Drei Zinnen
Klettern in den Dolomiten
„Wer mehr über die großartigen Leistungen an den Zinnen wissen will, MUSS dieses Buch lesen!“ - ALPIN Extra
Drei Zinnen — Inhalt
Seit mehr als hundert Jahren schreiben die weltbesten Kletterer hier Geschichte. Doch die Drei Zinnen in Südtirol sind mehr als nur Monumente aus Stein und Schauplatz bahnbrechender Kletterleistungen – sie sind eine Legende. Wie viele Spitzenathleten folgte auch Alexander Huber diesem verheißungsvollen Ruf: Mit seinen Freikletterrouten am großen Dach der Westlichen Zinne und der unfassbaren Free-Solo-Durchsteigung der Direttissima in der Nordwand der Großen Zinne gelangen ihm alpine Meilensteine, von denen dieser Band in eindrucksvollen Texten und Bildern erzählt. Und der Mythos geht weiter – in heute noch unvorstellbare Dimensionen …
Leseprobe zu „Drei Zinnen“
TRÄUME AUS STEIN
Annäherung an einen Mythos
Sie sind ein Rätsel aus Stein. Ein „phantastisches Dreigestirn“ hat Gunther Langes sie in seinem alten Kletterführer genannt und dabei das italienische „La fantastica Trinità“ verwendet, das für diese weltberühmten Dolomitenberge üblich geworden ist.
Langes hat noch mehr geschrieben: dass die „drei ungeheuren, klotzigen und scharfkantigen Bergblöcke“ in „merkwürdiger brüderlicher Ähnlichkeit“ wie „von Urgewalten auf die Erde geschleudert“ aufragen, dass jeder Bergsteiger „in Bewunderung und Begeisterung“ vor [...]
TRÄUME AUS STEIN
Annäherung an einen Mythos
Sie sind ein Rätsel aus Stein. Ein „phantastisches Dreigestirn“ hat Gunther Langes sie in seinem alten Kletterführer genannt und dabei das italienische „La fantastica Trinità“ verwendet, das für diese weltberühmten Dolomitenberge üblich geworden ist.
Langes hat noch mehr geschrieben: dass die „drei ungeheuren, klotzigen und scharfkantigen Bergblöcke“ in „merkwürdiger brüderlicher Ähnlichkeit“ wie „von Urgewalten auf die Erde geschleudert“ aufragen, dass jeder Bergsteiger „in Bewunderung und Begeisterung“ vor diesem Bild „urwilder Dolomitennatur“ verharre, und er bemüht sogar Dante, um dem Anblick gerecht zu werden, er schreibt vom „Empireo delle Dolomite“, vom „höchsten Himmel der Dolomiten“.
Bergsteiger sparen nicht mit Attributen, wenn sie die Objekte ihrer Begierde kennzeichnen oder gar überhöhen wollen. So avanciert der Petit Dru, zumindest im roten Licht einer untergehenden Sonne von Montenvers aus gesehen, zur „granitenen Flamme“, der Campanile di Val Montanaia in der Monfalconi-Gruppe ist für viele Beschauer nichts anderes als der „unlogische Berg“, der Campanile Basso in den Brentadolomiten gilt gar als „Welträtsel aus Stein“. Andere Attribute sind weniger schmeichelhaft, wie „Schicksalsberg der Deutschen“ für den Nanga Parbat oder „Mordwand“ für den grandiosen Nordabsturz des Eiger; dass der Col di Lana seit dem Ersten Weltkrieg auch „Col di Sangue“ oder „Blutberg“ heißt, hat eine weitaus tragischere Bewandtnis.
Attribute also, zu topografischen Namen hinzugefügt, die Berge zu einem Symbol erheben und ihnen einen Mythos verleihen sollen, vielleicht sogar einen Charakter, als ob sie so etwas hätten.
