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Dunkeljäger

Dunkeljäger

Alexey Pehov
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Roman

„Wieder einmal beweist Pehov, dass er ein unsagbar feines Gespür für Charaktere und Dramatik besitzt.“ - Hanauer Zeitung

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Dunkeljäger — Inhalt

Der Elf Lass lebt in einer vom Krieg zerrütteten Welt: Die mächtigen Elfenhäuser sind über einen alten Konflikt, dessen Ursprung kaum jemand mehr kennt, in scheinbar unüberwindbare Feindschaft geraten. In seinem Bemühen, zwischen den Häusern Frieden zu schaffen, wird Lass zur Hassfigur beider Seiten und muss fliehen. Doch nicht nur die Elfenkrieger sind ihm fortan auf den Fersen, auch Orks, Zwerge und Dämonen verfolgen ihre eigenen Ziele, um dem geschwächten Elfenreich den entscheidenden Schlag zu versetzen ... Nach "Die Chroniken von Siala" und "Die Chroniken von Hara" das neue Epos von Alexey Pehov.  

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 13.10.2014
Übersetzt von: Christiane Pöhlmann
432 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96761-7
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Leseprobe zu „Dunkeljäger“

1. Kapitel,
in dem ich für immer von meiner
Vergangenheit Abschied nehme


Meine gute alte Libelle schoss aus den Wolken heraus wie ein Dämon aus einer schlecht versiegelten Schatulle und trug mich Richtung Süden, wo in der Ferne Wälder lagen, die so überhaupt nicht an die jahrhundertealten Baumreiche erinnerten, in denen ich meine Kindheit verbracht hatte. Hinter ihnen warteten das Meer und, mit etwas Glück, ein neues Leben auf mich.

Aber ich sollte mit meinen Gedanken nicht derart vorauseilen, schon gar nicht angesichts meiner gegenwärtigen Lage. In [...]

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1. Kapitel,
in dem ich für immer von meiner
Vergangenheit Abschied nehme


Meine gute alte Libelle schoss aus den Wolken heraus wie ein Dämon aus einer schlecht versiegelten Schatulle und trug mich Richtung Süden, wo in der Ferne Wälder lagen, die so überhaupt nicht an die jahrhundertealten Baumreiche erinnerten, in denen ich meine Kindheit verbracht hatte. Hinter ihnen warteten das Meer und, mit etwas Glück, ein neues Leben auf mich.

Aber ich sollte mit meinen Gedanken nicht derart vorauseilen, schon gar nicht angesichts meiner gegenwärtigen Lage. In dieser Sekunde sollte ich vielmehr nichts anderes tun, als die Augen offen zu halten und darauf zu hoffen, dass mir das Schicksal gewogen sei – und meine Flucht glückte.

Nur dachte dieses vermaledeite Schicksal gar nicht daran, mir seine Huld zu erweisen. Der heutige Tag versprach, sich genauso lausig zu gestalten wie der gestrige: Meine Verfolger hatte ich nicht abgeschüttelt, im Gegenteil, sie suchten etwa zwei Meilen tiefer in einem Abstand von drei Meilen zu mir den Himmel nach meiner Silberquelle ab. Ein Lichtreflex hatte sie verraten, als die Sonne auf die silbrige Seite ihrer Aeroplane gefallen war.

„Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe?“, brummte ich, während ich einen raschen Blick auf die magische Kugel vor mir warf. Sie setzte mich freundlicherweise davon in Kenntnis, dass die Zahl der Saphirkeile gegen null ging. Im letzten Gefecht hatte ich fast meinen gesamten Vorrat an Waffen aufgebraucht. Dabei war es zu heiß hergegangen, als dass ich mir den Kopf übers Haushalten hätte zerbrechen können.

Seit zwei Tagen befand ich mich jetzt auf der Flucht. In meiner Heimat, dem Großen Wald, war man zu der unschönen Auffassung gelangt, ich sei zu gefährlich, um am Leben zu bleiben. Deshalb saß ich nun seit fünfzig Stunden in meiner Libelle und hatte in der ganzen Zeit kein Auge zugetan. Ebenso verzweifelt wie vergeblich versuchte ich, jene Elfen abzuschütteln, die mir unser Shellan, also der höchste Kommandant von uns Fliegern und ein treuer Diener Ihrer Majestät, der Kyralletha, hinterhergeschickt hatte.

