Mörderisches Mallorca – Toni Morales und die Töchter des Zorns (Comandante-Toni-Morales-Reihe 1)
Ein Mallorca-Krimi
„(Elena Bellmar) führt geschickt sowohl die Leser als auch den Kommissar in die Irre.“ - Mallorca Zeitung
Mörderisches Mallorca – Toni Morales und die Töchter des Zorns (Comandante-Toni-Morales-Reihe 1) — Inhalt
Mallorca – malerische Küsten und ein rätselhafter Mord
Noch vor seinem offiziellen Antritt beim mallorquinischen Morddezernat wird Comandante Antonio Morales zu seinem ersten Fall gerufen: Eine Nonne wurde am Fuße von Palmas Stadtmauer ermordet aufgefunden. Doch wer würde einer gottesfürchtigen Neunzigjährigen den Tod bringen? Alles deutet auf eine unbekannte Frau hin, die zuletzt mit der Nonne im Gespräch gesehen wurde und jetzt unauffindbar ist. Als es zu einem zweiten grausamen Mord kommt, verdichten sich die Hinweise, dass beide Fälle zusammenhängen. Und Toni Morales stößt bei seinen Ermittlungen auf ein unfassbares Geheimnis, das in eine Zeit zurückreicht, die manch einer lieber vergessen würde.
„Elena Bellmar führt geschickt sowohl die Leser als auch den Kommissar in die Irre.“ Mallorca Zeitung
Elena Bellmar ist das Pseudonym der Autorin Elke Becker, die 1970 im schwäbischen Ulm geboren wurde. Das Reisen liegt ihr im Blut, und so schnürte sie bereits mit achtzehn Jahren ihren Rucksack und zog wochenlang durch Südamerika. Später verbrachte sie ein Jahr in Venezuela, um Spanisch zu studieren. Dort entdeckte sie das Schreiben für sich und absolvierte später eine Drehbuchausbildung an der Master School Berlin. Heute lebt Elke Becker auf Mallorca, Schauplatz ihrer Krimireihe um Ermittler Toni Morales.
Leseprobe zu „Mörderisches Mallorca – Toni Morales und die Töchter des Zorns (Comandante-Toni-Morales-Reihe 1)“
Sonntag
1
Schwester Beate wollte nicht hier sein. Nicht unter so vielen Menschen. Dennoch blieb ihr keine andere Wahl. Noch war sie neu im Konvent auf Mallorca, musste sich anpassen und durfte nicht auffallen. Daran hatte die Klostervorsteherin aus Madrid keinen Zweifel gelassen.
Sicher, sie hätte ein Unwohlsein vortäuschen können. In ihrem hohen Alter wäre ein kleiner Schwächeanfall nichts Außergewöhnliches. Nur würde die Oberschwester einen Arzt kommen lassen, was eine erneute Gefahr darstellte. Und die Untersuchung durch einen Arzt zu verweigern, wäre [...]
Sonntag
1
Schwester Beate wollte nicht hier sein. Nicht unter so vielen Menschen. Dennoch blieb ihr keine andere Wahl. Noch war sie neu im Konvent auf Mallorca, musste sich anpassen und durfte nicht auffallen. Daran hatte die Klostervorsteherin aus Madrid keinen Zweifel gelassen.
Sicher, sie hätte ein Unwohlsein vortäuschen können. In ihrem hohen Alter wäre ein kleiner Schwächeanfall nichts Außergewöhnliches. Nur würde die Oberschwester einen Arzt kommen lassen, was eine erneute Gefahr darstellte. Und die Untersuchung durch einen Arzt zu verweigern, wäre noch auffälliger gewesen, als sich beim Besuch des Klosters Lluc im Hintergrund zu halten und sich der Hoffnung hinzugeben, unerkannt zu bleiben.
Der sonnige Tag lockte allerdings viele Besucher zum Kloster. Die beeindruckende Berglandschaft verhieß einen schönen Tag beim Wandern. Familien, Touristen und einige Pilger, die die Schwarze Madonna sehen und zu ihr beten wollten, bevölkerten den Kirchplatz.
„Bist du verrückt geworden, Hugo? Lass mich in Ruhe!“, zerschnitt eine Stimme die friedliche Atmosphäre.
Schwester Beate drehte sich um. Ein Paar stritt sich direkt neben ihr. Der Mann hob drohend die Hand und schien tatsächlich zuschlagen zu wollen. „Wagen Sie es nicht!“ Eilig ging Schwester Beate auf die zurückweichende Frau zu und stellte sich schützend vor die Unbekannte. Dieser Kerl würde es kaum wagen, vor all den Besuchern eine gebrechliche Nonne auf dem Klosterplatz anzugreifen.
Mit vor Wut funkelnden Augen ließ er die Hand sinken. »¡Oye! Was mischst du dich hier ein?«
Das war eine gute Frage. Sie selbst konnte es sich nicht erklären, denn sie hätte sich heraushalten sollen. Das Alter ließ sie wohl empathischer werden. Nun zog sie wider Willen doch die Aufmerksamkeit vieler Menschen auf sich. Sie senkte den Kopf. „Beruhigen Sie sich, bitte“, bat sie und hob beschwichtigend die Hand.
„Komm hierher“, befahl der Kerl der jüngeren Frau.
Die zierliche Spanierin schüttelte den Kopf. „Vergiss es, Hugo. So kannst du mit deinem Hund reden!“
„Sie sollten gehen und sich beruhigen“, wandte sich Schwester Beate an den Mann.
