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Noras Welten (Noras Welten 2)

Noras Welten (Noras Welten 2)

Madeleine Puljic
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Weltenbruch

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Noras Welten (Noras Welten 2) — Inhalt

Nora hat eine Gabe: Sie ist Weltenwandlerin und kann in die Handlung eines Buches eintauchen. Die Welt Eldinor hat sie durch ihre Anwesenheit und ihr Eingreifen in die Handlung ganz schön durcheinandergebracht, um mit Keldan zusammen sein zu können. Als Nora nun nach Eldinor zurückkehrt, muss sie feststellen, dass ihr Handeln weitreichende Konsequenzen nach sich zieht: Eldinor ist instabil und sein Untergang steht kurz bevor. Weltenwächter Xsartos ist Nora auf der Spur und versucht den Schaden zu beheben. Da Nora ihre neu gewonnenen Freunde nicht zurücklassen möchte, ersinnt sie einen Plan, um Eldinor zu retten. Doch damit droht sie das Weltengefüge vollends aus dem Gleichgewicht zu bringen ...

€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erschienen am 02.03.2020
320 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99475-0
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Leseprobe zu „Noras Welten (Noras Welten 2)“

1. Kapitel

Nora Winter verließ ihre Welt in Yogahosen und Kapuzenpulli. Kein ideales Outfit, um in eine mittelalterliche Geschichte zu hüpfen. Das wurde ihr klar, als sie unmittelbar vor zwei Wachmännern in Kettenhemden landete. Augenblicklich zückten die beiden ihre Schwerter und richteten sie auf Noras Brust und Hals.

Sie konnte es ihnen nicht verübeln. Artig hob sie die Hände. „Hallo. Ich möchte zu Keldan.“

Die Männer sahen sie an, als würde sie in fremden Zungen sprechen.

Nora seufzte. »Jungs, es tut mir leid, dass ich euch erschreckt habe. Ich [...]

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1. Kapitel

Nora Winter verließ ihre Welt in Yogahosen und Kapuzenpulli. Kein ideales Outfit, um in eine mittelalterliche Geschichte zu hüpfen. Das wurde ihr klar, als sie unmittelbar vor zwei Wachmännern in Kettenhemden landete. Augenblicklich zückten die beiden ihre Schwerter und richteten sie auf Noras Brust und Hals.

Sie konnte es ihnen nicht verübeln. Artig hob sie die Hände. „Hallo. Ich möchte zu Keldan.“

Die Männer sahen sie an, als würde sie in fremden Zungen sprechen.

Nora seufzte. „Jungs, es tut mir leid, dass ich euch erschreckt habe. Ich verspreche, es kommt nicht wieder vor. Könntet ihr mich jetzt bitte zu Keldan bringen?“

Bei allem Schreck, den sie den beiden eingejagt haben musste, hätte Nora erwartet, dass zumindest der Name Keldan irgendeine Reaktion hervorrief. Immerhin war er der König. Oder nicht?

Die Wachen machten jedoch keine Anstalten, auch nur ihre Schwerter herunterzunehmen, geschweige denn, sie irgendwohin zu geleiten.

Unsicher ließ Nora die Hände sinken.

Als sie Eldinor verlassen hatte, war sie die Frau an Keldans Seite gewesen. Sie hatte neben ihm gesessen während der gesamten Feierlichkeiten, die seiner Krönung vorausgegangen waren. Wieso erkannten die Männer sie nicht? War etwas schiefgegangen bei ihrem Sprung?

So unauffällig wie möglich sah sie sich um. Der gemauerte Gang, in dem sie angekommen war, besaß keine Fenster. Er konnte zu Keldans Schloss gehören. Sicher war sie allerdings nicht. Wie viel Zeit war in Eldinor vergangen, seit sie das Buch verlassen hatte? Ein Jahr? Ein Jahrhundert? Für Nora waren es drei Monate gewesen, die sie in ihrer Welt zugebracht hatte, doch in Büchern war Zeit etwas Relatives. War sie denn überhaupt in der richtigen Version der Geschichte gelandet?

Fakt war: Der Zauber auf ihrem Amulett hätte sie zu Keldan bringen sollen, doch der war nirgendwo zu sehen.

„Hände wieder nach oben, Zauberin!“

„Schon gut!“ Meine Güte, man könnte meinen, die hätten Angst vor … Nora stutzte. Die Wachen hatten Angst vor ihr. Aber weshalb? „Ich möchte nur –“

Sofort wurde sie von kräftigen Händen gepackt und gegen die Wand gedrückt. Ihre Wange rieb über grob behauenen Stein. „Los, knebel sie, bevor sie uns mit ihren Worten die Sinne vernebelt!“

„Au!“ Von wegen! Ihre Sinne hatten die Kerle ja wohl ohnehin nicht mehr beisammen! Sie dienten einem Magier als König, der einen Drachen als Verbündeten besaß. Und da fürchteten sie sich ausgerechnet vor ihr?