Dabei bestehen Berge primär aus Gestein, das ewiger Frost zusammenhält. Über diesem Gestein hat sich mancherorts Eis gebildet und vergletscherte Grate, Wände und Flanken ausgeformt, darunter jedoch sitzt nichts als Gestein. Wie immer auch die Berge entstanden sind, sie selbst sind leblose Aufwerfungen der Erdoberfläche: ja, leblos, auch wenn es Leben an und auf ihnen gibt, auch wenn Berge insofern „Leben“ zeigen, dass sie sich verändern. Dennoch sind sie nichts als Stein.
Bisweilen finden Bergsteiger auch andere Attribute, Bezeichnungen wie „schön“, wie „großartig“ oder wie „eindrucksvoll“. Damit sollen selbstverständlich Wertungen zum Ausdruck gebracht werden, die wiederum meist mit positiven Erlebnissen verbunden sind. Das Matterhorn ist „schön“, weil es der idealen, der erdachten Bergstruktur am nächsten kommt, zugegeben nur von Zermatt
aus. Wer auf dem Matterhorn stand und einen Höhepunkt seines Bergsteigerlebens erfahren hat, wird sich kaum eingestehen, dass das Matterhorn ein „durch Eis zusammengeschweißter Steinhaufen“ ist, wie Gaston Rebuffat geschrieben hat. Für den bleibt es der Berg in der reinsten Form …
Als großartig erscheint uns im Prinzip jeder Berg, der uns durch seine Gestalt oder seine Masse beeindruckt. Das ist und bleibt immer dem Standpunkt des Betrachters überlassen.
Vor den Drei Zinnen, zumal wenn man sie zum ersten Mal vom Paternsattel aus bestaunt oder von Norden her, versagen die Attribute, oder sie werden zu Superlativen, die eine Steigerung nicht mehr zulassen. Und selbst wenn man immer wieder zu ihnen zurückkehrt, wenn man glaubt, man habe diese Berge bereits verinnerlicht und sich an ihren Anblick gewöhnt, ist man sprachlos ob des Geschauten.
Sie sind ein Rätsel aus Stein.
Natürlich sind wir heute in der Lage, Berge wie die Drei Zinnen bezüglich ihrer geologischen Geschichte und ihrer Entstehung zu erklären. Da kann dann jedoch insofern nicht mehr von Mythen
die Rede sein, als vielleicht irgendeine Riesenhand mit brachialer, überirdischer Gewalt auf einen gigantischen, ebenso überirdischen Gesteinsblock eingedroschen hat, bis er sich aufspaltete und diese Trümmer zurückließ, die in den Himmel hineinragen wie unfassbare Wegweiser in unbekannte Sphären. Oder hat gar ein Titan gespielt, ein Titan wie Prometheus? Hat er die Zinnen als Übungsgelände benutzt? Als Pyramiden gedacht und dann die Nordseite abgeschlagen? Da den putzigen Toblinger Knoten zurechtgehackt, da mit einem einzigen Hieb die Westwand des Zwölfers begradigt? Und den Schutt hineingeworfen ins Fischlein- und ins Innerfeldtal, in die Schotterströme unterm Wildgrabenjoch? Vielleicht hat ja aber auch ein Klettergott die Drei Zinnen für all jene Menschen geschaffen, die nichts anderes wollen, als dort hinaufzusteigen, wo dieser Gott dann seine Wohnstatt haben müsste, nämlich auf den wildesten und unzugänglichsten Aufwerfungen unserer Erde, die uns nicht selten als Kathedralen erscheinen.
Nein, da mögen sich Geologen noch so mühen und noch so große Transparenz anstreben: Viel schöner, viel befriedigender ist allemal, sich nahe der Zinnen ins Gras zu legen und nichts anderes zu tun, als zu staunen und sich einen Titanen bei der Arbeit vorzustellen und das Rätsel als Rätsel zu belassen.
