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Midnight Thief – Das Versprechen der Heilerin

Andreas Dutter
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Roman

„Ihr werdet es lieben, besonders der Humor und die Dynamik sind einfach nur grandios.“ - magische_momente_

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Midnight Thief – Das Versprechen der Heilerin — Inhalt

Die Stadt der Liebe hat dunkle Schatten ... Fesselnde Romantasy zweier Underdogs für LeserInnen von „Sister of the Stars“ und „Crescent City“

An ihrem 19. Geburtstag beschließt Jane, sich endlich über die drei heiligen Regeln ihrer Mutter hinwegzusetzen. Zwar hat sie als Einzige in ihrer Familie keine magischen Kräfte, aber Jane will sich nicht länger einsperren lassen. Anstatt gehorsam ihre Medizin zu trinken und immer schön zu Hause zu bleiben, bricht sie aus und gerät prompt in die Fänge einer verfeindeten Familie. Ausgerechnet dort trifft sie auf den geheimnisvollen und gut aussehenden Archie. Gemeinsam fliehen sie, doch das gefährliche Spiel um ihr Schicksal in den düsteren Gassen und Katakomben von Paris hat erst begonnen ...

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 28.04.2022
416 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50528-4
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 28.04.2022
416 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-98865-0
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Leseprobe zu „Midnight Thief – Das Versprechen der Heilerin“

Kapitel 1


Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal in meinem Leben so viele Regeln auf einmal gebrochen hatte. Zwei an der Zahl. Das schlechte Gewissen wegzutanzen, gelang mir nicht. Meine Hüften schwang ich aber trotzdem zum sanften Rhythmus meines Lieblingssongs, und mein Herz schlug im Takt mit. Da meine Musik offensichtlich nicht in den angesagten Club passte, genoss ich jede einzelne Sekunde davon.

Gedanklich sah ich noch den DJ vor mir, wie er Ella genervt musterte und sagte, dass er Saving the Train von Alexz Johnson nur aufgrund vielfacher Nachfragen [...]

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Kapitel 1


Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal in meinem Leben so viele Regeln auf einmal gebrochen hatte. Zwei an der Zahl. Das schlechte Gewissen wegzutanzen, gelang mir nicht. Meine Hüften schwang ich aber trotzdem zum sanften Rhythmus meines Lieblingssongs, und mein Herz schlug im Takt mit. Da meine Musik offensichtlich nicht in den angesagten Club passte, genoss ich jede einzelne Sekunde davon.

Gedanklich sah ich noch den DJ vor mir, wie er Ella genervt musterte und sagte, dass er Saving the Train von Alexz Johnson nur aufgrund vielfacher Nachfragen spielte. Dass es sich nur um das vielfache penetrante Nachfragen meiner besten Freundin gehandelt hatte, brauchte ja niemand zu wissen. Ella hatte nicht lockergelassen, und das nur für mich.

Meine Haare kitzelten im Nacken, als ich die Hände hob und durch sie hindurchwuschelte. Mit fließenden Bewegungen kostete ich meine vier Minuten in vollen Zügen aus. Dabei wirkte ich vermutlich ein wenig schräg, aber wann tat ich das nicht? Heute, an diesem besonderen Tag, kümmerte es mich noch weniger. Seit wenigen Stunden hatte ich nämlich Geburtstag, und den ließ ich mir nicht vermiesen. Auch wenn mich das komische Ziehen in meiner Bauchgegend daran hinderte, mich völlig gehen zu lassen.

Um mich auf den Gesang konzentrieren zu können, schloss ich die Augen. Alles war in Schwarz gehüllt. Finsternis zog mich immer schon magisch an.

Jemand stieß gegen meinen Rücken und brachte mich aus dem Flow. Heißer Atem und ein „Pardon“ drangen an mein Ohr. Leicht betäubt vom Bier störte ich mich nicht daran und tänzelte weiter von links nach rechts. Selbst die Beleuchtung im Club, die heißer als die Sommersonne auf mir brannte, ignorierte ich. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und öffnete die Augen einen Spaltbreit. Bunte Lichter, die im Takt der Musik blinkten, drangen zurück in meine Realität. Zusammen mit ihnen auch die Gedanken an meine Mutter, die mit in die Hüften gestemmten Händen Vorwürfe abspulen würde, erführe sie von der heutigen Nacht und dass ich mich außerhalb der Pariser Innenstadt befand.

„Als Sanitatem und vor allem als meine Tochter …“, würde sie ihren Vortrag beginnen und mir erklären, diese Regeln dienten nur meinem Schutz.

Das Lied endete, meine Mutter, die es hasste, von mir provokativ Mom und nicht Maman genannt zu werden, verpuffte aus meinem Kopf. Ich sah mich um. Sich im M’Acqulaudelle zurechtzufinden, bedurfte keines großen Orientierungssinns. Es handelte sich um einen superelitären, winzigen Kellerclub, in dem Ella wochenlang im Vorhinein reserviert hatte. Ich schlängelte mich durch die feiernden Menschen und Duftwolken, die sich aus Schweiß, stechendem Parfüm sowie Alkoholfahnen zusammengesetzt hatten, bis ich bei Ella und Élian angekommen war. Sie unterhielten sich, die Köpfe verschwörerisch aneinandergeschmiegt.