Der trat einen Schritt auf sie zu. „Und du solltest dich aus fremden Angelegenheiten heraushalten“, zischte er kaum hörbar. „Sonst wird es dir schlecht ergehen.“
„Schwester Clara, alles in Ordnung?“
Schwester Beate zögerte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass sie gemeint war. Sie drehte sich um und entdeckte Padre Federico, der auf sie zuschritt. „Brauchen Sie Hilfe?“
Der Fremde kniff die Augen zusammen. „Wir sehen uns wieder.“
Der drohende Klang in seiner Stimme ließ sie ebenso sehr zusammenzucken wie die Frau. Beide vermochten nicht genau einzuschätzen, wem die Drohung gegolten hatte. „Alles in Ordnung?“, wandte sie sich an sie. „Ich bin Schwester Clara.“
„Nati“, stellte sich die Dunkelhaarige vor. „Nati Forteza.“
Padre Federico sah von einer zur anderen. „Was war hier denn los?“
„Nur ein Streit. Wir haben eigentlich wegen nichts gestritten“, sagte Nati und sah ihrem Freund hinterher. „Aus heiterem Himmel ist Hugo aggressiv geworden.“
„Er wollte Sie schlagen“, wandte Schwester Beate ein. „Das ist deutlich mehr als ein Streit. Kommt das öfter vor? Dann sollten Sie ihn anzeigen und sich Hilfe suchen.“
Der Padre nickte. „Soll ich die Polizei rufen?“
So hatte es Schwester Beate nun auch wieder nicht gemeint. Mit der Polizei wollte sie nichts zu tun haben. „Das wird nicht nötig sein, oder?“, fragte sie Nati. Warum hatte sie sich überhaupt eingemischt?
„Nein. Wirklich nicht. Außerdem kennen wir uns eigentlich kaum“, sagte Nati. „Machen Sie sich also keine Sorgen um mich.“
Schwester Beate nickte erleichtert.
„Und wenn Hugo keine verdammt gute …“, Nati unterbrach sich und sah zwischen dem Padre und Schwester Beate hin und her. „Verzeihung. Ich meinte, wenn er keine gute Erklärung für sein Verhalten hat, werde ich ihn nicht wiedersehen. Wir waren bisher nur dreimal verabredet.“
„Möchten Sie mit mir sprechen?“, bot Padre Federico an.
Nati schüttelte den Kopf. „Ich gehe jetzt eine Runde spazieren. Den Kopf frei bekommen. Der Tag ist einfach zu schön, um ihn nicht an der frischen Luft zu verbringen.“
„Alles Gute“, verabschiedete sich Schwester Beate, und auch Padre Federico nickte zustimmend und murmelte einen Abschiedsgruß.
„Danke. Auch für Ihre Hilfe“, bedankte sich Nati Forteza, drehte sich um und ging in Richtung der Parkplätze.
„Das war mutig von Euch, Schwester Clara“, lobte der Padre.
„Das war nichts.“ Bescheiden senkte sie den Kopf. „Ich muss mit Euch sprechen, Padre.“ Schwester Beate konnte diese einmalige Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Sie war mit dem Padre zufällig allein. Ihn vor allen anderen um ein Gespräch zu bitten, hätte sie nicht gewagt.
„Gerne.“ Er ging in die Sakristei voraus. „Ein normales Gespräch oder soll ich Euch die Beichte abnehmen?“
„Ich möchte beichten.“ Schwester Beate folgte ihm mit gesenktem Blick. Wenn sie schon hier oben war, wollte sie wenigstens beichten. Nach all den Jahren musste sie sich alles von der Seele reden. Und jetzt bot sich ihr die Gelegenheit. In ihrem hohen Alter verlangte es sie nach Erlösung und Vergebung.
„Gut“, sagte Padre Federico. „Die anderen sind im Klosterhof. Wir werden später zu ihnen gehen.“
„Vielen Dank, Padre.“
Der Ablauf der Beichte war für sie eine gewohnte Handlung. Und so begann Schwester Beate mit der offiziellen Begrüßung, als sie im Beichtstuhl niederkniete. „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
Padre Federico sprach ein kurzes Gebet zur Einleitung.
„Meine letzte Beichte war vor etwa zwei Wochen. Und heute bekenne ich in Reue meine Sünden.“ Sie seufzte leise auf.
„Schwester Clara“, hörte sie die Stimme des Padre. „Wenn Eure letzte Beichte wenige Tage zurückliegt, wird es so schwer nicht werden. Vertraut auf die Güte des Herrn.“
„Mein Name ist nicht Schwester Clara“, begann sie. Je länger sie sprach, desto deutlicher spürte sie, wie schwer sie Padre Federico mit der Beichte ihrer Sünden belastete. Doch Schwester Beate fühlte sich alt, verbraucht, ihr Rücken war krumm, ihre Beine schmerzten bei jedem Schritt, und im gesegneten Alter von knapp neunzig Jahren würde sie nicht ewig leben. Ihr Geheimnis konnte sie nicht mit ins Grab nehmen, dafür war ihr Glaube an Gott und ihre Hoffnung auf Vergebung zu groß. Nur ob ihre Reue ausreichte, um Gnade vor dem Herrn zu finden?