Dreimal hatte ich mich bereits gegen Angriffe meiner einstigen Gefährten zur Wehr setzen müssen. Einige von ihnen hatte ich ausgeschaltet – was die Überlebenden jedoch nicht daran hinderte, sich weiter an meinen Schweif zu heften, ganz wie Jagdleoparden, die für ihren Herrn eine seltene Trophäe zu ergattern trachten.

„Ihr habt es nicht anders gewollt“, stieß ich aus, während ich die Entfernung abschätzte. „Setzen wir einen Schlusspunkt unter diese Geschichte.“

Eine andere Wahl blieb mir ohnehin kaum. Würde diese Verfolgung auch nur noch ein paar Stunden andauern, wäre ich außerstande, mein Aeroplan zu lenken. Ich würde im Flug einschlafen – und die Herren Elfen mich in ein Sieb verwandeln.

Deshalb musste die Entscheidung jetzt fallen: An diesem Himmel gab es nur für einen von uns Platz, entweder für sie oder für mich.

Ich drückte den Knüppel zum Steuern von mir weg und zwang meine Silberquelle damit, tiefer zu gehen. Der müde Dämon im Bauch meines Vogels brüllte wütend, steigerte aber brav die Geschwindigkeit. Wie ein Greif, der seine Flügel angelegt hatte, stürzte ich in die Tiefe. Im Fadenkreuz meiner Zielvorrichtung tauchte eine bildschöne silbrige Silhouette auf. Ein Aeroplan mit spitzem Bug, einer kristallenen Kabine, goldenem Lüftungsgitter und pfeilförmigen Flügeln, unter denen Kanonen saßen. Als es über einen breiten, namenlosen Fluss flog, eröffnete ich das Feuer.

Dunkelblaue Kugeln zerrissen den Vogel, den die besten Meister meines Volks angefertigt hatten. Glühende Bruchstücke fielen ins Wasser und wühlten die glatte Oberfläche auf, bis hohe weiße Fontänen in die Luft spritzten. Einige Teile landeten auch im Schilf am Ufer, wo sie die hiesigen Wassermänner aufschreckten.

Erst knapp überm Boden beendete ich meinen Sturzflug, um geschickt an Höhe zu gewinnen und über die Baumkronen hinwegzugleiten. Nach diesem Angriff sah ich mich bloß noch einem einzigen feindlichen Elfen gegenüber. Der gab freilich noch immer keine Ruhe. An meinem rechten Flügel schoss eine Salve vorbei. Nur gut, dass mein magischer Schild prompt aufloderte und mich und mein Aeroplan schützte.

Mit einer Kehre, bei der ich mich scharf auf die Seite legte, vermochte ich meinen Verfolger dann endlich abzuschütteln. Das bedeutete allerdings noch nicht viel, denn wir beide suchten ein neuerliches Zusammentreffen hier oben, hoch über dem unschuldigen Wald. Kaum machte ich meinen Gegner wieder aus, eröffnete ich das Feuer und schoss meine letzten Keile ab. Mein Libellchen wurde gewaltig durchgeschüttelt, aber immerhin entkam ich dem Tod. Mein Gegenüber hatte da weitaus weniger Glück.

Eine weiße Flamme über seiner Silberquelle brachte den Schutzschild zum Bersten, und das Aeroplan fing Feuer. Einen langen schwarzen Rauchschwanz hinter sich herziehend, strudelte der Vogel in die Tiefe.

Die Flugbahn ließ mich ahnen, dass der Elf noch lebte und mit allen Kräften versuchte, das Aeroplan wieder in seine Gewalt zu bringen. Ich behielt ihn einige Sekunden lang im Fadenkreuz, doch dann nahm ich den Finger vom Abzug.

Ich verspürte keinen Wunsch, denjenigen, der einst mein Freund gewesen war, zu töten.

Sein Vogel verschwand schließlich hinter den Bäumen. Einzig dicker Qualm wies nun noch auf seinen Standort hin. Als ich darauf zuhielt, gelangte ich zu einer großen Lichtung. Auf ihr lag starr das silbrige Aeroplan, das eine breite Furche in die Erde gepflügt hatte.

Eigentlich sollte ich nun schnellstens verschwinden, doch das brachte ich nicht fertig. So landete ich in der Nähe der abgestürzten Silberquelle, löste den Riemen über meiner Brust, nahm die am Sitz befestigte Klinge an mich und sprang ins hohe Gras.