Der alte Autositz, auf den ich mich neben Élian fallen ließ, war so hart, dass ich Angst hatte, mir mein Steißbein geprellt zu haben. Die anderen Bus-, Zug- oder Flugzeugsitze schienen nicht bequemer zu sein. Vermutlich hatte sich irgendjemand gedacht, Gemütlichkeit wäre nicht so wichtig wie eine moderne Ausstattung. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine junge Frau, die sich neben mir den Rücken rieb.

Beeindruckend, wie viele Feierwütige sich hier tummelten. Das fiel mir dank des neuen Songs auf, der mehr Potenzial zum Shaken bot und die Tanzfläche, die aus glitzernden Steinplatten bestand, wieder füllte. Ein sich gleichmäßig bewegendes Meer aus Armen breitete sich vor mir aus. An jedem Handgelenk hing ein Knickband in Neonfarbe. Pinke und orange Kreise mit gelben Tupfern malten geschwungene Linien in die Luft.

Der DJ feuerte die Massen an und stand in einem halben Oldtimer Cabrio in der Ecke, wo sein Pult und all sein Equipment platziert war. Er hob den Kopfhörer hoch und hielt sich eine Seite an ein Ohr.

Eigentlich alles normal. Doch seit drei Stunden fühlte ich mich komisch. Als wäre um Mitternacht mein neunzehnter Geburtstag wie ein Sturm gekommen, der mich erfasst, durchgewirbelt und wieder ausgespuckt hatte.

„Was überlegst du wieder, Jane?“ Élian übertönte mehr schlecht als recht die Musik. Jedes zweite Wort ging beinahe in dem Kings-&-Queens-Remix von Ava Max unter.

„Ich glaube, mein Bier ist alt. Mein Magen sticht, aber so richtig.“ Ich hoffte, es lag daran.

„Vielleicht stirbst du?“

Ich warf Élian einen skeptischen Blick zu.

„Jane stirbt?“ Ella schnappte Élians letzte Wörter auf und beugte sich über ihn, um mehr zu verstehen. Da sie um ein Vielfaches größer als Élian war, legte sich ihre schwarze Lockenmähne auf seine hellblonden Haare mit den gelben Spitzen.

„Ich bin vergiftet worden. Nichts weiter.“ Gleich danach setzte ich die Bierflasche an meine Lippen an. Nein. Der Inhalt war nicht abgelaufen. Schmeckte normal.

„Ach, wenn es sonst nichts ist.“ Ella zog ihr bauchfreies Regenbogentop ein wenig runter, setzte sich seitlich von Élian und schnappte sich ihre Flasche. „Haben wir auf Janes Geburtstag getrunken?“ An ihrer darauffolgenden Lippenbewegung erkannte ich, dass sie das aktuelle Lied mitsang. Wie sie diese Trendsongs liebte.

Élian hob seine Finger und zählte nach. „Schon sechsmal oder so.“

„Bist du sicher, Élian? Ich bezahle auch.“

„Schön, dass Geld für dich keine Rolle spielt.“ Beim Zurücklehnen beschloss ich, mich dem Wirrwarr aus Musik, Gelächter und Gesprächen hinzugeben. Ellas und Élians Diskussion verlor sich vollkommen in dieser Melodie.

Die verspiegelte Decke über mir zeigte mich komplett in Schwarz gekleidet, nur der neonpinke Sport-BH lugte durch die ausgeschnittenen Ärmel meines übergroßen Shirts hervor. Élian schaute auch hoch. Er winkte mir. Ich nickte ihm zu. Ella zog ihr Handy aus dem Ausschnitt wie eine Waffe. Sie sah sich um. Keiner in Sicht. Sie machte ein Foto von uns über die Spiegeldecke und verstaute es wieder zwischen ihren Brüsten.

Somit hatte ich noch eine Regel gebrochen. Denn zu fotografieren, verboten die Besitzer strengstens. Vermutlich damit die Neugierde der Leute anstieg. Und um zu verheimlichen, wie heruntergekommen der Club war. Ein Besuch von einem amerikanischen Megastar reichte offensichtlich, um die Gäste dennoch anzulocken. Okay, schuldig. Ich hatte ja als Erste vorgeschlagen herzukommen. Jetzt saß ich auf einem harten Autositz und hatte eine Magenverstimmung. Ganz zu schweigen von dem grausamen Tod durch die Hände meiner Mom, den ich erleiden würde, sobald ich zu Hause war. Steißbeinprellung inklusive.

„Unvorstellbar, oder? Wir sind im selben Raum, in dem Justin D. Webber gewesen ist.“ Élian sah jemandem hinterher. Suchte er nach einem Promi? Mit der Cocktailkarte wedelte er sich Luft unter seinen weißen Hoodie.

Um mich nicht nach vorne beugen zu müssen, zog ich Élian amüsiert zu mir. „Na? Heiß, nicht wahr?“

„Weiß nicht, was du meinst.“

„Wir haben dir gesagt, es wird dir mit dem Kapuzenpulli zu warm sein“, schaltete sich Ella ein, die alles mit angehört hatte und keine Gelegenheit ausließ, um einem ein „Ich hab’s dir doch gesagt“ reinzudrücken

„Ja, Mamans. Wer schön sein will, muss leiden.“

„Was wäre an einem weißen T-Shirt weniger …“ Ein Magenkrampf unterbrach mich. Mein „Aua“ verlor sich in einem Dance-Remix von Toxic.

