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Lehrerkind

Lehrerkind

Bastian Bielendorfer
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Lebenslänglich Pausenhof

„Mit Lacher-Garantie!“ - bz Wiener Bezirkszeitung

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Lehrerkind — Inhalt

Elternsprechtag

Was wird aus einem Menschen, wenn Mama und Papa Lehrer an der eigenen Schule sind – und somit an jedem Tag im Jahr Elternsprechtag ist, die Mitschüler einen zum Daueropfer ernennen und es bei den Bundesjugendspielen nicht einmal für eine Teilnehmerurkunde reicht? Genau: Er wird selbst Lehrer! Mit gnadenloser Selbstironie schildert Bastian Bielendorfer, wie er der pädagogischen Sippenhaft zu entrinnen versucht, und verrät dabei, welch zarte Seele sich unter so manchem grob gehäkelten Mathelehrerpullunder verbirgt.

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 01.11.2011
304 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-27296-4
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Leseprobe zu „Lehrerkind“

Für meine Großeltern
Edmund und Johanna


Appell zur Erbsensuppe


Ich riss die Tür zu unserem Haus auf, meine Eltern saßen am Küchentisch und löffelten Erbsensuppe. Es herrschte meditatives Schweigen, beide schauten auf ihre Teller, als würde die Mettwurst zu ihnen sprechen. Dazu tickte die Wanduhr ein nüchternes Klacken in die Leere des Raums. Der Einzige, der mich freudig begrüßte, war der Hund, und das war keine sonderlich große Ehre, denn er war dumm wie dreißig Kilo Esspapier und freute sich schon, wenn ein Ast vom Baum fiel.
Ich brüllte völlig außer [...]

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Für meine Großeltern
Edmund und Johanna