„Was ist mit Rashuk?“, fragte sie. Wenn man sie schon nicht zu Keldan vorließ, dann wollte sie wenigstens den Drachen sprechen! „Könnt ihr nicht – mmmmpf!“

Ohne auf ihre Frage einzugehen, stopfte einer der Männer ihr ein Tuch in den Mund, das nach schalem Bier und Moder schmeckte, und verknotete es straff an ihrem Hinterkopf. Mit einem Ruck zogen die Wachen sie von der Mauer fort. Die Hände banden sie ihr mit einem groben Strick vor dem Bauch zusammen.

„Und jetzt?“, fragte derjenige, der ihr den Knebel verpasst hatte.

„Erst mal ins Verlies mit ihr. Soll der Wärter entscheiden, wie es mit ihr weitergeht.“

Verlies? Auf keinen Fall! Jetzt langte es. Das war nun wirklich nicht das, wofür sie in diese Welt zurückgekommen war!

Nora versuchte mit aller Kraft, sich aus dem Griff der Wachen zu befreien. Vergebens. Je heftiger sie sich wand, desto erbitterter wurde sie festgehalten. Und da sie sich nicht ohne Widerstand abführen ließ, schleiften die Wachmänner sie kurzerhand mit. Sie stemmte die Füße in den Boden, doch ihre Flauschsocken fanden keinen Halt auf den steinernen Bodenplatten. Schon nach wenigen Schritten hing sie zwischen den beiden Männern wie ein Sack Kartoffeln.

An Kraft konnte sie es nicht mit ihnen aufnehmen, also tat Nora das Einzige, das ihr noch blieb: Sie schrie aus Leibeskräften gegen ihren Knebel an. Der Stofffetzen machte es ihr unmöglich, Worte zu artikulieren – eine beachtliche Lautstärke brachte sie dennoch zusammen.

Jedenfalls so lange, bis ihr ein Ellbogen in die Rippen schlug. Nora keuchte, doch mittlerweile war der Knebel durchtränkt von ihrem Speichel und klebte ihr im Mund. Während der nächsten Schritte war sie vollauf damit beschäftigt, genug Atem zu bekommen, um nicht ohnmächtig zu werden. Verzweifelt sog sie Luft durch die Nase ein.

So hatte sie sich ihre Rückkehr nach Eldinor wahrlich nicht vorgestellt. Ein freudiges Wiedersehen mit dem Mann, der sie liebte, das hatte sie gewollt! Umarmungen, Küsse, ein Happy End … Aber irgendetwas war gewaltig schiefgegangen. Sollte sie zurückspringen? Hinaus aus der Geschichte, zurück in ihr warmes Wohnzimmer, in die Sicherheit ihrer eigenen Welt, und einen zweiten Versuch starten?

Nein. Solange die Wachen sie festhielten, würde sie die beiden mit aus dem Buch nehmen. Und wer wusste, wie diese Kerle auf das 21. Jahrhundert reagierten? Damit hätte sie wohl schneller ein Schwert im Leib stecken, als sie „Willkommen in der Zukunft!“ sagen konnte.

Nora zwang sich zur Ruhe. Sobald die Männer sie losließen, konnte sie verschwinden und mit dem Zauber auf ihrem Amulett einen erneuten Versuch wagen. Es gab keinen Grund, panisch zu werden. Wirklich gar keinen.

Sie gelangten an ein verriegeltes Tor aus massivem Eichenholz. Einer der Wächter trat vor, schob den Riegel zur Seite und wartete, bis der andere Nora hindurchbugsiert hatte. Sie hörte, wie das schwere Tor hinter ihr wieder ins Schloss fiel. Das Geräusch hatte etwas Endgültiges an sich.

Die Wächter zogen sie unbarmherzig weiter, durch einen engen Gang, der zusehends düsterer wurde. Auch hier gab es keine Fenster. Nur Fackeln, und selbst die wurden seltener.

Am Ende des Gangs erwartete sie ein rostiges Gitter. Aus der Dunkelheit dahinter wehte Nora ein Geruch entgegen, den sie noch von ihrem letzten Besuch in dieser Welt kannte. Nur zu gern hätte sie ihn vergessen. Urin, faulendes Stroh, Blut … Der Gestank von Folter, Krankheit und Schmerz. Das Versprechen von Leid und Tod. Sie hatten den Kerker erreicht.

„Wen bringt ihr da?“

Eine riesige Gestalt löste sich aus den Schatten an der Wand. Nora schauderte. Der Kerl war mindestens zwei Meter groß und einen guten Meter breit. Eine gezackte Narbe verlief über seine rechte Gesichtshälfte und verzerrte seine Lippen zu einem gehässigen Grinsen. Er schmatzte, während er Nora vom Scheitel bis zur Sohle musterte. Beim Anblick ihrer bequemen Freizeitkleidung spuckte er auf den Boden. „Sieht seltsam aus.“

Nora verdrehte die Augen. Ja, sie war ein wenig voreilig aufgebrochen. Aber dass man für Modevergehen jetzt schon im Verlies landete, fand sie doch übertrieben.

„Sei vorsichtig, Roska“, warnte der ältere Wächter. „Sie ist eine Zauberin.“

„Und eine Meuchlerin“, ergänzte der Jüngere.

