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Gebrauchsanweisung für Myanmar · Burma

Gebrauchsanweisung für Myanmar · Burma

Martin Schacht
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„Dieses Land zwischen Thailand, Indien und China hat Martin Schacht kreuz und quer bereist und gibt uns, die wir es ihm nachtun wollen, eine handliche ›Gebrauchsanweisung für Myanmar‹ mit auf den Weg. Er verknüpft Alltagsbeobachtungen mit Hintergründen über Geschichte und Politik im ehemaligen Burma.“ - MDR Kultur

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Gebrauchsanweisung für Myanmar · Burma — Inhalt

Lange Zeit geheimnisvoll und verschlossen, wurde Myanmar über Nacht zur boomenden Reiseregion. Martin Schacht streift durch das zauberhafte Reich der Stupas und Pagoden, zu verwunschenen Stränden und durch die Millionenstadt Rangun. Er ergründet das Wesen eines Landes, in dem 135 Völker leben, und in dem Bankautomaten und Shoppingmalls aus dem Boden schießen – während Ochsenkarren, Pferdekutschen und Trishaws noch immer gängige Verkehrsmittel sind. Er berichtet von Minderheiten, besucht Edelsteinschürfer und die legendären tätowierten Frauen. Er erläutert, wie der Buddhismus sich mit der Geisterwelt der Nats arrangiert, und wo man bei Sonnenuntergang den Einheimischen am besten beim Ballspielen zusehen kann.

€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 02.05.2017
224 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96552-1
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Leseprobe zu »Gebrauchsanweisung für Myanmar · Burma«

Ein Land im Umbruch

Myanmar ist derzeit vielleicht das spannendste Land überhaupt, nicht nur, weil man hierzulande kaum etwas darüber weiß, sondern weil es so ziemlich alles vereint, was man irgendwie exotisch findet. Das fängt damit an, dass das Land seine eigene Zeitzone besitzt, die sich jeweils eine halbe Stunde von den Nachbarn Thailand und Indien unterscheidet. Außerdem hat die Woche hier acht Tage. Zumindest astrologisch zählt der Mittwoch nämlich als doppelter Tag mit Vormittag und Nachmittag, was sich ganz direkt auf den Namen des an diesem Tag [...]

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Ein Land im Umbruch

Myanmar ist derzeit vielleicht das spannendste Land überhaupt, nicht nur, weil man hierzulande kaum etwas darüber weiß, sondern weil es so ziemlich alles vereint, was man irgendwie exotisch findet. Das fängt damit an, dass das Land seine eigene Zeitzone besitzt, die sich jeweils eine halbe Stunde von den Nachbarn Thailand und Indien unterscheidet. Außerdem hat die Woche hier acht Tage. Zumindest astrologisch zählt der Mittwoch nämlich als doppelter Tag mit Vormittag und Nachmittag, was sich ganz direkt auf den Namen des an diesem Tag Geborenen auswirkt. Der Name wird nicht etwa von den Eltern bestimmt, sondern vom Geburtstag. Aus Sicht der astrologiegläubigen Burmesen ist das ganz praktisch, kann man doch schon vom Namen des Gegenübers auf seinen Charakter schließen.

Schon der oft zitierte Rudyard Kipling, der das historische Bild vom romantischen Tropenparadies wie kein anderer prägte, befand 1898: „Das hier ist Burma, ein Land, das anders ist als alle anderen, die du kennst.“

Recht hat er, denn in Myanmar folgt alles seiner eigenen Logik und seiner eigenen Zeit. Das Land verbindet die Vorstellung von einem geheimnisvollen, aus der Zeit gefallenen Asien voller goldener Tempel, buddhistischer Mönche und freundlicher Menschen mit der britischen Kolonialgeschichte, einem bizarren sozialistischen Experiment, ethnischen Armeen, die sich mit Drogenhandel finanzieren, und einer ausgesprochen unerfreulichen Militärdiktatur.