Appell zur Erbsensuppe


Ich riss die Tür zu unserem Haus auf, meine Eltern saßen am Küchentisch und löffelten Erbsensuppe. Es herrschte meditatives Schweigen, beide schauten auf ihre Teller, als würde die Mettwurst zu ihnen sprechen. Dazu tickte die Wanduhr ein nüchternes Klacken in die Leere des Raums. Der Einzige, der mich freudig begrüßte, war der Hund, und das war keine sonderlich große Ehre, denn er war dumm wie dreißig Kilo Esspapier und freute sich schon, wenn ein Ast vom Baum fiel.
Ich brüllte völlig außer mir: „Eins! Ich habe eine Eins ! “
Mein Vater führte eine Ladung Erbsensuppe zum Mund und murmelte ein spektakulär gelangweiltes „ Aha “.
Normalerweise wäre das schon genug der Ehre gewesen, dass er seine Aufmerksamkeit vom Projekt „Suppe“ zu mir hin verlagerte, doch diesmal beugte ich mich seinem Diktat der liebevollen Ignoranz nicht. Ich hatte gerade vor einem Gremium aus bärtigen Biologielehrern mein mündliches Abitur abgelegt, man hatte mich für meine Kenntnisse über arktische Tölpelkolonien mit der Bestnote ausgezeichnet und damit meine bisher eher mittelprächtige Abiturnote deutlich veredelt.
„Tölpel sind dickliche, flugfähige Vögel, die sich zu Tausenden zusammenrotten und den ganzen Tag nur fressen, kacken und sich streiten, ganz ähnlich wie die meisten Schüler. “
Mit dem Witz hatte ich die Biologielehrer überzeugen können, meine Eltern eher weniger.
Meine Mutter hustete ein paar Erbsen über den Teller, ihre schwarze Mireille-Mathieu-Frisur flatterte vor ihr Gesicht und verschob ihre Lesebrille. Oder eher ihre beiden Lesebrillen, denn sie trug zwei billige Gestelle aus dem Supermarkt übereinander, anstatt sich endlich ein anständiges Modell beim Optiker zu kaufen. Der Modestil meiner Mutter war eine seltsame Mischung aus Star Trek und Mittelstandsgeiz.
Sie fragte genervt: „Und worum ging’s?“
Ich erzählte von den Tölpeln und brachte sogar den Spruch, den ich bis zu diesem Moment noch für witzig gehalten hatte.
Mein Vater sagte nur nüchtern: „Gut.“
Ich überlegte, ob meine Eltern sich womöglich ein Gehirn teilten, da meine Mutter wie immer dort begann, wo mein Vater gerade aufgehört hatte.
„Gut, na ja, aber du kannst ja nichts dafür, das sind die Gene. “
Ich kannte diese Erklärung, immer wenn mir etwas gelungen war, machten meine Eltern die Gene dafür verantwortlich, ein Erklärungsmuster, das jede Eigenleistung im Keim erstickte und in diesem Fall darauf hinauslief, dass eigentlich sie gerade eine „Eins“ im mündlichen Abitur gemacht hatten.
Ich reagierte etwas angespannt, mein Gesicht verzog sich, als wäre eine Straßenbahn über meinen Fuß gefahren. Ein kleiner, feuchter See aus glibbrigen Tränen legte sich vor meine Sicht.
„Ey, das kann doch nicht wahr sein, ich reiß mir da den Arsch auf und das ist der Dank?“
Mein Vater schaute von der Erbensuppe auf und konstatierte nüchtern: „›Ey‹ ist kein deutsches Wort, so reden wir hier nicht, Bastian. Und mit Fäkalbegriffen wie Arsch musst du gar nicht erst vortreten.“
Vortreten, dachte ich. „Was ist das hier, mein Appell zur Erbsensuppe? “
„Eine derartige Ausdrucksweise liegt sicher nicht in deinen Genen, Bastian“, vervollständigte meine Mutter.
„Toll, ein Schnellkurs Erblehre, danke Frau Mendel!“, brüllte ich den ausdruckslosen Gesichtern meiner Eltern entgegen. Keine Reaktion, das Thema war abgehakt, sie hatten die Situation bewertet, korrigiert und nüchtern beurteilt. So machte man das eben.
Mein Vater hatte bereits wieder geistigen Funkkontakt zu der Mettwurst vor ihm aufgenommen, meine Mutter hyperventilierte noch ein wenig wegen meiner Ausdrucksweise.
Das Gespräch war beendet, meine Eltern hatten ihren Teil dazu beigetragen, und nur ich würgte noch ein bisschen verzweifelten Kindertrotz über den Küchentisch. Mein Vater vergrub den Kopf in einer rot umrahmten „Spiegel“-Sonderausgabe über den elften September und murmelte leise: „Ruhe jetzt!“
Ich rannte heulend aus der Tür wie eine siebenjährige Ballettschülerin und regte mich den ganzen Tag über nicht wieder ab. Ich kannte das, seitdem ich klein war: Wenn ich etwas richtig gemacht hatte, dann bloß, weil meine Eltern mir die entsprechenden Fähigkeiten vererbt hatten, und wenn etwas richtig schiefging, wie meine denkwürdigen Auftritte bei den Bundesjugendspielen, dann waren sie garantiert nirgends zu sehen.
Solange ich mich erinnern kann, waren meine Eltern immer gleich, sie haben sich nie verändert und werden wohl auch mit neunzig noch den roten Korrekturfineliner für mein Leben dabeihaben. Sie können nicht anders, es liegt in ihren Genen, sie gehören einer menschlichen Splittergruppe an, die ihre Kinder schon von Berufs wegen zu lebenslangem Versagen zwingt. Meine Eltern sind Lehrer.
Mein Vater blickte von seiner Erbsensuppe hoch und sah, dass ich zornig vor dem Kühlschrank stand. Er lächelte meine Mutter an und begann zu kichern: „Das war lustig“, sagte er, und auch meine Mutter musste lachen. Dann gaben sie sich einen High Five und löffelten weiter ihre Suppe. Unter dem Tisch ließ der Hund leise einen fahren.


