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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Jochen Thies
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Eine deutsche Dynastie

„Pflichtlektüre für alle, die sich für deutsche Geschichte interessieren.“ - Ostthüringer Zeitung

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Die Bismarcks — Inhalt

Der Journalist und Historiker Jochen Thies erhielt als einer der ersten Zugang zu den Nachlässen der fünf Enkel, er erforschte die tragische Lebensgeschichte von Herbert von Bismarck, und er kommt selbst bei der Kindheit und Jugend von Otto von Bismarck zu neuen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen. Eine Pflichtlektüre anlässlich des 200. Geburtstages des Reichsgründers, ein Muss, um die deutsche Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen.

€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 16.04.2013
432 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96170-7
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Leseprobe zu „Die Bismarcks“

Otto von Bismarck

Bismarcks Vorfahren

Stendal erhielt im Jahre 1160 die Stadtrechte. Sehr rasch entwickelte es sich zur bedeutendsten Stadt in der Altmark und wurde Mitglied der Hanse. Nur ein Dutzend deutscher Städte hatte damals mehr als 10000 Einwohner. Zu den Bewohnern der Burg, die den Ort dominierte, gehörten die Bismarcks, aufgestiegene Ministeriale. Eine Urkunde aus dem Jahre 1270 belegt, dass ein gewisser Herbordus von Bismarck einer der beiden Magister der Gewandschneidergilde war.1 In diesem Beruf kam man damals rasch zu Geld und Vermögen, das [...]

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Otto von Bismarck

Bismarcks Vorfahren

Stendal erhielt im Jahre 1160 die Stadtrechte. Sehr rasch entwickelte es sich zur bedeutendsten Stadt in der Altmark und wurde Mitglied der Hanse. Nur ein Dutzend deutscher Städte hatte damals mehr als 10000 Einwohner. Zu den Bewohnern der Burg, die den Ort dominierte, gehörten die Bismarcks, aufgestiegene Ministeriale. Eine Urkunde aus dem Jahre 1270 belegt, dass ein gewisser Herbordus von Bismarck einer der beiden Magister der Gewandschneidergilde war.1 In diesem Beruf kam man damals rasch zu Geld und Vermögen, das die Bismarcks in Grundbesitz anlegten. Auf den eher glücklos operierenden Rudolph von Bismarck, der sich in innerstädtischen Konflikten aufrieb, folgte sein ältester Sohn Klaus. Dieser machtpolitisch orientierte und diplomatisch versierte Adlige legte zur Mitte des 14. Jahrhunderts die Grundlagen für den Aufstieg der Bismarcks in der Altmark. Über Jahrhunderte hinweg erscheint er als die stärkste Persönlichkeit der weitverzweigten großen Familie, die im Familienwappen ein Kleeblatt führte. Er wurde zum Finanzier der Feldzüge seines Landesherren und ließ sich diese Unterstützung mit lukrativen Rechten wie Zolleinkünften vergelten.

In Stendal verschärften sich unterdessen die sozialen Gegensätze. Argwohn erregten die Bismarcks aber auch, weil sie sich für ein modernes Schulwesen einsetzten und 1338 die klerikale Domschule mit der Stiftung einer Ratsschule ergänzten. Rebellierende Handwerker vertrieben die Bismarcks im Jahre 1345 ebenso wie andere Adelsfamilien aus der Stadt. Das im Süden der Altmark gelegene Burgstall, mit dem der wittelsbachische Markgraf Ludwig die Familie kurz zuvor belehnt hatte, bildete mit seiner großen Wasserburg den neuen Schwerpunkt des Familienbesitzes. Vier Zweige der Familie Bismarck lebten jetzt hier. Auch in der Umgebung des Ortes besaßen die Vorfahren Otto von Bismarcks, nun ein „schlossgesessener“ Verband, wenn auch noch nicht als adlige Familie förmlich anerkannt, einen umfangreichen Besitz. Im Laufe der Jahrhunderte versuchten sie, diesen Besitz zu einem geschlossenen Territorium auszubauen. Mit der Stadt Stendal kam es schon bald zu einer Versöhnung, die es Klaus von Bismarck ermöglichte, in ihre Mauern zurückzukehren und wichtige Funktionen zu übernehmen. So wurde er u. a. Hauptmann der Armbrustschützen. Er starb 1370, ein Jahr vor Kaiser Karl IV., bis zum Schluss erfolgreich bei der Abwehr der Machtansprüche von Papst, Kaiser und den die Familie belauernden Landesherrn.