Sofort schlang ich die Hände um meinen Bauch und hielt ihn fest. Falsch gedacht. So konnte ich die Schmerzen auch nicht eindämmen. Ich zog die Beine hoch und stützte sie an dem Tischchen vor uns ab.

„Jane?“ Élian kam nah zu mir. „Ella.“

Ella sprang neben Élian auf und drängte sich durch die stehenden Leute zu mir. „Achtung, ich bin Ärztin.“ Sie ging neben mir in die Hocke.

Hätte ich nicht solche Schmerzen, hätte ich gelacht. Ella und Ärztin, klar. Dieses Bauchstechen war nicht mehr normal. Und schon gar keine Nachwirkung eines abgelaufenen Biers. Irgendetwas passierte mit meinem Körper. Es kam mir vor, als zögen sich Blitzflüsse durch meine Adern, die in meinen Magen mündeten. Sogar den Atem musste ich vor Schmerzen anhalten. Mir ging die Luft aus. Das Chokerband schnürte mir plötzlich auch noch den Hals zu. Hatte sich die Welt gegen mich verschworen?

„Jane? Jane? Alles gut? Soll ich das Handy rausholen und dir ein Bild von Itzan Escamilla zeigen?“ Ella nahm die Lage nicht ernst.

Die Krämpfe ebbten nach und nach ab. Das mulmige Gefühl blieb wie ein bitterer Nachgeschmack zurück. Ich schnaubte belustigt, ehe die Qualen noch intensiver wiederkamen. Sofort krümmte ich mich und bäumte mich auf, biss die Zähne zusammen. Es schüttelte mich. Kälte kletterte meinen Rücken empor. Vorhin hatte ich mich über die stehende Schwüle beschwert, jetzt fror ich?

„Jane? Merde. Was ist mit dir?“ Élians Stimme klang kilometerweit entfernt. „Drogen?“

Es ließ wieder nach. Fühlte sich so eine überstandene Wehe an? Zumindest stellte ich es mir so vor. Oder Messerstiche. Ja, Messerstiche. Wie ich es im Training gelernt hatte, atmete ich gegen den Schmerz an.

„Okay, die Lage ist ernst. Hier, trink etwas Wasser.“ Ella griff vor.

Die Musik dröhnte in meinem Kopf, und nun gesellte sich zu den Schmerzen auch noch eine Migräne. Wie aus dem Nichts brannten die bunten Lichter, die wie Regenbogensäulen durch den Raum irrten, in meinen Augen. Ich presste die Lider zusammen und massierte meine Schläfen.

„Gib her.“ Nachdem ich Élians Stimme gehört hatte, lag die Wasserflasche schon an meinen Lippen.

Als ich die warm gewordene Flüssigkeit schmeckte, bemerkte ich erst die Dehydrierung meines Körpers. Ich sog, bis ich das Knacken der Plastikflasche hörte und nichts mehr aus ihr herauskam.

„Alles okay?“, fragte einer der Securityleute, die sich ständig durch den Kellerclub drängten, um das Handyverbot durchzusetzen.

„Wir bringen sie raus.“ Ella legte meinen Arm um ihre Schultern und stand auf.

Ella war größer als ich. Somit hing ich etwas schief von ihr runter. Sie machte sich kleiner, und in ihrem Gesicht spiegelten sich Sorge sowie Verwirrung zu gleichen Teilen.

Mein Kopf fiel vor, und ich sah auf den Boden. Meine Sicht verschwamm, doch die Lichter, die sich mittlerweile an einer Discokugel brachen, registrierte ich noch. Ellas Stimme wurde von einem lauten Piepen in meinem Kopf abgelöst. Ich verstand keines ihrer Worte mehr. Der Hörsturz stoppte jedoch so plötzlich, wie er gekommen war. Was stimmte nicht mit mir?

Etwas schepperte unter mir. Ich schnappte nach Luft. Ellas Handy. Sie reichte mich an Élian weiter, der mit mir wegging. Jeder Schritt fiel mir schwerer.

„Ella?“ Keine Antwort. „Ella.“ Meine Zunge war schwer wie Blei. In Élians Armen fühlte ich mich aber ebenso sicher. Die beiden würden mir durch diese Scheiße helfen. Was es auch war.

„Sie kommt gleich nach. Ella muss der Security das mit dem Handy erklären.“

Meine Beine trugen mich kaum noch. Ich sah hoch, wollte Ellas Blick suchen, konnte aber meinen Kopf nicht drehen. Stattdessen blieb ich an den Augen der Feiernden hängen, die nicht verheimlichten, wie witzig sie meinen Anblick fanden. Für die war ich wohl nur eine Betrunkene. Aber das konnte es nicht sein. Die Jugendlichen, die sich vor mir verdoppelten, sprachen jedoch eine andere Sprache.

Lag es an dem täglichen Trank meiner Mom, den ich nicht genommen hatte, oder doch am Alkohol? Waren Élian und Ella einen Augenblick unvorsichtig gewesen, und jemand hatte etwas in mein Bier gekippt?