Klischees, könnte man denken, aber es ist auch verwirrende Realität. Man weiß ja nicht einmal, wie dieses Land eigentlich heißt. Burma, Birma oder Myanmar? Mit einer Hauptstadt namens Yangon oder Rangun? Selbst diese Frage ist nicht mehr korrekt, denn Hauptstadt ist seit ein paar Jahren nicht mehr die Fünf-Millionen-Metropole Rangun/Yangon, sondern eine aus dem Dschungel gestampfte Administrationsstadt namens Naypyidaw. Und leben in dem Land Birmanen, Burmesen, Myanmarer oder womöglich Myanmesen?

Alles nicht so leicht zu beantworten, und schon sind wir mittendrin in der komplizierten Geschichte eines Vielvölkerstaates, der zurzeit den offiziellen Namen „Republik der Union Myanmar“ trägt. Tatsächlich ist Burma der Name, den die Engländer ihrer einstigen Kolonie gaben, auf Deutsch verwendet man häufig den Namen Birma. Burma und Birma leiten sich aufgrund unterschiedlicher Aussprachen von den Bamar, also den Burmesen oder Birmanen, her, die mit siebzig Prozent die größte ethnische Volksgruppe stellen. Da es jedoch 134 weitere Volksgruppen wie die Shan, Mon, Chin, Kachin, Naga, Wa und Palaung gibt, ist der Begriff Myanmar, der bis ins 11. Jahrhundert zurückgehen soll, vermutlich sogar angebrachter. Er wurde seit den 1920er-Jahren immer wieder ins Spiel gebracht und entspringt den Bestrebungen, einen einheitlichen Begriff für alle Volksgruppen zu finden und sich gleichzeitig von der Kolonialzeit und deren Namen zu distanzieren. Lange Zeit sprachen Oppositionspolitiker immer noch von Burma. Sie kritisierten, dass über die neuen Namen Myanmar und Yangon nie demokratisch abgestimmt wurde. Allerdings setzt sich jetzt zusehends Myanmar durch, und auch die ehemalige Oppositionspartei NLD hat, seit sie die Regierungsverantwortung übernommen hat, nichts mehr dagegen einzuwenden. Trotzdem spricht man in der Regel weiterhin von Rangun, Burmesen und burmesischen Belangen. Egal. Verstanden wird im Zweifel alles …

Das wenige, was man hierzulande über Burma/Myanmar weiß, ist von unserer europäischen Lebenswirklichkeit so weit entfernt, dass es etwas Märchenhaftes hat. Das Tollste ist allerdings, politisch und dramaturgisch gesehen, dass am vorläufigen Happy End dieser Geschichte eine Lichtgestalt steht, die es ganz allein mit den Finsterlingen in Uniform aufgenommen und das Land quasi im Alleingang in die Staatengemeinschaft zurückgeführt hat: Aung San Suu Kyi.

Natürlich ist es nicht ganz so einfach, aber „The Lady“, wie sie von Freund und Feind respektvoll genannt wird, ist die einzige Person der burmesischen Politik, die außerhalb von Fachkreisen ein Begriff ist, eine aristokratisch anmutende Dame mit Frangipani-Blüte im streng zurückgesteckten Haar, Trägerin des Friedensnobelpreises und ein politischer Popstar wie Che Guevara, Nelson Mandela oder Evita Perón. Ihr, die insgesamt fünfzehn Jahre unter Hausarrest stand, ist es zu verdanken, dass es plötzlich wieder politisch korrekt ist, nach Myanmar zu reisen. Sei es als westlicher Politiker oder als Tourist.

Dabei hatte sich Suu Kyi jahrelang für Sanktionen und gegen jede Art von Tourismus ausgesprochen, eine Haltung, die andere Oppositionspolitiker kritisierten. Ein Regime, das sich freiwillig fast dreißig Jahre isoliert habe, könne man nur durch Kontakt zur Außenwelt ändern: politische Reformen würden dann ganz automatisch kommen. Schon vor dem Wahlsieg ihrer Partei sprach sich auch Suu Kyi für den Tourismus aus, und bei den Besucherzahlen ist jede Menge Platz nach oben. Nur knapp 14 000 Deutsche bereisten das Land im Jahr 2011, das benachbarte Thailand dagegen eine halbe Million. Für 2016 werden zum ersten Mal mehr als fünf Millionen Besucher erwartet.

