Die Illustration auf dem Umschlag Ihres neuen Romans Der Allesforscher ist von Ihnen, Sie arbeiten ja auch als bildender Künstler. Auf dem Foto rechts kann man einige Bilder von Ihnen sehen. Was verrät uns das Cover über das Buch?
Während der Arbeit an diesem Roman habe ich immer wieder kleine Collagen hergestellt und auf denen dann ein wenig herumgekritzelt. So wie man früher beim Telefonieren Zeichnungen verfertigt hat (die Älteren erinnern sich daran). Die Abbildung ist auf diese Weise sukzessive entstanden, sie ist um ein weißes Loch herum gewachsen. Im weißen Loch steht nun mein Name. Die Vignette illustriert eine Facette des Alles, welches von zwei meiner Figuren erforscht wird: von einem alten Mann und einem kleinen Jungen.
In Ihrem Roman geht es um den ungewöhnlichen neunjährigen Simon – den Allesforscher – und eine ungewöhnliche, aber sehr enge Vater-Sohn-Beziehung. Sie haben selbst einen Sohn – leihen Sie sich manchmal bei ihm einen kindlich-neugierigen, unverstellten Blick auf die Welt? Gibt es reale Vorlagen für Simon und seine außergewöhnlichen Begabungen und Besonderheiten ?
Die größte Inspiration für meine Bücher waren und sind meine Erfahrungen mit Kindern und Tieren. Die Figur des Simon ist aber nicht das Porträt eines bestimmten Jungen, den ich kenne. Er ist das Konzentrat aller Kinder, denen ich einmal begegnet bin: ihre Talente, ihr Vermögen, ihr Fremdsein und ihr Behindertsein in der Welt, die sie erforschen, nicht zuletzt ihre Verbundenheit mit dem Unsichtbaren. - Der Titel des Romans stammt von meinem Sohn. Unzufrieden mit dem Begriff des Universalgelehrten, habe ich ihn gefragt, wie er so jemand bezeichnen würde. Er hat sofort geantwortet: „Na, als einen Allesforscher natürlich“. Und ich habe sofort gewusst: „Wunderbar, so muss mein Roman heißen.“ Aus dem Titel ist dann die Geschichte geschlüpft.
Die Geschichte des Ich-Erzählers Sixten Braun beginnt mit einem surreal anmutenden, aber doch der Realität entliehenen dramatischen Ereignis: Er wird auf einer Geschäftsreise in Taiwan von den Innereien eines explodierenden Wals fast erschlagen. Im Internet kann man eine Videoreportage dieses Ereignisses finden. Wie gehen Sie beim Schreiben vor – sammeln Sie derartige skurrile Begebenheiten und lassen sich von ihnen zu Geschichten inspirieren?
Zuerst war da die Idee mit dem Wal. In der Folge habe ich festgestellt, dass etwas Derartiges tatsächlich geschehen ist. Also habe ich die Fiktion mit der Realität verbunden: die Begegnung des erfundenen Sixten Braun mit einem realen toten Wal. Einem Wal, der die Geschichte in Gang bringt. Nicht schlecht für jemand, der tot ist. Aber die Toten sind ohnehin sehr aktiv in diesem Buch.
Das Schicksal bestimmt massiv das sehr bewegte Leben Ihrer Figuren – die Begegnung mit der Liebe ihres Lebens, spektakuläre Unfälle, ein plötzlich auftauchender Sohn. Und dabei sinnieren sie: „Wir können nicht ausschließen, dass sich uns jemand ausdenkt“. Haben Sie sich die Geschichte Ihrer Figuren vor dem Niederschreiben ausgedacht, oder entwickelt sich deren Schicksal beim Schreiben ein bisschen von allein?
Der Roman ist für mich gleich einer Landschaft. Die Ereignisse sind so folgerichtig wie unvorhersehbar. Es keimt und sprießt, Dinge sterben, Dinge werden geboren. Der Roman hat sein eigenes Wetter. Meine Freiheit ist dabei, gewisse Teile dieser Landschaft zu meiden, andere aufzusuchen. Ein bestimmtes Detail zu studieren, ein anderes zu ignorieren. Meinen eigenen Blick zu entwickeln (meine Sprache ist ein fassbarer Ausdruck dieses Blicks). Wobei ich im Falle dieses Buchs am Ende des Weges umgekehrt bin, um ein neues Ziel anzusteuern. Ein besseres Ende zu schreiben.
Simon, der talentierte Kletterer, und sein Vater Sixten, der unter Höhenangst leidet, machen sich gemeinsam auf den Weg in die Tiroler Berge, in denen vor vielen Jahren Sixtens Schwester tödlich verunglückte. Auch Ihr eigener Bruder, dem das Buch gewidmet ist, starb beim Bergsteigen. Wie fand dieses Thema in Ihren Roman? Versuchen Sie Ihre Höhenangst ebenso wie Sixten zu überwinden?
Mein Bruder starb vor dreißig Jahren. So lange brauchte es, bevor ich anfing, mich mit seiner Leidenschaft für die Berge und das Klettern zu beschäftigen. Die Orte aufzusuchen, die sein Leben und Sterben bestimmt haben. Und war dabei gezwungen, meiner eigenen Höhenangst zu begegnen. Im Nachwort des Romans heißt es darum: „Der Irrtum wäre nur, zu meinen, man könne die Angst überwinden. Eher freundet man sich mit ihr an, um dann praktisch Seite an Seite mit der Angst zu klettern.“ Und so kam es, dass ich während dieser Romanarbeit ein paar Kilo verloren habe. Angst macht dünn.
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Sixten Braun kommt auf S. 146 immer, wenn er Alpenverein hört, in den Sinn, das sei ein Naziverein. Gegen solche Anmutungen kann man wenig machen. Dennoch möchte ich hier einfach mal "Paul Preuß" in die Runde schmeißen, weil es zwar stimmt, dass der Alpenverein früh antisemitisch wurde, ich aber nicht glaube, dass der Alpinismus in seiner Wurzel so verstanden werden muss. PS: Noch weniger betrifft es wohl die "Kletterei", welche es mittlerweile auch ohne Berg und Stein und als etwas Eigenes gibt - wie Sixten selbst zwei Seiten davor noch weiß.