„Könnt ihr uns hochhelfen?“ Mit wem unterhielt sich Élian?

Hatte sich das Stroboskoplicht eingeschaltet, oder bekam ich nur noch Bruchstücke davon mit, was geschah?

Im einen Moment hing ich noch an Élian im Club, im nächsten torkelte ich mit einem Fremden die Treppe zum Ausgang hoch. Etwas später peitschte mir kalter Wind ins Gesicht. Die folgende Luftohrfeige weckte mich endgültig auf, und ich bemerkte den Asphalt, auf dem ich saß.

„Putain de merde. Geht’s wieder?“ Verdammte Scheiße traf es gut. Élian beugte sich weit nach hinten. Nachdem er sich knackend etwas eingerenkt hatte, richtete er sich wieder auf.

„Mach doch mehr Sport, dann hast du keine Rückenschmerzen mehr.“ Das Kratzen in meinem Hals ließ nach.

Élian strafte mich mit einem bösen Funkeln. „Okay, du bist wieder die Alte.“

Das Unwohlsein verschwand nach und nach, bis ich mich wieder fit fühlte. Wäre ich betrunken, verschwände dieser Zustand doch nicht innerhalb weniger Augenblicke. Oder?

Ich sah mich um, begriff aber nicht, wo wir waren.

„Hab uns hinter den Club ans Ende des Geländes geschleppt. Weiß ja, wie du es hasst, wenn fremde Leute dich betrunken sehen.“ Élian hatte mein fragendes Gesicht richtig gedeutet. „Außerdem ist es hier ruhiger, falls du schlafen willst.“

Élian kannte mich gut, obwohl auch etwas von seiner Pflegerattitüde rauskam. Ein Güterzug ratterte etwas weiter entfernt an uns vorbei. Dahinter sausten Autos auf der Fernverkehrsstraße N14 hin und her. Der Sternenhimmel begrüßte Élian und mich, aber auch er gab mir keine Antwort darauf, was seit Mitternacht mit mir los war.

Mom anzurufen, wäre nur eine Option gewesen, wenn ich im Sterben läge. Denn weit außerhalb der Pariser Innenstadt auf einem heruntergekommenen Fabrikgelände von Saint-Denis zu sitzen, glich Hochverrat. Das Revier der Furta Noctra betrat man nicht.

„Was überlegst du?“ Élian setzte sich neben mich und nahm meine Hand.

Er machte sich Sorgen. Sonst würde er nicht riskieren, seine senfgelbe Hose und den weißen Hoodie zu beschmutzen. Zu gern würde ich ihm die Wahrheit sagen, doch wie immer lächelte ich und sagte: „Nichts.“

„Jane. Hast du irgendetwas genommen? Einen Shot von einem Fremden?“

„Nein, spinnst du? Ihr habt auf mein Bier aufgepasst, und darauf lag auch noch der Gullideckel-Untersetzer.“

„Ja, ich hatte die Flasche vor mir. Keiner war dran.“ Élian schien den Abend Revue passieren zu lassen. „Nein.“

Wieder ging mir Moms Trank durch den Kopf. Kam die Krankheit zum Vorschein, vor der sie mich seit meiner Kindheit warnte? Warum stellte ich mich so blöd an und brach die Regel, niemals ihren Trank auszusetzen? Auch darüber konnte ich nicht mit Élian sprechen.

„Weißt du, Jane, also, versteh mich nicht falsch, hoffentlich geht es dir bald besser …“

„Aber?“ Mit halb zugekniffenen Augen behielt ich Élian fest im Blick.

„Irgendwie finde ich die heutige Nacht phänomenal. Wir befinden uns weit außerhalb unserer Komfortzone. Du hast irgendetwas genommen.“ Hatte ich nicht. „Ella hängt bei den Securitytypen ab. Wir haben deinen Geburtstag in einem angesagten Club gefeiert. Sind endlich aus dem Raster des Alltags ausgebrochen. Wie lange haben wir uns nicht mehr getroffen? Ich meine, in der Realität, nicht online. Du musst ständig deiner Maman helfen, und ich bin bei meinen Eltern mit ihrer Pflege eingespannt. Zut, Jane! Wir erleben etwas.“ Mit „Verdammt, Jane!“ hatte er mich wachgerüttelt.

Das Klirren einer Glasflasche, die auf den Boden fiel, hallte durch die Nacht und unterbrach meine angesetzte Antwort. Ich zuckte zusammen und sah mich um. Diese Gegend sollte ich ohnehin meiden, selbst wenn ich normal wäre, aber nein, natürlich musste ich meinen Geburtstag hier feiern. Hatte ich wieder klasse eingefädelt.

„Ach, Mist, wir haben unsere Handys noch nicht abgeholt.“ Élian reichte mir eine Hand. „Wir müssen sie holen. Der Schuppen wird mir immer suspekter. Wir wollen ja nicht sehen, wie unsere Smartphones aus den Tresoren online verhökert werden.“

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Ach, erst froh etwas zu erleben, und nun willst du abhauen?“ Dass ich meinen besten Freund durchschaut hatte, dürfte ihn nicht wundern. „Tu nicht so besorgt. Dir ist nur wieder eingefallen, dass es nach Mitternacht ist und du in deinem komischen Farming Game wieder ernten kannst.“

„Wie kannst du das sagen? Ich mache mir Sorgen und, äh.“

„Élian. Gardian.“ Ich suchte stets sich reimende Worte auf Élian, wenn ich ihm etwas nicht glaubte.

