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JesusMaria

JesusMaria

Beatrice von Weizsäcker
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Christentum für Frauen

„Die Autorin sagt zwar selten Neues, doch dass sie es sagt, sie als Protestantin, das ist schon eine kleine Sensation.“ - Neue Zürcher Zeitung

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JesusMaria — Inhalt

Ist die Bibel tatsächlich so männlich gemeint? Taugt Jesus als Vorbild? Oder Maria? Es sind alte Fragen. Fragen, die nicht nur die Autorin umtreiben, sondern Männer und Frauen beider Konfessionen. Sie zeigt anhand von Geschichten über Frauen in der Bibel und Jesu Wirken den Kontrast zur katholisch-männlichen Wirklichkeit. Sie ist überzeugt: Im Sinne Jesu war das nicht. Frauen spielten in seinem Leben eine entscheidende Rolle. Jesus kannte keine verschiedenen Konfessionen. Es gab sie noch nicht. Er vertrat auch kein männliches Christentum, sondern ein menschliches. Beatrice von Weizsäcker geht es nicht um Gleichberechtigung und die Ökumene. Denn solange es keine Ebenbürtigkeit gibt, kann auch von Ökumene keine Rede sein. Das muss sich ändern.

€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erschienen am 15.09.2014
288 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96786-0
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Leseprobe zu „JesusMaria“

Vorwort

„Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. […] Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“
(Galater 3, 26, 28)


Als Kind wuchs ich mit einer Bibel auf, die so war, wie sie ist – von männlichen Hauptdarstellern bestimmt: von Gott, Jesus, dem Heiligen Geist, von Engeln, Propheten, Evangelisten und Jüngern. Und Maria als Randfigur. Es störte mich nicht, ich fand nichts seltsam daran, es war eben so. Die Bibel war die [...]

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Vorwort

„Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. […] Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“
(Galater 3, 26, 28)


Als Kind wuchs ich mit einer Bibel auf, die so war, wie sie ist – von männlichen Hauptdarstellern bestimmt: von Gott, Jesus, dem Heiligen Geist, von Engeln, Propheten, Evangelisten und Jüngern. Und Maria als Randfigur. Es störte mich nicht, ich fand nichts seltsam daran, es war eben so. Die Bibel war die Bibel. Mich interessierte der Inhalt.

Ich wuchs in der evangelischen Kirche auf, die ich nie als männlich dominiert empfand, obwohl alle Pfarrer (auch im Konfirmandenunterricht) Männer waren. Es war, wie es war. Zu keiner Zeit fühlte ich mich be­­nachteiligt oder unfrei, im Gegenteil. In der Schule hatte ich einen Religionslehrer und eine Religionslehrerin, beide beeindruckten mich gleichermaßen. Nie führte ich das darauf zurück, dass der eine männlich und die andere weiblich war. Mich interessierten die Religion, in der Frauen natürlich eine Rolle spielten, und die Kirche, in der ich mich ungebunden fühlte. Vielleicht auch, weil ich keine regelmäßige Kirchgängerin war.

Von Kindheit an hatte ich katholische Freunde. Die wuchsen in ihrer Kirche auf, die sichtbar von Männern dominiert war, und das irritierte sie. Mehr noch störte sie die daraus resultierende Unfreiheit für Frauen. Die Dogmen, die diese ausschlossen, die angeblich „absolute Wahrheiten“ waren und darum unumstößlich.

Und viele fluchten: „JesusMaria!“

Seit geraumer Zeit engagiere ich mich beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, bei dem die Gleichberechtigung schon lange die Regel ist. Auch das war für mich von Anfang an normal, obwohl ich es aus Kindheit und Jugend kirchlicherseits anders kannte. Wenn Frauen oder Frauenthemen einmal nicht genügend berücksichtigt werden, gehöre auch ich zu jenen, die sich dafür einsetzen, dass sich das ändert. Nicht aus feministischen Gründen, sondern weil es nach meiner Überzeugung geboten ist. Um der Gerechtigkeit willen.

Vielleicht liegt es am natürlichen Lauf des Heranwachsens, dass man irgendwann beginnt, das Ge­­wohnte infrage zu stellen. Bei mir entwickelten sie sich nach und nach: Fragen der Gerechtigkeit, Fragen, ob das, was in der Bibel steht, tatsächlich so männlich ge­­meint ist, wie es scheint, oder ob dies bloß der Zeit geschuldet war, in der sie geschrieben wurde. Und wie es um die Frauen steht, von der die Bibel berichtet. Spannende, lebhafte, nachdenkliche Figuren.