Auf der anderen Seite des Beichtstuhls herrschte tiefes Schweigen. Ein leises Räuspern drang zu ihr herüber. „Ihr habt schwere Schuld auf Euch geladen, Schwester. Ich hoffe, Gott vergibt Euch Eure Schuld.“ Er nannte ihr einige Gebete, die ihr Erlösung bringen sollten. „Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und uns den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er auch Euch Verzeihung und Frieden.“ Padre Federicos Worte waren die Standardfloskeln, die man nach der Beichte benutzte, um den Sünder mit einer Buße zu entlassen. In seiner Stimme hörte Schwester Beate jedoch, wie wenig der Padre selbst an seine Worte glaubte. „So spreche ich Euch los von Euren Sünden: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Nun seufzte er tief. „Geht hin in Frieden. Gelobt sei Jesus Christus.“ Seine Stimme brach beinahe, so sehr setzte ihm ihr Geständnis zu. „Eure Sünden sind Euch vergeben.“
„In Ewigkeit. Amen.“ Schwester Beate blieb im Beichtstuhl sitzen. Sie brachte es nicht über sich, Padre Federico in die Augen zu sehen. Nicht, nachdem er jetzt wusste, was sie getan hatte. Es vergingen einige Minuten. Niedergeschlagen schüttelte sie den Kopf. Wie hatte sie glauben können, die Beichte würde ihr Frieden schenken? Nichts hatte sich geändert. Gar nichts. Und sie wusste auch, warum: Aufrichtige Reue bedingte auch Sühne. Und die wahre Aufgabe der Sühne bestand darin, die Schäden wiedergutzumachen und sich mit den Betroffenen auszusöhnen. Doch das war unmöglich. Was sie getan hatte, konnte kein Mensch verzeihen.
2
Toni Morales stand vor dem Polizeirevier und sah seiner Frau nach, wie sie in ihrem Sportflitzer um die nächste Straßenecke bog. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Melanie hatte ihn auf dem Weg in die Kanzlei, die neben der Kathedrale lag, an seiner neuen Arbeitsstelle abgesetzt. Während der ganzen Fahrt hatte sie darüber gerätselt, was ihr Chef an einem Sonntag von ihr wollte. Vermutlich wartete ihr erster eigener Fall auf sie. Toni wünschte es ihr. Mel hatte in den vergangenen Monaten so hart dafür gearbeitet, während er noch in der Leitstelle in Madrid festgesessen hatte. Nie hatte sie sich beschwert, auch wenn Toni sehr wohl wusste, wie mühevoll ein Neuanfang für sie werden würde.
Sein Vorschlag, auf die Insel zu ziehen, war bei seiner Frau zu Beginn auf Ablehnung gestoßen. Doch um den Mord an seinem Halbbruder aufklären zu können, musste er vor Ort recherchieren. Die bisherigen Ermittlungen akribisch zerpflücken, herausfinden, wie es sein konnte, dass ein Polizistenmord auf dieser Insel seit über zwei Jahren ungeklärt bleiben konnte. Irgendetwas konnte da nicht mit rechten Dingen zugehen. Davon war Toni überzeugt. Wie sollte er da einfach zur Tagesordnung übergehen?
Zudem würde ihr Leben in Zukunft ruhiger verlaufen. Sein aufreibender Job bei Europol hatte ein vernünftiges Eheleben nur selten zugelassen. Letztlich hatte er Mel mit seinen Argumenten überzeugt. Nicht nur ihre Ehe würde von den ruhigeren Arbeitsbedingungen profitieren. Auch seine mallorquinische Familie würde nach der Aufklärung des feigen Mordes wieder Frieden finden können.
Sein letzter freier Tag hatte ursprünglich ihnen beiden gehören sollen. Entsprechend wenig begeistert war er gewesen, Mel an einem Sonntag in die Kanzlei gehen zu lassen, aber es war ihre Chance auf den ersten eigenen Mandanten, und dem wollte er keinesfalls im Weg stehen.
Um sich allein zu Hause nicht zu langweilen, hatte er kurzerhand beschlossen, sich in der Zwischenzeit in seinem zukünftigen Reich umzusehen. Was hätte er auch sonst tun sollen?
Auch wenn er nicht glaubte, an einem Sonntagmittag jemanden aus seinem neuen Team anzutreffen, betrat Toni voller Neugierde das Revier. „Comandante Antonio Morales, ich werde ab morgen die Abteilung für Gewaltverbrechen leiten“, stellte er sich am Empfang vor. „Können Sie mir jemanden schicken, der mich herumführen und mir auch den Schlüssel für meinen Dienstwagen aushändigen kann?“
Der junge und schmächtige Kerl war kaum größer als der Tresen, hinter dem er beinahe verschwand. Dienstbeflissen hackte er auf seinen Computer ein. „Ah ja, hier habe ich es. Sie sind aus Madrid zu uns versetzt?“ Eine leichte Röte überzog das Gesicht des jungen Mannes. „Sie werden erst morgen erwartet.“
„Genau. Und nun bin ich heute schon hier.“ Toni amüsierte sich, weil sich der junge Polizist so schnell aus dem Konzept bringen ließ.
„Anabel García ist heute nicht im Haus. Aber ich kann Teniente Nando kommen lassen.“
Toni schluckte hart. Dann straffte er die Schultern, um seine Irritation zu verbergen. Anabel García? Er hatte so lange auf eine freie und adäquate Stelle in diesem Revier gewartet, dass er überhaupt nicht nachgefragt hatte, wem er unterstellt sein würde. „Coronel Anabel García“, hakte er nach, „auch bekannt als La Máquina?“ Natürlich war Anabel keine Maschine, aber ihr Verstand arbeitete so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk, und ihr Ruf eilte ihr mit diesem Spitznamen landesweit voraus. Und – Anabel würde mit Sicherheit nicht vergessen haben, weswegen er ihre lockere Liebesbeziehung beendet hatte.
Wegen Mel.
Und ihm war klar, wie wenig zuträglich dieser Umstand für Anabels doch recht ausgeprägtes Selbstbewusstsein gewesen sein musste.