„Hirte? Die gibt’s in dem Spiel nicht. Ja, okay, wie auch immer. Aber Farmhill Town ist nicht komisch.“ Er zog eine beleidigte Grimasse.

Ehe ich aufstehen wollte, checkte ich noch einmal meinen Gesundheitszustand. Vorsichtig streckte ich meine angewinkelten Beine aus. Kein Ziehen ging durch meinen Bauch. Seufzend legte ich meine Handflächen links und rechts von mir auf die Straße und spürte kleine Kieselsteine. Was war das bloß gewesen?

„Jane, Beeilung. Sonst kann ich meine Farm schließen. Außerdem sollten wir Ella helfen. Der Türsteher hält sie deswegen bestimmt noch fest. Sie wird einen Aufstand anzetteln und damit alles schlimmer machen, bis er an ihr ein Exempel statuiert.“ Bestürzt legte er sich eine Hand an die Brust. „So aufregende Abende sind doch nichts für mich.“

„Du guckst zu viele Serien.“ Ich hievte mich hoch, begleitet von einem langen, übertriebenen Stöhnen.

„Sagt ausgerechnet Mademoiselle Schauen Sie noch oder schlafen Sie schon? Liebe Grüße Netflix. Los, gehen wir.“

Steinchen kratzten auf dem Asphalt. Jemand näherte sich uns.

„Ihr habt doch bestimmt noch etwas Zeit für uns.“

***

Die bröckelige Fassade des alten Fabrikgebäudes im Rücken und Élian vor mir. So stand ich da und fragte mich, was ich machen sollte. Die beiden Typen, die uns aufgelauert hatten, hatten sich vor uns ausgebreitet und wollten unser Geld. Ich blickte über Élians Schulter und erkannte, wie der eine mit den kurz geschorenen Haaren ein Messer zückte. Mein Puls beschleunigte sich. Scheiße.

Das war keines dieser Amateurmesser von Leuten, die in der Innenstadt ein paar Euro abzwackten. Das war ein gezackter Dolch, den sie zum Kämpfen benutzten. Ich schluckte und schätzte unsere Chancen zur Flucht ab. Okay. Es war aussichtslos.

Mein Herz pochte laut. Mir fiel es schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren. Und ausgerechnet mein Élian stand zitternd vor mir und wollte mich beschützen.

Ich krallte mich an seinem Hoodie fest und spürte, wie sein Körper bebte.

„Lasst uns doch, doch …“ Élian schluckte laut, und seine Stimme brach. „… bitte gehen. Wir haben unsere Sachen im Club unten.“

„Glauben wir ihnen das, Bill?“ Der Messertyp drehte seinen Dolch, und das Licht der Straßenlaternen brach sich darin.

„Nie und nimmer, Pat.“ Er zog den linken Mundwinkel nach oben. Sein Grinsen bekam dadurch etwas Unheimliches.

„Wir sind draußen, weil mir schlecht war. Denkt ihr, wir würden unser Leben für Geld riskieren? Hätten wir es mit, würden wir es euch geben.“ Élian und ich ließen unser Geld immer in einer von Ellas Designerhandtaschen, damit wir es nicht schleppen mussten.

Wenn die uns nicht vorbeiließen, musste ich die dritte heilige Regel brechen und einschreiten.

Wieder ein Güterzug, der vorbeifuhr. Schleifgeräusche von den Schienen durchschnitten die Nacht.

„Ihr seht nicht aus, als wärt ihr aus der Gegend. Ihr kommt bestimmt aus so einem Schickimicki-Bezirk.“ Strengte es Pat gar nicht an, mit seiner Stimme den Zug zu übertönen? Blöd, dass uns hier niemand hören würde. Der Kellerclub nahm nur einen winzigen Teil der alten Fabrik ein, in der früher Autoteile hergestellt worden waren.

„Genau. Ihr haltet euch doch für was Besseres.“ Bills knallrote Haare wehten im aufkommenden Wind des Zuges, sodass es wie fließendes Blut aussah.

Eine Erkenntnis überkam mich. Ihnen ging es nicht um unser Geld. Sie wollten einen Grund, um uns anzugreifen. Aber waren Bill und Pat, falls das ihre Namen waren, auch noch von den Furta Noctra? Die Panik vernebelte meine Sinne, was es mir schwer machte, mich zu beruhigen.

„Wartet und wir holen unsere Sachen aus dem Club. Oder einer von euch kommt mit und …“

„Und dann ruft ihr im Club um Hilfe.“ Zumindest Pat, der mich unterbrochen hatte, strahlte nicht nur allumfassende Dummheit aus.

Bill näherte sich Élian und fischte einen Schlagring aus der Seitentasche seiner Militärhose. Was sollte ich machen? Ich konnte doch nicht, nein, Mom brächte mich um. Konnte ich das Leben meines besten Freundes der Geheimhaltung meiner Identität unterordnen?

