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Dienstag, 15. Oktober 2013 von


Der Krimi-Ingenieur Arne Dahl

Es ist eine Szene wie aus dem Film „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“. Arne Dahl kommt auf dem Fahrrad zum Treffpunkt Brandenburger Tor. Nach den ersten fünf Minuten ist klar: Der schwedische Krimiautor hat nichts mit dem menschenscheuen Schriftsteller Jakob Windisch gemeinsam: Dahl hat viel Humor und ist so unkompliziert, wie es wohl nur Schweden sein können.

Seit anderthalb Jahren lebt Dahl, der eigentlich Jan Arnald heißt, in Berlin – nicht permanent, sondern immer wieder für ein paar Wochen im Jahr. Von seiner kleinen Wohnung in Kreuzkölln aus erkundet er Kneipen, Klubs, Museen und Galerien mit dem Rad. „Ich mag Berlin, weil es anders als Stockholm eine richtige Großstadt mit viel Geschichte und Kultur ist“, erzählt er. Wir kommen schnell ins Gespräch über eine andere Hauptstadt: Oslo und der Amoklauf von Anders Breivik, der 77 Menschen getötet hat. Dahl erhielt die erste Nachricht über die Bombenexplosion über Facebook. „Mein erster Gedanke war, dass war ein Anschlag islamistischer Terroristen“, erzählt Dahl. Sein Roman „Opferzahl“ beginnt ähnlich: Mit einem Bombenanschlag auf die Stockholmer U-Bahn und einem Bekenneranruf von „Siffins heiligen Rittern“, einem islamischen Geheimbund. Doch die Spuren führen dann mitten in die schwedische Gesellschaft wie auch im Fall des norwegischen Attentats. „Breiviks Tat ist total krank, obwohl er planvoll und intelligent vorgegangen ist.“

Aus dem Literaturwisseschaftler Jan Arnald wird das Alter Ego Arne Dahl. 

Wir wechseln das Thema. Sprechen über seine Inspiration, seine Motive und seine Technik des Schreibens. „Als Junge habe ich die Krimis von meinem Vater gelesen. Dazu gehörten Autoren wie Agatha Christie, John le Carré oder Desmond Bagley“, erzählt Dahl, „aber mit 15 Jahren fand ich mich zu alt für Krimis und las fortan ernsthafte Literatur.“ Die Leidenschaft fürs Schreiben ist da noch nicht geweckt. Dahl beginnt in Stockholm zu studieren und promoviert in Literaturwissenschaften. Dann fällt die Berliner Mauer, bricht der Kommunismus zusammen und damit wandelt sich auch die Gesellschaft in Schweden. „Plötzlich kamen Menschen aus den Krisenregionen der Welt und aus Osteuropa nach Schweden, was unsere offene Gesellschaft gravierend verändert hat“, erzählt Dahl, „und ich suchte einen Weg, diese Veränderungen aufzugreifen und literarisch umzusetzen.“ Der erste Schritt: Aus dem Literaturwissenschaftler Jan Arnald wird das Alter Ego Arne Dahl, der Krimiautor. Der nächste: sein erster Kriminalroman „Misterioso“, in dem erstmals das A-Team um Paul Hjelm nach einem Mörder fahndet. 

„Opferzahl“ ist der neunte Band mit der Spezialeinheit der Stockholmer Reichspolizei, die inzwischen von Kerstin Holm geleitet wird. „Die Menschen im A-Team haben alltägliche Probleme und private Sorgen. Dadurch ist das Team stets in einer Entwicklung“, sagt Dahl. Jorge Chavez, der Internet-Experte des Teams, sucht in „Opferzahl“ beispielsweise Sex-Abenteuer in Chatrooms. Eine Suche, die fast zum tödlichen Verhängnis wird und damit endet, dass er sich mit seiner Ehefrau Sara Svenhagen versöhnt. 

Dahl plant seine Romane über Monate: „Die Suche nach einem guten Plot und der Dramaturgie der einzelnen Kapitel bedeutet Schweiß und Tränen.“ In dieser Zeit liest er viele Zeitungen und Fachbücher, recherchiert die Fakten und notiert sich jede Idee, bis alles in einem Plan festgehalten ist. Er konstruiert seine Romanidee wie eine neue Maschine, die im Computer eines Entwicklungsingenieurs entsteht. Und dann beginnt die schöne Zeit: das Schreiben. Sein Arbeitsgerät: ein kleiner Apple Laptop. 

„Opferzahl“ ist für viele Rezensenten Dahls bisher bester Krimi. Das findet er auch: „Das meiste wird schlechter, aber das Beste wird besser. Vielleicht liegt es daran, dass ich verstanden habe, wie ein guter Krimi funktioniert.“ Mittlerweile hat Dahl den elften Band über das A-Team abgeschlossen. Darin trifft sich die Einheit ein Jahr nach ihrer Auflösung in einem Schloss wieder. „Ein sehr spezielles Buch. Ich nenne es das >Buch elf von zehn<.“ Vielleicht der Höhepunkt seiner Serie über die schwedische Spezialeinheit, aber noch nicht das Ziel: „Ich möchte gern einen Krimi schreiben wie James Ellroy“, sagt Dahl. Dabei funkeln seine hellblauen Augen. Anschließend setzt er sich wieder aufs Fahrrad und verschwindet in der Menge vor dem Brandenburger Tor – völlig gelassen und nicht menschenscheu.


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