Der Spion, der aus dem Lehrerzimmer kam


Meine Eltern trafen schon früh in meinem Leben Entscheidungen, die meiner Abhärtung dienen sollten. So gehöre ich zu dem geringen Bruchteil an Lehrerkindern, die das zweifelhafte Glück hatten, beide Eltern als Lehrer an ihrer eigenen Schule zu haben. Erst meine Mutter in der Grundschule, dann meinen Vater auf dem Gymnasium. Das kam bei meinen Schulkameraden immer riesig an.
Als meine Gymnasialklasse ihre erste Stunde hatte, betonte mein neuer Klassenlehrer natürlich direkt, dass er sich sehr freue, den Sohn eines so engen Kollegen zu unterrichten. Ich verkroch mich unter dem Tisch und versteckte meinen Kopf unter einem Erdkundeatlas, was wohl ein wenig nach Fliegeralarm aussah.
Das Stigma war an mir dran wie ein Rotweinfleck. Ich hatte verschissen.
Wenn er mich schon öffentlich bloßstellen wollte, hätte er auch einfach sagen können: „Das ist euer neue Klassenkamerad Bastian, behandelt ihn gut! Er ist Bettnässer, interessiert sich für Operetten und Ballett und ist sich nach einer geschlechtsangleichenden Operation noch nicht sicher, ob er jetzt schwul oder lesbisch ist. Fußball findet er blöd, Schalke 04 auch, vielmehr interessiert er sich für das Sammeln von Insekten, und seine Mama zieht ihm die vererbten Unterhosen seines Urgroßvaters an, weil die im Notfall schön saugfähig sind. Wir haben ihn vorsorglich für euch mit einem passenden T-Shirt markiert, auf dem das Wort ›Opfer‹ in Neonfarben aufgedruckt ist, damit ihr ihn auch bei schlechten Lichtverhältnissen erkennen und ihm ein ordentliches Pfund in die Fresse hauen könnt.“
Die anderen Kinder blickten mich an, als wäre ich der Antichrist.
Lusche. Mädchen. Spion … die Worte lagen bleischwer über meinem ersten Tag im Gymnasium. Wäre mein Vater nur irgendein unbekannter Lehrer an einer anderen Schule gewesen, hätte man die Einführung meines Klassenlehrers wohl bald vergessen. So aber sah ich neun Jahren entgegen, in denen ich morgens wie der kleine Lord von meinem Vater zur Schule mitgenommen wurde, neun Jahre, in denen meine Mitschüler täglich daran erinnert wurden, dass der dicke Junge mit der teigigen Haut nicht nur der klassische Verlierer, sondern auch ein geheimer Spitzel des Lehrerzimmers war.
Sie hätten meinen Status als Kind von Herrn Bielendorfer allerdings auch ohne direkten Hinweis relativ schnell aufgedeckt, da ich meinem Vater verblüffend ähnlich sehe. Die gleiche rundliche Kopfform, die gleiche Naturkrause und eine Art, zu gehen, die an eine angeschossene Ente auf der Flucht erinnert. Das Einzige, was er mir leider nicht vererbt hat, ist sein sportlicher Körperbau. Meine hängenden Schultern und mein krummer Rücken sehen aus, als wäre dem lieben Gott ein Experiment entsetzlich fehlgeschlagen.
Natürlich sprach sich ziemlich schnell rum, dass mein Vater einen IM in der Schule untergebracht hatte, und Schüler aller Altersklassen begannen ihren Frust an mir auszulassen. Manchmal weil mein Vater ihnen eine schlechte Note gegeben hatte, manchmal weil mein Vater sie ins Klassenbuch eingetragen hatte, manchmal auch nur stellvertretend, als würde ein Treffer in mein Gesicht bei ihm Schmerzen auslösen. Mein Vater wusste nichts von meiner Verwendung als Voodoopuppe, er schien nicht sonderlich viel von meiner Pein zu spüren und machte es auch nicht eben besser, wenn er mich in seinen Deutschkursen mit den tragischen Figuren der Literaturgeschichte verglich. Gern erzählte er vor der ganzen Klasse, sein Sohn sei ein wenig so wie Oskar Matzerath: Er sage nicht viel und mache trotzdem nur Radau. Oder wie das Sams: Ich hätte auch mal Sommersprossen gehabt, und von der Figur her passe es auch ganz gut. So schlich ich, das Matzerath Sams, die nächsten Wochen durch die Schule.