Ich ließ Élian los, ballte meine Hände zu Fäusten.

„Und du willst das Mädchen beschützen, Schlappschwanz?“ Ich hatte zu lange überlegt. Bill stand direkt vor Élian. Er umfasste sein Kinn mit einer Hand. „Kannst nicht mehr reden? Oder sprichst du unsere Sprache nicht?“

„L…lasst Jane in Ruhe.“

„Oh. Hast du das gehört? Er will sie beeindrucken.“

Pat lachte aus dem Hintergrund, was rau und kratzig klang, am liebsten hätte ich gekotzt. Und wie er breitbeinig dastand, als gehörte ihm die Welt, machte mich umso wütender.

Das ging zu weit. Élian tat mir leid. Ohne länger nachzudenken, schnellte ich vor und packte Bills Hand. Élian taumelte zurück, bis er mit dem Rücken an der Fabrikwand stand.

„Das halte ich für eine schlechte Idee, Kleine.“ Aus der Nähe wirkte er durch die Falten um den Mund älter. Dabei hatte ich ihn jünger geschätzt.

„J…Jane.“ Mehr kam nicht mehr aus Élian.

Scheiße, was tat ich hier? Ich durfte nicht gegen sie vorgehen. Die Stimme meiner Mutter tauchte in mir auf: „Denk an das höhere Wohl.“

Aber es ging um Élian, verdammt noch mal. Verzeihung, Mom. Ich stellte sie auf lautlos.

Im selben Moment riss sich der Möchtegernpunk los und sah mein Einmischen als Rechtfertigung, uns endlich anzugreifen.

„Na warte.“ Seine Faust schnellte vor.

Ohne auf Élians Reaktion zu achten, wich ich aus. Ich wechselte in meine Kampfsporthaltung und kickte Bill gegen den Oberschenkel. Die Überraschung in seinen Augen löste ein befriedigendes Gefühl in mir aus. Sofort drückte ich mit meinem rechten Unterarm seinen weg, packte sein Handgelenk und zog ihn vor. Ein leises „Ah“ entglitt ihm, als ich mich drehte, danach seine Schulter umfasste und ihm in die Kniekehle trat. Mit meiner Abwehr überrumpelte ich ihn. Er knickte nach vorn, und ich brauchte ihn nur noch mit meiner Hand zu Boden zu drücken. Neben mir hörte ich Geräusche. Meine Aufmerksamkeit galt jedoch Bill unter mir.

Der keuchte auf. „Wie hast du …“ Ohne seinen Satz zu beenden, wollte er wieder aufstehen.

Meine Brust hob und senkte sich schnell. Nicht, weil ich ausgepowert war, sondern weil das Adrenalin durch mein Körper schoss. Noch bevor Bill wieder hochgekommen war, trat ich ihn. Er kippte auf den Rücken, und ich schwang mich auf ihn.

„Lass uns gehen, Élian.“ Noch genoss ich Bills Anblick unter mir.

„Jane.“ Das klang nicht nach Élians bewundernden Rufen. Ängstliche Schwingungen kamen bei mir an.

Ich drehte mich zu ihm. Mist. Pat, auf den ich gar nicht mehr geachtet hatte, stand vor Élian. Sie befanden sich etwas weiter entfernt, als ob Élian versucht hätte, wegzulaufen, aber eingeholt worden war.

„Élian.“

„So taff biste dann doch nicht.“

Ohne auf Bills Provokation einzugehen, hüpfte ich hoch und rannte zu Élian. Kurz vor ihm und Pat bremste ich ab. Urplötzlich fror ich am Boden fest.

„Nein.“ Ein ersticktes Hauchen, für mehr reichte es nicht.

Bis das Bild vor mir mehr und mehr real wurde.

„Nein!“ Mein eigener Schrei fuhr mir wie ein Messerstich ins Herz.

Dieses hilflose, zutiefst niedergeschlagene „Nein!“ hallte hier, hinter dem Fabrikgebäude, wider und wurde zugleich von dem Lärm der N14 verschluckt.

Das Licht brach sich in dem blutverschmierten Messer, das der Verbrecher aus Élians Bauch zog. Élian sah auf seine Wunde. Seine Finger stoppten zitternd vor dem Blut. Es verfärbte seinen Hoodie. Erst danach blickte Élian zu mir und öffnete den Mund. Heraus kam ein mickriges Krächzen.

Sämtliche Panik und Sorgen sammelten sich in meinem nächsten „Nein“, das in der Luft hing wie ein böses Omen.

Hinter mir näherte sich jemand. Gekonnt trat ich zurück und traf auf etwas. Ohne mich zu vergewissern, wie stark mein Tritt gewesen war, raste ich vorwärts. In mir drehte sich alles. Das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren nahm an Lautstärke zu, und ich musste mich konzentrieren, damit meine Beine nicht nachgaben.

Blut tropfte von Pats Messer und fiel mit Élian zu Boden. Ich hatte keine Angst vor ihm, aber davor, Élian nicht helfen zu können.

Die Straßenlaternen neben uns fingen zu flackern an, und meine Schmerzen von vorhin kamen wie eine unerwartete Explosion zurück.

