Wer will ich sein, wenn ich
sein kann, wer ich will?
Claire kündigt ihren Job, um sich auf die Suche nach dem für sie richtigen Karriere- und Lebensweg zu begeben. Haben Sie selbst je eine ähnliche Auszeit genommen und vielleicht ähnliche Erfahrungen wie Claire gemacht?
Ich gab meinen ersten Job auf, bevor ich einen nächsten in Aussicht hatte, weil ich – wie Claire – fürchtete, mich niemals weiterzuentwickeln, wenn ich mich nicht dazu zwingen würde.
Bevor ich meine neue Stelle antrat, hatte ich sechs Wochen frei, was sich für mich als eine sehr merkwürdige Erfahrung entpuppte: Genau wie Claire hatte ich große Pläne, die Stadt zu erkunden, anspruchsvolle Bücher zu lesen und mir mal wieder Kulturelles vorzunehmen, aber die Tage vergingen wie im Flug. Es war neu für mich, während der Arbeitszeiten durch die Nachbarschaft zu schlendern und Leuten zu begegnen, die ebenso wenig abhängig vom üblichen Arbeitsrhythmus waren wie ich. Mit dieser Zeit werde ich immer bestimmte Gefühle verbinden: Die Ziellosigkeit und Langeweile, genau wie den Unglauben über das eigene Unvermögen, die simpelsten Aufgaben zu erledigen.
„Wer will ich sein, wenn ich sein kann, wer ich will?“
Gab es Vorbilder für Ihr Buch, zum Beispiel aus Filmen oder Büchern?
Ich bin ein großer Fan von amerikanischer Literatur, vor allem von Autoren, denen es gelingt, zugleich humorvoll und tiefgründig über die Facetten des alltäglichen Lebens zu schreiben. Ann Beattie, Lydia Davis, A. M. Homes und Lorrie Moore haben mich alle auf unterschiedliche Art und Weise beeinflusst. Was Filme betrifft, bin ich ein großer Fan von Lena Dunhams „Girls“. Außerdem schaute ich mir, während ich Abwesenheitsnotiz schrieb, Noah Baumbachs „Frances Ha“ an und sah Überschneidungen unserer Themen und Anliegen.
„24/7 - Das innere Monster zu verbergen ist an sich schon ein Vollzeitjob“
Glauben Sie, diese Art Sinnsuche ist typisch für Ihre Generation? Oder vielleicht typisch für Frauen Ihrer Generation? In anderen Worten, ist die Suche nach dem richtigen Lebensweg heute das, was früher die Suche nach dem richtigen Mann war?
Ich sehe bei meinen Altersgenossen tatsächlich einen gewissen Druck, einen Beruf zu finden, der nicht nur gut bezahlt, sondern darüber hinaus existenziell erfüllend ist. Zum Teil liegt es wohl an der heutigen Vielfalt der Jobs und Berufsfelder, die es früher einfach nicht gab. So viel Auswahl kann auch verunsichern und Panik hervorrufen: Habe ich unter den unzähligen Möglichkeiten für mich die richtige gewählt?
Die sozialen Medien, in denen wir uns gern im bestmöglichen Licht präsentieren, verstärken dieses Gefühl noch: Wir sehen die perfekt inszenierten Ausschnitte aus dem Leben anderer und beginnen, unsere eigene Lebensweise zu hinterfragen.
Die ‚Suche nach dem richtigen Mann‘ scheint heute ein ausgelutschtes, ermüdendes Narrativ zu sein. In den Medien heißt es häufig, die Zeit der romantischen Komödie sei vorüber, und ich denke, dies zeigt sich so langsam auch in heutigen Filmen und Büchern: Die Idee, dass die Partnerfindung der einzige Weg zur Glücksfindung sei, erscheint mir doch als inzwischen überholt und kleingeistig. Und so einschränkend! Für mich war es beim Schreiben meines Buchs viel interessanter, in jemanden hineinzuschauen, der zwar eine gute Beziehung hat, sich aber dennoch persönlich nicht erfüllt fühlt.
„Ich habe nicht in der Schule hart gearbeitet und anschließend studiert, um mein Leben lang E-Mails zu verschicken.“
Ihr Debüt war heiß umkämpft – gleich acht Verlage wollten Ihren Roman in England veröffentlichen, und die Übersetzungsrechte sind in über zehn Länder verkauft. Das ist äußerst ungewöhnlich für ein Debüt. Inwiefern haben Ihre Insider-Kenntnisse aus Literaturagentur und Verlag zu diesem Erfolg beigetragen?
Meine Zeit im Verlagswesen war weitgehend auf Sachbücher begrenzt, sodass ich mich zwar in der Welt der Bücher bewegte, aber praktisch über keinen Wissensvorteil verfügte, was den Belletristik-Markt betrifft. Jedenfalls hatte ich nicht die leiseste Ahnung, ob mein Text kommerzielles Potenzial versprach, aber durch meine Kontakte landete mein Manuskript nicht auf dem großen Sammelhaufen, was den Prozess zweifellos beschleunigte. Ich hatte unglaubliches Glück, dass meine brillante Agentin Jane Finigan von Lutyens & Rubinstein früh etwas in „Abwesenheitsnotiz“zu sehen meinte und mich anspornte, es zu Ende zu bringen: Ohne sie wäre ich wahrscheinlich immer noch erst bei der Hälfte …
„Für den Fall, dass mir ein risikofreudiger Millionär über den Weg laufen sollte, befindet sich auf meinem Handy eine Liste mit Geschäftsideen. Bislang steht dort: 1. Schwarze Milch (für Goths?)“
Über Lisa Owens
Lisa Owens ist die neue junge Stimme der britischen Literatur. Ihr von der Presse gefeiertes und in der Verlagswelt heiß umkämpftes Debüt „Abwesenheitsnotiz“ ist der Soundtrack einer ganzen Generation. Er erzählt die Geschichte von Claire Flannery, Mitte zwanzig, die gerade ihren Job gekündigt hat. Ohne Alternative, das heißt, um ihre ›wahre Berufung‹ zu finden. Was das genau sein soll, steht noch in den Sternen. Aber ist der Sprung ins kalte Wasser wirklich der erste Schritt zur ersehnten Selbstverwirklichung?
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