„Oh, Sie kennen Coronel Anabel García?“ Die Augen des schmächtigen Burschen leuchteten vor Begeisterung auf. Er schien für sie zu schwärmen. „Hier, bitte, zum Einstand.“ Er reichte ihm einen Becher Kaffee.
Geistesabwesend nickte Toni und trank einen Schluck. Warum musste ausgerechnet seine ehemalige Geliebte die Leitung der Jefatura de Policía Judicial innehaben?
Das würde Mel nicht gefallen. Und ihm gefiel es auch nicht. Es könnte Komplikationen verursachen. Besser, er behielt diese Nachricht vorerst für sich. Zumindest so lange, bis er wusste, wie es zwischen Anabel und ihm künftig laufen würde. Ob sie ihm zwischenzeitlich verziehen hatte? Immerhin waren sechs Jahre vergangen. Er hoffte es, denn sonst würde sein neuer Job als Chef der UCO alles andere als leicht werden.
Alternativen blieben ihm ohnehin nicht. Er würde sich mit der Situation arrangieren müssen. Schließlich hatte es ganze acht Monate gedauert, bis in Palma eine Stelle für seinen Rang frei geworden war. Und wenn er seine Ehe nicht aufs Spiel setzen wollte, musste das Pendeln zwischen Madrid und Deutschland und zuletzt auch noch nach Mallorca ein Ende finden. Mel hatte sich überreden lassen, auf die Insel zu ziehen, doch dass sie so lange Zeit ohne ihn dort würde leben müssen, davon war nie die Rede gewesen. Ohne zu zögern, hatte er deshalb bei dem Angebot, die Abteilung für Schwerverbrechen zu leiten, zugegriffen. Die Zeit der wenigen gemeinsamen Wochenenden mit Mel musste endlich vorbei sein.
„Ist jemand aus dem Team da?“ Vielleicht hatte er ja doch Glück.
„Erst morgen. Heute hat niemand mit Ihnen gerechnet. Soll ich Teniente Nando informieren? Er könnte Sie herumführen.“
Toni überlegte kurz. „Erklären Sie mir nur den Weg zur Abteilung, und besorgen Sie mir den Schlüssel für meinen Dienstwagen. Der Rest hat dann bis morgen Zeit.“
Die Büroräume befanden sich im zweiten Stock, und über die Raumnummer fand er seinen neuen Arbeitsbereich auch nach einer kurzen Suche. Fünf aufgeräumte Schreibtische in einem großen Raum, dahinter ein durch eine Glasscheibe abgegrenztes Büro. Sein Büro. Im Vergleich zu seinen früheren Arbeitsplätzen wirkten die Einrichtung und auch die Computer ein wenig veraltet. Wie alles funktionierte, wollte er erst am kommenden Tag erkunden. Für diesen Tag hatte er genug erfahren. Anabel García. Seine Chefin. Ob das gut gehen konnte?
Zwanzig Minuten später stand Toni auf dem Parkplatz vor der Hauptwache in Palma und hielt den Schlüssel zu seinem Dienstwagen in der Hand. Ein Mégane? Wollten ihn die neuen Kollegen auf den Arm nehmen? Mit einem sportlicheren Modell hatte er schon gerechnet. Aber vielleicht reichte ein Renault Mégane ja auf einer Insel wie dieser vollkommen aus. Unauffällig musste das Fahrzeug natürlich sein, und das war es in dieser silbernen Metalliclackierung mit Sicherheit. Dennoch vermutete er, bei einer Verfolgung mit diesem Wagen den Kürzeren zu ziehen.
Er setzte sich in das Auto, stellte den Fahrersitz und die Spiegel passend ein, startete den Motor und fuhr los.
Toni bog rechts auf den Paseo Marítimo ab, genoss den Blick auf die Palmenallee und das Meer, das in der Sonne glitzerte. Durch das offene Seitenfenster wehte die würzig salzige Meeresbrise in den Wagen. Der Duft seiner Kindheit. In diesem Moment fiel ihm auf, wie sehr er die Insel vermisst hatte.
Gemächlich fuhr Toni an der sandsteinfarbenen Kathedrale vorbei und fädelte sich seufzend in den fließenden Verkehr ein.
Alles wirkte so idyllisch und bezaubernd. Und er hätte es sicherlich auch genießen können, wäre er nur der Ruhe wegen nach Mallorca gekommen.
Toni verbot sich, länger über den Mord an seinem Halbbruder nachzugrübeln. Erst musste er herausfinden, wie seine Kollegen tickten und wem er vertrauen konnte. Irgendjemand hatte bei der Untersuchung geschlampt, daran gab es für ihn keinen Zweifel. Ob absichtlich, musste er noch herausfinden. Doch ein ungeklärter Polizistenmord? Toni schüttelte leicht den Kopf und lenkte seine Konzentration auf den Verkehr.
Auf der Autobahn nach Santa Ponsa herrschte an diesem Sonntag nur wenig Verkehr. Es reizte Toni, zu erfahren, was tatsächlich in dem Fahrzeug steckte. Kaum auf der freien Überholspur, trat er kräftig aufs Gas. Der Wagen zog ganz ordentlich, wenngleich er in den oberen Gängen durchaus spritziger hätte sein dürfen. Etwas enttäuscht drosselte er das Tempo wieder. Seinen Hang zur Geschwindigkeit könnte er wohl nur noch mit seinem Motorrad ausleben. Die deutschen Autobahnabschnitte ohne Geschwindigkeitsbegrenzung würde er vermissen.
Nach fünfzehn Minuten parkte er den Mégane vor der Doppelgarage seines Hauses. Es war ein Glücksfall gewesen, dass seine Schwiegermutter Adelheid diese zwei Doppelhaushälften gekauft hatte und zu ihnen gezogen war. Das erleichterte für Mel vieles. Er selbst hatte Familie auf der Insel, doch Mel? Sie hatte schon ihre Freunde in Deutschland zurücklassen müssen.