Ein kleiner Zitronenfalter mit halb durchscheinenden Flügeln landete behutsam auf der zerbrochenen Schwanzsteuerung des Aeroplans. Offenbar verwechselte er es mit einer der Blumen, in denen seine Freunde duftenden Nektar sammelten. Sobald ich mich näherte, flog er aufgeregt wieder davon. Ich schickte ihm einen neidischen Blick hinterher: Ach ja, so sorglos müsste man von Blume zu Blume flattern können …

Stattdessen machte ich mich auf einen nicht gerade liebreizenden Anblick im Innern der abgestürzten Silberquelle gefasst. Die gläserne Abdeckung über dem Sitz des Fliegers war zersplittert, aus dem feinen Goldrahmen ragten lediglich noch ein paar scharfkantige Scherben heraus. Selbst an ihnen schimmerten Blutspritzer. Als ich dann in den Vogel hineinspähte, sah ich, dass Boden und Wände über und über mit Blut beschmiert waren. Der Fliegeranzug des Elfen, den Riemen nach wie vor fest in den Sitz pressten, hatte sich in einen blutigen Lappen verwandelt. Obwohl in der Brust ein Loch klaffte, lebte mein einstiger Kampfgefährte noch, wie auch immer er das fertiggebracht haben mochte. Als ich mich über ihn beugte, öffnete er die Augen und rang sich ein Lächeln ab.

„Warst du mir also auch diesmal überlegen, Lass“, brachte er heraus.

„Halte durch, Nelan“, beschwor ich ihn. „Ich hol dich da raus.“

„Nicht nötig“, erwiderte er. „Ich sitz hier ganz bequem.“

Der Himmel war mein Zeuge: In diesem Augenblick tat es mir wirklich leid, dass das Leben dieses Los für Nelan bereithielt. Vor meinen Augen starb ein guter Elf und ein hervorragender Flieger. Obendrein fand er den Tod meinetwegen, denn ich hatte einen Befehl verweigert. Wobei: Die eigentliche Schuld an seinem Tod traf selbstverständlich jene gute Dame Kyralletha, die diesen Befehl erteilt hatte.

Mein einziger Wunsch war es gewesen, ein sinnloses Gemetzel zu beenden. Damit wir, damit meine Freunde und Gefährten in den Silberquellen, nicht länger am Himmel starben. Deshalb hatte ich mich geweigert, die mir unterstellten Elfen zur nächsten Schlachtbank zu fliegen. Deshalb hatte ich meinen Vorgesetzten gesagt, was ich von diesem Krieg hielt. Mit dem Ergebnis, dass ich nun als Verräter und Rebell dastand. Unwiderruflich.

Die Menschen glauben ja, wir Elfen würden uns nicht gegenseitig abschlachten. Ein gewaltiger Irrtum. Wir machen nämlich nichts anderes, als uns in endlosen Gefechten, die von unseren Adelsfamilien angezettelt werden, niederzumetzeln. Um es ganz unumwunden zu sagen: Einige von uns sind in ihrem Blutdurst keinen Deut besser als Orks.

„Ich bedaure nichts“, sagte Nelan mit einem Mal. „Mein Befehl lautete, dich aufzuhalten. Den konnte ich nicht verweigern, denn ich bin nicht so unerschrocken wie du. Deshalb begebe ich mich nun etwas eher als du in den Schatten des Großen Waldes … Aber auch dich trifft es. Gleich werden die Quesallen hier sein.“

Wunderbar. Hatte unser Shellan mir also nicht nur schlichte Flieger hinterhergeschickt, sondern mir auch diese Meuchelmörder auf den Hals gejagt.

„So schnell werden sie schon nicht auftauchen“, sagte ich dennoch. „Immerhin habe ich ein paar Stunden Vorsprung. Das sollte reichen, alle Spuren zu verwischen.“

„Du weißt genau, dass du sie nicht abhängst. Der Shellan wird dir keine ruhige Minute mehr gönnen. Du bist der Erste, der es gewagt hat, ihm und der Kyralletha offen zu widersprechen. Dergleichen verzeihen sie niemals. Flieh, Lasserelond! Flieh bis ans Ende dieser Welt!“

Als er bemerkte, dass ich etwas einwenden wollte, stieß er mit letzter Kraft aus: „Ich will nicht umsonst sterben. Flieh also und bleibe am Leben!“

„Ich werde mir alle Mühe geben.“

„Gut.“ Schmerz und Blutverlust hatten sein edles Gesicht bereits grau gefärbt. Er röchelte laut.

„Gibt es noch etwas, das ich für dich tun kann?“, fragte ich.

Nelan drehte schweigend den Kopf und blickte zu dem friedlich daliegenden Wald hinüber. Seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln.