Ohne Umschweife kippte ich vor und biss mir auf die Unterlippe. Ich ging in die Hocke und stützte mich mit den Händen auf der rauen Straße ab. Sie sollten nicht merken, wie es mir ging, aber sie wären blind, erkannten sie es nicht.

Unter Schmerzen hielt ich erst meinen Bauch und schlug dann mit der flachen Hand auf die Straße ein. Die Steinchen am Boden kratzten meine Haut auf. Warum? Warum? Es kostete mich Überwindung, zu Élian zu sehen. Er lag am Boden, und die Feststellung, zu spät reagiert zu haben, ließ meine Krämpfe stärker werden. Blitze zuckten vor meinen Augen umher. Wie sollte das ausgehen? Élian war verwundet, und ich konnte ihm nicht helfen. Was im Moment mehr schmerzte? Élians Anblick oder die Krämpfe? Keine Ahnung.

Ich würde die Nächste sein und erwartete jeden Moment, den Stich des Dolches zu spüren. Oder war er bereits gekommen und in meinen Schmerzen untergegangen? Was stimmte nicht mit mir? Und warum zum Teufel hatte anscheinend jemand meinen neunzehnten Geburtstag verflucht?

„Nicht mehr so ’ne große Klappe, was?“ Keine Ahnung, wer von beiden auf mich einredete. Die Stimme echote in meinem Kopf.

Schwarze Stiefel mit Metallketten hielten vor mir.

„Hey.“

„Was macht ihr da?“

Zwei weitere männliche Stimmen, falls ich das richtig gehört hatte. Noch mehr Feinde?

Der Boden unter mir drehte sich, als verwandelte er sich in einen Strudel, ein schwarzes Loch, das drohte, mich zu verschlucken. Ich hielt den Atem an, und meine Lunge stach. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte nicht mehr einatmen.

Als das Karussell meiner Schmerzen allmählich nachließ, waren die Stiefel verschwunden. Ich spürte eine Hand auf meinem Rücken und zuckte zusammen. Erst da ließ ich die Luft wieder in mich. Man half mir, mich zu setzen. Blaue Augen sahen mich an.

„Alles gut? Sie sind weggelaufen.“ Ein nettes Gesicht.

Ich deutete zu Élian. Bei ihm stand ein anderer Junge.

„Holt Hilfe.“ Hörte man mich überhaupt?

Übelkeit kletterte meinen Hals empor, und ich benötigte all meine Kraft, um mich nicht zu übergeben.

Mein Körper vibrierte. Ich hatte große Angst davor, was mit mir los war und wie es Élian ging.

„Geht es dir gut, hast du …“

„Holt Hilfe, er stirbt.“ Mit letzter Kraft sprach ich so eindringlich, wie ich konnte.

Die Jungen warfen sich einen unbeholfenen Blick zu.

„Simon?“

Simon, der eine rote Cappy trug und bei Élian stand, nickte. „Beeil dich, Philippe.“

Neben mir regte sich etwas, der Blonde. Wie war sein Name? Philippe.

„Nein, geht beide.“

Wieder schauten sie sich an.

„Geht.“

Sie rannten los. Ich musste mit Élian allein sein. Nachdem ich mich zu ihm geschleppt hatte, drehte ich ihn auf den Rücken und untersuchte ihn mit verschwommenem Blick.

„Bitte nicht, Élian.“ Die Wunde an seinem Bauch war nicht nur eine Stichverletzung. Das Messer mit den Zacken hatte ihm schwerer zugesetzt, als ich gehofft hatte.

Wie er da lag, wie etwas Zerbrechliches, dem ich nicht noch mehr schaden wollte, ließ mich hilflos zurück. Die Möglichkeit, meinen Plan umzusetzen und vielleicht dennoch zu scheitern, umklammerte mich. Eine giftige Umarmung, die mich daran denken ließ, wie ich damals im Krankenhaus an Yassins Bett gestanden hatte.

Ich zog die Nase hoch und wischte mir die Tränen weg. Nicht jetzt. Für Élian musste ich stark sein und es wagen. Ich rieb die Hände aneinander, als schaltete ich so meine Furcht ab. Schmutz bröckelte ab, und die Flächen wurden warm. Dann zog ich ihm den heiligen Hoodie aus und benutzte ihn als Kissen für seinen Kopf. Sachte legte ich meine Hände auf seine Brust und seinen Bauch.

„Bitte, bitte, bitte, bitte. Mach etwas.“ Nichts geschah.

Ich atmete tief ein, hielt die Luft und atmete wieder aus. Langsam versuchte ich, mich zu entspannen. Für Élian musste ich mich zusammenreißen, also schloss ich meine Augenlider und strich meine Haare hinter die Ohren, fühlte die goldenen Piercings. Mein Herzschlag beruhigte sich, dank der Atemtechnik meiner Mutter. Die Schmerzen in meinem Körper zogen sich zurück.

Immer weiter drang ich in mein Inneres, öffnete alle Energiekanäle und konzentrierte mich darauf, meine Kraft auf Élian zu lenken. Ich nahm die Sanitatemaura der Heilung wahr, die um mich tanzte wie eine Kerzenflamme. Langsam streifte ich sie mit meinen Gedanken ab, bis sie Élian einnahm.