Als der Burggraf von Nürnberg, Friedrich I. von Hohenzollern, 1412 als Landeshauptmann in die Mark kam, unterstützte ihn Klaus III., ein Enkel des charismatischen Familienoberhauptes Klaus, bei der Durchdringung und Kontrolle seines neuen Machtbereichs. Er lieh ihm dringend benötigtes Geld. Der Markgraf gewährte den Bismarcks im Jahre 1409 im Gegenzug, natürlich gegen eine hohe Abstandszahlung, die endgültige Anerkennung als adelige Familie. In den nun folgenden Jahrhunderten lebten die Bismarcks quasi im Windschatten der Geschichte, von den Großen wenig beachtet, aber auch nicht mehr in der Gefahr, zwischen antagonistischen Kräften wie dem Markgrafen, dem Bischof von Magdeburg und dem Herzog von Braunschweig zerrieben zu werden. Gern hat Otto von Bismarck später betont, dass seine Familie „nicht schlechter als die schwäbische Familie der Hohenzollern“ einzuschätzen sei. Aus dieser Bemerkung spricht großes Selbstbewusstsein. In der Tat, die Bismarcks waren früher in der Mark als die Hohenzollern.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts, zur Zeit der Reformation, wirkte die Mark Brandenburg auf Reisende bedrückend. Ein Topograf berichtete gegen Ende des Jahrhunderts von einem „ebenen, bewaldeten Land mit vielen Sümpfen“. Weite Landstriche waren leer. Der Grundadel, heruntergekommen und roh, glich eher den bemitleidenswerten Bauern, die von ihm ausgepresst wurden, oder den Landsknechten, die damals durch Deutschland zogen. Ein wenig besser als im Rest des Landes scheinen die Verhältnisse allerdings rund um Tangermünde gewesen zu sein. Dort gab es Ackerland, das einen intensiven Getreideanbau erlaubte. Die hier ansässigen Grundbesitzer konnten beträchtliche Vermögen ansammeln, indem sie Getreide für den Export produzierten und auf der Elbe abtransportierten. Einige Jahrzehnte später rückte der Besitz der Bismarcks, etwa 15 Kilometer südlich von Stendal zwischen mehreren Machtzentren strategisch günstig gelegen, in den Mittelpunkt des landesherrlichen Interesses.

Im Jahre 1555 war es zum Augsburger Religionsfrieden gekommen. Er besiegelte die territoriale und religiöse Teilung Deutschlands, die erst mit Napoleon I. und der Reichsgründung von Bismarck aufgehoben wurde. Brandenburg hatte sich in diesen Auseinandersetzungen lange Zeit neutral verhalten, bevor es sich, vor allem unter dem Einfluss der Frauen der Kurfürsten, dem Luthertum zuwandte. Wenige Jahre nach dem Augsburger Religionsfrieden wollte der brandenburgische Kurfürst seine Territorien neu ordnen. Der Bismarck’sche Besitz lag dieser Absicht im Wege. Daher wurden die Bismarcks 1562/63 von Joachim II. nach langem vergeblichem Werben dazu gezwungen, Burgstall zu verkaufen. Als sie sich zunächst zierten, ließ der Landesherr sie gefangen setzen und Heringslake trinken. Das wirkte, die Bismarcks willigten in einen Gebietstausch ein.