Wie zum Beispiel passt das, was ich lebe und erlebe, glaube und anstrebe, mit dem zusammen, was ich durch die Bibel erfahren habe? Ist die Bibel tatsächlich so männlich gemeint? Gültig bis in die heutige Zeit hinein? Wen oder was verkörpert Jesus – nur die reine Männlichkeit? Was ist mit Maria, die bei den Katho­liken eine große Rolle spielt, bei den Protestanten dagegen nicht? Gibt es nicht auch ein weibliches ­Christentum? Eines, das die Frauen ausdrücklich mit einbezieht, also auch mich? Kann Jesus mir als Frau ein Vorbild sein? Oder Maria, die in meiner Kirche keinen besonderen Stellenwert genießt?

Ich muss weder Theologin noch Feministin sein, um diese Fragen zu stellen. Wäre es anders, wäre der weitaus größte Teil der Frauen von der Debatte ausgeschlossen, über die Konfessionsgrenzen hinweg. Sie dürften weder Fragen stellen noch Stellung beziehen. Mit anderen Worten: Ihnen bliebe ein wesentlicher Teil der „religiösen Selbsterkenntnis“, wie man heute sagt, vorenthalten. Wir Frauen aber sind selbstbestimmt, nicht fremdbestimmt. Wir leben ja nicht im Konjunktiv.

Darum soll es in diesem Buch gehen:

Taugt Jesus als Vorbild? Jesus, durch den Gott eine neue Religion ins Leben brachte? Kann er als Mann auch mir, einer Frau, eine Quelle der Inspiration sein? Was von dem, was Jesus gesagt hat, wie er gelebt hat, ist für uns Frauen bedeutsam? Bedeutsamer vielleicht als für Männer? Der Blick auf sein Leben, auf das, was er verkündete und tat, ist Frauen oft näher als Männern. Leidensfähigkeit, Mitleiden, Nächstenliebe, Hilfs­bereitschaft, Dienst am Menschen: All das ist eher typisch für Frauen als für Männer. Dass Jesus das lebte, macht ihn mir sympathisch.

Ich will wissen, was Jesus mir zu sagen hat, mir, einer Frau. Und ich weiß, dass in die Antwort nicht nur Jesus gehört, sondern auch Frauen wie Maria, seine Mutter. Dazu etliche andere Frauengestalten aus der Bibel, aus dem Alten und Neuen Testament. Ohne sie wäre ein weibliches Christentum nicht denkbar.

Wie war das eigentlich damals mit Jesus und den Frauen? Es gab ja nicht nur seine Mutter Maria. Auch Maria Magdalena, seine Jüngerin, spielte eine erheb­liche Rolle, und viele andere mehr. Was wäre, wenn Jesus eine Frau gewesen wäre? Was hätte das geändert? Vielleicht alles, weil nur ein männlicher Messias denkbar schien, erwartet wurde und gewollt war – vielleicht aber auch gar nicht so viel.

Was hält die Bibel für uns Frauen bereit? Welche weiblichen Vorbilder gibt es dort, sei es im Alten, sei es im Neuen Testament? „Frauen in der Bibel“ ist ein hoch spannendes Thema, das auch in diesem Buch seinen Platz haben wird. Warum aber sind etliche dieser Frauengeschichten so unbekannt? Beispielsweise die der Hebammen Schifra und Pua aus dem Alten Testament? Wollte man sie ignorieren, weil die Frauen so viel (unerwünschte) List, Stärke und Mut bewiesen hatten? War es Absicht? Oder Zufall? Auch wenn die Bibel von Männern geschrieben wurde, ohne die Frauen wäre sie nicht zu verstehen.

Ohne „Her-story“ keine „His-tory“.

Sieben Beispiele aus dem Alten Testament werde ich nennen, die mir wichtig erscheinen. Beispiele energischer und tapferer Frauen – Vorbilder bis zum heutigen Tag. Desgleichen sieben Beispiele aus dem Neuen Testament, es sind Frauen um Jesus. Auch sie haben uns jede Menge zu sagen.