Wie bitte? Nora stieß ein fragendes „Hmmpf?“ aus. Wen sollte sie denn bitte gemeuchelt haben? Und wann? Sie war doch eben erst angekommen!

„Soso. Eine von der Sorte.“ Der Verliesmeister legte eine Hand in die andere und spannte seine Muskeln an, als wollte er eine imaginäre Nuss knacken. Oder ihre Knochen. „Schade. So ein hübsches Ding.“ Er stieß ein einzelnes, bellendes Lachen aus. „Wirst du nicht mehr sein, wenn Roska mit dir fertig ist, oh nein.“

Nora war nicht gewillt, ihm zu zeigen, dass seine Worte ihr einen Schauer über den Rücken jagten. Sie versuchte, den Kerl mit ihrem abgebrühten Blick zu beeindrucken, doch das misslang ihr offensichtlich gründlich. Der Kerkermeister grinste nur noch breiter.

„Deine Folterstunde muss erst einmal warten.“ Der ältere Wächter stieß Nora nach vorn. „Diese Zaubermeisterin hat Fürst Keldan persönlich angegriffen.“

Nora erstarrte. Keldan war hier? Er war angegriffen worden? Von ihr?

Moment einmal … Fürst Keldan? Wieso denn Fürst? Keldan war der König! Er müsste es zumindest sein.

Ihre Gedanken überschlugen sich. War sie in einer unveränderten Version der Geschichte gelandet, in der Keldan niemals die Thronfolge antrat? Das würde bedeuten, dass Prinz Luar noch lebte. Und wenn Luar noch lebte, würde er erst den Drachen Rashuk töten und dann …

Nein! Es musste eine andere Erklärung geben! In die ursprüngliche Version hätte sie auch ohne das Amulett zurückkehren können, dazu hätte sie nur die Geschichte lesen müssen. Doch sie hatte kein Buch benutzt, um zu springen, sondern ihre Verbindung zu Keldan. Dem Keldan in ihrer Version von Eldinor. Also musste sie in der richtigen gelandet sein!

Und wenn doch weniger Zeit vergangen war, als sie geglaubt hatte? Sie hatte Eldinor am Tag vor Keldans Krönung verlassen. Hatte ihn blutend und verletzt zurückgelassen, um den wahren Attentäter aus dieser Welt zu schaffen. Zeit lief in jeder Welt anders ab. Während ihres letzten Besuchs in Eldinor hatte sie in ihrer Welt nur einen Tag verloren, obwohl sie wochenlang in dem Buch festgesteckt hatte. Was, wenn Keldans Zauber nicht auf dieselbe Weise funktionierte? Womöglich war sie unmittelbar nach ihrem Verschwinden wieder zurückgekehrt. Aber weshalb war er dann nicht dort gewesen? Hatte Ben ihn schwerer verletzt, als sie gedacht hatte? War es ihre Schuld?

„Eine Hochverräterin also?“ Roska schnalzte enttäuscht mit der Zunge. „Schade. Hätte ihr zu gerne ein wenig Feuer unterm Hintern gemacht.“

Erneut versuchte Nora, sich dem Griff der Wachen zu entwinden, doch das war ebenso wenig von Erfolg gekrönt wie die Male zuvor.

„Du wirst deine Gelegenheit schon noch bekommen, wenn der Fürst erwacht.“ Die Wächter zerrten sie auf das Gittertor zu. „Jetzt verwahr sie erst einmal, bis klar ist, vor wem sie sich zu verantworten hat.“

Der Kerkermeister grunzte, doch als die Wächter ihn passieren wollten, hob er die Hand. „Nicht so schnell!“

Er trat so nahe an Nora heran, dass sein Zwiebelatem für einen Augenblick sogar den Kerkergestank überdeckte. „Wenn sie wirklich eine Zauberin ist, will ich keine böse Überraschung erleben.“

Ehe Nora wusste, wie ihr geschah, tasteten seine Pranken über ihren Körper, befühlten die Taschen ihres Pullovers, strichen über ihre Beine, ihren Sport-BH …

„Aha!“ Triumphierend zog er das Amulett aus ihrem Ausschnitt. Ein kurzer Ruck, und die Kette brach. „Da haben wir’s. Zaubertand.“

Erschrocken versuchte Nora, mit ihren gefesselten Händen nach dem Anhänger zu haschen, aber die beiden Wächter hielten sie eisern fest. Mehr noch: Sie lachten.

„Sieh an“, sagte der jüngere von ihnen. „Ohne deine magischen Mittel bist du nicht mehr so mutig.“

Nora wollte ihm einen Tritt dorthin verpassen, wo es besonders wehtat, doch der Kerl wehrte sie mühelos ab. Als sie dennoch nicht aufgab, verpasste er ihr eine derart heftige Ohrfeige, dass ihr Lichter vor den Augen tanzten.