Damit kam es zu einem Neustart der Bismarcks in der deutschen Geschichte, den sie zu nutzen wussten. Ein Teil der Familie erhielt zum Ausgleich die Propstei Krevese, eine Anzahlung von 200 Talern und weitere 600 Gulden für die Ehefrauen „zur Beschwichtigung ihrer Wehklagen“, wie es im Vertragswerk hieß.2 Zwei andere Brüder, von einer jüngeren Linie der Familie abstammend, wurden mit den Dörfern Schönhausen und Fischbeck entschädigt, die bis dahin zum Bistum Havelberg gehört hatten. Außerdem erhielten sie 2100 Taler und Baumaterial. Lediglich einige kleinere linkselbische Besitzungen rund um Stendal verblieben im Familienbesitz, darunter das bis zum heutigen Tag existierende Gertraudenhospital in Stendal. Schönhausen und Fischbeck, das neue Zentrum der Bismarck’schen Besitztümer, hatten zum Kerngebiet der Ostkolonisation gehört. Otto I. hatte im Jahre 948 das Bistum Havelberg mit Besitzungen in dieser Gegend ausgestattet.

Über den Verlust von Burgstall, die sogenannte Permutation, kamen die Bismarcks nie hinweg. So hieß es in einem Brief von Otto von Bismarck, dem späteren Reichskanzler, an Leopold von Gerlach am 31. Oktober 1855: „Ich ärgere mich, dass ich gar nicht mehr zur Letzlinger Jagd eingeladen werde, die doch zumeist auf unserm uns vor 300 Jahren per nefas3 genommenen Stammbesitz stattfindet.“4 Gegenüber dem Journalisten Moritz Busch sprach Bismarck später vom „Butterbrot“, mit dem seine Vorfahren seinerzeit abgefunden worden seien.5 Er lag damit nicht falsch.

Friedrich I., der kinderlos verstarb, wurde der erste Besitzer von Krevese und Schönhausen. Er gilt als Stammvater der Schönhausener Bismarcks. Mit harter Hand kontrollierten sie ihr frisch erworbenes Territorium und bauten es weiter aus. Als die Bauern in den 1570er-Jahren Scheunen und später sogar den Familiensitz ansteckten, verhängte das zuständige Brandenburger Gericht Todesstrafen. Schon geringfügige Verstöße gegen das Eigentumsrecht, beispielsweise der Diebstahl einiger Schafe und Lämmer, konnten damals den Tod durch den Strang zur Folge haben.

Ludolf von Schönhausen, der auf Friedrich I. folgte, repräsentierte eine neue Entwicklung für die Bismarcks. Sie wurden nun mobil. Denn dieser Bismarck leistete Kriegsdienste für zahlreiche Herren und kam dadurch weit in Europa herum. So nahm er an einem Feldzug des Kaisers gegen die Türken teil und kämpfte später unter Admiral Coligny in den Hugenottenkriegen. Sein Sohn Valentin von Bismarck konzentrierte sich wieder auf den Besitz. Er galt als verschwenderisch und versuchte, sich das erforderliche Geld bei den Bauern mit zusätzlichen Diensten zu holen. Selbst der Kurfürst wurde auf die Missstände aufmerksam, ließ Bismarck jedoch ungeschoren.

Dann brach der Dreißigjährige Krieg aus. In seiner ersten Phase ging er an den Bismarck’schen Besitzungen vorüber. Im Niedersächsisch-Dänischen Krieg, der von 1625 bis 1629 dauerte, kamen jedoch Truppen eines dänischen Generals nach Tangermünde und quartierten sich in der Stadt ein. Es kam zu Epidemien und zu zahlreichen Todesopfern. Die Dänen zogen ab, Wallenstein ersetzte sie. Auch in Schönhausen litten die Menschen nun unter den Belastungen der erbitterten Auseinandersetzung. In einer späteren Phase des Dreißigjährigen Kriegs wurde das Gebiet noch härter getroffen. Der schwedische König Gustav Adolf kam in die Gegend und nahm mit seinen Truppen das strategisch bedeutsame Tangermünde ein, in dem sich bis dahin kaiserliche Soldaten befunden hatten. Die Koalitionen im Krieg wechselten. Aber immer wieder hatten sie zur Folge, dass Schönhausen von marodierenden Soldaten heimgesucht und schließlich im Jahre 1642 auch das Schloss zerstört wurde.