Trotzdem wird vor allem Jesus angebetet, nur Jesus beansprucht, wenn es um die Kirche geht. Um der Kirche willen, der männlichen Macht und der Hierarchie? Dabei ist doch unübersehbar, dass die Kirche von Frauen getragen wird, nicht von Männern. Es waren Frauen, die die Kunde von Jesu Auferstehung als Erste erfuhren, aber Männer, und nicht Frauen, die die Ge­­schichte von Jesus überlieferten. Die Gottesdienste ­werden überwiegend von Frauen besucht, aber die kirch­liche Führung ist in der Regel männlich. Bei der katholischen Kirche ist es immer der Fall. Ich frage mich, ob das in Jesu Sinne war. Ich glaube nicht. Jesus war für alle da, nicht nur für Männer, sondern auch für uns Frauen. Mit anderen Worten: Jesus ist auch „unser“ Mann. Denn in ihm steckte Männliches und Weib­liches.

Warum musste die Kirche männlich werden, bei all der biblischen „Frauenpower“? Es ist nicht überliefert, dass Jesus überhaupt eine Kirche im heutigen Sinne hatte gründen wollen. Doch es gibt sie, wie ge­­sagt: in männlicher Form – überdies auch in der evangelischen Kirche, wenn auch aus anderen Gründen.

Meine Kritik bezieht sich vor allem auf die katho­lische Kirche. Das empfinden manche als anmaßend, schließlich bin ich evangelisch. Gleichwohl nehme ich mir das Recht zum kritischen Wort heraus. Zum einen, weil ich mich der katholischen Kirche von Kindesbeinen an verbunden fühle, vielleicht ist das so, wenn man im Rheinland aufwächst. Zum anderen, weil ich katholische Freunde habe, die unter ihrer Kirche leiden. Und schließlich, weil mir die Ökumene am Herzen liegt. Eine Ökumene, die an der Basis bereits vielfach gelebt wird, wenn auch oft nicht „legal“ (Stichwort: gemeinsames Abendmahl), in den offiziellen Kirchen aber nicht gelingen will. Die Strukturen hemmen, die Hierarchien, die Dogmen.

Jesus brachte das Evangelium, die „frohe Botschaft“, für alle. Von Strukturen und Macht hielt er nichts. Wie konnte es der katholischen Kirche gelingen, sich gleichwohl mächtig und männlich zu entwickeln? In dieser Kirche leben Frauen, die Ämter anstreben, je­­doch nicht von Gottes Gnaden, sondern von der Gnade der Männer. Priesterinnenweihe? Undenkbar. Frauen als Bischöfinnen? Ebenfalls. Ein falscher Korps­geist hilft dabei.

Würde die Kirche heute gegründet, wären katholische Strukturen nicht möglich. Zu selbstbewusst sind die Frauen: auf Gleichberechtigung bedacht, an Führungspositionen interessiert. Die Zeiten haben sich geändert. Die Dinge dagegen noch nicht genug. Es sind vor allem Frauen, die das stört, Frauen wie ich. Noch nie ist es einem katholischen Theologen geglückt, mir zu erklären, warum die Strukturen so bleiben müssen, wie sie sind. Wären sie änderbar, spielte die Frage, ob Mann oder Frau, eine viel geringere Rolle.

Natürlich ist auch in der evangelischen Kirche nicht alles gut. Bei der katholischen Kirche ist nur der frauen­feindliche, sexualfeindliche und zum Teil menschenverachtende Skandal größer als bei uns Protestanten. Man denke an die Exkommunikation Wiederverheirateter, weil sie angeblich in ständiger Sünde leben, an die Ächtung von Empfängnisverhütung, das Verbot der Abtreibung (Papst Franziskus bezeichnete sie einst als Teil der „Wegwerfgesellschaft“), an den Umgang der Kirche mit Homosexualität, an die um­­strittene Fami­lienmoral, die nur die eine kirchliche Ehe zulässt und jede Abweichung verurteilt, und nicht zuletzt die zahlreichen Missbrauchsfälle, die nicht nur, aber vor allem aus katholischen Einrichtungen bekannt geworden sind. Niemals, das steht fest, hätte Jesus die Frauen zu „Gebärmaschinen“ degradiert, wie es Bischof Walter Mixa seinerzeit gegenüber der früheren Familienministerin Ursula von der Leyen tat, oder es zugelassen, dass Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht werden.