Schwärze hüllte mich ein, und ich nahm nichts mehr wahr, bis auf das Geräusch eines Flusses in mir. Langsam und zögerlich tat sich ein Lichtfunken in der Finsternis in mir auf. Wie ein kaputtes Feuerzeug, das man verzweifelt zu entfachen versuchte.

Voller Hoffnung sah ich Élian wieder an. Das Rasen der Autos, die schlechte Luft, das flackernde Straßenlaternenlicht, alles kam wieder zurück zu mir. Nur Élian nicht. Wie in einem Wahn kniete ich vor meinem besten Freund, drückte meine Hände auf ihn, aber es passierte nichts.

„Warum klappt es nicht?“ Verzweifelt schlug ich mit beiden Fäusten auf Élian. „Wach auf, wach bitte auf.“

Die Erinnerungen an meinen verstorbenen Ex-Freund Yassin drängten sich in den Vordergrund, obwohl ich sie lange verschlossen gehalten hatte. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie ich an seinem Sterbebett im Krankenhaus stand und an ihm rüttelte, nachdem ich Dummkopf ebenfalls versucht hatte, ihn wiederzubeleben. Obwohl ich schon lange wusste, dass ich eine Versagerin war, die diese und viele weitere Fähigkeiten komischerweise nicht geerbt hatte. Ich war die Schande der Familie und konnte selbst diejenigen nicht retten, die ich liebte.

Die Tränen brachen aus mir. Mein gleichzeitig lautes Schluchzen erschreckte mich selbst. Sanft legte ich meine Hände an den Mund und spürte Élians warmes Blut an mir.

„Das darfst du mir nicht antun. Bitte, Élian.“

Immer wieder wiederholte ich diesen Satz.

„Wach auf.“ Mein Wispern kam mühsam aus meinem trockenen Mund, und meine Zunge klebte schwer an meinem Gaumen.

Erschöpft bettete ich meinen Kopf auf seine Brust. Überall an mir klebte sein Blut. Ich streichelte seine Wange und erwischte mich dabei, wie ich mir jedes Detail seines Gesichts einprägte, um sie mir in meine Erinnerungen einzuschweißen. Seine Zornesfalte zwischen den Brauen, sein Tattoo am Hals, das an seine japanischen Wurzeln erinnerte. Das Grübchen in seiner Wange, das sich vorhin noch vertieft hatte, als er mir von einem Typen erzählt hatte. Moment, was machte ich da?

„Nein.“ Ich setzte mich wieder auf und legte meine Hände auf ihn. „Ich gebe dich nicht auf, Élian. Du hast mich auch nie aufgegeben. Wach endlich wieder auf, lass mich nicht allein.“

Mit aller Kraft zwang ich mich, die Magie in mir zu finden. Ich tauchte tief in mein Unterbewusstsein, verdrängte all die Wut und Trauer in mir, um meinen Geist die Sanitatem in mir suchen zu lassen. Nichts. Kein Funken, kein Strahlen, keine Heilmagie. Nein, so würde das hier nicht enden. Ich eilte in den dunkelsten Winkel meines Selbst. Eine leicht schimmernde Barriere mit Rissen darin hielt mich auf, doch dabei würde es nicht bleiben. Ich sammelte also all meine Energie und durchbrach die kaum sichtbare Mauer, bis ich es sah. Ein schwaches Glimmen. Gedanklich griff ich danach, und sofort nahm mich die Wärme der Magie ein.

Alle Lichter um uns flackerten, bis die Lampen platzten. Ein paar Scherben rieselten auf uns herab.

Zuerst verschluckte uns die Dunkelheit, bis ich meine Hände hob.

„Wach auf.“ Mein Körper heizte sich auf, zitterte, und dann platzte meine Aura aus meinem Körper wie Wasser aus einem Geysir, umhüllte Élian und erhellte die Umgebung, bis ich wenige Sekunden später das Bewusstsein verlor.

Andreas  Dutter

Über Andreas Dutter

Biografie

Andreas Dutter lebt in Österreich und hat Kultur und Sozialanthropologie an der Universität Wien studiert. In den Sozialen Medien unterhält er seine Follower*innen mit Schreib- und Büchercontent: auf Instagram unter @andreasdutter und auf TikTok unter AndreasDutterAutor. Neben Büchern liebt er...

Pressestimmen
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„Ihr werdet es lieben, besonders der Humor und die Dynamik sind einfach nur grandios.“

literaturmarkt.info

„Fantasy voller fesselnder Spannung, funkensprühender Magie und berauschender Emotionen - all das und noch viel mehr bieten die Geschichten aus Andreas Dutters Feder.“

letterheart_buecherblog

„Wer bei Magie und den Katakomben in Paris gleich hellhörig wird, der sollte sich ›Midnight Thief‹ von Andreas Dutter auf keinen Fall entgehen lassen!“

wodisoft.ch

„Dieses Buch ist sehr gefühlsvoll und gut zu Lesen.“

blackbookmagazine.blogspot.com

„Dem Autor Andreas Dutter gelingt es, einen linearen Spannungsaufbau zu erzeugen, sodass bis zum Ende des Buches keine Langeweile aufkommt.“

love_booksandpixiedust

„Andreas Dutter hat einen tollen Schreibstil. Er ist flüssig zu lesen, sehr spannend und actionreich.“

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