Zwei Söhne von Valentin von Bismarck verließen die verwüstete Gegend und gingen zum Studium nach Leiden in Holland, also in ein calvinistisches Umfeld. Später trat Ludolf, der ältere der beiden, in die Dienste des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg. Sein Bruder Augustus wurde zunächst Soldat in der schwedischen Armee. Später diente er in Frankreich und warb auf Reisen, die ihn bis nach Italien führten, Soldaten an. Weitere Brüder dienten als Soldaten in Schweden und in Brandenburg. Valentin Busso, der Zweitjüngste, kam einmal nach Schönhausen, als Ort und Schloss gerade von den Schweden, also von den eigenen Verbündeten, gebrandschatzt worden waren. Verwundete schleppten sich ihm entgegen, Tote säumten die Dorfstraße. Nahezu alles war zerstört. Valentin Busso half beim Wiederaufbau.

Im Jahre 1640 erließ der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm die Order, dass alle in französischen oder schwedischen Diensten stehenden Brandenburger ihren Einsatz zu beenden hätten, anderenfalls würden sie ihren Besitz verlieren. Widerwillig kehrten die Bismarcks nach Schönhausen zurück, das wie ganz Deutschland Jahrhunderte brauchte, um sich von der Katastrophe des Dreißigjährigen Kriegs zu erholen. Augustus wurde nun Hauptmann in der brandenburgischen Armee, Ludolf kurbrandenburgischer Kriegskommissar, Valentin Busso ebenfalls Hauptmann.

Brandenburg gehörte zu den Profiteuren des Westfälischen Friedens und konnte sein Territorium erheblich ausweiten. Aber sein Hauptproblem blieb ihm erhalten: die Zerrissenheit seines Staatsgebiets zwischen Hinterpommern und dem Rheinland. Dies hatte zur Folge, dass die Armee weiter ausgebaut wurde. Die Ausgaben für das Militär betrugen weitaus mehr als die Hälfte des preußischen Staatsetats, und dies hatte wiederum Auswirkungen auf die Bismarcks. Sie entwickelten sich immer mehr zu einer Familie von Militärs und Staatsbeamten und gerieten zunehmend ins Blickfeld des Landesherrn. Maßgeblichen Anteil am preußischen Sieg gegen die Schweden bei Fehrbellin im Jahre 1675 hatte Christoph Friedrich von Bismarck, ein Neffe von Augustus. Es hatte die Ehre, die erbeuteten Fahnen und Standarten des Gegners in die Residenz zu bringen. Friedrich Wilhelm schickte ihn später nach Ungarn. Dort war er an der Belagerung und Eroberung des von den Türken gehaltenen Ofen beteiligt, dem heutigen Budapest. Am Ende seiner militärischen Laufbahn wurde er im Range eines Generalmajors Kommandant von Küstrin. Er war damit der erste Bismarck, der in preußischen Diensten den Generalsrang erreichte.

1701 wurden die preußischen Kurfürsten Könige, Herrscher der „Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches“, wie ihr Territorium genannt wurde. Im gleichen Jahr wurde das Schloss in Schönhausen fertiggestellt, in dem Otto von Bismarck später auf die Welt kam. Ein Haus mit Anspruch, nicht ohne Zufall zur gleichen Zeit geplant und errichtet, als in Berlin das Schlüter’sche Stadtschloss entstand. Bauherr war August von Bismarck, ein Mann, der in vielfacher Hinsicht seinem Vorfahren Klaus von Bismarck im 14. Jahrhundert ähnelte. Wie sein Vorfahr erweiterte August konsequent durch Zukäufe den Familienbesitz. 1710 ernannte ihn der König zum Landrat der Altmark und erlaubte ihm den Betrieb einer Fähre über die Elbe. Der Rat der Stadt Tangermünde hatte sich zuvor gegen die Beauftragung ausgesprochen.

