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Tür zu, es zieht!Tür zu, es zieht!

Tür zu, es zieht!

Kathrin Leineweber
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Aus dem Leben einer Stewardess

„Erfahrungen mit mehr oder weniger prominenten Passagieren oder dienstliche Auslandsaufenthalte beschreibt sie so einmalig gut, dass man auf jeder Seite beim Lesen schmunzeln muss. Interessanter Einblick in die Fliegerei.“ - Neue Ruhr Zeitung

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Tür zu, es zieht! — Inhalt

Wie rettet man seine Passagiere nach einer Notlandung in der Antarktis? Warum haben auch erfahrene Stewardessen manchmal Flugangst? Wass muss man in einer Flugzeugtoilette anstellen, um in den Mile High Club aufgenommen zu werden? Turbulenzen - ob zwischenmenschliche oder metereologische - gehören seit zwei Jahrzehnten über den Wolken genauso zu Chefstewardesse Kathrin Leineweber wir ihre Gabe, die Dinge mit Humor zu nehmen.

€ 10,00 [D], € 10,30 [A]
Erschienen am 13.08.2012
272 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-30096-4
Download Cover
€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 13.08.2012
272 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-95875-2
Download Cover

Leseprobe zu „Tür zu, es zieht!“

Wohin die Reise auch geht, hängt nicht davon ab,
woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt
Irischer Segensspruch


Technische Daten


Baujahr: April 1967
Jungfernflug: 1975 (mit Oma und Opa nach Palma de Mallorca )
Erstzulassung als Düse: März 1990
angeflogene Airports: 158
zurückgelegte nautische Meilen per Flugzeug: 5 640 000
verbrachte Stunden in der Luft: 11 988
auswärtige Übernachtungen: 1756
ausgeschenkter Tomatensaft: 7920 Liter
rote Lippenstifte verbraucht: 72
verschlissene Uniformschuhe: 28 Paar
Laufmaschen : 725
verschlafen: 1 Mal, aber [...]

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Wohin die Reise auch geht, hängt nicht davon ab,
woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt
Irischer Segensspruch


Technische Daten


Baujahr: April 1967
Jungfernflug: 1975 (mit Oma und Opa nach Palma de Mallorca )
Erstzulassung als Düse: März 1990
angeflogene Airports: 158
zurückgelegte nautische Meilen per Flugzeug: 5 640 000
verbrachte Stunden in der Luft: 11 988
auswärtige Übernachtungen: 1756
ausgeschenkter Tomatensaft: 7920 Liter
rote Lippenstifte verbraucht: 72
verschlissene Uniformschuhe: 28 Paar
Laufmaschen : 725
verschlafen: 1 Mal, aber gründlich
gefühlte Mücken-, Sandfloh- und Wanzenstiche: unzählbar
geschriebene Postkarten: 536
Dienst wegen unerwarteter Umstände nicht angetreten (Auto im Graben wegen Glatteis, Autopanne unterwegs, alle vier Kinder gleichzeitig Windpocken): 3 Mal
verschlissene Ehemänner: 1½
Kinder : 4
graue Haare aufgrund von Verspätungen, widrigen Umständen und schwierigen Mitmenschen: siehe Mückenstiche


Willkommen an Bord!