Während er ausstieg, sah er Adelheid an seinem Küchenfenster stehen. Neugierig streckte sie den Kopf heraus und lachte. „Das nenne ich mal passend! Eine kleine Familienkutsche. Gibt es News, die ihr mir verheimlicht?“
Toni hob nur abwehrend die Hand. „Lass gut sein, ja?“
Adelheid lachte noch immer, als er die Küche betrat.
„Ist Mel schon zurück?“
Seine Schwiegermutter schüttelte den Kopf. „Und mit dem Wagen willst du Verbrecher jagen?“
Toni ging an den Kühlschrank und holte sich ein Bier heraus. Besser, er ignorierte Adelheids spitze Bemerkungen.
„Na ja, so viel ist hier auch wieder nicht los“, kommentierte sie ungerührt weiter. „Und mit dem Auto kannst du dich problemlos an jeden anschleichen. Einen Kripobeamten erwartet da sicherlich niemand.“
„Hast du nichts zu tun?“, fragte Toni, bevor er auf die Terrasse ging und sich in den Liegestuhl im Schatten einer Platane fallen ließ. Im Grunde mochte er Adelheids spitze Zunge, doch an diesem Tag war es ihm einfach zu viel.
„Doch, aber ich koche trotzdem gerne für euch. Und das, obwohl ich ins Altersheim muss. Die Gemüselasagne ist fertig, und die Garzeit ist schon eingestellt. Ihr müsst nur noch den Ofen anschalten.“ Adelheid strich sich das graue Haar zurück.
Seine Schwiegermutter sah nach wie vor aus wie eine Hippiebraut aus den Siebzigerjahren. Und er hatte sie schon mehrfach dabei erwischt, wie sie heimlich Gras rauchte. Kaum auszudenken, wenn er sie deswegen irgendwann festnehmen müsste. Trotzdem mochte er insgeheim ihre eigenwillige Art, obwohl es ab und zu zwischen ihnen knallte.
„Was steht im Altersheim an?“, fragte er. „Du vertickst aber nicht irgendwas, oder? Das könnte ich auch dir unmöglich durchgehen lassen.“
„Ach, wo denkst du hin? Sonntags veranstalte ich doch immer den Bingoabend.“ Adelheid stemmte ihre Arme in die Hüften. „Und was ich in meinen eigenen vier Wänden mache, ist meine Privatangelegenheit.“
„Dann solltest du künftig auch in deinen vier Wänden bleiben, wenn du Gras rauchst.“
„Neidisch?“ Adelheid zwinkerte ihm zu. „Falls du mal was zur Entspannung brauchst, du weißt, wo du mich findest. Lass aber meinen Kühlschrank in Ruhe, verstanden?“ Sie griff nach ihrer Handtasche und winkte ihm zum Abschied. „Und sag Mel, sie soll nachher noch zu mir rüberkommen, ja?“
Toni brummte zustimmend, trank einen Schluck aus seiner Flasche, sank zurück in den Liegestuhl und schloss die Augen. Adelheid hatte ihn in den wenigen Tagen, die er nun auf der Insel lebte, bereits zweimal beim Plündern ihres Kühlschranks ertappt. Seit Melanie sich vegetarisch ernährte, wollte sie keine Fleisch- oder Wurstwaren im Haus haben, was Toni zwar nachvollziehen konnte, ihn aber zum Kühlschrank seiner Schwiegermutter trieb.
Seine Frau hatte im Grunde ja recht. Auch für ihn wäre es gesünder, den Konsum tierischer Produkte einzuschränken. Doch wie sollte er von heute auf morgen seine Leidenschaft für ein saftiges Steak oder ein Brot mit Chorizo ablegen? Letztlich hatten sie einen Kompromiss gefunden: Zu Hause verzichtete er darauf, aber im Restaurant gönnte er sich seine Fleischrationen. Ein Deal, der für beide in Ordnung ging.
Das herrliche Sommerwetter versöhnte Toni mit diesem Tag, den er eigentlich mit Mel hatte verbringen wollen. Es würde schön werden, wieder in seiner alten Heimat zu wohnen. Gleich am nächsten Tag wollte er sich die Ermittlungsakte zum Fall seines Halbbruders besorgen. Mit dessen ungeklärtem Tod konnte er sich niemals abfinden. Möglicherweise Anabel auch nicht. Sie wollte bestimmt ihre Statistik an ungelösten Fällen minimieren, und Toni sah förmlich, wie seine neue Chefin ihre Finger nach dem nächsten großen Posten in Madrid ausstreckte.
Liebe Frau Becker,
herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, ein paar Fragen zu beantworten!
Sie leben nun seit vielen Jahren auf Mallorca und sind sehr interessiert an der mallorquinischen und spanischen Kultur – woher kommt diese Begeisterung für Spanien?
Die überbordende Lebensfreude der Menschen steckt einfach an. Ich liebe den Lebensstil der Südländer. Und um ehrlich zu sein, ich bin eine bekennende Spätaufsteherin, und da in Spanien das aktive Leben später als in Deutschland beginnt und dafür bis mitten in die Nacht geht, kommt dieser Umstand meinem Biorhythmus sehr entgegen. Der wehrte sich über Jahre hinweg, wenn ich trotz einer Anfahrt von einer Stunde bereits um sieben Uhr morgens an meinem Sekretariatsschreibtisch in Deutschland sitzen musste. Zudem liebe ich auch die spanische Sprache sehr, die Musik geht unter die Haut, und dann erst die stimmungsvollen Feste samt der leckeren mediterranen Küche … Wie Sie sehen, ich könnte ewig weiterschwärmen!