„Also gut, das reicht jetzt.“ Roska wandte sich um, zog einen schweren Riegel zurück und stemmte das Gittertor auf. „Hinein mit ihr. Sperrt sie zu dem anderen Abschaum.“

Nein! Beim Anblick der finsteren Zellen, an denen man sie vorbeizerrte, gewann ihre Furcht endgültig die Oberhand. Nora schrie in den Knebel, versuchte wider alle Vernunft, die Wächter mit Worten umzustimmen, die sie nicht formen konnte. Sie bettelte und flehte, doch unbarmherzig schleiften die Wächter sie auf eine der Türen zu. Ohne ihre Fesseln zu lösen, stießen sie Nora in den winzigen Raum. Sie stolperte drei Schritte, dann prallte sie gegen die hintere Wand der Zelle.

„So. Hier kannst du keinen Schaden anrichten.“

Die Tür krachte ins Schloss und sperrte das letzte Licht der Fackeln aus. Mit einem lauten Schaben wurde der Riegel vorgeschoben.

Nora fand sich in völliger Dunkelheit wieder, doch das machte das Wissen um die beengenden Steinwände um sie herum nicht besser. Es fühlte sich an, als würden die Tonnen um Tonnen von Gestein immer näher rücken, um sie in der Finsternis zu zerquetschen. Als wäre sie lebendig begraben worden – und wenn man bedachte, wo sie sich befand, mochte das durchaus ihrem Schicksal entsprechen.

Schluss damit! Sie kämpfte ihre Angst nieder, so gut es ging. Denk nach. Denk nach!

Zuerst musste sie ihre Fesseln loswerden. Nora hob die zusammengebundenen Hände über ihren Kopf nach hinten und tastete nach dem Knoten ihres Knebels. Keine leichte Aufgabe, aber nach ein paar Anläufen gelang es ihr, ihn so weit zu lösen, dass sie das Tuch aus dem Mund winden konnte. Angewidert spuckte sie aus. Gegen den scheußlichen Geschmack half das allerdings wenig. Sie führte die Hände an ihr Gesicht und begann, ihre Fesseln mit den Zähnen zu bearbeiten.

Allmählich beruhigte sich ihr Herzschlag, und ihre Furcht wich einem Zorn, der sich zu einem nicht geringem Teil gegen sie selbst richtete. Was hatte sie auch so unüberlegt gehandelt? Sie hätte es doch besser wissen müssen! Es war schließlich nicht ihr erster Sprung in eine Buchwelt, und diesmal hatte sie die Reise sogar aus freien Stücken angetreten. Und mal ehrlich – Yogahosen? Kein Wunder, dass sie sofort verdächtig wirkte.

Blöd, einfach nur blöd.

Allerdings hatte sie auch erwartet, in Gegenwart eines Mannes zu landen, der wusste, wer und was sie war. Der ihre Magie kannte, der sie liebte und sie freudig empfangen würde. Wieso war sie stattdessen bei den ihr vollkommen fremden Wachen aufgetaucht?

Solange du es trägst, wird immer ein Teil von mir bei dir sein. Das waren Keldans Worte gewesen, als er ihr Amulett verzaubert hatte.

So viel Interpretationsspielraum ließ der Satz nun auch wieder nicht. Wenn der Zauber sie schon zurück nach Eldinor gebracht hatte, wieso dann nicht zu ihrem Geliebten?

Endlich gaben die Fesseln unter Noras Bemühungen nach. Sie streifte die Stricke ab und massierte sich die schmerzenden Handgelenke. Ihre Situation war zwar nicht rosig, aber bislang befand sie sich nicht in Lebensgefahr. Verschwinden konnte sie immer noch jederzeit. Nur zurückkehren würde sie ohne ihr Amulett nicht, jedenfalls nicht zu Keldan. In eine andere Version der Geschichte, ja. In eine, in der sie einander nie begegnet waren. In der er niemals die Thronfolge antrat. In der er starb.

Wütend schob Nora den Gedanken beiseite. Noch lebte Keldan in dieser Welt. Und solange er das tat, würde sie nicht einfach abhauen. Nicht, wenn sie ihn damit für immer verlor. Das hatte sie schon einmal durchgemacht, als sie Eldinor in dem Glauben verlassen hatte, dass es keinen Weg zurück gab. Sie hatte ihn schon einmal betrauert. Freiwillig würde sie das nicht wiederholen.

Nora streckte die Hände in die Dunkelheit aus und untersuchte blind ihre Zelle. Das Ergebnis war ernüchternd. Eineinhalb mal einen Meter, nicht einmal genug Platz, um sich auszustrecken. Der Boden bestand aus nacktem Stein, sah man von der einen Ecke ab, in der eine Handvoll Stroh offenbar den Abort darstellte. Dem Geruch nach zu urteilen hatte den bereits der vorherige Insasse benutzt. Nora wandte sich rasch der anderen Seite ihrer Zelle zu. Die Tür war aus solidem Holz, mit einer winzigen Luke auf Augenhöhe, die sich von innen nicht öffnen ließ.

Frustriert sank Nora zu Boden. Sie saß in der Falle. Das fing ja wirklich prima an.