Werther im Kreißsaal


Schon meine Geburt war ein Menetekel für die Ereignisse meines kommenden Lebens. Wie meine Eltern immer gern erzählen, bin ich als Lehrerkind pünktlich zum Ende der sechsten Stunde, um 13.40 Uhr geboren. Meine Mutter musste sich den Geburtsschmerz ohne die Unterstützung meines Vaters mit der Lektüre von Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ versüßen, da er aus nachvollziehbaren Gründen nicht anwesend war. Es war Schule, und mein Vater hatte das Berufsethos eines NASA-Astronauten. Noch keinen einzigen Tag seiner Schullaufbahn hatte er verpasst, und selbst bei einem Angriff mit Milzbrandbakterien hätte er sich unter dem sorgsam aufgesetzten Mundschutz nur ein müdes Lächeln abgerungen und die flüchtenden Schüler dann als „fehlend“ im Klassenbuch vermerkt.


Jedenfalls war es so, dass mein Vater einen längeren Monolog über die Figur des Mephisto hielt, während ich mich langsam durch den Geburtskanal dem Leben entgegenschraubte. Da ich, wie sich auch in den Folgejahren noch zeigen würde, für mein Alter etwas zu groß und zu schwer war, führte meine Mutter ihrerseits ein persönliches Zwiegespräch mit Mephisto, das den deutschen Sprachraum um ein paar ganz neue Ächz- und Stöhnlaute bereicherte. Mein Vater dagegen beendete seinen Vortrag pflichtgemäß, packte ordentlich die Ledertasche zusammen und eilte dann, ohne in einen unstandesgemäßen Trab zu fallen, dem Kreißsaal entgegen. Meine Mutter geduldete sich, den letzten Rest des Brockens hervorzupressen, bis er ebenfalls anwesend war. Ach, was wäre Weihnachten bei uns zu Hause ohne die Geschichte meiner Geburt. Wo andere Familien die Ankunft des Jesuskindleins besingen, erzählen meine Eltern freudig von diesem so ereignisreichen Tag. Die Show ging nämlich noch weiter, denn ein ehemaliger Oberstufenschüler meines Vaters war der Arzt, der meine Entbindung zu verantworten hatte.
Obwohl aus dem verschüchterten Siebzehnjährigen mit der grobporigen Mischhaut mittlerweile ein Mittdreißiger mit Halbglatze und Oberarzttitel geworden war, verschlug es ihm beim Anblick meines Vaters erneut die Sprache. Manche hierarchischen Strukturen lösen sich nie auf, und während der Arzt an meiner platten Fontanelle herumkasperte, fing mein Vater an, ein paar der Abiturklausurergebnisse aus dem Jahr 1973 zu erläutern.
„Mein Gott, Tobias, selten hat jemand die ›Leiden des jungen Werther‹ so falsch verstanden wie du, habe ich dir denn nichts beigebracht?“, eröffnete mein Vater den Reigen seiner Vorwürfe, die in diesem Moment nun endlich besprochen werden mussten.
Meine Mutter kreischte währenddessen wie Keith Richards Leberflanke und forderte meinen Vater unmissverständlich auf, mal mit diesem „alten Scheiß“ aufzuhören.
„Aber Schatz, das kannst du nicht verstehen, der Junge war eigentlich ein ganz guter Schüler, aber bei der Abiturklausur habe ich Ohrensausen bekommen. Tobias, jetzt mal ehrlich, das war wirklich Käse!“
Dr. Tobias Bergmann führte zu seiner Verteidigung nur ein schmallippiges „Ich war halt aufgeregt, Herr Bielendorfer“ ins Feld, während er weiter mit einer Saugglocke an meinem abstrus großen Schädel pumpte. Da es Fotos gibt, die mein Vater in diesem Moment mit einer Einwegkamera geschossen hat, habe ich die Szene glücklicherweise immer vor Augen.
„Ach, aufgeregt, was ist das denn für eine Erklärung – also ich habe mich danach wirklich gefragt, was aus dir werden soll, Tobias.“
Erfolgreich negierte mein Vater den Fakt, dass Dr. Bergmann mittlerweile Oberarzt war und gerade seinem Sohn die Geburt ermöglichte.
„Robert, jetzt hör sofort auf damit, ich bekomme hier ein Kind“, insistierte meine Mutter, deren Schlagader so stark pochte, als hätte ich von innen dagegengeklopft.
Dr. Bergmann schien erleichtert zu sein, er wollte mir wohl nicht versehentlich eine Mulde in die unfertige Rübe pümpeln, nur weil er sich ausgerechnet jetzt für eine fünfzehn Jahre zurückliegende Abiturklausur rechtfertigen sollte.
„Das ist ja auch schön, mein Herz, aber der Tobias hat damals wahrhaftig geschrieben, dass der Werther und seine Geliebte Lotte Geschwister seien, kannst du dir das vorstellen, Geschwister!“
„Geschwister!?!“, sagte meine Mutter im gleichen Tonfall der Empörung, schließlich hatte sie ebenfalls Deutsch studiert und fühlte sich, ebenso wie mein Vater, von so viel Unkenntnis der Weltliteratur beleidigt.
„Sie haben geschrieben, Lotte und Werther wären Geschwister, sind Sie denn noch bei Trost?“ Der Geburtsschmerz schien langsam nachzulassen.
Dr. Bergmann sank mit seinem unbehaarten Kopf immer tiefer hinter dem blauen Sichtschutz hinab, der vor den Beinen meiner Mutter aufgespannt war.
„Ja, dafür gab es damals nur eine Gnaden-Vier, eigentlich kannst du froh sein, dass ich dich nicht habe durchfallen lassen, sonst wäre das mit dem ganzen Medizin-Pipapo wohl nichts geworden“, erläuterte mein Vater seine damalige Großzügigkeit. In seiner Welt war eigentlich alles unter dem Begriff „Pipapo“ zusammengefasst, was nicht direkt mit der höheren Literatur zusammenhing.
„Hörst du mir eigentlich zu Tobias? Hallooo?“, rief mein Vater dem verschwitzten, roten Schädel des Oberarztes entgegen, der wie ein bratender Festtagsputer zwischen den Schenkeln meiner Mutter hing.