Fliegen macht süchtig, das habe ich bei meiner Lebensplanung absolut unterschätzt. Inzwischen bin ich seit mehr als 22 Jahren bei einer deutschen Airline beschäftigt – und noch immer erwische ich mich bei dem sehnsüchtigen Gedanken, wohin wohl die nächste Reise geht.
Dabei sind wahrhaftig nicht alle Flüge ein Genuss. Flugbegleiter sein heißt nun mal nicht, in schicker Uniform mit kleinem Zieh-Köfferchen und schwindelerregend hohen Pumps durch weltbekannte Flughäfen zu staksen, den Jetlag an den schönsten Stränden der Welt in der Sonne zu verdösen und dazwischen in New York, Bangkok oder Shanghai ein bisschen shoppen zu gehen.
Ein Flugzeug ist ein ganz eigenes Universum mit vielen fremden Menschen auf engstem Raum in 10 000 Metern Höhe – eine Showbühne für unglaubliche, witzige, rührende und haarsträubende Geschichten während der Reise zu den unterschiedlichsten Destinationen auf diesem Globus.
Oft habe ich mir gedacht, ich sollte bei Wetten, dass …? mitmachen, indem ich beim bloßen Anblick der Fluggäste sage, woher die Maschine kommt: Gäste mit Zöpfchen und Palmflechthut aus Punta Cana, Passagiere mit Rucksack und Sandalen aus Kos, braun gebrannte Herrschaften mit Golftaschen aus Fort Myers und zobelbehangene Damen mit platzenden Duty-free-Tüten aus St. Petersburg. Und dann ist da noch Ibiza …
An einem regnerischen Sonntag, der mir bestens im Gedächtnis geblieben ist und erst mal förmlich danach schrie, mit dampfendem Tee vor dem Kamin verbracht zu werden, stand DUS-IBZ-DUS-SZG-DUS auf dem Dienstplan – also ein Hopser von Düsseldorf auf die schicke Baleareninsel mit anschließender Stippvisite in Salzburg.
Bei Ibiza handelte es sich um eine Destination, die für ihr schickes Publikum bekannt und gefürchtet war. Während nach Málaga, auf das spanische Festland, oft eher elitäre Menschen zu ihren Ferienhäusern oder einem kleinen Golfwochenende reisten, die man mit schnöden Sandwiches und Getränken in Plastikgläsern besser gar nicht erst belästigte, war das Publikum auf Ibiza stets sehr gemischt. Es flogen die Reichen und die Schönen, die Verrückten, die Durchgeknallten, die „Mehr scheinen als sein“-Menschen, rüstige Rentner und – ja, doch – auch ein paar ganz normale Gäste, die im November einfach dem ekligen Wetter in Deutschland entfliehen wollten. Diese bunte Mischung verlangte von uns Flugbegleitern ein Höchstmaß an Flexibilität. Die Wünsche an Bord waren vielfältig und oft zahlreicher, als wir bei zwei Stunden Flugzeit in der Lage waren zu befriedigen.
Wir boardeten an jenem Morgen über zwei Treppen, da die Gäste per Bus vom Terminal kamen. Während die hintere Treppe aus mir unverständlichen Gründen verwaiste, knubbelten sich unsere Passagiere auf der vorderen Gangway. Ins Flugzeug hineinzukommen, war ungefähr so einfach, wie einen ausgewachsenen Elefanten durch ein Nadelöhr zu fädeln, zumindest wenn man das voluminöse Handgepäck unserer Gäste mit in Betracht zog. Rechts hing meistens eine Handtasche, in die problemlos eine Enzyklopädie der Neuzeit gepasst hätte, links zerrte man einen Hartschalen-Bordtrolley in Lackschwarz, Rot oder modischem Türkis hinter sich her, in dem sich problemlos ein blinder Passagier hätte verstecken können. Über dem Arm hing dann die winterliche Oberbekleidung, manchmal zusätzlich noch ein Laptoptäschchen. Da man so bepackt nicht die Zeitschriftenstapel inspizieren konnte, wurde das Gepäck erst einmal in der Küche mit Schwung fallen gelassen. Gut, wenn man da als Flugbegleiter seine Füße vorausschauend in Sicherheit gebracht hatte.