Damit ist nicht gesagt, dass die evangelische Kirche ohne Fehl und Tadel wäre. Es ist keineswegs so, dass es in meiner Kirche keine Skandale gibt, kein latentes Misstrauen gegenüber Frauen in Führungspositionen und anderes mehr. Aber die Kirche ist anders strukturiert. Kritik ist erwünscht. Die Basis kommt zu Wort. Und das sind oft Frauen.

Ohne Frauen gäbe es keine Kirche – und hätte es sie auch früher nicht gegeben. Frauen be­­stimmen den Alltag. Damals waren sie die Vertrauten Jesu. Und heute? Es sind Pflegerinnen, Krankenschwestern, Ehrenamtliche, ohne die die Kirche nicht existieren könnte. Frauen, die ein Herz haben, wie Jesus es hatte. Man denke an seine Hilfsbereitschaft, seine Nächstenliebe. Man denke an seine Unterstützung für Schwache. Man denke an seine Gradlinigkeit, seine Unverbrüchlichkeit, sein Kümmern um Benachteiligte. Seine „soziale Seite“, wie es heute heißt, prägte ihn gänzlich. Es sind auch weibliche Tugenden, die Jesus ausmachten, nicht nur männliche. Ihn trugen Glaube, Hoffnung und Liebe. Auch diese drei werden in der Regel nicht mit Männern verbunden, sondern mit Frauen.

Was zählt am Ende? Dies ist kein Buch, das sich nur an Frauen richtet, sondern auch an Männer. Nur beide zusammen können für Fortschritt sorgen. Was nützte es den Frauen, wenn sie auf einer „feministischen“ Theologie sitzen blieben und Männer ausschlössen? Nichts. Wichtig ist, dass Frauen und Männer trotz aller Unterschiede zusammenhalten und versuchen, das Trennende zu überwinden. Denn es stimmt, was Paulus an die Galater schrieb:

»Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes ­Kinder in Christus Jesus. […]
Hier ist […] nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.«
(Galater 3, 26, 28)



Jesus – ein Vorbild für Frauen?


Die christlichen Kirchen – vor allem die katholische – beanspruchen Jesus als Christus für sich. Auf ihn gründen sie ihre Macht. Das taugt aus zweierlei Gründen nicht.

Erstens hatte Jesus keine Kirche im heutigen Sinne gründen wollen, mit ihren Machtstrukturen und irdischen Schätzen, sondern eine Gemeinschaft von Menschen gleichen Glaubens. Seine Jüngerinnen und Jünger sollten das Wort verbreiten. Dass auch Frauen zu den Jüngern gehörten, ist nach der Bibel verbrieft (Markus 15, 40–41). Jesus verkündete stets die Liebe Gottes, nie die Herrschaft einer Institution. Nirgends findet sich ein Hinweis Jesu, eine Organisation gründen zu wollen. Stattdessen berief er einzelne Menschen in seine Nachfolge, Männer und Frauen. Auch von einer Missionierung im großen Stil hielt Jesus nichts.

Zweitens: Mochte er auch eine Gemeinde „bauen“, gründen wollte er sie aber nicht auf sich, sondern auf Petrus, wenn man der Überlieferung Glauben schenkt, was nicht alle tun. Nach Matthäus (16, 18, Lutherbibel) sagte Jesus zwar: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ In der Einheitsübersetzung ist nicht von Gemeinde, sondern von Kirche die Rede. Aber ob Gemeinde oder Kirche, niemals hätte er eine Kirche mit Machtstrukturen und Prunk gewollt. Jesus schwebte vielmehr eine Ge­­meinde/Kirche/Gemeinschaft von Jüngerinnen und Jüngern vor, die so glaubten wie er selbst.

Setzt man jedoch eine Gemeinde mit der Institution Kirche gleich, ist es nur folgerichtig, dass sich die Päpste als Nachfolger von Petrus sehen. Auf ihn gründen sie ihre Macht. Für ihre Religion aber berufen sie sich auf Jesus, einen, der angeblich Macht ausüben wollte, es aber nicht tat. Ganz im Gegenteil: Weltliche Gewalt lehnte Jesus ausdrücklich ab. Die grauenvollen Dinge, die im Namen des Christentums geschehen sind, waren an keinem Punkt in Jesu Sinne.