Wie dem auch sei – endlich muss man sich nicht mehr fragen, wem der Tourismus nützt oder schadet, ob er gut ist für die Bevölkerung oder für die Geschäfte der Junta, denn Myanmar galt während des letzten halben Jahrhunderts als Mitglied der Achse des Bösen, ein Land, dessen einzige Verbündete Nordkorea, mit dem es angeblich noch vor wenigen Jahren an Bombenplänen bastelte, und der große Bruder China waren. Plötzlich scheint alles ganz anders. So als hätten alle darauf gewartet, dieses Land wie einen lang vermissten Freund zu umarmen. Nur zu gern und möglichst schnell möchte man Folter, Tote und Bürgerkrieg vergessen, selbst die Militärs sind nicht mehr so schlimm, seit sie die Uniform abgelegt haben und im Parlament sitzen. Ein notorischer Schurkenstaat ist plötzlich Everybody’s Darling.

Die Begeisterung der westlichen Staaten ist politisch und wirtschaftlich nur zu gut zu verstehen, denn auch wenn Myanmar offiziell als eines der ärmsten Länder der Welt gilt, ist es reich an wichtigen Rohstoffen und liegt geografisch an einer Schlüsselposition zwischen China und dem Indischen Ozean. Kein Wunder, dass die Amerikaner und die Europäer jetzt rasch versuchen, schon an China verloren geglaubtes Terrain gutzumachen. Das neue Myanmar wird vom Westen deshalb mit Geld geradezu geflutet. Es herrscht eine gewisse Goldgräberstimmung im Land, vergleichbar mit der nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Nicht umsonst redete man früher als Analogie zum Eisernen Vorhang gern vom „Bambus-Vorhang“. Und wie seinerzeit in Osteuropa wollen jetzt viele Leute in Myanmar Geld machen.

Alles verändert sich mit rasender Geschwindigkeit. In Rangun wird renoviert, gebaut und abgerissen, was das Zeug hält, und die Hotelzimmerpreise haben sich in kurzer Zeit vervielfacht. Nach einem Engpass gibt es inzwischen jedoch genügend Zimmer, und die Preise sind wieder moderater. Wer jedoch in seiner Zeitplanung eingeschränkt ist oder in ganz bestimmten Hotels absteigen möchte, tut gut daran, rechtzeitig im Voraus zu buchen. Für alle anderen gilt: Irgendein Hotel oder Guesthouse findet sich immer, nur hat es halt vielleicht nicht den Standard oder die Lage, die man sich wünscht.

Was bei alledem herauskommt, lässt sich noch nicht absehen, aber sicher ist: Niemand braucht ein zweites Singapur oder Thailand. Mit seinen einzigartigen, noch unzerstörten Stadtquartieren und Kolonialbauten hat Rangun die Chance, wieder eine der schönsten Städte Asiens zu werden. Was die Vielfalt seiner Landschaften und Klimazonen betrifft, hat Myanmar sogar mehr zu bieten als die meisten seiner Nachbarländer. Und nicht zu vergessen seine Bewohner: Immer spürt man, wie sehr sie sich freuen, dass die dunkle Zeit für ihr Land vorbei ist. Manchmal wirkt es, als könnten sie es selbst noch nicht glauben.

Deshalb: Fahren Sie jetzt hin, warten Sie nicht zu lange! In ein paar Jahren wird es das alles so nicht mehr geben. Ganz sicher wird Myanmar dann immer noch schön sein, aber anders. Noch ist das Land eines der letzten touristischen Abenteuer, die Sie genießen können. An ein paar Abstriche werden Sie sich in wenigen Tagen gewöhnt haben: an Stromausfälle, an Taxis ohne Aircondition oder an Schlaglöcher. Es wartet ein Land auf Sie, wie es kein zweites gibt. Lassen Sie sich auf Myanmar ein, dann ist alles ganz einfach.