Ihre Ermittlerfigur Toni Morales ist eine der sympathischsten Figuren, die mir seit Langem begegnet ist. Gab es ein Vorbild für Toni? Und wie entwickeln Sie Ihr Personal, wenn Sie mit einem neuen Roman beginnen?
Dankeschön für das Kompliment, ich werde es Toni ausrichten! Und nein, es gab kein reales Vorbild für Toni. Aber ich lese sehr gerne Krimis und die armen Ermittler haben meist harte Schicksalsschläge zu verkraften, die kaputte Ehe macht sie zu Alkoholikern oder sie verlieren in ihrem Kampf gegen das Böse ihren Partner. Ich wollte einem Ermittler mal ein schönes Privatleben gönnen, zwar nicht einfach, weil Toni ja eine starke Frau zu Hause hat und auch seine Schwiegermutter ihm das Leben erschwert, aber im Grunde ist es genau das, was Toni sich immer gewünscht hat. Er hat es bei seiner Arbeit schon schwer genug.
Die Herangehensweise an einen Charakter ist immer individuell. Oft denke ich viele Tage über eine Figur nach, entwerfe ihr Leben anhand einiger Fragen: Was hat sie dazu gemacht, wie sie heute ist? Was isst sie gerne, was hasst sie? Wie kommt sie mit ihren Eltern klar? Was wünscht sie sich im Leben und was hindert sie daran, diesen Traum zu leben? Bis zur Schuhgröße hin weiß ich alles über diese Figur. Was nicht heißt, dass sie mich während des Schreibens nicht auch hinterrücks überfallen kann und plötzlich ganz anders reagiert, als ich es jemals von ihr gedacht hätte. Toni hat übrigens Schuhgröße 44.
Was würden Sie Toni Morales sagen, wenn er plötzlich leibhaftig vor Ihnen stehen würde?
Ich würde ihn fragen, ob er nicht vielleicht doch irgendwo einen Zwillingsbruder versteckt hat, und ob er mir den nicht bei einem gemütlichen Abendessen vorstellen möchte. Ich gestehe: Ich bin ein wenig in Toni verliebt.
In Ihrem Mallorca-Krimi – dem ersten Fall für den Ermittler Toni Morales – geht es um ein dunkles Kapitel in der Geschichte Spaniens. Können Sie uns dazu etwas mehr erzählen?
Mich bei diesem Thema auf wenige Sätze zu beschränken, fällt mir sehr schwer, da es für eine kurze Zusammenfassung zu komplex ist. Es geht um die „geraubten Kinder“ während der Franco-Zeit und darüber hinaus. Geraubte Kinder nennt man hier in Spanien die Kinder, die ihren Müttern unmittelbar nach der Geburt weggenommen und für tot erklärt wurden. Das geschah vor allem Frauen aus regimekritischen Familien. Die frisch geborenen Säuglinge wurden dann an regimetreue Familien für den Gegenwert einer mittleren Eigentumswohnung verkauft. Waren die Taten, die hauptsächlich durch Kirchenmitglieder begangen wurden, zunächst politisch motiviert und von der Regierung gefördert, änderten sich die Gründe für den Raub der Kinder nach Francos Tod. Es ging jetzt schlicht ums Geld, und die grausamen Taten wurden bis in die späten Siebziger Jahre weiter betrieben. Es ist ein beinahe totgeschwiegenes Thema in Spanien, doch die Stimmen werden lauter, wenn sich die Politik auch heute noch nicht in der Pflicht der Aufarbeitung sieht und auch die betroffenen Familien bei der Suche nach ihren Lieben nicht unterstützt.
Wann, wo und wie schreiben Sie am liebsten? Ist Ihr Schreibtisch immer aufgeräumt oder sind Sie eher eine Chaotin?
Ich wünschte, ich könnte auf der Terrasse schreiben, oder in einem schönen Café an der Strandpromenade. Leider klappt das bei mir gar nicht. Wenn ich alleine irgendwo sitze, und es befinden sich Leute um mich herum, dann bin ich wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Ich beobachte, und irgendwann kommen die Fragen ganz automatisch: Was macht die junge Frau wohl nach Feierabend? Verträgt sich das streitende Paar wieder oder geht die Beziehung nun auseinander? Und das Segelschiff dort hinten, wo das wohl hinfährt und mit wem? Ich lasse mich also viel zu leicht ablenken.
Von daher sitze ich in meinem Büro am Schreibtisch, vor mir an der Wand die große Pinnwand mit allen Infos zum Roman. Und da schreibe ich dann konzentriert. Meist beantworte ich zuerst Mails und Nachrichten über die Social Media Kanäle und trinke die erste Tasse Kaffee. Wenn ich dann munter bin, versuche ich mein Tagessoll von 1500 Wörtern zu schreiben. Mal werden es weniger am Tag, mal mehr, aber am Freitagabend müssen es 7500 Wörter sein, sonst muss ich am Wochenende ran. Und da ich ja auf einer schönen Insel lebe, schaue ich zu, dass ich das Wochenende frei habe.
Mein Schreibtisch kennt zwar aufgeräumte Momente – zum Beispiel nach der Fertigstellung eines Romans, dann wird der Tisch komplett aufgeräumt –, aber während des Schreibens schiebe ich die Stapel und Bücher der Recherche von einer Ecke in die andere. Auch beim Planen eines Romans wird der Schreibtisch mit jedem Tag chaotischer. Wenn die Geschichte dann steht, wird erst einmal aufgeräumt, bevor ich anfange zu schreiben. Manchmal wünschte ich, ich hätte zwei Schreibtische. Dann hätte ich einen, an den ich die Unordnung verbannen kann. Ich kann ziemlich böse werden, wenn jemand die Tür aufmacht, während ich das Fenster offen habe, und damit einen Durchzug provoziert, denn das endet im absoluten Chaos.