Das Problem unseres Baby-Airbusses war, dass er in den vorderen Gepäckfächern leider kaum Stauplatz für die Gäste hatte. Auf der linken Seite blockierte die Videoanlage ganze zwei Staufächer, und danach parkte dort auch noch die firmeneigene Ausrüstung, wie die Computer für den Bordverkauf, ein Safe, Absperrbänder, falls mal eine Tür unbrauchbar sein sollte, ein Megafon und ein kleiner schwarzer Koffer mit allen Videokassetten, die man während des Flugs gebrauchen konnte. Versäumte man als Purser, wie der Kabinenchef im Flieger genannt wird, die notwendigen Filme vor dem Einsteigen der Passagiere zu entnehmen, gab es entweder ein karges Unterhaltungsprogramm auf dem Flug oder man musste sämtliches, sorgsam hineingepfriemeltes Gepäck erst mal wieder entfernen. Auf der rechten Seite sah es leider auch nicht viel besser aus, hier verweilten in pummeligen Jutesäcken so unverzichtbare Dinge wie Verlängerungs- und Babygurte, Ersatzschwimmwesten und natürlich unsere komplette medizinische Ausrüstung. Das Gemeine an der ganzen Situation war, dass die Gäste in Reihe eins, also unmittelbar hinter der ersten Trennwand zu unserer Kombüse, angehalten waren, zu Start und Landung sämtliches Handgepäck in den oberen Fächern zu verstauen, da es sich hier um den direkten Zugang zu den Notausgängen handelte.
An diesem Morgen zogen dort ganz elitäre Menschen ein, mit Gepäck, das zum Auswandern sicher gereicht hätte. Ein sperriger Alukoffer köpfte bei einem dilettantischen Verstauversuch fast einen Mitreisenden, ein großer Kleidersack wurde in Fach eins deponiert, indem man unsere Sicherheitsausrüstung pfiffig herausräumte und mit dem Fuß diskret in die Galley, also unsere Küche, schob.
Die Erfahrung hatte gezeigt, dass gewisse Diskussionen nur zu grauen Haaren führten – und zwar ausnahmslos aufseiten des Dienstleisters. Deshalb verstauten wir den ganzen Krempel ohne große Kommentare woanders, zumal es wieder einmal pressierte. Aber Reihe eins hatte noch mehr Überraschungen für uns – der Flug sollte nicht langweilig werden.
Zunächst kam jedoch ein rüstiger Rentner in einer nachempfundenen Admiralsjacke an Bord. Das gute Dutzend Goldknöpfe blinkerte mit seinen Kronen um die Wette, die nicht ganz dazu passende Jeanshose in Karottenform hatte er bis knapp unter die Achseln gezogen, und seine Füße zierten eine Art Lackschuhe, mit güldener Schnalle geschmückt. Er hatte auch einen zünftigen Seesack dabei, mit dem er schwunghaft den Stapel Zeitungen vom Trolley am Eingang wischte. Er quetschte sich ohne Kommentar, aber mit breitem Grinsen neben meine Kollegin in ihren Zeitungskiosk und drängte ihr ein Gespräch auf. Offenbar fühlte er sich sehr wohl bei dem Plausch, denn er machte so gar keine Anstalten, seinen Platz aufzusuchen. Hartnäckig blieb er samt Seesack in der Küche stehen, bis auch die letzten Passagiere eingestiegen waren. Kurze Zeit später hieß es „Boarding completed“ – alle Gäste an Bord. Meine Frage an ihn, wie wir ihm denn nun helfen könnten, wurde komplett ignoriert, er schulterte salopp seinen Sack, ging drei Schritte bis zu Reihe drei, wo der Gangplatz noch frei war, und proklamierte laut: „So, dann sitze ich heut mal da ! “
Ich beobachtete mit Spannung, wo der Herr Admiral a. D. nun wohl sein Gepäck verstauen würde. Aber auch das war für den alten Seebären kein Problem, er wischte die sorgfältig zusammengefaltete Oberbekleidung seiner Sitznachbarn forsch beiseite, stemmte den Sack nach oben und fing an zu drücken. Er schaffte es tatsächlich, das Ungetüm hineinzuquetschen, und knallte die Klappe sodann lautstark zu. Eigentlich müsste der Flieger nun eine Beule in der Außenhaut haben, dachte ich. Das konnte ja noch spaßig werden.
Nachdem wir die vorläufige Reiseflughöhe fast erreicht hatten und das Vorflugprogramm abgehakt war – Serviceansage machen, heiße Essen anpreisen, Film für die Sonderessen einlegen, Bestellungen derselbigen aufnehmen, Kopfhörer verkaufen, Videomagazin einlegen und die Jungs im Cockpit füttern –, konnten wir mit unseren fertig aufgebauten Wagen in die Kabine rollern. Ich musste nur noch einmal kurz an das zweite Gepäckfach, um dort unsere Baranhänger mit Milch, Zucker, Zitrone und Rührstäbchen herauszufischen. Diese waren genau über dem Kopf des Herrn Admiral geparkt. Er rief laut: „Die Musik eben war aber schön! Warum ist die jetzt wieder aus ? “