1 Hass versus Seligpreisungen


Zahllose Beispiele belegen, wie Kirche und Christen das Christentum missbrauchten. Kreuzzüge, die nicht christlich waren, sondern mörderisch. Inquisition und Glaubensgerichte, mit denen die Kirche gegen „Ketzer“ vorging. Hexenverbrennung, und das unter Berufung auf die Bibel (Einheitsübersetzung, Exodus 22, 17): „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen.“ In der Lutherübersetzung heißt es statt Hexen „Zauberinnen“ (2. Mose 22, 17). Beiden gemeinsam ist, dass die Anordnung zur Tötung nur weibliche Personen be­­trifft. Jesus hätte dem gewiss nicht zugestimmt, denn nach seiner Überzeugung zählte nicht brutale Männlichkeit, sondern Nächstenliebe für alle, also auch für Hexen und Zauberinnen. Christen verdammten den Islam und verfolgten Juden, als hätten Christentum, Islam und Judentum nicht dieselbe Wurzel: Abraham. Den Abraham des Alten Testaments, der als Stamm­vater, als Glaubensvater dieser Religionen gilt. Nicht von ungefähr nennen sich die drei »abrahamitische Reli­gionen«. Die Exzesse im Namen des Christentums waren niemals akzeptabel.

Denn Jesus war ein ganz anderer.

Ein Blick auf die Seligpreisungen zeigt das klar (Matthäus 5, 3–20). Jesus sprach von ihnen in seiner Bergpredigt, dem Kernstück seiner „frohen Botschaft“, des Evangeliums. Zu den Armen sprach er, nicht vor den Reichen. An Menschen wandte er sich, nicht an irgendwelche Mächte. Von Männlichkeit keine Spur, von Brutalität erst recht nicht.

»Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich be­­sitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barm­herzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit ­willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihr.«

Jede dieser Seligpreisungen steht im Widerspruch zu den grauenvollen Taten, die im Namen der Christen geschahen. Die Seligpreisungen zeigen einen ganz an­­deren Jesus als jenen, den die christlichen Verfolger da­­mals im Blick hatten. Aus den Seligpreisungen spricht einer, der uns Vorbild sein kann; kein Gotteskrieger, sondern ein gütiger Gottessohn. Der gerade uns Frauen ein Vorbild sein kann, denn es wirkt zuweilen, als spräche er in seinen Seligpreisungen besonders zu uns.


2 Weiblicher Jesus


Weltweit sind es vor allem Frauen, die Leid ertragen; im Alltag, der Frauen mehr Gleichheit verspricht, als es sie gibt, in der Gesellschaft, in Kriegen, auf der Flucht, bei Überschwemmungen und großer Dürre. Frauen und Kinder sind es, die in der Regel stärker leiden müssen. Meist, weil sie körperlich schwächer sind, aber auch, weil sie nicht als gleichrangig anerkannt werden. Frauen sind in der Regel sanftmütiger, sei es aus Veranlagung, durch Erziehung oder weil man es von ihnen erwartet; viele müssen auch mehr erdulden als Männer, die Beispiele sind genannt. Frauen hungern und dürsten mehr nach Gerechtigkeit, da sie Un­­gerechtigkeiten von früh auf kennen.

Schon bei der Geburt zählt in vielen Gegenden bis heute ein Junge mehr als ein Mädchen – sichtbar nicht nur in China (als Folge der Einkindpolitik), sondern auch in der westlichen, vor allem konservativen Welt. Viele meinen, nur ein Junge könne Stammhalter der Familie sein, nur er könne den Namen der Familie weitergeben. Als wäre das den Töchtern nicht möglich. Als würde eine Tochter durch Eheschließung und An­­nahme des anderen Namens nicht mehr zur Familie ge­­hö­ren. Familienname soll der des Mannes sein. Da­­bei ist es längst erlaubt, auch den Mädchennamen als Familiennamen zu nutzen. „Die Ordnung muss doch klar sein“, heißt es dann. Welche Ordnung? Die einzige Folge dieser Tradition ist, dass Mädchen und Frauen immer wieder herabgesetzt werden.

Die Ungleichbehandlung von Söhnen und Töchtern hat ihre Wurzeln schon in der Bibel: Gebar die Frau einen Sohn, war sie „sieben Tage unrein“ und sollte 33 Tage zu Hause bleiben. Brachte sie hingegen eine Tochter zur Welt, galt sie zwei Wochen als unrein und durfte den Tempel 66 Tage nicht betreten, also jeweils doppelt so lang (3. Mose 12, 2–5).