„Ich wünschte bloß“, hauchte er, „ich hätte die Heimat noch einmal gesehen.“

Schon in der nächsten Minute atmete er nicht mehr. Ich schnitt die aus Gräsern geflochtenen Riemen durch und hievte Nelan mit einiger Mühe nach draußen, um ihn in den Klee zu betten. Hummeln surrten friedlich auf ihrer Suche nach Nektar über die Wiese. Eine Schaufel hatte ich nicht, allerdings brauchte ich auch keine. Ein Elf muss unter Eichen begraben werden. Ist dies nicht möglich, überlässt man seine Asche schlicht und ergreifend dem Wind.

Nachdem ich Nelans Augen geschlossen hatte, zog ich die gelbe Spange, die jeder Flieger meines Volks trägt, von seinem Gürtel, legte sie auf seine Brust und sprach die Worte zur Befreiung.

Ein Kokon aus warmem Licht hüllte Nelan ein. Sobald es erloschen war, stob eine Garbe von Samen zum Himmel auf. Von sattem Gelb, sahen sie wie Sonnenfunken aus. Geradezu schwerelos segelten sie über die Wiese dahin, bis eine Windbö sie erfasste und sie mit auf ihren letzten Flug nahm, damit sie in den nächsten Jahrzehnten zu prachtvollen, mächtigen Bäumen heranwuchsen.

An der Stelle, an der eben noch mein einstiger Freund gelegen hatte, blieb nur niedergedrückter Klee zurück.

Vielleicht wäre es nun angemessen, diesen Samen die Worte hinterherzuschicken, dass ich Nelans Tod bedauerte. Dass ich ihn nicht in diese Geschichte hätte hineinziehen sollen. Doch ich ging schweigend und schweren Herzens zurück zu meinem Aeroplan.

Irgendwann wich der endlose Wald bestellten Feldern, gewundenen ockerfarbenen Sandwegen und anheimelnden Dörfern mit weißen Häusern. Am Horizont hing weißer Dunst in der Luft, der erste Vorbote des Meeres.

Die Quesallen, jene auf meinen Kopf versessene Fünfer- oder Siebenerbande, hatte ich auf meinem Weg zum südlichsten Punkt des Westlichen Kontinents vorerst abgehängt. In falscher Hoffnung wiegen durfte ich mich freilich nicht.

Zwischen dem oberirdischen Teil des gnomischen Westheims und den undurchdringlichen Wäldern des Krähenlands zog sich das Land der Menschen dahin, das hier weit dünner besiedelt war als anderswo. An die Bezeichnung, die die Menschen der einzigen Stadt der Gegend gegeben hatten, erinnerte ich mich nicht mehr. In unseren Karten war sie jedenfalls als alley-at-kuros, als Uferstadt, eingetragen.

Ich drehte erst einmal eine Runde über ihr. Auf einem waldigen Hügel im Norden thronte ein mächtiges Schloss mit eisernen Turmhelmen. Der Hafen, in dem die großen Luftschiffe landeten, war vorzüglich abgesichert. Bei einer wuchtigen Verteidigungsanlage meinte ich aufgrund der Form und der Geschützpforten, sie sei einem alten Schiff entnommen. Wie auch immer, jedenfalls dürfte sie dem westlichen Teil der Uferstadt, in dem sich die ehrenwerten Bürger niedergelassen hatten, guten Schutz bieten.

Wen sie hier eigentlich fürchteten, war mir schleierhaft. Luftpiraten dürften in diesen Gefilden noch seltenere Gäste sein als Chasamer Kannibalen – und die waren bereits seit Jahrzehnten ausgerottet.

Aus der Luft wirkte die Stadt wie ein Wagenrad. In der Mitte lagen Paläste und Parks, von dort aus führten breite Straßen zum Meer, zum Wald, den Hügeln und den Steinwüsten in der Umgegend. Je weiter ich mich dem Ufer näherte, desto dichter standen die Häuser, desto enger waren die Gassen. Grün gab es hier kaum noch. Der Hafen mit den Docks bildete dann eine einzige graue Fläche, von der freilich zahllose Piers abgingen.

In der Luft herrschte gewaltiger Trubel, doch ich durchschaute die Regeln recht schnell. Was ich an den Menschen mag, das ist ihr Bestreben, Ordnung in Unordnung zu bringen. Wer schon einmal über eine Stadt der Kobolde hinweggeflogen ist, wird verstehen, was ich meine. Die meisten Unfälle in der Luft geschehen dort, weil alles drunter und drüber geht: Jeder fliegt, wie und wohin er will, ohne sich um die Folgen zu scheren oder auf den Nebenmann zu achten.