 

Vom Wesen der Burmesen

Dieser Reim ist etwa genauso dämlich wie der Versuch, ein Volk – oder in diesem Fall die Bevölkerung eines Vielvölkerstaates – über einen Kamm zu scheren. Aber ich kann es ja mal versuchen.

Die Burmesen werden, je nachdem, wer über sie spricht, als offen, herzlich und sorglos oder als eingebildet, angeberisch und misstrauisch beschrieben. Größer könnten die Gegensätze gar nicht sein. Ich habe viele Ausländer, die bereits lange in Myanmar leben, gefragt, wie sie die Einheimischen sehen. Am besten gefallen hat mir die Antwort von Lisa Fedeli, der Besitzerin des Restaurants L’Opera in Rangun. Die Italienerin, die seit fast zwanzig Jahren im Land lebt, meint, der Unterschied zu anderen Asiaten sei, dass die Burmesen westlichen Humor verstünden. Da ist zweifellos etwas dran. Thais zum Beispiel haben keinerlei Gefühl für Ironie, mit Burmesen kann man nach kurzer Anlaufzeit wunderbar lachen. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass diverse inhaftierte Oppositionelle bekannte Komiker waren. Gern erzählt wird in diesem Zusammenhang die Geschichte des Comedians Zaganar, der für Witze wie den folgenden zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt worden war – die Generäle fanden seinen Humor nicht witzig:

Treffen sich drei Geschäftsleute, einer aus Amerika, einer aus England und einer aus Myanmar, um zu sehen, wer am besten prahlen kann. Der Amerikaner fängt an: „Ich kenne einen Landsmann, der den Atlantischen Ozean durchschwommen hat, ganz ohne Beine.“ Daraufhin der englische Geschäftsmann: „Das ist nicht gut genug. Ich kenne einen Engländer, der den Kanal durchschwommen hat, ohne Arme und ohne Beine.“ Sagt der Geschäftsmann aus Myanmar: „Das ist immer noch nicht gut genug. Unsere Regierung regiert seit achtzehn Jahren ganz ohne Kopf.“

Vermutlich hängt es auch damit zusammen, in welcher Form und welcher Beziehung man jemandem begegnet und in welcher Position. Als Tourist, der Geld bringt und in keiner Form eine Konkurrenz oder Bedrohung für die neugierigen Burmesen darstellt, wird man generell freundlich behandelt und trifft auf große Hilfsbereitschaft, selbst wenn das burmesische Gegenüber keinen direkten Vorteil davon hat. Die Menschen lieben es, sich und ihr Land vorteilhaft darzustellen, was sicher an der weit verbreiteten Haltung liegt, grundsätzlich auf alles Burmesische stolz zu sein. Kritik, zum Beispiel an der Regierung, dem Militär oder schlechten Straßen, sollte erst vom burmesischen Gesprächspartner kommen. Dann kann man durchaus darauf einsteigen, schließlich sind die Einheimischen nicht blind. Beginnt jedoch der Fremde damit, ihr Land schlechtzumachen, sind sie schnell gekränkt. Am besten verpackt man Kritik in einem Lob, etwa nach folgendem Muster: Myanmar hat die schönsten Pagoden der Welt, aber an den Straßen könnte man vielleicht noch arbeiten.