Aber eines ist seltsam: Es gibt da ein schmales Büchlein von Josef Kiniger und Karl Schwinn, „Sextener Geschichte und Sagen“. Und darin findet man keine einzige Sage über die Drei Zinnen, weder über ihre Entstehung noch über mysteriöse Geschichten unter, an oder auf diesen doch so eigenartig geformten Bergen. Ist das vielleicht darauf zurückzuführen, dass man die Drei Zinnen von Sexten aus gar nicht sieht? Dass da ganz andere Berge das Rundum dominieren, wie die Rotwand, die Dreischusterspitze, der Zwölfer?
Und doch haben diese Drei Zinnen Sagenhaftes an sich, aber das betrifft anderes als Gnome, verwunschene Wurzelmännchen oder Waldgeister. Es ist ihr sagenhafter Ruf als Kletter-Eldorado, als Berge, an denen Klettergeschichte geschrieben worden ist und gewiss weiterhin geschrieben wird, mit sagenhaften Leistungen von sagenhaft nervenstarken Menschen. Und das alles an sagenhaft imposanten Bergen, an Bergen, die nichts anderes sind als ein Rätsel aus Stein.
Vom Werden und Vergehen
„Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es. Das Trockene nannte Gott Land, und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war.“
Dies geschah am dritten Tag der Entstehung der Welt. So steht’s im Buch Genesis.
Wenn’s so eingfach gewesen wäre …
Und doch, es steckt ein wahrer Kern darin: Wasser sammelte sich und ließ das Land sichtbar werden. Wir wissen heute, dass die Alpen zu jener erdgeschichtlich relativ jungen Faltengebirgszone gehören, die aus der Thetys entstanden ist, aus dem Urmeer, das sich einst zwischen dem Urafrika und dem Ureurasien erstreckte. Alles begann vor unendlich weit zurückliegender Zeit, im Erdmittelalter, das vor rund 250 Millionen Jahren das Erdaltertum ablöste und bis etwa zum Aussterben der Dinosaurier vor etwa 65 Millionen Jahren reichte. Man nennt dieses Erdmittelalter Mesozoikum, es umfasst Trias, Jura und Kreide.
Demnach hat ein biblischer Schöpfungstag ganz schön lange gedauert …
Jedenfalls erklären Geologen, dass es bei unserem einstigen Superkontinent Pangäa im Untergrund zu Krustendehnungen und, damit verbunden, zu Gesteinsschmelzen gekommen war. Wir müssen es glauben, auch dass zu Beginn des Mesozoikums Thetys entstand.
Bei Bernd Lammerer heißt es: »Eine große Bucht greift am Äquator von Osten her in den Kontinent ein, die Thetys. In seinem Randbereich zerfließt der Kontinent wie ein Pudding auf dem Teller und wird breiter und niedriger, weil sich das Volumen auf eine größere Fläche verteilt. Eine langsame, lang dauernde Absenkung ist die Folge, und die Kontinentalränder werden überflutet. Das Ablagerungsgebiet der heutigen Südalpen liegt etwa 20° südlicher als heute. In dem subtropischen Flachmeer wachsen Korallen und Algen und bauen gewaltige Riffe … Und auf dem gleichmäßig eingeebneten Meeresboden lagert sich in einem großen Wattenmeer der Hauptdolomit ab.«
Die Drei Zinnen bestehen komplett aus Hauptdolomit …
Und irgendwann in der Unterkreide begannen sich Afrika und Europa anzunähern, sie rückten quasi zusammen, und dieser Prozess hat die Alpen aufgefaltet. Aber gegen Ende der Kreide ertranken zumindest Teile der Kalkalpen wieder im Meer, und noch einmal wuchsen gewaltige Riffe. Dann hob sich der Meeresboden wieder an, es war, so könnte man sagen, das letztlich erfolgreiche Aufbegehren des Landes gegen das Absaufen im Meer.
Alles klar?
