Im November 2000 sah ich Lady zum ersten Mal. Sie war damals neun Monate alt, nur noch Haut und Knochen und obendrein schwanger. Am auffälligsten waren ihr schiefes Maul und die ständig heraushängende Zunge. Die junge Hündin hatte noch etwa zwei Stunden zu leben, denn auf sie wartete die Gaskammer – in den USA damals noch eine gängige Art der Tötung. Lady war ein Fall unter vielen: ein Wegwerfhund. Eine Freundin nahm sie für mich auf, weil ich noch in Deutschland wohnte. Nach dem Umzug kam sie zu uns, ihre Babys hatte man ihr allerdings nehmen müssen, da sie zu schwach gewesen war, um eine Schwangerschaft durchzustehen.
Lady war nicht unser erster Hund. Bisher hatten wir alle aus irgendeiner Notsituation gerettet – in Deutschland genauso wie in den USA. Die Probleme sind hüben wie drüben die gleichen, und sie betreffen Hunde wie Katzen: Überpopulation, Streuner, Misshandlung. Die „Vermehrer“ – im Englischen als „Puppymills“ bezeichnet – und Hinterhofzüchter, die auf leicht verdientes Geld aus sind, vervielfachen das Problem. Die armen Tiere müssen zur Welpenproduktion herhalten und leiden schrecklich. Der Käufer merkt davon meist nichts, außer die Tiere sind krank oder genetisch vorbelastet.
Genetisch vorbelastet war auch Lady, nur war uns das damals nicht bekannt. Knochenkrebs, der als Lungenkrebs metastasiert, ist bei American Cocker Spaniels typisch. Aber zuvor erlebten wir eine wunderschöne Zeit mit unserem kleinen Kobold. Lady war vor allem eines: hibbelig, und überaus freundlich zu jedermann, sogar zu unseren beiden Katzen. Vor allem mit unserer Minnie, die wir 2005 aus dem Tierheim holten, pflegte sie eine tiefe Freundschaft. Oft teilten sie sich einen Sessel. Sie war einfach Spitze. Nur als sie älter wurde fiel uns auf, dass sie beim Klettern über Hindernisse offensichtlich Schmerzen verspürte, die wir aber nicht zuordnen konnten.
Als unser Pferd – ein aus Deutschland importiertes Holländisches Warmblut – sich verletzte und in den wohlverdienten Ruhestand ging, zogen wir auf eine sechs Hektar große Farm mit Wald und Wiesen. Wir bauten Stall und Koppeln und damit „Starlight“ Gesellschaft hatte, kauften wir ein abgehalftertes Rennpferd. Auf dem Grundstück befindet sich auch eine Obstwiese, die Ladys Lieblingsplatz wurde. Wenn sie dort herumschnüffelte, war ihr Stummelschwänzchen in ständiger Bewegung. Wir begannen, uns in der „Human Society“ zu engagieren, die vor allem auf Facebook immer populärer wird. Hunde, Katzen und andere Tiere werden von dieser Tierrettungsgesellschaft aus den kommunalen Tierheimen geholt und dann auf private Pflegeplätze verteilt. Dort bleiben die Tiere, bis jemand gefunden ist, der sie adoptiert. Vor allem unsere Tochter Franziska ist sehr engagiert bei der Sache. Bis dato konnten wir so vierzig Hunden und zehn Katzen eine zweite Chance geben, denn die Tierheime sind total überfüllt, sodass leider immer wieder Tiere eingeschläfert werden müssen.
Im Januar 2011 bemerkten wir, dass Lady langsamer wurde. Sie war nun fast elf Jahre alt, und als sie ihr Fressen verweigerte, fuhren wir mit größten Befürchtungen zum Tierarzt. Dort wurde die vernichtende Diagnose gestellt: Lungenkrebs. Als sie Atembeschwerden bekam, ging ich ein letztes Mal mit ihr in den Obstgarten. Dort lebte sie noch einmal auf, doch in der darauffolgenden Nacht wurde klar, dass es Zeit war, ihr über die Regenbogenbrücke zu helfen. Wir begruben sie auf der Obstwiese.
Woher sie kam, wissen wir nicht, aber dass unverantwortliche Züchter schuld an einer kurzen Lebenserwartung sind, ist bekannt. Als ich gefragt wurde, ob ich nicht eine heitere Liebeskomödie aus der Sicht eines Hundes schreiben wolle, gab es für mich kein Zögern, wer die Heldin des Buches sein würde.
Inzwischen haben wir neun Hunde, zwei Katzen und die beiden Pferde, dazu bekommen wir immer wieder mal Besuch von Wildtieren: Kojoten, Füchse, Truthähne, Weißwedel-Hirsche, Waschbären und Fledermäuse – und manchmal sogar ein Schwarzbär.
Lady werden wir nie vergessen, sie hat einen festen Platz in unseren Herzen.
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