Nach dem Krieg wurde dieses Kopftuch für zwei junge Liebende zum Symbol ihrer Liebe. Ein böser Zufall hatte sie – minderjährig noch - zu Häftlingen des Sowjetischen Speziallagers Nr. 7 im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen gemacht. Als Treueschwur haben sie das Tuch miteinander geteilt, haben die Lagerhaft überlebt und es wieder zusammengefügt. Wer will, kann es unweit von Berlin im Museum der Gedenkstätte Sachsenhausen besichtigen.
Ein Symbol der Hoffnung
Entdeckt habe ich dieses Tuch jedoch nicht im Museum, sondern bereits als Jugendliche in den 80er Jahren im Haushalt meines Onkels und meiner Tante, bei denen ich damals glücklichste Ferientage verbrachte. Ich weiß noch, wie ehrfürchtig ich dieses Symbol ihrer Liebe bestaunte. Unbegreiflich erschien mir, dass diese beiden so unerschütterlich optimistischen Menschen mit kaum 17 Jahren verhaftet und fünf Jahre lang unter schrecklichsten Bedingungen als zwei von insgesamt 60.000 Häftlingen von den russischen Besatzern in einem ehemaligen Konzentrationslager gefangenen gehalten worden waren.
Was wäre ohne ihre Liebe aus ihnen geworden? Wären sie dann gestorben, wie rund 12.000 ihrer Mithäftlinge, von denen viele wie sie keine Nazi-Verbrecher gewesen sind, sondern eher willkürlich verhaftet oder fälschlich denunziert worden waren? Wären sie lebenslang unglücklich geworden? Verbittert, weil das Unrecht, das ihnen widerfahren war, zu DDR-Zeiten systematisch verschwiegen worden war und auch in der Bundesrepublik kaum thematisiert wurde?
Was wäre wenn?
Mit dieser Frage nahm die Romanhandlung in meinem Kopf Gestalt an und die Geschichte, die ich in „Die Wahrscheinlichkeit des Glücks“ schließlich erzählt habe, wurde zu einer völlig anderen als die des roten Kopftuchs meiner Verwandten. Stattdessen waren Frieda Telling und Arno Rether geboren, die beiden Hauptfiguren dieses Romans: Eine erfolgreiche Astronomin, die alles berechnen will, selbst ihre Gefühle, und ein eher chaotischer Autor von Erotikromanen mit einem Faible für die sinnlichen Seiten des Lebens.
Keiner der beiden glaubt an die große Liebe. Beide interessieren sich nicht für die Vergangenheit ihrer Vorfahren. Doch genau wie reale Menschen agieren meine Romanfiguren nie im luftleeren Raum. Alles, was gewesen ist, prägt uns, davon bin ich überzeugt. Auch wenn wir nichts von der Geschichte unserer Vorfahren wissen (oder wissen wollen) wirkt sie in uns nach – dies bekommen auch Frieda und Arno zu spüren.
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