Johan Theorin stammt aus einer Familie von Fischern und Seeleuten. Seit seinen Öland-Romanen bricht ein Sturm der Begeisterung über ihn herein, dem er seltsam gelassen gegenübersteht.
Johan Theorin ist ein leiser Mensch. Er kann lange Strecken zurücklegen, ohne aufzugeben: 15 Jahre hat er geschrieben, immer wieder Absagen von Verlagen erhalten und weitergeschrieben. Er trennte sich von seiner Frau, zog seine Tochter allein groß und schlug sich als Journalist mehr oder minder erfolgreich durchs Leben, als unerwartet der große Erfolg an seine Tür klopfte.
Johan Theorin ist ein leiser Mensch. Er kann lange Strecken zurücklegen, ohne aufzugeben: 15 Jahre hat er geschrieben, immer wieder Absagen von Verlagen erhalten und weitergeschrieben. Er trennte sich von seiner Frau, zog seine Tochter allein groß und schlug sich als Journalist mehr oder minder erfolgreich durchs Leben, als unerwartet der große Erfolg an seine Tür klopfte.
„Öland“, das erste Werk seines geplanten Quartetts über die Insel seiner Kindheit, ist inzwischen in 13 Sprachen übersetzt worden und wurde ebenso wie „Nebelsturm“ mit dem Dagger-Award ausgezeichnet, dem „Oscar“ der Kriminalliteratur. „Blutstein“, der bisher letzte und gerade in Deutschland erschienene dritte Teil, ist auf dem besten Wege, ähnlich erfolgreich zu werden.
Theorin ist ein Langstreckenläufer, einer, der kein Gramm zu viel mit sich rumträgt. Mehrmals in der Woche geht er laufen, auch wenn es bitterkalt ist in Göteborg, dem Zuhause des Autors. „Es bringt nichts, auf die Inspiration zu warten“, sagt der studierte Journalist, „du musst dich hinsetzen und einfach schreiben.“
Wir treffen uns in seiner Schreibklause, einem winzigen Zimmer inmitten der Altstadt von Göteborg. Ein paar hundert Euro zahlt er für den ca. 10 Quadratmeter großen Raum, die anderen Zimmer in der Kreativ-WG sind alle größer, dafür hat er einen alten Kachelofen und einen Blick auf die Altstadt.
Theorin legt keinen Wert auf Statussymbole. „Wo ich schreibe, ist mir eigentlich egal, die Geschichten sind in meinem Kopf. Wenn ich nach Öland will, dann schließe ich die Augen und bin da“, erzählt der Schwede. „Und es ist gut, ein wenig Abstand zu haben, sonst ist es wie im Wald, jede Idee ist ein Baum, aber nirgends ist ein Weg zu erkennen.“
Vor Ort in Öland hätte Theorin einfach zu viele Impressionen. Fünfmal die Woche, immer von 10 bis 18 Uhr, kommt er in seine Klause und schreibt. Wenn es gut läuft, bis zu fünf Seiten am Tag, wenn es schlecht läuft, auch mal nur zwei.
Theorin serviert in der Gemeinschaftsküche schwedisches Essen: Elchfrikadelle mit Kartoffeln, nicht selbst gekocht, aber typisch schwedisch. Wir reden über Filme, seine große Leidenschaft. Er hat sogar einen Kurs für kreatives Drehbuchschreiben besucht, um zu verstehen, wie sie funktionieren. Auf seinem Schreibtisch liegt eine schwarze Kladde neben seinem Laptop, jede Seite randvoll mit handgeschriebenen Notizen. Hier steht alles drin: das Ende des letzten Teils seiner Öland-Romane, die Charaktere, alles was ihm gerade einfällt.
„Manchmal wache ich nachts auf, dann ist da was, das ich sofort aufschreiben muss. Deshalb liegt eine Kladde immer neben meinem Bett!“ Er hat keinen Internetanschluss, nichts, was ihn vom Schreiben ablenken könnte. „Warum schreibst du über Verbrechen“, frage ich Theorin. „Eigentlich schreibe ich gar keine Kriminalromane, das Verbrechen ist nur ein Erzählstrang. Ich schreibe über menschliche Beziehungen“, antwortet er.
„Warum gibt es in deinen Öland-Romanen keinen Kommissar?“ – „Ich habe dafür Gerloff, der immer wieder auftaucht. Er ist ein eher stiller Beobachter als eine Hauptrolle. Ich möchte mich durch eine zu starke Figur nicht einschränken. Darum habe ich auch alle Orte auf Öland umbenannt. Ich kann so freier erzählen.“
„Weißt du bereits am Anfang, wie sich deine Charaktere entwickeln?“ - „Nein, das wäre langweilig. Sie entwickeln sich und ich mich mit ihnen. Die Charaktere müssen mit der Geschichte wachsen. Gerloff beispielsweise ist an meinen Großvater angelehnt. Er war wie viele in meiner Familie Fischer und erzählte gern Geschichten. An die meisten, die mir mein Großvater erzählt hat, kann ich mich sehr gut erinnern. Einige davon sind sicherlich in meine Romane mit eingeflossen. Mein Vater, den ich lange gepflegt habe, starb, während ich ›Blutstein‹ schrieb, meine Mutter an Krebs während der Arbeit an ›Nebelsturm‹. Einem tödlich verunglückten Freund ist die Figur des Jens in ›Öland‹ nachempfunden.“
Während Theorin das erzählt, schaut er aus dem Fenster. Es schneit in Göteborg. Das Thermometer zeigt minus fünf Grad an. Theorin träumt für einen kurzen Moment – es ist seine kreative Quelle. „Ich bin ein Tagträumer. Das hilft mir beim Schreiben meiner Geschichten.“ Johan Theorin ist inzwischen ein berühmter Schriftsteller. Ein Status, der ihm noch fremd ist.
„Als ich einmal eine Lesung gehalten habe, hier in Schweden, bekam ich einen Brief von einer Frau. Sie schrieb, sie habe sich nicht in den Buchladen getraut, weil darin eine prominente Person gewesen sei. Sie meinte mich.“ Dabei schaut er einen ungläubig, fast hilflos an.
Theorin ist nicht nur ein erfolgreicher Tagträumer, sondern auch ein sehr unaufgeregter, nahbarer Mensch. Vielleicht liegt das daran, dass er wie so viele in seiner Familie ein Fischer ist. Theorin nutzt nur ein anderes Netz – es ist ein Netz aus Geschichten, das statt Fischen immer mehr Leser fängt. (ps)
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