Frauen sind in der Regel barmherziger als Männer, ihnen ist es ein Bedürfnis, die Dinge geradezurücken, zuzuhören, zu reden und zu vergeben, statt sich zu bekämpfen, obwohl auch das natürlich vorkommt. Eifersucht und Ruhmessucht sind Eigenschaften fast aller Menschen. Doch kommt es zum Schwur, sind es eher die Frauen, die im Streit nachgeben, nicht die Männer. Vielen Frauen ist es ein Anliegen, zu schlichten und zu vergeben, weil sie mit den Folgen leben müssen und sie Zerwürfnisse schlechter aushalten als Männer.

Ob Frauenherzen reiner sind, weiß ich nicht. Ich kenne nur das eigene brennende Unwohlsein, wenn mein Herz nicht rein ist. Frauen sind friedfertiger als Männer, das stimmt. Das liegt auch daran, dass sie nicht so skrupellos sind wie viele Männer. Dazu kommt mangelndes Selbstbewusstsein, das manche von Kindesbeinen an kennen. Und wenn es zu Gerechtigkeitsfragen kommt, hört man eher Frauen als Männer sagen, sie ertrügen keine Ungerechtigkeit. Gerechtigkeit ist ein Anliegen der Frauen, weil sie mehr unter Ungerechtigkeit leiden als Männer. Und: Männer reden eher (man höre sich manche Sonntagsrede an), Frauen da­­gegen handeln und kümmern sich. Obwohl es oft schwerfällt – auch mir. Denn es erfordert Einsatz und Mut. Mut, den Jesus stets bewies.

Natürlich sind auch viele Männer mutig, keine Frage, meist scheinen sie nach außen mutiger zu sein. Aber nur Männer und Frauen zusammen sind in der Lage, Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Jeder und jede auf seine/ihre Weise.

In den Seligpreisungen meint Jesus natürlich nicht nur die Frauen, sondern die Männer gleichermaßen. Er spricht aber, sicher absichtslos, überwiegend Frauen an. Er benennt seine eigenen weiblichen Tugenden: Leid tragend, sanftmütig, barmherzig, Gerechtigkeit suchend, um nur die zu nehmen. Weibliche Eigenschaften, die oft als Schwächen ausgelegt werden, in Wahrheit aber Stärken sind.

Ich glaube nicht, dass Jesus die feminine Seite in sich sah. Ganz gewiss dachte er über solche Dinge nicht nach. Gleichwohl: Gerade seine weiblichen Tugenden sprechen mich an. Für mich ist er ein „starker Mann“ – mit starken weiblichen Akzenten.

Eines ist sicher: Indem er Frauen in aufmerksamer und heilender Weise wahrgenommen hat, stellte sich Jesus in geradezu ungeheuerlicher Weise gegen die Kultur seiner Zeit, gegen die damals herrschenden Sitten, Gebräuche und Meinungen. Man nehme als Beispiel die Geschichte der Sünderin, die ihm die Füße wäscht und salbt, und der er vergibt (Lukas 7, 36ff.). Was eine allgemeine Entrüstung nach sich zog – vor allem bei den anwesenden Männern. Um die Sünderin und andere Frauengestalten wird es später noch gehen.

Jesus überging Tabus als stiller Gottessohn, nicht als lautstarker Revolutionär. Darum folgten ihm viele Frauen, die in ihm ihr Vorbild sahen.

Beatrice von Weizsäcker

Über Beatrice von Weizsäcker

Biografie

Beatrice von Weizsäcker, geboren 1958, ist promovierte Juristin und arbeitete viele Jahre als Journalistin in Berlin. Seit 2003 lebt sie als freie Autorin in München. Sie ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Zuletzt erschien von ihr „Ist da jemand?“.

Pressestimmen
zwd Politikmagazin

„Das Buch passt in die Diskussion um die aktuellen Reformbemühungen, die in der katholischen Kirche von Papst Franziskus eingeleitet wurden.“

Neue Zürcher Zeitung

„Die Autorin sagt zwar selten Neues, doch dass sie es sagt, sie als Protestantin, das ist schon eine kleine Sensation.“

Deutschlandfunk

„Beatrice von Weizsäcker hat ein herzerfrischendes Buch geschrieben.“

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