Außerdem fror sie. Ihre Stoffhose war zu dünn, um der Kälte des Verlieses zu trotzen, und ihre Füße waren nass. Nora runzelte die Stirn. Der Boden ihrer Zelle war trocken. Wieso waren ihre Socken feucht? Sie tastete über den weichen Stoff. Nicht nur feucht – klebrig. War das etwa … „Blut?“

Ein heiseres Kichern drang aus einer der anderen Zellen. „Ruckedigu, ruckedigu!“ Wieder das Kichern. „Blut ist am Schuh! Ist der Schuh zu klein?“

„Was?“ Wie kam der Kerl denn darauf? Oder war es eine Frau? Die Stimme war so brüchig, dass Nora nicht sicher sein konnte. „Wovon redest du?“

Die Antwort bestand aus einem weiteren „Ruckedigu, ruckedigu!“ Nicht sonderlich hilfreich.

„Hör nicht auf sie“, flüsterte eine Stimme, die sehr viel näher klang. Nora fuhr herum, aber die Schatten in ihrer Zelle waren undurchdringlich. „Die Alte ist verrückt. Völlig hinüber. Seit Jahren schon.“

Angestrengt starrte Nora in die Dunkelheit. „Wer bist du?“

„Enttäuschend“, kam es nun aus der anderen Ecke ihrer Zelle. „Ich dachte, das wüsstest du.“

„Wenn du das sagst.“ Nora hatte keine Lust auf Spielchen. „Und was willst du?“

Ein leises Schnauben war zu hören. „Ich wollte mir die Zauberin ansehen, von der es heißt, sie wollte den Tod unseres Herrn.“ Wieder aus einem anderen Winkel. Die Stimme umkreiste sie, kam dabei immer näher. „Ich wollte hören, was sie zu diesem Vorwurf zu sagen hat … Und zu ihrem verschwundenen Komplizen.“

„Meinem was?“

„Du weißt genau, von wem ich spreche!“

Die Stimme schwoll an, füllte die gesamte Zelle aus. Eine Gestalt löste sich aus der Dunkelheit, noch schwärzer als der finstere Rest ihres Gefängnisses. Zwei goldene Augen leuchteten vor ihr auf, glosend vor Zorn. Unwillkürlich zuckte Nora zurück, als der Drache bedrohlich fragte:

„Wo ist Ben Pawell?“

 

Xsartos betrat Eldinor, wie es einem Weltenwächter gebührte. Leise, heimlich und ohne gesehen zu werden. Er verharrte auf der Wiese, die ihm als Landeplatz diente, und erspürte die Struktur der Welt. Mit geschlossenen Augen beschnupperte er die Luft, befühlte die Vibrationen der Erde unter seinen nackten Füßen. Deutlich spürte er das Fremde, das diese Welt verformte. Nach Westen hin konnte er die Veränderungen sogar sehen.

Die Abweichung war umfassender, als er befürchtet hatte. Sogar das Land wirkte verzerrt. Dünn und überdehnt an manchen Stellen, platt und gestaucht an anderen. Die Wanderin hatte regelrecht gewütet in dieser Welt. Xsartos sah Tausende Schicksale, die beeinflusst worden waren.

Das Chaos lag in der Natur der Wanderinnen, ihre bloße Existenz veränderte die Welt, in die sie gerieten. Xsartos hatte schon oft erlebt, was sie anrichten konnten. Doch das hier … Er schauderte.

Üblicherweise regenerierten die Weltenkristalle, sobald sich die Wanderinnen weiterbewegten, und die Ereignisse nahmen wieder ihren vorherbestimmten Gang. Aber nicht hier. Etwas hielt diese Welt gefangen. Ein waberndes, dunkles Geflecht, das Eldinors Kristallstruktur mit Gewalt in eine neue Form zwang. Das sich in die Brüche drängte und versuchte, zusammenzuhalten, was es selbst zerstörte. Es grenzte an ein Wunder, dass der Kristall nicht längst zerbrochen war. Er musste die Wanderin finden, und das rasch, ehe diese Welt endgültig verloren ging.

Merkte sie denn nicht, wie sehr sich Eldinor gegen ihren Einfluss sträubte? Entweder war sie ruchlos genug, um zu ignorieren, was sie dieser Welt antat – oder sie war unglaublich dumm.

Entschlossen wandte Xsartos sich nach Westen. Die Spur der Veränderung würde ihn zur Wanderin führen. Er brauchte ihr nur zu folgen.

 

Nora wich erschrocken zurück. Auch wenn Rashuk im Augenblick nicht länger als ihre Hand war – sie erinnerte sich noch gut daran, dass er einmal einen Menschen in zwei Stücke gebissen und ihn dann halb gefressen hatte. Sie würde also bestimmt nicht den Fehler begehen, den Drachen zu unterschätzen.

Aber einschüchtern ließ sie sich deshalb noch lange nicht.

„Sag mal, hast du sie noch alle?“, schnauzte sie ihn an.

Rashuk bleckte ob ihres Tonfalls die Zähne, doch das kümmerte Nora nicht.

„Du glaubst ja wohl nicht wirklich, ich hätte etwas mit dem Anschlag auf Keldan zu tun!“, fuhr sie aufgebracht fort. „Ich liebe ihn!“

Aus der Nachbarzelle drang ein heiseres „Er liebt dich, er liebt dich nicht!“, gefolgt von irrem Lachen. Vielleicht hätte sie den letzten Teil nicht unbedingt brüllen sollen.