Ausländische Geschäftsleute beschweren sich häufig über Willkür und Langsamkeit der Behörden, die zudem Burmesen bevorzugt behandeln würden. Einer der Gründe dafür ist vielleicht, dass das Land sechzig Jahre nichts anderes getan hat, als sich die Ausländer möglichst vom Leib zu halten. Es wurde ja alles, was von außen kam, als Bedrohung für das herrschende System gesehen. Selbst auf internationale Sanktionen hat die Politik immer nur damit reagiert, das Land noch mehr von der Außenwelt abzuschotten. Die Linie hieß immer: Wir lassen uns vom Ausland nichts vorschreiben. Vermutlich sind die neue Öffnung des Landes und die Suche nach ausländischen Investoren in manche Kreise von Politik und Verwaltung einfach noch nicht durchgesickert.

Eine gewisse Unsicherheit spielt auch im persönlichen Umgang mit Ausländern eine Rolle. Schließlich war jeder Kontakt zu ihnen viele Jahre unerwünscht und zog sofort die Aufmerksamkeit der Geheimpolizei auf sich. Insofern tut man als Angestellter einer Behörde lieber gar nichts als etwas Verkehrtes. Außerdem droht, wenn man etwas falsch macht, die Höchststrafe eines jeden Asiaten: Gesichtsverlust. „Gesicht“ umfasst dabei alles, was mit dem Selbstbild einer Person oder einer Gruppe zu tun hat und wie andere Menschen sie sehen könnten. Man könnte es mit dem Gefühl der Blamage vergleichen, nur dass ein Gesichtsverlust viel existenzieller ist. Deshalb sollte man auf gar keinen Fall herumschreien, wenn man ein Problem mit Burmesen hat. Wer wütend wird, verliert dabei sein Gesicht ebenso wie der Beschimpfte. Kritik sollte man vor allem höflich anbringen, niemand möchte gern bloßgestellt werden.

Das gilt auch für die Beziehungen der Burmesen untereinander. Die Gesellschaft ist ausgesprochen hierarchisch organisiert. Wenn also ein Vorgesetzter einen Fehler macht, korrigiert man diesen nicht etwa eigenmächtig, sondern macht den Vorgesetzten unter vier Augen darauf aufmerksam, dass sich ein Fehler eingeschlichen hat, den er sicher selbst schon bemerkt hätte. Irgendjemand habe aber offenbar vergessen, diese Information weiterzugeben.

Wie die meisten Asiaten hassen auch die Burmesen direkte Auseinandersetzungen. Emotionen zu zeigen ist kulturell unhöflich und wirkt sich gerade bei geschäftlichen Verhandlungen äußerst ungünstig aus. Grundlage dieses Verhaltens ist das buddhistische Gebot: „Nichts Böses denken. Nichts Böses sagen. Nichts Böses tun.“ Diese Vermeidungsstrategie haben die Burmesen verinnerlicht, und wer nichts Böses denkt, sagt oder tut – der lächelt eben.

Wann immer es geht, entschärfen Sie die Situation mit einem höflichen Lächeln. Respektvoller Umgang ist nur möglich, wenn man den Emotionen nicht freien Lauf lässt. Harmonie ist eines der obersten Verhaltensprinzipien. Dafür, was wirklich hinter einem Lächeln steckt, bekommen Sie ganz schnell ein Gefühl.

Eine gute Strategie ist die der gezielten Selbsterniedrigung, die ich besonders gern anwende, wenn ich etwas von Asiaten haben will: Wer sich selbst als ahnungsloser Ausländer präsentiert, der nicht weiß, wie man dies oder jenes bekommt, und der ohne die Hilfe des Einheimischen total aufgeschmissen ist, dem wird zumeist ein Maximum an Hilfsbereitschaft entgegengebracht. Wenn das nicht funktioniert, sollte man allerdings schnell auf Boss umschalten können. Einschüchterung funktioniert auch manchmal. Allerdings sollte man sich vorher vergewissern, in welcher gesellschaftlichen Position man zu jemandem steht und ob man nicht vielleicht auf sein späteres Wohlwollen angewiesen ist.