Über der Uferstadt kreisten hauptsächlich harmlose Vögel, also Aeroplane ohne Kanonen, Panzerung und Schutzschild, die sich fast zerbrechlich ausnahmen. Erst bei einer zweiten Runde fiel mir eine Einheit von Monden auf, die etwa sechshundert Yard über mir Patrouille flogen. Diese Wunderwerke hatten einen stumpfen Bug und vier Haifischflügel, während aus dem Bauch die Läufe der Bienenwerfer herausragten, was sie zugegebenermaßen unbeholfen erscheinen ließ, obgleich sie bei Luftgefechten äußerst erfolgreich waren.

In der Stadt gab es drei Landestreifen. Der erste und größte reichte weit ins Meer hinein und lag bei den Docks. Ihn wählten schwere Luftschiffe, weshalb ich ihn gar nicht erst in Betracht zog: Da es ausgesprochen schlau wäre, mein Libellchen dort zu verstecken, zwischen all den Hallen, Luftschiffen und Fliegern, würden die Quesallen mich da sicher als Erstes suchen.

Der zweite Landestreifen gehörte zum Schloss und war den Lichtern der Feyer nach zu urteilen Kriegsaeroplanen vorbehalten. Wenn ich dort landete, konnte ich mich auch gleich meinen Verfolgern in die Arme werfen, gab es doch keine bessere Möglichkeit, die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Auf die allgemeine Aufmerksamkeit konnte ich jedoch ebenso getrost verzichten wie auf die besondere.

Der dritte Streifen war nur kurz, verstaubt und in miserablem Zustand. Er lag am Rand der östlichen Elendsviertel und war auf allen Seiten von Hallen für Aeroplane, Scheunen und Lagern umgeben, wobei die meisten dieser Schuppen mit eingestürzten Dächern prunkten.

Nicht einmal Feyer gab es hier, die Lichter hätten setzen können. Der Ort schien also zu passen. Trotzdem sah ich im letzten Augenblick von einer Landung ab. Auch das war doch das reinste Silbertablett. Nein, viel gewitzter wäre es, meine Verfolger so zu verwirren, dass sie sich trennten. Damit würde ich zumindest noch etwas Zeit schinden, um mich auf die am Ende doch unvermeidliche Begegnung vorzubereiten – und sie sogar zu überleben.

Deshalb entschied ich mich fürs Ufer. Sobald die letzten Stadtviertel hinter mir lagen, setzte ich meine Libelle dicht bei den tosenden Wellen ab und schickte anschließend den Dämon mit dem Ring der Bändigung schlafen. Nachdem ich die Glasabdeckung hochgekippt hatte, blieb ich noch eine Weile in meinem Vogel sitzen, um auf das Krachen der Brandung zu lauschen.

Schließlich nahm ich den Helm ab, legte ihn auf den Sitz, warf die Tasche mit meinen wenigen Habseligkeiten in den Sand hinaus und sprang ihr dann hinterher. Am Strand zog ich mir den Fliegeranzug aus und betrachtete ein letztes Mal den aufgestickten Goldenen Pfeil, das Emblem meiner Staffel, ehe ich den Anzug zusammenknüllte und auf den Sitz des Fliegers warf.

Meine Tasche enthielt gewöhnliche Kleidung. Wie sie Menschen tragen. Sie war etwas sackartig, wie alle Kleidung von ihnen, passte aber immerhin. Und dass die leichte wildlederne Jacke eine Kapuze besaß, entzückte mich geradezu, denn ich mag es nicht, wenn die Leute meine Ohren angaffen, als wären es die Hörner eines Minotaurus.

Die nächsten zehn kostbaren Minuten machte ich mich am Boden meiner Silberquelle zu schaffen, um mit dem Ring der Bändigung die magischen Schlösser zu knacken. Schließlich gaben sie nach, und ich konnte einen Blick in den Bauch des gepanzerten Aeroplans werfen.

Dort drehte sich in hellem Sonnenlicht langsam ein Würfel um sich selbst, der aus feinem Golddraht geschaffen worden war. In seiner Mitte strahlte ein blau-violettes Knäuel. Das war der gebannte und mittlerweile sogar schlafende Dämon, ein Wesen aus der Kehrseitenwelt. Nur seinetwegen konnten Aeroplane und Luftschiffe überhaupt vom Boden abheben. Ich hatte nicht die Absicht, ein solch kostbares Gut zurückzulassen.