„Das war nur die Hintergrundmusik von unserem Informationsfilm über die heißen Essen, die wir heute an Bord haben“, erklärte ich ihm.
„Schade!“, grunzte er. „Die Musik war schön. Der Rest ist echt schlecht. Dieser komische Schauspieler, den Sie da immer zeigen, dieser Brian Dingsda … da … der ist wirklich nicht zum Aushalten!“
Inzwischen hatte ich die Schublade aus dem Gepäckfach ziehen können und schloss sie wieder.
„Tut mir leid, aber wir haben ganz verschiedene Musikkanäle, vielleicht ist ja da etwas für Ihren Geschmack dabei … ? “
„Ach was“, winkte er ab, „das ist doch alles totaler Mist! Wollen Sie mich vielleicht auf den Arm nehmen? Das kann man doch keinem Menschen zumuten, das Gedudel! Ich fliege sonst sowieso immer mit XY-Airways!“
Na, warum zum Teufel konnte der Herr Admiral das nicht heute auch tun? Flogen die nicht nach Ibiza?
Ich sah mich leider gezwungen, das Gespräch an dieser Stelle abzubrechen, flötete „Sie entschuldigen mich, meine Kollegin wartet auf die Zuckertüten …“ und ließ den Seebären weiter vor sich hin brabbeln. In der Galley klemmte ich die beiden Baranhänger an unsere Wagen und schüttelte den Kopf.
„Was war denn das für eine Diskussion?“, fragte meine Kollegin, die durch den Vorhangspalt meinen Dialog mit 3C beobachtet hatte.
„Frag nicht, lass uns einfach anfangen …“
Meine Kollegin ging rückwärts mit einem Getränkewagen, ich folgte ihr vis-à-vis mit einem Sandwichtrolley, auf dem oben die Standardgetränke wie Kaffee, Tee, Cola, Wasser und Saft in einer Schublade aufgebaut waren. Praktischerweise ließ sie mir die ersten Reihen frei und fragte schon einmal in Reihe drei nach Getränken. Das Essen würden die Passagiere dann etwas später von mir bekommen, sobald ich mit Reihe eins und zwei fertig war. Ich begann auf der linken Seite: „Was möchten Sie gerne trinken ? “
Dame auf 1C: „Ich hätte gerne … ich hätte gerne … ja, was hätte ich denn gerne? Ilse, was nimmst du denn?“
Ilse auf 1B erhielt einen herzhaften Knuff in die Seite.
„Hä?“ Die Dame, nicht mehr ganz jung an Jahren, hatte kein Wort verstanden. Das war in der Steigflugphase nicht ungewöhnlich, der Flieger war noch recht laut, und nicht umsonst waren wir Flugbegleiter allesamt Profis im Lippenlesen.
Ilse überlegte angestrengt und brüllte dann: „Ich krich Teeh ! “
Dame auf 1C : „Gut, für mich dann auch einen!“
Ich nahm zwei Pappbecher in die Hand und fing an, in einen davon schwarzen Tee einzuschenken.
„Leichten Kaffee haben Sie ja wohl nicht? Darboven?“
„Ich kann Ihnen Kaffee HAG anbieten, der ist koffeinfrei. “
„ Keinen Darboven ? “
„Nein, leider, Kaffee HAG.“
„Mmmh.“ Die Dame auf 1C überlegte, wartete, bis ich den Tee auf das Tischchen von 1B gestellt hatte, und sagte dann bestimmt: „Dann nehm ich den leichten Kaffee, aber mit viel heißem Wasser.“
„Einen Moment, bitte.“
Ich stellte die Teekanne zurück auf den Wagen, öffnete den Vorhang und verschwand in der Küche, um ein Tütchen Kaffee HAG aus dem Ausrüstungswagen zu kramen. Wenig später stellte ich den dampfenden Becher auf ihrem Tischchen ab.
„Das ist Kaffee HAG?“ Sie äugte erst skeptisch in den Becher, dann zu mir hoch. Ich bejahte diese Frage und lächelte.
„Möchten Sie Milch und Zucker dazu?“
„Ja, und heißes Wasser!“
Ich legte ihr ein Döschen Milch und eine Tüte Zucker nebst Rührstängel neben den Kaffee, verschwand für das begehrte Glas heißes Wasser wieder hinter dem Vorhang und zapfte es aus dem Coffeemaker. Als ich es neben den Kaffee stellte, sagte 1C: „Zwei Milch, einen Zucker!“ und schaute mich strafend an. Wie unachtsam von mir, noch nicht mal ihre Gedanken lesen zu können! Derweil schaute Ilse neugierig auf den Kaffeebecher ihrer Nachbarin und fragte: „Was ist denn das?“
„Da ist leichter Kaffee, aber nur von HAG. Willst du auch einen ? “