Seinen ältesten Sohn August Friedrich entsandte August von Bismarck im Jahre 1711 in das Kürassier-Regiment von Hans Heinrich von Katte. Dessen Sohn Hans Hermann hatte ein tragisches Schicksal. Er war mit dem preußischen Kronprinzen eng befreundet und wurde nach einem gescheiterten gemeinsamen Fluchtversuch 1730 auf Anordnung des Königs hingerichtet. Die Entscheidung fiel im Jagdschloss des sogenannten Soldatenkönigs in Königs Wusterhausen bei Berlin. Zu den ersten Amtshandlungen von Friedrich dem Großen als Monarch gehörte später, den Vater und die Familie des toten Freundes in den Grafenstand zu erheben und Katte zum Generalfeldmarschall zu befördern.

Ähnlich brillant wie bei den Verwandten, wenn auch nicht im eigenen Land, verlief die militärische Karriere von Ludolf August von Bismarck, einem Vetter von August. Sie schien frühzeitig beendet, als er als Regimentskommandeur in Magdeburg im Zorn einen Bediensteten erstach und sich nach Ostpreußen absetzte. Der Geheime Kriegsrat begnadigte ihn zwar, bei Beförderungen wurde Ludolf August vom König aber fortan übergangen. Er trat daher 1732 in den Dienst des russischen Zarenreiches über. Im Range eines Generalleutnants wurde er 1747 Oberkommandierender einer in der Ukraine stationierten russischen Armee.

Die militärische Karriere von August Friedrich, dem ältesten Sohn von August von Bismarck, verlief unterdessen verhaltener. Unter Friedrich Wilhelm I. brachte er es bis zum Oberstleutnant. Unter dem Nachfolger Friedrich II. wurde dieser Bismarck, ein Kamerad des späteren berühmten Husarengenerals Hans Joachim von Zieten, rasch Regimentskommandeur. Der „Alte Fritz“ gewährte Bismarck außerdem Privilegien, die seinem ältesten Sohn zugutekommen sollten. Im ersten Schlesischen Krieg war August Friedrich, ein baumlanger Mann und Draufgänger, dem der spätere Reichskanzler stark ähnelte, maßgeblich am siegreichen Ausgang der Schlacht von Mollwitz beteiligt. Der König verlieh ihm dafür den erst ein Jahr zuvor gestifteten Orden „Pour le Mérite“. Ein Jahr später wurde August Friedrich in der Schlacht bei Tschaslau, die den Krieg entschied, schwer verwundet und während des Abtransports bei einem Überfall österreichischer Husaren erschossen.

Der drittälteste Sohn von August Friedrich von Bismarck – seine beiden älteren Brüder starben früh – war Karl Alexander von Bismarck. Er war der Großvater des späteren Reichskanzlers. Karl Alexander nahm als Leutnant am Siebenjährigen Krieg teil. Der Offizier kämpfte bei Kollin, Leuthen und Hochkirch. Nach einer schweren Verwundung im Jahre 1758 verließ er die Armee und zog sich auf seine Güter zurück. Bis 1775 residierte er in der Nähe von Stendal. Den Rest seiner Lebensjahre verbrachte er im Schönhausener Schloss, das einen Anbau für eine Bibliothek und ein Musikzimmer erhielt. Karl Alexander von Bismarck starb dort 1797.

Diese Bismarck-Linie spielte fortan in der preußischen Geschichte für längere Zeit keine besondere Rolle. Anders sah es in einem anderen Familienzweig aus. Diese Bismarcks, frühe Bildungsbürger, möchte man meinen, konzentrierten sich nicht nur auf ihren Besitz, beschränkten sich nicht auf die Verwaltung und stellten auch nicht nur Soldaten für den König ab. Unter Friedrich dem Großen brachte es einer von ihnen sogar zu Ministerehren. Levin Friedrich von Bismarck, aus dem Hause Krevese-Briest stammend, wurde zum Geheimen Staats- und Justizminister sowie zum Präsidenten des Kammergerichts ernannt. Zum ersten Mal war in der Zeit Friedrich des Großen übrigens eine Besoldung mit diesen Staatsämtern verbunden.