Was würden Sie anderen raten, die selbst gerne professionell schreiben würden, aber vielleicht nicht den Mut haben, es zu versuchen?
Es einfach zu tun! Und sich motivierende Unterstützung holen. Das funktioniert auch gut online. Es gibt Schreibforen, die mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dort erhält man auch Tipps, wie man die gröbsten Anfängerfehler vermeidet. Es gibt zwischenzeitlich sehr gute Schreibratgeber und auch tolle Methoden, um ein wenig strukturiert an das Projekt zu gehen. Denn das schadet nicht, selbst, wenn man sich selbst als Bauchschreiber bezeichnet. Und ganz wichtig: dran bleiben und den Spaß am Schreiben nicht verlieren!
Welches Buch, das Sie gelesen haben, hat Sie am tiefsten berührt oder am meisten geprägt?
Da kann ich gar kein spezielles Buch nennen, es gab so viele wundervolle Bücher, die ich gelesen habe. Manche mehrmals. Oft waren es Bücher, die in fremden Ländern spielten, und mich beim Lesen mit auf Reisen genommen haben, was meiner Reiselust sehr entgegen kam.
Geprägt hat mich das Reisen, denn in meinem Auslandsjahr in Venezuela habe ich auch zu schreiben begonnen. Einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören.
Und was liegt derzeit auf Ihrem Nachttisch?
Eine Großpackung Kosmetiktücher, da ich gerade Schnupfen habe und natürlich ein Buch. Ein Reiseführer über Andalusien. Da gibt es für mich noch die eine oder andere Stadt zu entdecken.
VIELEN DANK!
Beruf
Ehemaliger Europol-Mitarbeiter, nun Chef der UCO, einer Abteilung der mallorquinischen Kriminalpolizei.
Was zeichnet Sie aus?
Mein Gespür für Menschen. Ich lasse mich nicht so leicht hinters Licht führen. Und meine Hartnäckigkeit. Ich lasse auch dann nicht locker, wenn andere eine Angelegenheit schon verloren geben. Meine Frau würde es vielleicht stur nennen.
Weshalb sind Sie Polizist geworden?
Mein Onkel war Hubschrauberpilot der Guardia Civil. Er hat mich mal heimlich mitfliegen lassen. Ab da war mir klar: Ich will Hubschrauberpilot bei der Polizei werden. Danach wechselte ich aufgrund meiner Mehrsprachigkeit zu Europol. Nun bin ich seit Kurzem auf Mallorca tätig, wo es nicht halb so ruhig ist, wie ich gehofft hatte.
Leben Sie gerne auf Mallorca?
Ja, ich liebe die Insel sehr. Obwohl ich mit deutlich weniger Arbeit gerechnet hätte. Meiner Frau zuliebe wollte ich eigentlich kürzertreten. Aus diesem Grund habe ich mich auch versetzen lassen.
Ihre ehemalige Geliebte ist nun Ihre Vorgesetzte. Was sagt Ihre Frau Melanie dazu?
Kein Kommentar.
Ihre Frau ist Strafverteidigerin. Gibt es da manchmal Streit zwischen Ihnen?
Wir streiten nicht, was aber nicht bedeutet, dass es nicht zu hitzigen Diskussionen in manchen Momenten kommt.
Was wollten Sie schon immer einmal tun?
Endlich mit meiner Frau segeln gehen. Seitdem wir auf der Insel sind, verspreche ich es ihr. Nächsten Sonntag wird es klappen. Ganz sicher.
Guten Tag, Herr Morales und danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, ein paar Fragen zu beantworten, obwohl Sie – kaum dass Sie hier auf die Insel zurückgekehrt sind – bereits in Mordfällen ermitteln.
Haben Sie in der Zeit, in der Sie in Deutschland waren, die Insel vermisst?
Dazu hatte ich gar keine Zeit. Meine Arbeit bei Europol hat mich quer durch Europa reisen lassen. Je nach Fall gab es keine ruhige Minute. Und wenn ich ehrlich bin, hat mir meine damalige Freundin und jetzige Frau Melanie mehr gefehlt als die Insel.
Was hat Sie dazu bewogen, Ihre doch beachtenswerte Karriere bei Europol zurückzuschrauben und wieder hierher zurückzukommen?
Da gab es verschiedene Gründe. Zum einen lässt der unstete Alltag kaum ein Familienleben zu. Vielleicht habe ich mich aber auch nach all den Jahren der aufreibenden Verbrecherjagd quer durch Europa nach einem etwas ruhigeren Arbeitsalltag gesehnt. Wozu habe ich eine bildschöne Frau geheiratet, wenn ich sie nie zu sehen bekomme. Zum anderen war immer klar, dass ich irgendwann wieder hierher komme. Mallorca ist meine Heimat, der Großteil meiner Familie lebt hier.
Ihre Frau ist Deutsche und Anwältin. Hat Sie Ihre Entscheidung von Anfang an mitgetragen und sich auch schon eingewöhnt?
Glücklicherweise hat sie sich sehr gut eingelebt, zum Beginn war es für sie hart, aber sie konnte meine Motive verstehen. Außerdem hatte ich ihr versprochen, wenn sie sich gar nicht wohlfühlt, mit ihr zurück nach Deutschland zu gehen.