Plötzlich durchbrach ein gellender Schrei das angespannte Schweigen. Ich hatte mich der ganzen Diskussion entzogen und war trotz der Empörung meiner Eltern über Herrn Bergmanns Interpretationsschwächen zur Welt gekommen. Ein vier Kilo schweres, hellblaues und blutverschmiertes Etwas lag jetzt in den haarigen Armen des Oberarztes und schrie wie eine Kreissäge, die man am Starkstrom angeschlossen hatte.
Dr. Bergmann war sichtlich erleichtert, dass ich endlich geboren war und er sich der Kritik meiner Eltern nun entziehen konnte. Er hielt mich wie einen zwanzigpfündigen Prachtkarpfen an beiden Beinen in die Höhe, und sofort fiel meinen Eltern sowie dem Arzt eine anatomische Besonderheit auf, die der ganzen Familie in den nächsten Jahren noch viele heitere Stunden bescheren würde. Zwischen meinen Beinen baumelte mein Hoden wie eine riesige rote Boje hin und her, es sah aus, als würde ein unbehaarter Mopsschädel an mir kleben.
„Oh“, bemerkte mein Vater bei der Beschau des feuer roten Säckchens.
„Ist das normal?“, fragte meine Mutter, wohl in der Sorge, dass dort statt eines Genitals ein unfertiger siamesischer Zwilling an ihrem Neugeborenen baumelte.
Dr. Bergmann wirkte selbst unsicher und sagte nur, immer noch völlig außer Atem: „Das ist ein Prachtkerl, so ein Geburtsgewicht.“
Als ich dann in den Armen meiner Mutter lag, waren meine Eltern überglücklich, der kleine Schönheitsfehler wurde erfolgreich weggelächelt, und Dr. Bergmann machte sich schnellstmöglich davon. Eigentlich kann ich nach diesem Tag froh sein, von meinen Eltern nicht mit einem schönen altdeutschen Namen wie Werther oder Lotte bedacht worden zu sein. Stattdessen gaben sie mir den banalen Vornamen des Helden der „Unendlichen Geschichte“, Bastian Balthasar Bux.