Nora senkte die Stimme. „Ich habe Keldan beschützt. Und dir habe ich auch schon mal das Leben gerettet, du undankbare Echse! Also wie kommst du dazu, mir so etwas vorzuwerfen?“

„Du warst die Letzte, mit der er gesehen wurde“, hielt Rashuk unbeeindruckt dagegen. „Dein Geruch und der deines Begleiters waren überall in dem Gang.“

„Weil Ben es war, der Keldan angegriffen hat!“ Wieso war der kleine Mistdrache derart feindselig?

„Natürlich“, zischte Rashuk. „Und du? Was hast du getan, Wanderin? Wo ist Ben jetzt?“

„Ich habe ihn in unsere Welt zurückbefördert! Was hätte ich denn sonst tun sollen?“

„Ihn den Wachen übergeben“, entgegnete der Drache kühl. „Wer unsere Gesetze bricht, muss sich auch unserer Strafe beugen. Du hingegen hast Ben zur Flucht verholfen.“

„Welche Wachen denn? Es war niemand da!“ Ein Zittern breitete sich in Noras Körper aus. In der Dunkelheit der Kerkerzelle fiel es ihr nicht schwer, sich in den unbeleuchteten Gang zurückzuversetzen. Deutlich erinnerte sie sich an Bens Zorn, der an Wahnsinn gegrenzt hatte. An Keldans Versuche, sich trotz der Finsternis gegen den Angreifer zur Wehr zu setzen, ohne Nora dabei zu verletzen. Den Geruch seines Feuerzaubers, das Blitzen von Bens Messer … Und Keldans Blut an ihren Händen. Sie hatte überhaupt nicht daran gedacht, um Hilfe zu rufen. Es war alles so schnell gegangen. „Ich hatte Angst! Ich dachte, sie bringen einander um!“

Rashuk kam näher. Sie spürte das Züngeln seiner Zunge an ihrem Gesicht. „Und um wen hättest du getrauert, wenn es ihnen gelungen wäre?“

„Frag nicht so blöd, das weißt du genau!“ Sie wischte ihn mit der Hand beiseite. Dämlicher Drache. „Was glaubst du wohl, warum ich zurückgekommen bin?“

Es stimmte, dass einmal eine Art von Freundschaft zwischen ihr und dem Psychologen bestanden hatte, doch das war vorbei. Ben Pawell hatte nicht nur Keldan hinterrücks angegriffen, sondern auch Nora. Es hatte nicht viel gefehlt, und er hätte sie getötet. Bei Keldan war ihm das beinahe gelungen.

Noras Schultern sackten herab. Sie wollte nicht mit Rashuk streiten. Wieso musste sie ständig kämpfen? Alles, was sie wollte, war, endlich wieder in Keldans Arme zu sinken.

„Wie geht es ihm?“, fragte sie. „Kann ich zu ihm?“

Der Drache blieb hart. „Wir werden sehen.“ Er rückte von ihr ab. Es klang, als würde er durch einen Spalt in der Tür klettern.

Aber so leicht gab Nora sich nicht geschlagen. „Rashuk, warte!“ Blind tastete sie durch die Luft. Wenn sie ihn fand, könnte sie den kleinen Verräter in einer einzelnen Hand festhalten. Sie fuchtelte jedoch vergebens. So ein Mist! „Sag mir wenigstens, wie es ihm geht!“

Nichts. Dann, als sie schon glaubte, der Drache wäre längst abgehauen, sagte er: „Keldan liegt im Heilschlaf. Es wird noch etwas dauern, bis er erwacht. Ich werde ihm sagen, dass du hier bist.“

Erleichterung durchflutete Nora. „Danke.“

„Dank mir noch nicht. Warten wir erst einmal ab, ob er dich sehen will – oder nicht.“

Nora ließ sich davon nicht einschüchtern. Sobald Keldan erst einmal erfuhr, dass sie hier im Kerker festsaß, würde er sie schnurstracks hier rausholen. Natürlich würde er sie sehen wollen!

Oder nicht?

 

Stunden vergingen, in denen Nora in der stinkenden Dunkelheit ihrer Zelle hockte. Allein. Rashuk war nicht wiedergekommen. Sie wusste nicht, ob das bedeutete, dass Keldan sie nicht sehen wollte, oder ob er nicht konnte. Der Gedanke, dass er womöglich mit dem Tod rang, während sie ihm so nah war, brachte sie beinah um den Verstand.

Ein ums andere Mal strich sie mit der Hand über ihren Hals. Stets bemerkte sie erst dann, was sie tat, wenn sie nicht fand, was sie suchte: einen Ausweg. Aber ohne ihr Amulett war ihr dieser verwehrt.