Später – beginnend vor rund 2 Millionen Jahren – erlebten die Alpen den „letzten Schliff“ durch die Eiszeiten, deren letzte, das Würm-Glazial, bis vor etwa 10 000 Jahren reichte. Man müsste das Zauberwort „Orogenese“ erklären, was nur ein Geologe kann und wofür er wahrscheinlich ein eigenes Buch schreiben würde, also lassen wir es bleiben und behaupten, dass sich selbst Geologen nicht hundertprozentig einig sind, wie denn nun unsere Alpen entstanden sind. „Orogenese“ ist das fachwissenschaftliche Wort für Gebirgsbildung, und so lange die auch gedauert hat, so kompliziert ist sie anscheinend auch zu erklären.
Halten wir Folgendes fest: Da, wo wir heute in den Dolomiten klettern oder auch nur herumwandern, wogte in grauester Vorzeit Thetys, also ein Meer. Vulkanismus gab’s später auch, aber anscheinend nicht im Gebiet der Drei Zinnen, da krabbeln wir an versteinerten Sedimenttrümmern und an Korallenbänken herum. Warum sich allerdings die sensationellen Nordwände von Großer und Westlicher Zinne in dieser Form ausgebildet haben, kann man, zumindest für den Laien verständlich und einleuchtend, nirgends nachlesen.
Nehmen wir es seufzend zur Kenntnis und freuen wir uns lieber darüber, dass es der 1750 geborene französische Geologe Deodat Gratet de Dolomieu war, der feststellte, dass jenes Karbonatgestein, aus dem auch die Drei Zinnen aufgebaut sind, beim Beträufeln mit verdünnter kalter Salzsäure nur in geringem Maße aufbraust. Das nämlich war eine bahnbrechende Entdeckung, so wesentlich, dass man diese Gesteine, die statt des Minerals Calcium das Mineral Magnesium enthalten und die sich so wenig um verdünnte Salzsäure scheren, nach diesem Mann benannt hat: Seither haben die Dolomiten ihren Namen, der irgendwie auf der Zunge zergeht wie leckeres Speiseeis, das man sich in Cortina nach einem harten Tag im Dolomitgestein der Drei Zinnen gönnt.
„Wer mehr über die großartigen Leistungen an den Zinnen wissen will, MUSS dieses Buch lesen!“
Von Willi Schwenkmeier
Annäherung an einen Mythos
Vom Werden und Vergehen
Die Sextener Tallandschaft
Cortina d’Ampezzo
Der Naturpark Sextener Dolomiten
Vier Zugänge zum Schauen und Staunen
Die Geschichte der Eroberung
Paul Grohmann und die Große Zinne
Nach der Großen die Westliche Zinne
Michel Innerkofler an der Kleinen Zinne
Wände, Kamine, Kanten und haltlose Mauern
Die Innerkofler und der „Sepp“
Rudolf Fehrmann und die Kleine Zinne
Der Preußturm
Die Spuren des Hans Dülfer
Krieg um die Drei Zinnen
Der sechste Grad an den Zinnen
Emilio Comicis erfüllter Wunsch
Comicis Rückkehr in die Nodwand, allein …
Und noch schwieriger: Die Cassinführe
Die Direttissima
Von Alexander Huber
Das Direttissima-Zeitalter
Der Wettlauf
Die Franzosenführe (Pierre Mazeaud)
Die Scoiattoli
Der Superlativ ist relativ
Das größte Dach der Welt
Der Mord am Unmöglichen
Big Walls
Die Revolution des kleinen Mannes
Danke, Nordwände! (Andreas Kubin)
Frei wie der Wind (Kurt Albert)
Die Alpenrose (Miroslav Coubal)
Die moderne Erschließung (Christoph Hainz)
Sportklettern an den Zinnen
Die Sonnenfinsternis (Mauro Bole)
Claudio Barbier und seine Nachfolger
Kalt, brüchig, steil und schwierig
Bellavista
Free Solo
Der Point of no Return
Climb and Base (Thomas Huber)
PanAroma
Kleiner Mensch unter großen Wänden
Karten
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