Bastian Bielendorfer

Über Bastian Bielendorfer

Biografie

Bastian Bielendorfer ist Stand-up-Comedian, Diplompsychologe und Lehrerkind. Zusammen mit seiner Frau versteckt er sich vor den guten Ratschlägen seiner Eltern in Köln. Mit seiner Solo-Bühnenshow „Lustig, aber wahr!“ ist er von München bis Flensburg live zu sehen, mehr unter...

Medien zu „Lehrerkind“


Pressestimmen
bz Wiener Bezirkszeitung

„Mit Lacher-Garantie!“

Lisa

„Bastians Humor kommt einfach gut an.“

Westfälische Nachrichten

„(...) locker, flockig und unglaublich keck geschrieben.“

Maxi

„Urkomisch!“

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

„Deutschland lacht sich kaputt“

Goslarsche Zeitung

„Von Schmunzeln bis hin zu lautem Auflachen – alles drin.“

Inhaltsangabe

Inhalt


Appell zur Erbsensuppe

Der Spion, der aus dem Lehrerzimmer kam

Werther im Kreißsaal

Alternative Erziehungsmethoden


Die Schultüte

Der erste Schultag

Solidarität für Afrika


Der Mathematiklehrer


The Drugs Don’t Work

Das Nilpferd kann ja nichts!