 

Ein Land mit 135 Völkern

Myanmar ist ein Flickenteppich unterschiedlicher Ethnien, Religionen und Klimazonen. Das nach Indonesien zweitgrößte Land Südostasiens ist von der Fläche her etwa doppelt so groß wie Deutschland. Es erstreckt sich von den schneebedeckten Gipfeln des Himalajas über eine trockene Halbwüste im Zentrum des Landes und das etwa tausend Meter hohe Shan-Plateau bis hin zur fruchtbaren tropischen Deltaregion und dem Myeik-Archipel mit seinen über achthundert Inseln. Ein schmaler Streifen an der Andamanensee ragt tief in die Halbinsel von Malakka hinein, vom benachbarten Thailand getrennt durch den Tenasserim-Gebirgszug. Im Nordwesten grenzt Myanmar ebenfalls mit Bergzügen an Bangladesch und Indien, im Norden an die Volksrepublik China, im Osten an Laos und eben Thailand.

Zwischen dem Hochland der Shan im Osten und den Gebirgszügen im Westen liegt die fruchtbare Ebene des Ayeyarwady-Beckens. Der Ayeyarwady, mit einer Länge von rund zweitausend Kilometern der längste Fluss Myanmars, ist die Lebensader des Landes und bildet an seiner Mündung in den Indischen Ozean ein riesiges Delta, das zu Zeiten der Briten als „Reisschüssel Südostasiens“ galt. Myanmar war damals das reichste Land der Region.

Das tropische Klima in Myanmar wird durch den Monsun bestimmt. Zwischen November und Februar bringt der Nordwestmonsun kalte, trockene Luft aus Innerasien heran – natürlich ist „kalt“ relativ und in diesem Fall für europäische Reisende sehr angenehm –, in der Regenzeit zwischen Mai/Juni und Oktober führt der Südwestmonsun zu großen Niederschlagsmengen und sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Dazwischen liegt als dritte Jahreszeit die heiße Trockenzeit von März bis Mai/Juni. Jedoch können Niederschlagsmenge und Temperatur regional sehr unterschiedlich sein. Während es in der Regenzeit im Süden häufig tagelang schüttet, kann es zur gleichen Zeit in der sonst trockenen und oftmals unerträglich heißen Zentralebene sehr angenehm sein. So ist die kalte Jahreszeit zwar die Hauptreisesaison, doch je nachdem, wohin man fährt, bieten sich auch andere Reisezeiten an. Bagan, Mandalay oder das trockene Zentrum um die Hauptstadt Naypyidaw lassen sich gerade in der Regenzeit, die in etwa dem europäischen Sommer entspricht, wunderbar bereisen.

Über fünfzig Prozent der Landfläche Myanmars nehmen Wälder ein. Immergrüne Regenwälder bedecken große Teile der Gebirge im Westen des Landes; neben Teak wächst hier vor allem Bambus. Auf dem Shan-Plateau im Osten und im Norden sind überwiegend Pinien und Eichen zu finden. Im Ayeyarwady-Becken im Zentrum des Landes herrschen Trockenwald und Dornstrauchsavanne vor.

Die dichten Wälder bieten Lebensraum für zahlreiche Tiere. An größeren Säugetieren finden sich unter anderem Panther, Bären und wilde Wasserbüffel. Auch der Kleine Panda, Schleichkatzen und der Schabrackentapir leben im Dschungel, in den Mangrovengebieten an der Küste zahlreiche Krokodile. Die Zeiten, in denen Tiger um die Schwedagon-Pagode strichen, wovon noch im 19. Jahrhundert berichtet wurde, sind jedoch lange vorbei. Marco Polo glaubte seinerzeit sogar, das legendäre Einhorn gefunden zu haben, als er in Myanmar ein Java-Nashorn sah. Inzwischen gilt diese Art als ausgestorben.