Frustriert lehnte Nora den Kopf gegen die feuchte Steinwand. Auch wenn der Schmutz, der ihr mittlerweile durch Stoffhose und Pulli drang, sie ekelte – entkommen konnte sie ihm ja doch nicht. Dass sie vor Kurzem noch in einer warmen, sauberen Wohnung gesessen hatte, mit einem Becher heißen Kaffees in der Hand …

Nora fuhr hoch. Hatte sie den Herd abgedreht? Nicht, dass es eine Rolle spielte, immerhin hatte sie nicht vor, in ihre Welt zurückzukehren … Doch falls sie es musste, wollte sie nicht mitten in einen Wohnungsbrand hineingeraten. Und was würden ihre Eltern denken?

Mit einem Mal wurde Nora bewusst, dass sie schon wieder ohne Ankündigung verschwunden war. Dabei hatte sie diese Reise vollkommen freiwillig angetreten. Sie hätte jede Gelegenheit gehabt, mit ihren Eltern zu sprechen. Sich zu verabschieden. Ihnen eine Erklärung zu geben, auch wenn sie unglaubwürdig klang. Nora stand ihrer Familie nicht besonders nah, aber das zumindest wäre sie ihnen schuldig gewesen – und sie hatte nicht einmal daran gedacht.

War sie wirklich so ein schlechter Mensch, wie Ben ihr hatte weismachen wollen?

Das Geräusch von Metall, das über Stein schabte, riss sie aus ihren Gedanken. Die Tür ihrer Zelle wurde aufgezogen und greller Feuerschein drang herein. Geblendet hob Nora eine Hand vor die Augen. Die Fackel war nicht sonderlich hell, aber sie genügte, um ihr die Sicht auf ihren Besucher zu nehmen.

„Verdammt, muss das sein?“, schimpfte sie. Als ob ihre Lage nicht bereits demütigend genug wäre.

„Verzeih.“ Die Fackel wurde beiseitegeschwenkt, doch das wäre nicht mehr nötig gewesen. Diese Stimme erkannte Nora sofort.

Hastig rappelte sie sich auf. „Keldan!“ Sie wischte über ihren feuchten Hosenboden, was nur dazu führte, dass sie den Dreck stattdessen an den Händen hatte. Angewidert rieb sie die Handflächen an ihrem Pulli trocken und widerstand dem Impuls, sich die Haare zurückzustreichen. Was auch immer an ihren Fingern klebte – sie wollte es sich nicht auch noch ins Gesicht schmieren.

Das musste ohnehin schlimm genug aussehen, so wie Keldan dreinblickte.

Warnend hob Nora einen Finger. „Wehe, du rümpfst die Nase!“ Er hatte sie hier versauern lassen, da brauchte er sich nicht beschweren, dass sie nun dreckig und stinkend vor ihm stand.

„Das tue ich keineswegs“, wehrte er ab. „Ich bin nur etwas erstaunt über deine Aufmachung.“

Nora zupfte an dem nun fleckigen Outfit. „Ich hatte keine Gelegenheit, mich umzuziehen.“

„Ich meinte auch eher …“ Er streckte die Hand aus und ließ eine ihrer Haarsträhnen durch seine Finger gleiten, ehe er sie ihr hinters Ohr steckte. Allein diese kurze Berührung ließ Nora schaudern.

„Ach das.“ Verlegen fuhr sie sich durch das Haar, das nun weißblond war statt dunkelbraun. Gleich darauf verzog sie das Gesicht. Mist, jetzt hatte sie es doch getan! „Sind nur gefärbt“, murmelte sie. „Ich hatte ein wenig Selbstmitleid. Also bin ich zum Friseur gegangen.“ Jetzt wurde ihr auch klar, weshalb die Wachen sie nicht erkannt und Rashuk derart seltsam reagiert hatte.

Keldan runzelte die Stirn. „Das war deine erste Sorge?“

Sie brauchte einen Moment, bis sie den Grund für seine Empörung verstand. Für ihn war ihre letzte Begegnung keine drei Monate her, sondern nur ein paar Stunden – und den Großteil dieser Zeit hatte sie in seinem Verlies zugebracht.

„Genau genommen habe ich das getan, nachdem ich deinetwegen vier Wochen lang durchgehend geheult habe.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Sonst noch Fragen?“

„Allerdings.“ Er kam einen Schritt näher. Einen Moment lang hoffte Nora, er würde sie hier und jetzt einfach in die Arme nehmen, doch er blieb einen Schritt entfernt von ihr stehen. Fast die gesamte Länge der Zelle trennte sie noch voneinander. „Wieso hast du wochenlang gewartet?“

Nora schnappte nach Luft. Die brauchte sie, um dem Mann, für den sie durch die Welten gesprungen war, ins Gesicht zu schnauzen: „Weil ich zu blöd war, okay?“ Wütend stieß sie ihm einen Finger gegen die Brust. „Hättest du dich nicht ein wenig klarer ausdrücken können? Ich dachte, ich könnte nicht mehr zurück!“

Keldan musterte sie erstaunt. „Ich dachte, ich hätte mich deutlich ausgedrückt.“

„Tja, da hast du falsch gedacht.“ Wieder verschränkte sie die Arme. „Was ist jetzt, holst du mich hier raus oder nicht?“

Er zögerte. Der unverschämte Kerl zögerte tatsächlich!