Leben unter dem Rotstift


Die Spezies Lehrerkind


It’s My Party


Scrabble


Das Schulklo

Mein Vater, Chuck Norris

Der Rachehoden


„Der Doof ist dem Genitiv sein Tod“


Elternsprechtag


Meine erste Liebe


Der Sportlehrer


Die Bundesjugendspiele

Bundesjugendspiele – Weitsprung

Die Schmach geht weiter: Schwimmunterricht


Das Musikfest


Der Kunstlehrer


Bildungsreise für Hartgesottene

Ground Control to Major Thomacz

Familie auf Russisch

Wo gesägt wird, da fallen Beine

Die Armee der Lazarettschwestern

Doswidanja, Mütterchen Russland


Jesus in der Pubertät


Der Lateinlehrer


Eine eigene Praxis

Pilawa sagt, ich soll Putzfrau werden

Der Tierarzt


Der Biologielehrer


School’s Out Forever

A Night to Remember


Der Zivildienst

In the Army Now …

Hühner, die Verstecken spielen

Muttermilch für einen Döner

Lernfähig wie eine Amöbe


Der Philosophielehrer


Willkommen in der Kommune 1


Vom Lehrerkind zum Lehrer


Die Rückkehr des verlorenen Sohnes

Home is where the heart is

Vom Lehrerkind … zum Lehrerkind

A wie Anahronismus

Eine Nacht mit Sören Malte

Der Anker


Dank

Kommentare zum Buch
Lehrekind (Gut)
Heinz Peter am 20.06.2018

Bastian Bielendorfer kommt nach seiner mündlichen Abiturprüfung freudig nach Haus, um seinen Eltern sein Ergebnis mitzuteilen. Diese sitzen gerade am Essenstisch und löffeln Ihre Erbsensuppe. Mit geringem Interesse nehmen die beiden Eltern das Ergebnis Ihres Sohnes zur Kenntnis, der eine Eins in der Prüfung bekommen hat. Nach einigen Hin und Her ist das Gespräch beendet und der Autor nimmt uns mit auf eine Reise, quer durch sein Leben als Lehrerkind.   Das Buch ist in 27 Kapiteln aufgeteilt, von denen manche nochmals eigene Unterkapitel haben. Die Überschriften der verschiedenen Kapitel haben einen anderen Schriftstil als der Text und wirken so, als wären Sie mit der Hand geschrieben. Die Kapitel sind dabei recht chronologisch aufgebaut, so das der Leser von der Grundschule bis zur Universität alles Mitverfolgen kann. Besonders hervorzuheben sind die Kapitel, welche einzelne Lehrergruppen beschreiben. Diese Kapitel sind auch von der Gestaltung her, völlig anders und wirken wie ein Eintrag in ein Klassenbuch (passend zum Inhalt des Buches). Zum einen sind diese Kapitel in Schreibschrift geschrieben und wirken so, als wären sie handschriftlich verfasst und zum anderen sind die Seiten mit Linien und Überschriften bedruckt (Sie heben sich optisch völlig vom Rest des Buches ab). In diesem Kapitel behandelt der Autor die verschiedenen Arten von Lehrern (Biologie, Deutsch, …) und erläutert einige Punkte an Beispielen aus seiner eigenen Schulzeit. Einige Punkte aus dem Buch, werden dem Leser aber auch aus seiner eigenen Schulzeit bekannt vorkommen und wecken Erinnerungen an die eigene Schulzeit (das hat bei mir dazu geführt, dass ich unbedingt weiterlesen wollte, um an die nächste, eventuell bekannte Stelle zu kommen. Außerdem helfen diese Erinnerungen dabei, besser ins Buch zu finden bzw. sich damit auseinanderzusetzen.) .Dabei übertreibt der Autor an manchen Stellen des Buches seine Ausführungen jedoch. Diese Übertreibungen sorgen aber für einen gewissen Grad an Humor, der sich durch das ganze Buch über zieht. Leider führen diese Momente auch dazu, dass der Leser sich fragt, ob das alles denn so stimmt?! (falls auch nur einige der sehr überzogen erzählten Stellen stimmen, kann einem der Autor schon fast leidtun). Hier hätte der Autor ein wenig mehr Aufklärung am Ende leisten können, auch wenn man in der Danksagung ein wenig herauslesen kann. Am Ende des Buches ist der Leser an dem Punkt angekommen, der vor der Entstehung des Buches spielt. Hier hat mir der Brief gut gefallen, besonders die Tatsache, dass selbst da die Eltern korrigiert haben (besonders, falls diese Stelle wirklich wahr ist, was man leider nie 100 % wissen wird als Leser).   Cover: In der Grundfarbe ist das Cover schwarz. Auf der Vorderseite sehen wir einen jungen Mann, welcher auf einem Stuhl sitzt (gewisse Ähnlichkeit zu einem Stuhl, wie man ihn aus der Schule kennt, sind vorhanden und mit Sicherheit gewollt). Bei dem gezeigten Mann handelt es sich um den Autoren des Buches selbst. Über diesem Mann steht der Titel des Buches, welcher aussieht, als wäre er mit weißer Kreide geschrieben. Dadurch hebt sich der Titel sehr gut vom Hintergrund ab. Auf der Rückseite ist der Satz “Mein Leben unter dem Rotstift” in roter Farbe gedruckt, was dem Satz zusätzlichen Ausdruck verleiht. Das Cover ist schlicht aber doch sehr passend gestaltet.   Fazit: Ein Buch, das den Leser auf die Reise quer durch das Leben eines Lehrerkindes mitnimmt. Dabei werden sicherlich einige Erinnerungen an die eigene Schulzeit geweckt. Hier und da hätte es dem Buch gut getan, wenn der Autor sich in seinen übertrieben erzählten Situationen zurückgehalten hätte. Der Humor ist vorhanden und zieht sich durch das gesamte Buch und sorgt immer wieder für einen kleinen Lacher. Eine kleine humorvolle Erinnerungsreise, die von mir 4/5 Sterne bekommt.

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