Und ob Ilse wollte.
„Den können Sie wieder mitnehmen!“, sagte 1C zu mir und deutete forsch auf den Teebecher.
„Ich kriech auch so was!“, quäkte Ilse und zeigte auf den Kaffee HAG.
Sehr gerne. Ich verschwand zum dritten Mal hinter dem Vorhang. Der widerspenstige Trolley ließ sich nicht gleich öffnen, und ich half mit einem beherzten Tritt nach. Der Kaffee für Ilse war schnell gemacht, und weiter ging es im Service.
1A nahm ganz unspektakulär einen O-Saft ohne Sandwich. Dafür bekamen Ilse und ihre Freundin noch jeweils ein Mineralwasser, mit Blubber natürlich, dekoriert mit einem Schnitzer Zitrone, und überlegten eine gefühlte Ewigkeit, ob sie sich für das Sandwich-Modell Käse oder Putenwurst entscheiden sollten. Geduld zählte ohnehin nicht zu meinen Kernkompetenzen, inzwischen war ich kurz davor, in der Küche noch einmal gegen irgendeinen Trolley treten zu müssen. Aber Gelassenheit ist alles, dachte ich und sah, dass meine Kollegin bereits in Reihe vier angekommen war.
Auf der anderen Seite von Reihe eins erging es mir nicht viel besser. Dort begehrte man einen Früchtetee – wieder zurück in die Galley –, eine Cola light mit Zitrone und einem klitzekleinen Eiswürfel – aber bitte nur einem ganz kleinen, sonst verwässert er den Geschmack! – und ein Bitter Lemon, das sich zu meiner übermäßigen Freude ebenfalls in der Küche verbarg.
Endlich stand ich mit meinem Wagen in Reihe zwei. Hier saß eine junge Familie mit einem ziemlich groß geratenen Kleinkind. Ich hätte den Bengel mindestens auf drei oder vier geschätzt anstatt auf unter zwei.
„Wir nehmen zwei Mineralwasser und einen Champagner … “
Ich hätte schreien können, an diesem Tag wäre ich mit einem Getränkewagen und zwei Schubladen mit Sandwiches weitaus besser bedient gewesen, denn natürlich musste ich auch den Champagner wieder aus der Küche organisieren.
Ich flötete „Ein Augenblickchen“ und verschwand wieder hinter meinem Freund, dem Vorhang. Ich holte den Champagner, knotete eine Serviette um den Flaschenhals von Herrn Heidsieck und angelte nach der dazugehörigen Champagnerflöte aus Kristallplastik. Als ich die bestellten Getränke anreichen wollte, sah ich aus dem Augenwinkel, wie mein Trolley, dessen Bremse ich schon gelöst hatte, ins Wanken geriet. Turbulenzen hatten wir keine, aber der Admiral auf 3C, also genau auf Höhe meines dort geparkten Wagens, war aufgestanden und quetschte sich einfach an dem Barwagen vorbei, denn Gast 3B, eine recht füllige Dame, musste offenbar mal zur Toilette. Ohne ein Wort schob er sich in den Gang und bog den Wagen einfach zur Seite, woraufhin dieser eine ungesunde Schräglage einnahm und Kaffee, Tee und Softdrinks aus ihren Behältnissen hüpfen wollten. Ich konnte wegen der gelösten Bremse den Wagen nicht loslassen, balancierte in der linken Hand noch immer den Champagner nebst Flöte und stand nun ungewollt in direkter Tuchfühlung mit unserem grantigen Seebären mittig im Gang. Zur Krönung versuchte noch die Dame von 3B, sich an uns vorbeizuquetschen.
Die Mutter des Kleinkinds beobachtete mit Spannung mein Mienenspiel, offenbar wartete sie auf irgendeine Schimpftirade oder wenigstens eine Zurechtweisung. Innerlich hatte ich sicher einen weitaus höheren Druck als ihr Piccolo, aber ich verkniff mir einen Kommentar. Was hätte es gebracht? Meine Kollegin war inzwischen fast an den Tragflächen angekommen, ich hing immer noch in der zweiten Reihe. Gut, dass die Flugzeit für dieses Servicekonzept verhältnismäßig lang war.
Als endlich sämtliche Sandwiches verteilt waren und wir die Wagen zurück in die Küche zogen, blieben wir wieder in Reihe drei stecken. „Ich hätte gerne eine Flasche Bier!“, orderte der Admiral mit donnernder Stimme
„Tut mir sehr leid, ich kann Ihnen nur eine Dose Bier anbieten“, erwiderte ich.
„Dosenbier? Bah, das können Sie selber trinken! Ich verzichte ! “