Kam es in Ihrer Zeit in Deutschland manchmal vor, dass Ihre Frau einen Mandanten hatte, gegen den Sie ermittelt haben?
Nein, ich war zwar viel in Deutschland, aber eben in immer unterschiedlichen Städten unterwegs.
Fühlen Sie sich hier schon wieder wie zu Hause oder ist es nach den Jahren eher ein neu entdecken der Insel?
Es hat sich vieles verändert und ich muss mich an manche Dinge neu gewöhnen. Es gibt deutlich mehr Touristen und ausländische Residenten auf der Insel als noch vor zehn Jahren. Da muss man umdenken, was mir aber nicht schwerfällt, da ich ja an die Kultur vieler Länder gewohnt bin.
Gibt es Orte, die Sie besonders mögen oder die mit besonderen Erinnerungen verbunden sind?
Das Kloster Lluc ist ein solcher Ort. Von dort aus sind wir, als ich noch ein Kind war, oft in der Tramuntana gewandert. Ich mochte auch die Region um Álaro sehr. Auf der Finca meiner Großeltern stellte ich mit meinem Bruder sehr viel Unsinn an.
Wie ist es, eine Frau zur Vorgesetzten zu haben?
Nicht anders, als hätte ich einen Mann zum Chef. Ich habe damit überhaupt kein Problem, sollte die Frage darauf abzielen. Für mich zählt die erbrachte Leistung und nicht das Geschlecht. Und Coronel Anabel García hat mehr Eier als so mancher männlicher Kollege, das kann ich Ihnen sagen.
Unterscheidet sich die Arbeitsweise bei Ermittlungen in Deutschland und hier?
Im Grunde nicht. Die Technik ist auf dem gleichen Stand, je nach Revier gibt es da natürlich ein paar Unterschiede. Man muss sich überall an die gesetzlichen Vorgaben halten, um mit den ermittelten Ergebnissen vor Gericht gehen zu können.
Stimmt es, dass Sie auch alte und ungelöste Fälle aufklären werden?
Ja, das ist korrekt. Oftmals bringt ein frischer Blick neue Ermittlungsansätze. Es ist unser ausdrückliches Ziel, nach Möglichkeit kein Verbrechen unaufgeklärt zu lassen. Und da spreche ich für das gesamte Team.
Herzlichen Dank, Herr Morales, für die Zeit, und herzlich willkommen auf Mallorca!
Der Mallorquiner Antonio Morales, kurz Toni, ist ein ehemaliger Europol-Mitarbeiter. Er war aufgrund seiner Fähigkeiten und seiner Sprachkenntnisse für Europol als Verbindungsbeamter Organisiertes Verbrechen tätig. Gemeinsam mit seiner deutschen Frau Melanie, die Anwältin und Strafverteidigerin ist, und deren Mutter Adelheid zog er vor Kurzem zurück nach Mallorca, um seine neue Stelle als Comandante bei der Polizeieinheit gegen organisierte Kriminalität anzutreten. Nach Palma ließ er sich aber vor allem auch deshalb versetzen, weil er vor Ort im Fall des seit zwei Jahren ungeklärten Mordes an seinem Halbbruder ermitteln und seiner Frau zuliebe ein ruhigeres Familienleben führen möchte. Doch mit der Entspannung ist es schnell vorüber, denn auf Toni warten bereits die ersten Fälle …
„(Elena Bellmar) führt geschickt sowohl die Leser als auch den Kommissar in die Irre.“
„Die Sache ist noch heute politisch-gesellschaftlich brisant und aufwühlend – Bellmar schafft einen ebenso fesselnden wie angemessenen Umgang mit dem Thema; nichts ist reißerisch und übertrieben aufgesetzt, die vielen Erzählstränge laufen logisch zusammen.“
Meine Meinung: "Mallorca – malerische Küsten und ein rätselhafter Mord" so steht es in der Kurzbeschreibung und meine Neugierde wurde sofort geweckt. Ich freute mich darauf, mit diesem Buch nach Mallorca zu reisen und Orte, die ich im Urlaub kennen gelernt hatte, wiederzusehen. Toni Morales hat sich nach Mallorca versetzen lassen und musste bereits vor seinem offiziellen Dienstantritt mit der Arbeit beginnen. So lernten wir gemeinsam seine neuen Mitarbeiter kennen und steckten gleich mittendrin in einem Fall. Dazu hat sich Elena Bellmar ein äußerst brisantes Thema ausgesucht, worüber ich hier nichts verraten will. Aber sie hat sehr gut recherchiert und nicht nur ich war entsetzt, welche Geheimnisse da zutage kommen. Mir gefällt es immer wieder, wenn in einem Krimi nicht nur der Fall behandelt wird, sondern auch das Privatleben der Ermittler eine Rolle spielt. Wichtig ist für mich die richtige Mischung aus Spannung und Alltagsleben, dies ist der Autorin sehr gut gelungen. Ich war an das Buch gefesselt und konnte es mal wieder nicht aus der Hand legen, was bedeutete, dass der Schlaf zu kurz kam, weil ich unbedingt wissen wollte, wie sich denn nun alles verhält. Ebenso wichtig ist es für mich, dass mir die Beteiligten sympathisch sind. Es gab eine Person, von der ich Unannehmlichkeiten erwartete, aber da hat mich die Autorin angenehm überrascht. Toni und seine Frau haben mein Leserherz erobert und ich freue mich auf weitere Folgen mit ihnen und den interessanten Kollegen. Fazit: Ein gelungener und spannender Start einer neuen Krimiserie, der mich begeistert hat. Gerne gebe ich eine Leseempfehlung und ich selber bin gespannt auf das nächste Buch.
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