch Erlebnisse, übernehme ich sehr gerne. Wenn eine Figur mich aber zu sehr an ein bekanntes Gesicht erinnert, nehme ich sie sofort raus. Besonders wahre Begebenheiten, die mich politisch oder gesellschaftlich sehr ärgern, binde ich gerne ein.

In Ihrem aktuellen Roman wird mit einer Schneekanone gemordet. Wie kommt man denn auf so eine Idee?

Thomas Raab: Ich bin ein sehr schwarzhumoriger Mensch. Die Dimension des Mordes ist mir erst später bewusst geworden. Ich habe bei dem Hersteller der Schneekanone angerufen und habe mich als Krimiautor vorgestellt. Die waren auf diese Frage gar nicht vorbereitet und haben zunächst nur rumgeeiert. Dann habe ich sie darauf festgenagelt und gefragt: Ist es theoretisch möglich, dass da etwas gehächselt wird und es vorne bisserl rot wieder herauskommt? Und die Antwort war ja. Das hat mir gereicht um ein Gemetzel auf die Piste zu legen. Nach diesem Buch bekomme ich nie wieder einen Skipass in Österreich.

Neben der Mischung aus Satire und Ernst hat die Metzger Reihe auch eine große kulinarische Qualitäten. Warum?

Thomas Raab: Da werden natürlich Klischees über Österreich bedient. Der Metzger hat die Ausmaße eines ausgewachsenen Rhinozeros. Aber auf der anderen Seite ist er aber auch ein Genussmensch. Von daher ist es mir wichtig, dass das auch zum Ausdruck gebracht wird. Meine Figuren dürfen sich also gerne die Zeit nehmen etwas zu essen.

Können Sie sich vorstellen, dass die Erwähnung von Kaiserschmarrn und Schinkenfleckerl ein Gefühl von Urlaub bei einigen Lesern auslöst?

Thomas Raab: Ich weiß es nicht, aber es wäre natürlich schön. Beabsichtigt habe ich es nicht. Auf meiner ersten Lesereise in Deutschland habe ich den Fehler gemacht und habe meine Sprache ein bisschen verstellt. Ich habe dann die Resonanz bekommen, dass die Deutschen den Österreichern gerne sprechen hören, weil sie das Gefühl haben, sie würden Urlaub machen. Wenn das auch auf das Buch zutrifft, würde es mich sehr freuen. Vielleicht sollte ich schauen, ob ich von der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft ein bisschen Sponsoring bekommen kann.

Humor spielt eine wichtige Rolle im Metzger-Krimi. Wie steht es um Sie?

Thomas Raab: Ich denke schon, dass ich ein sehr humorvoller, aber auch manchmal recht zynischer Mensch bin. Humor ist für mich ein wichtiges Instrument für den Alltag. Für mich ist es auch wichtig beim Schreiben Spaß zu haben. Sonst könnte ich mit dieser Sache nicht so viel Zeit verbringen.

Müssen Sie sich fürs Schreiben in Stimmung bringen?



Eher nein. Das Problem ist oftmals die nötige Zeit zu finden. Ich arbeite zu Hause und wir haben zwei kleine Kinder und natürlich möchte ich Anteil nehmen am Alltag der Familie und der Erziehung. Die Zeit zum Schreiben ist dann die Nacht. Manchmal denke ich, wäre eine Hütte zum Rückzug ganz schön, aber ich glaube meine Familie würde mir da zu sehr abgehen. Ansonsten ist es wichtig beim Schreiben allein zu sein. Aber in meinem Falle muss es nicht düster sein. Es darf auch gerne die Sonne durchs Fenster herein scheinen.

Kam der Erfolg der Metzger-Krimis überraschend für Sie?

Thomas Raab: Es war auf jeden Fall ein langer Weg dorthin. Ich habe bis zur Matura nicht gerne gelesen. Würde mich sogar als legasthenisch bezeichnen. Ich war also völlig unvorbelastet. Ich wollte dann ursprünglich eine Kurzgeschichte schreiben, in der der Metzger über eine Leiche stolpert. Es wurden dann hundert Seiten und mehr und ich hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass ich Schriftsteller werden könnte. Ich war damals noch Lehrer. 


Stellen Sie sich vor, der Metzger wäre eine reale Person und würde sich Ihnen als Ihr neuer Nachbar vorstellen. Fänden Sie ihn nicht ein bisschen wunderlich? 



Thomas Raab: Nein gar nicht. Deswegen habe ich ihn so geschrieben. Er ist ein Mensch mit dem ich es sehr gut aushalten würde. Ich verbringe so irrsinnig viel Zeit mit ihm. Da kann er mir nicht auf die Nerven gehen. Und wenn er mein Nachbar wäre... Ich glaube wir würden uns total gut verstehen. Vielleicht würde er sogar mein bester Freund werden. Er braucht ja ohnehin sehr viel Zeit für sich. Und so bin ich auch.


Hatten Sie ein Vorbild für den Metzger?