Na, dann eben nicht. In Reihe zwei konnten wir noch ein Wasser servieren, und in Reihe eins hatten Ilse und ihre Freundin auf einmal mit der Zugluft zu kämpfen. Um sich aufzuwärmen, bestellten die beiden noch einen „leichten Kaffee“. Damit waren wir aus dem ersten Servicedurchgang entlassen. Ach, nein, halt, Platz 1F verlangte noch eine Cola light: „Sie wissen schon, mit einem klitzekleinen Eiswürfel. “
Ich suchte den süßesten und kleinsten Eiswürfel heraus und servierte die Cola mit dem dazugehörigen Lächeln. Insgeheim aber dachte ich: Nur noch drei Flüge und neun Stunden Dienst, und schwupp, dann hast du Feierabend …
Während meine Kollegin das Chaos in der Küche bezwang, den übrig gebliebenen Kaffee und Tee in der Toilette entsorgte und die leeren Flaschen wieder in die Wagen räumte, verteilte ich schon einmal die heißen Essen, die die Gäste vorhin bestellt hatten. Heute waren dies vier Currywürste, zwei Chili-Hähnchen und zwei Mal das Pilzgericht.
Diese Essen hatten es in sich: Die Plastikteller waren glühend heiß, wenn sie aus dem Ofen kamen, und von ihnen musste noch eine nicht minder heiße, widerspenstige Alufolie abgefrickelt werden. Zur Currywurst gesellten sich dann ein aufgebackenes, nicht minder störrisches Brötchen, ein Wurstpieker und eine Tüte mit extra Currypulver.
Eigentlich sollte die Metallfolie vor dem Gast abmontiert werden. Aber nachdem mir einmal bei Turbulenzen so ein Fleischteil entglitten war und sich mit Schwung die gesamte Sauce großzügig auf meiner Uniform verteilt hatte, zog ich es vor, die heißen Essen in der Küche auszuwickeln.
Also balancierte ich die Bestellungen in die Kabine, eine Wurst saß auf 4F, eine auf 6D und zwei auf 13A und B. Die Dame auf 4F winkte mir hektisch, offenbar war sie bereits am Verhungern. In Reihe zwei, bei dem Elternpärchen nebst zu großem Kleinkind, servierte ich zwei Mal die Pilze. Nach einem kurzen Blick auf die Essen sagte die Mutter: „Können Sie meins wieder mitnehmen? Ich esse das später! Sie können es irgendwo hinstellen, es muss nicht in den Ofen, es ist sowieso immer zu heiß. Und ich hätte gerne noch einen Champagner.“
An dem leeren Champagnerpiccolo lutschte unterdessen ausgiebig der Nachwuchs, der auf dem Sitz zwischen ihnen saß. Verträumt nuckelnd schaute er mich dabei an. Der Vater zog derweil das andere Essen zu sich, drückte mir seinen leeren Plastikbecher in die Hand und fragte: „Können Sie das mitnehmen? Ich hätte auch gerne noch ein Wasser. Dann brauchen Sie nicht zwei Mal zu laufen …“
Nachdem die heißen Essen ausgeteilt waren, galt es, den Müll wieder einzusammeln. Meine Kollegin bereitete die Wagen und die Küche schon einmal für den Rückflug vor, also schnappte ich mir das Müllauto und rollerte wieder in die Kabine. Weit kam ich nicht, die Dame von 1C blaffte mich an, kaum dass ich den Vorhang beiseitegeschoben hatte: „Sagen Sie mal, das ist ja eine Unzumutbarkeit! Das ist ja hier kaum zum Aushalten!!“
„Was meinen Sie bitte?“, fragte ich. Ich konnte mir in der Tat keinen Reim auf diese Beschwerde machen.

Über Kathrin Leineweber

Biografie

Wer denkt, dass Stewardessen durchgestylte Großstadtneurotikerinnen mit Jet-Set-Sehnsucht sind, kennt Kathrin Leineweber nicht. Mit ihrer Patchwork-Großfamilie und jeder Menge Getier lebt sie in einem perfekten Kontrastprogramm zur großen weiten Welt: einem kleinen Dorf bei Münster.

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„Erfahrungen mit mehr oder weniger prominenten Passagieren oder dienstliche Auslandsaufenthalte beschreibt sie so einmalig gut, dass man auf jeder Seite beim Lesen schmunzeln muss. Interessanter Einblick in die Fliegerei.“

Kommentare zum Buch
Ein weiterer Band?
Wenzky, Maik am 20.07.2015

Hallo Frau Leineweber,   ich habe köstlich gelacht beim lesen Ihres Buches. Meine Frage, gibt s ggf. bald eine Fortsetzung, einen zweiten Teil?   Liebe Grüße aus Berlin   Maik Wenzky

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