Dafür entwickelt sich der äußerst seltene Irawadi-Delfin – so benannt nach der alten Schreibweise des Ayeyarwady – zur Touristenattraktion. Die intelligenten Tiere kommunizieren angeblich mit Fischern und treiben ihnen für einen Anteil an der Beute Fische in die Netze. Inzwischen werden sie wohl eher angelockt, weil sie wissen, dass es etwas zu fressen gibt. Bei Mingun, nördlich von Mandalay, werden sogar Delfintouren angeboten – allerdings ohne Sichtungsgarantie. Kein Wunder, schließlich wurden bei der letzten Zählung auf dem über fünfhundert Kilometer langen Flussabschnitt zwischen Mandalay und Bhamo gerade mal 72 Tiere erfasst. Im Chindwin River sollen sie etwas häufiger sein, doch die Wassersäuger sind durch die Elektrofischerei und die Wasserverschmutzung stark gefährdet.

Rund 54 Millionen Menschen leben derzeit in Myanmar, ein Großteil davon im zentralen Tiefland, nur etwa ein Viertel in den Städten. Die einzige Millionenmetropole ist Yangon/Rangun mit etwa fünf Millionen Einwohnern, Mandalay hat etwa eine Million, Mawlamyine um die 250 000.

Größte Volksgruppe mit einem Anteil von knapp siebzig Prozent sind, wie schon dargelegt, die Burmesen oder Bamar. Neben ihnen leben sieben Minderheitenvölker in Myanmar, die sich aus weiteren 134 Volksgruppen zusammensetzen: Shan zehn Prozent, Karen (Kayah) neun Prozent, Arakan fünf Prozent, Mon zweieinhalb Prozent, Chin zwei Prozent, Kachin eineinhalb Prozent, Karenni 0,8 Prozent.

Eine Besonderheit ist, dass sich Myanmar entsprechend seiner Völker in „States“ und „Divisions“ gliedert. Die sieben Landesteile, die überwiegend von Bamar besiedelt sind, heißen „Divisions“, und die sieben Regionen, die hauptsächlich von ethnischen Minderheiten bewohnt werden, nennt man „States“. Die Minderheitenvölker bewohnen hauptsächlich die gebirgigen Randgebiete des Landes – ihr Siedlungsgebiet umfasst etwa 65 Prozent der Gesamtfläche Myanmars –, sodass die „Staaten“ zum überwiegenden Teil die Außengrenzen des Landes bilden. Im Uhrzeigersinn sind das:

●           Rakhine (früher Arakan), Hauptstadt: Sittwe (früher Akjab)

●           Chin, Hauptstadt: Hakha

●           Kachin, Hauptstadt: Myitkyina

●           Shan, Hauptstadt: Taunggyi

●           Kayah, Hauptstadt: Loi-kaw

●           Kayin oder Karen, Hauptstadt: Hpa An

●           Mon, Hauptstadt: Mawlamyine

 Dieses seltsame Konstrukt und nicht zuletzt auch die Autonomiebestrebungen der Minderheiten gründen auf dem willkürlichen Gebilde der Kolonie Britisch-Indien, das die Engländer erfunden hatten und das auch Burma mit einschloss, das ursprünglich aus unabhängigen Staaten bestand. Das Abkommen von Panglong von 1947 räumte den Minderheiten die Möglichkeit ein, die Union von Burma zu verlassen – theoretisch, denn in der Praxis ließ man sie nicht gehen. Die mögliche Sezession des Shan-Staates war sogar einer der vorgeschobenen Gründe für die Machtübernahme des Militärs, die wiederum zu jahrzehntelangen Guerilla-Kriegen führte.

Mit dem Argument, nur eine starke Zentralregierung könne das Land befrieden, unterdrückte die Militärregierung in Rangun die Minderheiten viele Jahre mit äußerster Härte und Brutalität, was ein Grund für die Flüchtlingslager an der thailändischen Grenze ist. Jetzt, da mit den meisten Rebellenarmeen Waffenstillstandsabkommen geschlossen wurden, sollen die Lager, in denen immer noch etwa 150 000 Menschen leben, die meisten Karen und Mon, aufgelöst werden und ihre Bewohner nach Myanmar zurückkehren. Derweil verschlechtert sich die Situation in den Lagern, da internationale Hilfsorganisationen die Unterstützung der Lagerbewohner zugunsten von Projekten in Myanmar einstellen. Das hat unter anderem zur Folge, dass viele junge Flüchtlinge ihre Schul- oder Berufsausbildung in Thailand nicht abschließen können.