„Erinnerst du dich an unser erstes Gespräch über Magie?“, fragte er.

„Natürlich!“ Sie war vielleicht begriffsstutzig, aber nicht senil. Damals hatte sie jedes Gespräch mit dem Fürsten gefürchtet, und zugleich jeden Einblick in die Beherrschung der Magie gierig aufgesogen.

„Was habe ich dir damals gegeben?“

War das eine Prüfung? „Zu viel Wein.“

Keldan zog die Augenbrauen zusammen.

„Eine weiße Rose“, setzte Nora nach. „Zufrieden?“

Sie hatte keine Ahnung, was dieses Spielchen sollte, aber offenbar hatte sie es gewonnen, denn Keldan entspannte sich sichtlich. „Du bist es also wirklich.“

„Natürlich bin ich es!“ So etwas Blödes! „Wer sollte ich denn sonst sein?“

Er seufzte. „Für mich mag weniger Zeit vergangen sein als für dich, meine Liebe, aber der Feind schläft nicht. Und so kurz vor der Krönung gibt es noch ganz andere Gegner, die meinen Tod sehen wollen – auch wenn Ben ihnen diese Bürde beinahe abgenommen hätte. Komm.“ Einladend deutete er zur Zelle hinaus.

Nora benötigte keine zweite Aufforderung. Sie schlüpfte an Keldan vorbei in den Gang.

Er ging voraus, die Fackel hoch erhoben … Und mit einem leichten Hinken. Ben musste ihn wirklich schlimm erwischt haben, wenn er selbst nach einem Heilschlaf noch derart geschwächt war.

Grimmig schloss Nora zu ihm auf. „Ich bin froh, dass ich es getan habe.“

Keldan blickte über seine Schulter zurück. „Was denn?“

„Ben rauszuschaffen. Ich hätte es nicht ertragen, wenn er …“ Sie brach ab.

„Erfolg gehabt hätte?“ Keldan nickte. „Das wäre äußerst unerfreulich gewesen.“ Er lotste sie an dem finster blickenden Kerkermeister vorbei. Als sie endlich die zivilisierteren Bereiche des Schlosses erreichten, flüsterte er ihr zu: „Ich bin ebenfalls froh, dass du eingegriffen hast. Aber noch mehr, dass du zu mir zurückgekehrt bist.“

Nora zog die Nase kraus. „Wie wäre es dann mal mit einer Umarmung?“

Er lachte. „Wie wäre es zuerst mit einem heißen Bad?“, entgegnete er. „Ich leiste dir sogar Gesellschaft.“

Das zufriedene Brummen, das in seiner Stimme mitklang, vertrieb die Kälte und Müdigkeit aus Noras Körper schneller, als heißes Wasser es könnte. „Wie könnte ich mir das entgehen lassen?“

Keldan nahm ihre Hand und zog sie zu sich. Wieder schoss ein Kribbeln Noras Arm hinauf, wärmte ihr Herz … und andere Dinge.

„Sei sanft zu mir“, wisperte er, seine Lippen dicht an ihrem Hals. „Ich wurde verwundet.“

Nora stahl ihm einen kleinen Kuss und flüsterte: „Ich werde mir besondere Mühe geben.“ Sie wusste auch schon genau, wie.

„Gut.“ Keldan lächelte. Er legte eine Hand an ihre Wange und strich sanft die Kontur ihres Gesichts nach. „Wir sollten diese Nacht gebührend würdigen.“

„Und unser Wiedersehen feiern?“ Ihre Knie wurden weich. Endlich wieder seine Nähe spüren, in seinen Berührungen vergehen … Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt!

„Auch das.“ Er hakte ihre Hand in seiner Armbeuge unter. „Ich dachte aber eigentlich eher an meine bevorstehende Krönung …“

„Oh. Stimmt.“ Nora löste sich aus Keldans Griff und damit auch von den Gedanken an sie beide, nackt im warmen Badewasser.

Das mit der Krönung hatte sie bis eben erfolgreich verdrängt. Dabei konnte sie inzwischen sogar leise die Musik der Spielleute und das Lachen der betrunkenen Gäste hören. Zivilisierter waren diese Bereiche des Schlosses vielleicht nicht, aber auf jeden Fall waren sie gut besucht. Was Nora einmal mehr ihren desolaten Zustand in Erinnerung rief.

Sie stopfte die Hände in die Bauchtasche ihres Pullovers, doch Keldan nahm sie sanft bei der Hüfte. Er drehte sie zu sich und hauchte einen Kuss auf ihren Hals. „Und dann wäre da natürlich noch unsere Hochzeit …“

Nora erstarrte. Hochzeit?

Madeleine Puljic

Über Madeleine Puljic

Biografie

Madeleine Puljic wurde 1986 in Oberösterreich geboren. Sie absolvierte die Kunstschule in Wien und lebt heute in Hamburg. Ihr erster Roman „Herz des Winters“ erschien 2013 im Selbstverlag. Neben ihren eigenen Romanen in den Bereichen Fantasy und Science-Fiction schreibt sie außerdem regelmäßig für...

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