Sobald ich den warmen Würfel in meine Tasche gesteckt hatte, legte ich die schwere Abdeckung wieder vor und sicherte alles mit den magischen Schlössern. Da mein Vogel äußerlich wie eh und je aussah, würde zunächst niemand merken, dass diese Libelle nicht mehr durch die Lüfte schwirren konnte. Die Quesallen würden mein gutes Aeroplan entdecken, daran hegte ich nicht den geringsten Zweifel. Dann müssten sie jedoch einen von ihnen neben ihm abstellen, für den Fall, dass ich zurückkäme. Je weniger von diesen Mördern mir aber in der Stadt auf den Fersen waren, desto besser.

Wobei ich natürlich nicht vergessen durfte, dass ich ja möglicherweise gar kein Luftschiff fand, das mich von hier fortbrachte. Dann würde ich tatsächlich zu meinem Vögelchen zurückkehren müssen, um mit ihm meinen Weg fortzusetzen … Mein Dämon würde den Weg übers Meer freilich nicht mehr bewältigen, dazu war er zu ausgelaugt. Aber hatte ich eine andere Wahl? Nein, ich würde so lange fliegen, wie es ging, und danach gegebenenfalls schwimmen – aber ich würde dem Shellan nicht das Vergnügen bereiten, dass mich die Quesallen zu ihm schleiften, nur damit er mich töten konnte …

Noch einmal fuhr ich mit der Hand über die glatte, angenehm kühle Seite der Silberquelle. Wir beide hatten in der Luft mehr als ein Gefecht hinter uns gebracht. Wir hatten die Nashörner der Orks im Sumpfland in Flammen gesteckt, dem Schoner unserer Kyralletha Begleitschutz gegeben und Räuber wie Luftpiraten abgeschossen. Wir waren zusammen abgestürzt, doch jedes Mal wieder aufgestiegen. Von diesem Vogel Abschied zu nehmen, von diesem letzten kleinen Teil meiner Vergangenheit, diesem letzten Verbindungsglied mit meinem Volk, war nicht einfach.

Ich hoffte darauf, ihn noch einmal wiederzusehen, ahnte jedoch, dass dies wohl kaum der Fall sein würde.

„Leb wohl“, flüsterte ich deshalb.

Dann stapfte ich entschlossenen Schrittes durch den von der Gischt feuchten Sand in Richtung Stadt.

Und kam mir wie ein ausgemachter Schuft vor.

Alexey Pehov

Über Alexey Pehov

Biografie

Alexey Pehov, geboren 1978 in Moskau, studierte Medizin. Seine wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen. Er ist neben Sergej Lukianenko der erfolgreichste phantastische Schriftsteller Russlands. „Die Chroniken von Siala“ wurden zu millionenfach...

Pressestimmen
Hanauer Zeitung

„Wieder einmal beweist Pehov, dass er ein unsagbar feines Gespür für Charaktere und Dramatik besitzt.“

bibliofantastica.wordpress.com

„Die Figuren sind (ebenso wie die verschiedenen Flugmaschinen) liebevoll und bis ins kleinste Detail beschrieben, sodass es mir zu keiner Zeit schwer fiel, mich in diese fantastische und himmelsverliebte Welt einzuleben und die Figuren mit eigenen Augen zu sehen.“

phantastik-news.de

„Vorliegend wartet ein farbenprächtiges Abenteuer allererster Kajüte auf den Leser, der seinen sympathisch gezeichneten Helden gerne in die temporeichen Kämpfe folgt und dabei bestens unterhalten wird.“

captain-fantastic.de

„Dunkeljäger lässt viele bekannte Fantasy-Völker auftreten, bringt aber nicht zuletzt durch die actionreichen Luftgefechte neuen Schwung ins vermeintlich angestaubte Grundgerüst. Darüber hinaus werden die Eigenheiten der verschiedenen Rassen schön dargestellt und mit Dreipfot hat sich der Autor einen richtig sympathischen Sidekick für den Helden ausgedacht.“

Multimania

„Man kann dieses Buch getrost jedem Fantasy-Fan empfehlen. (...) Dunkeljäger ist eine sehr gute Geschichte, die die Spannung hochhält und sich durch sehr gute Charaktere auszeichnet.“

Mephisto

„›Dunkeljäger‹ erzählt eine vielfältige und lebendige Geschichte, die keine Sekunde gestreckt oder langatmig wirkt.“

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