Lange wurde befürchtet, dass die erneute Eskalation eines alten Konflikts zwischen der Mehrheit der buddhistischen Rakhine und der Minderheit der muslimischen Rohingya im Rakhine-Staat im Jahr 2012 den Hardlinern im Militär Argumente liefern könnte, eine weitere Demokratisierung des Landes zu verhindern, doch auch die Zivilregierung fährt gegen die Muslime im Norden eine harte Linie.

Die Rohingya selbst behaupten, sie lebten schon immer im Land, für die buddhistische Mehrheitsbevölkerung dagegen sind sie illegale Einwanderer aus Bangladesch. Nachdem Ende Mai 2012 drei Muslime eine Buddhistin vergewaltigt und getötet hatten, nahm ein buddhistischer Mob Rache und lynchte zehn Muslime. Daraufhin brach eine beispiellose Welle der Gewalt auf beiden Seiten los. Den „bengalischen Muslimen“ wird fast unisono die Schuld an den blutigen Auseinandersetzungen zugeschoben. Myanmars Regierung würde sie am liebsten des Landes verweisen, wenn sich ein Land fände, das sie aufnehmen würde, aber auch Bangladesch oder andere muslimische Länder wie Malaysia und Indonesien wollen die Rohingya nicht.

Anführer der Anti-Muslim-Bewegung Ma Ba Tha ist der Mönch Wirathu, der immer wieder mit aggressiver Rhetorik gegen den Islam auftritt. Die Mönche fordern ein Heiratsverbot zwischen Muslimen und Buddhisten und eine Beschränkung der Familiengröße. Auch die allseits verehrte Aung San Suu Kyi vermeidet es geflissentlich, das böse R-Wort in den Mund zu nehmen und den Konflikt zu kommentieren, der den liberalen Kräften ausgesprochen ungelegen kommt. Zu sensibel ist die politische Situation, und religiös motivierte Gewalt passt nicht ins Bild des neuen Myanmars. International hat ihr Schweigen der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi viel Kritik eingetragen.

Auch dass die Taliban und indonesische Islamisten schon mit Dschihad drohten, kann Myanmar nicht gebrauchen. Schließlich ist die Küste des Rakhine-Staates wegen ihrer Strände bei den Touristen äußerst beliebt. Wie im benachbarten Thailand, das an der südlichen Grenze zu Malaysia ebenfalls unter Problemen mit der muslimischen Minderheit leidet, kann nicht sein, was nicht sein darf. Im Moment sieht es so aus, als ob Myanmar auf eine ähnliche Strategie setzt wie die Thais. Eine starke Militärpräsenz in den betroffenen Gebieten soll weitere Unruhen verhindern, und solange keine Touristen zu Schaden kommen, wird das Problem totgeschwiegen. Nachdem der Rakhine-Staat längere Zeit für Touristen gesperrt war, sind Sittwe und die sehenswerte Tempelstadt Mrauk U im Moment problemlos zu bereisen. Auch im Kachin-Staat sind Kämpfe mit Rebellenarmeen wieder aufgeflammt. Waffenstillstandsabkommen mit den noch aktiven Rebellengruppen sind das wichtigste Vorhaben der jungen Zivilregierung; eine Konferenz im Juli 2016 verlief vielversprechend.

Martin Schacht

Über Martin Schacht

Biografie

1965 in Rendsburg geboren, arbeitet als Autor von Büchern und Fernsehreportagen für „ARTE“ und andere Sender sowie als Drehbuchautor und Reisejournalist. Seine Romane erschienen bei Rowohlt („Mittendrin“, „Straßen der Sehnsucht“, zuletzt „Mandalay Moon“), bei Argon sein Sachbuch »Die ewige...

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