Thomas Raab: Er ist vor meinen Augen gestanden und ich habe angefangen zu schreiben. Alles Weitere wäre eine tiefenpsychologische Frage. Mein Vater war ein minderbegabter Handwerker, der gerne alte Möbel gesammelt hat. Darüber haben wir Kinder uns immer wahnsinnig geniert. Mein Vater ist dann gestorben und erst nach seinem Tod habe ich zu Schreiben begonnen. Aber die Zusammenhänge kann ich selber nicht wirklich benennen.


Mit dem Metzger wird in Ihren Krimis nie zimperlich umgegangen. Einmal wird er von einer anderen Figur sogar als „fetter Schwachmatiker“ bezeichnet. Haben Sie während des Schreibens eigentlich Mitleid mit Ihrer Hauptfigur?



Thomas Raab: Nein. Der Metzger hat mit sich selbst auch kein Mitleid. Dem Metzger gehen solche Dinge am Allerwertesten vorbei. Vielmehr glaube ich, hat der Metzger da eine Eigenschaft, die ich selbst gerne hätte. Ich wäre manchmal gerne selbstbewusster, sodass mich manche Dinge nicht so tangieren würden. Er mag ja tollpatschig und dicklich sein, aber es stört ihn nicht. Das imponiert mir. Er kann viel einstecken.


Und er hat eine treue Begleiterin an seiner Seite. Wie wichtig ist die Rolle der Danjela Djurkovic?

Thomas Raab: Sie ist das Herzstück neben dem Metzger. Sie war ja schon in der Schulzeit platonisch in ihn verliebt und sie treffen sich dann im ersten Buch wieder. Ich habe mich bewusst für eine kroatische, Akzent sprechende Person entschieden, weil die in unserer Gesellschaft immer noch total belächelt werden. Daher ist mir die Figur sehr wichtig. Sie hat so viel Herz und Charakter, dass sie, trotz ihrer Sprache, ernst genommen wird. Das war meine größte Absicht hinter dieser Figur.

Hund Edgar ist der geheime Star Ihrer Bücher. Haben Sie selber einen Hund?


Thomas Raab: Wir haben einen alten Golden Retriever. Es ist natürlich interessant abzubilden wie der Alltag mit einem Hund sein kann. Auf Tour mit dem Hund macht man viele absurde Beobachtungen. Die Figur des Edgars ist tatsächlich extrem beliebt bei den Lesern. Ich darf ihn wohl nie sterben lassen. Es haben sich schon Leser beschwert, dass er in den letzten Büchern nicht mehr so oft vorgekommen ist. 


Ist Ihnen das selber auch aufgefallen? 


Thomas Raab: Nein, dass ist mir so nicht aufgefallen. Die Leser wissen oft besser Bescheid, als der Autor. Als Autor schreibt man ein Buch, und wenn es aus dem Kopf raus ist, ist man so befreit und gelöst. Man plant dann zum Beispiel die nächsten Lesungen und lässt das Buch irgendwie hinter sich.

Welche Bedeutung hat die Werkstatt für den Metzger?



Thomas Raab: Sie ist sein Rückzugsort. Sie ist in einem Gewölbekeller gelegen. Einer Art Höhle. Es ist die alte Geschichte von Männern und ihrem Werkraum. Auch für den Metzger ist es seine eigene kleine Welt. Dort steht für ihn die Zeit still. Dort fühlt er sich sicher.

Das Grauen findet bei Ihnen oft hinter der verschlossenen Tür statt. Sind Ihnen die kleinen Tragödien des Lebens die wichtigeren?



Thomas Raab: Ja sie sind bedeutsamer, weil sie das unmittelbare Leben abbilden. Die vermeintlich kleinen Tragödien des Lebens sind oft lebensbestimmend. Das geht mir auch viel näher.

Was denken Sie über andere österreichische Krimiautoren wie Wolf Haas, mit dem Sie oft verglichen werden? 


Thomas Raab: Haas schreibt ganz anders als ich. Aber es hat mich nie gestört, wenn da ein Vergleich gemacht wird. Haas gehört zur Riege der Autoren, die einen neuen Weg beschritten haben. Sie schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Damit hat Haas bewiesen, dass man mit etwas unkonventionellen Erfolg haben kann. Und das hat vielen Autoren Mut gemacht. Hätte ich vor Wolf Haas mein Manuskript irgendwo vorgelegt, hätte man es als Schwachsinn abgestempelt. Meine Eigenständigkeit wurde aber immer anerkannt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wie gehen Sie mit Lob und Kritik um?



Thomas Raab: Bei Lesungen trifft man seine Leserschaft und man bekommt dort natürlich viel Lob. Mir geht es aber so, dass ich zum Beispiel bei den Online-Bewertungen großer Buchumschlagsplätze im Internet immer an den negativen Kommentaren hängen bleibe. Das interessiert mich. Kritiken können sich manchmal aber auch wie ein Tiefschlag anfühlen. Gerade zu Anfang. Da ist mir übrigens mal etwas ganz Skurriles passiert. Da hat jemand im Internet tatsächlich meine Danksagung kritisiert. Da hieß es dann, ich sei ein Schleimer und die komplette Danksagung wurde zerlegt. Mittlerweile weiß ich: Es gehört einfach dazu.

Das Interview ist ursprünglich im Revolverblatt erschienen.


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