Für immer sein Mond – ein Roman mit realem Hintergrund
Autorin Marie Enters über die Hintergründe ihres Romans „Für immer sein Mond“
Im Blogbeitrag schreibt die Autorin von „Für immer sein Mond“ über den Hintergrund zu ihrem schicksalsvollen Roman, in dem es um die berührende Liebesgeschichte zwischen einem syrischen Flüchtling und einer deutschen Flüchtlingshelferin geht.
Melih und Marie sind Romanfiguren, fiktive Charaktere. Dennoch fühle ich mich ihnen sehr nah - sie sind mir beide so vertraut, als wären sie ein Teil von mir. Nur so, durch das tiefe Hineintauchen in beide Persönlichkeiten, konnte ich ihrer Geschichte Intensität geben.
2015 war für viele Syrer ein schicksalhaftes Jahr. Der Bürgerkrieg tobte bereits seit 2011 im Land, ausgelöst durch friedliche Demonstrationen im Rahmen des „Arabischen Frühlings“. Diese wurden brutal niedergeschlagen - der Beginn einer Spirale von Gewalt, Folter, Tod und Kämpfen, deren Ende in immer weitere Ferne rückte. Die letzte Hoffnung auf bessere Zeiten schwand Mitte 2014, als die Gefechte sich ausweiteten, das Land immer mehr zerfiel und der Westen massiv intervenierte. Luftangriffe, die sich gegen die Terrormilizen richteten, setzten eine Massenflucht in Gang. Die Lage war verzweifelt, notgedrungen entschlossen sich Millionen Menschen zur Flucht.
So kam ein Teil von ihnen 2015 zu uns, als Heimatlose, in der Hoffnung auf Sicherheit und mit einem unerschütterlichen Gottvertrauen. Die öffentliche Wahrnehmung und das daraus resultierende Tun hätten unterschiedlicher kaum sein können. Die einen fühlten sich spontan bedroht, redeten von Überfremdung, Islamisierung, Flüchtlingskrise, gingen auf Abstand. Die anderen verspürten ebenso spontan das Bedürfnis zu helfen, brachten sich ein, taten etwas. Zu Letzteren - zu den so genannten Gutmenschen - gehörte ich. Dieser Verachtung und Spott implizierende Begriff ist nicht neu, schon in den Achtzigerjahren war Gutmensch ein Modewort. Davon unbeeindruckt halte ich es mit dem von mir sehr geschätzten Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Frau Merkel pflegte damals noch zu sagen „Wir schaffen das“, knickte später allerdings ein. Besorgte Deutsche sagten „Schaffen wir nicht“. Unterdessen taten viele andere einfach etwas im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Alles ehrenamtlich, aus einem Herzensbedürfnis heraus. Es sei eine kurzlebige Hilfsbereitschaftswelle, wurde geunkt - und tatsächlich, heute, drei Jahre später, ist das Ehrenamt oftmals in den Hintergrund getreten. Aber nicht aus Gründen der „Kurzlebigkeit“, sondern weil längst mehr daraus geworden ist. Ich kenne Paten, die unbegleitete Minderjährige in ihre Familien aufgenommen haben. Es sind lockere Kontakte entstanden, enge Freundschaften. Es haben sich aber tatsächlich auch Paare gefunden. Ich weiß von kurzen Beziehungen und solchen, die andauern.
In den vergangenen drei Jahren habe ich viel über die muslimisch-arabische Mentalität gelernt und festgestellt, wie eindimensional ich bisher über muslimische Frauen und Männer dachte. Die Bilder der unterdrückten, unemanzipierten Kopftuchträgerin und des Frauen herabwürdigenden Paschas sind Klischees, die uns überall begegnen, auch in der Literatur immer wieder bedient werden. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, in meinem Roman dagegenzuhalten, indem Melih auch als gläubiger Muslim differenziert in seinen Ansichten und Handlungen ist. Genauso habe ich Syrer beiderlei Geschlechts auch kennengelernt: offen, anpassungsfähig und humorvoll.
Ich kann mich gut an ein Gespräch erinnern, in dem es um die Gleichstellung von Mann und Frau ging. Ich versuchte darzulegen, wie selbstverständlich das für uns Deutsche ist. Ein junger Mann aus Damaskus wandte ein: „Aber Frauen verdienen in Deutschland weniger Geld als Männer, habe ich gelesen. Also sind sie doch nicht gleich?“
Damit brachte er mich ganz schön aus dem Konzept und ich musste zugeben, dass auch bei uns alles längst nicht so perfekt ist, wie es ihnen im Integrationskurs vermittelt wird. Was mich an syrischen Männern erstaunt hat: Viele kochen ganz hervorragend, obwohl das in ihrer Heimat Frauensache ist. Aber auch, wenn sie zu Hause nicht am Herd standen, wussten sie doch, welche Zutaten für welches Gericht benötigt werden und konnten es perfekt zubereiten. Dass jemand so wie Melih backen kann, ist allerdings die Ausnahme. In den Genuss des selbst gemachten „Damaszener Gebäcks“ durfte ich aber wirklich kommen - und es ist so köstlich, wie es aussieht!
Marie Enters, geboren 1962 in Paderborn, wuchs in einer Kleinstadt in Ostwestfalen auf. Im Anschluss an das Fachabitur und eine Ausbildung zur Buchhändlerin zog sie ins Bergische Land, wo sie seither lebt und arbeitet. 2011 machte sie sich als Werbetexterin selbstständig. Zugleich begann sie, Geschichten für Kinder zu schreiben, die in einem Regionalverlag veröffentlicht wurden. Ihre ersten beiden Romane, 2017 im Selfpublishing unter dem Pseudonym Marie Enters erschienen, sind ihr Verlagsdebüt 2018.
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Wenn ich Marie richtig verstanden habe, dann war ich die 1. Leserin, die ihr Buch nach Erscheinung lesen und beurteilen durfte. Ich bin noch immer stolz und dankbar für dieses Vertrauen, das sie mir entgegen gebracht hat. Die Geschichte von Marie und Melih hat mich deswegen so berührt, weil auch mein Leben seit 2015 ein anderes ist. Ich habe mein Haus und mein Herz für syrische Menschen geöffnet. Es schadet niemandem, mal über seinen Tellerrand zu schauen und sich auf Menschen aus anderen Kulturen einzulassen - im schlimmsten Falle wird es eine Erfahrung. In meinem Fall war es eine Bereicherung für mein Leben.
Der Krieg in Syrien hat einer mir fremden Mutter den Sohn genommen - und mir einen Sohn geschenkt.
Der wichtigste Mensch in meinem Leben ist syrischer Nationalität und dank seines Ehrgeizes und seiner Willenskraft studiert er seit 10/2017 an einer deutschen Universität.
Leider ist mein Buchblog aufgrund der DSGVO zur Zeit offline. Sollten Sie Interesse an meiner Rezension haben, schicken Sie mir bitte eine E-Mail und ich übersende Ihnen mit Freuden die Rezension.
Liebe Grüße
Barbara Diehl