In einer zeitgenössischen Darstellung von Levin Friedrich von Bismarck heißt es: „Er pflegte sehr früh aufzustehen und mit dem Glockenschlag acht auf dem Kammergericht an den Sessionstagen zu erscheinen. Vor dem späten Nachmittag sah ihn seine Familie nicht wieder. Eine Stund zu Mittag und zu Abend an der Tafel war die einzige Erholung, welche er den Tag über sich gönnte.“6 Ganz so begeistert scheint der König von Levin Friedrich von Bismarck aber nicht gewesen zu sein. In einem Kabinettsordre stellte er im Juli 1748 fest: „Er ist ordentlich und gut geschult und incorruptible, aber sehr timide und zu Zeiten in seinen idées sehr borniert …“7 Wegen einer Augenschwäche, die später zur vollständigen Erblindung führte, musste Levin Friedrich seine Ämter aufgeben. Sein Sohn August Friedrich brachte es schon mit 27 Jahren zum Gesandten am dänischen Hof und wurde später Etatminister von Friedrich dem Großen. Er beaufsichtigte einen Schlüsselbereich: die Manufakturen und ersten Fabriken des Landes. Dort ging es um die wirtschaftliche Zukunft Preußens.

Von der Schönhausener Bismarck-Linie, die schließlich zu Otto von Bismarck führte, dienten zur Zeit der Französischen Revolution die vier Söhne von Karl Alexander von Bismarck beim Militär. Im Frieden von Basel verzichtete Preußen auf seine linksrheinischen Gebiete und verschaffte sich dadurch eine mehrjährige Atempause. Zur Enttäuschung der Bismarck-Söhne wurden die preußischen Regimenter fern der Heimat in Alarmbereitschaft gehalten. Es kam zu massenhaften Desertionen. Der preußische Kompaniechef und Regimentskommandeur war zu dieser Zeit einerseits ein Untergebener des Königs, andererseits ein Unternehmer. Der militärische Vorgesetzte erhielt einen Pauschalbetrag vom Staat, von dem er die Kosten für Uniform, Ausrüstung, Wäsche und Unterkunft seiner Soldaten zu bestreiten hatte. Die von ihm befehligten Soldaten standen nur für einen Teil des Jahres zur Verfügung. Bei den Handwerkern der Garnison verdienten sie sich zusätzliches Geld oder halfen daheim bei der Ernte. Mühsam konnten die Bismarcks die ihnen Anvertrauten zusammenhalten beziehungsweise auf ausgedehnten Reisen neue Soldaten anwerben.

Der zweitälteste Sohn von Karl Alexander, Friedrich Adolf Ludwig von Bismarck, brachte es während der Jahre 1814/15 bis zum Generalmajor und preußischen Militärgouverneur in Leipzig. Zwei andere Bismarck-Söhne nahmen hingegen ihren Abschied vom Militär.

Der jüngste Sohn von Karl Alexander, Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck, kehrte im Jahre 1802 auf seinen Besitz zurück, sehr zum Unwillen des Königs. Er half seinem kranken Vater auf den Gütern von Schönhausen, das damals etwa 1000 Einwohner zählte. Erst zwei Jahre später gestattete der Monarch dem Vater des späteren Reichskanzlers, den Titel „Rittmeister a. D.“ zu führen. Die Schlösser der preußischen Könige in Berlin und Potsdam blieben für die Bismarcks trotz des Rückzugs in Reichweite. Man pflegte wie zur Zeit von Friedrich II. den Kontakt zu den Prinzen. Das Leben und Treiben in den Berliner Salons und anderen Gesprächskreisen in der preußischen Hauptstadt ging jedoch an den Schönhausener Bismarcks vorbei. Nicht einmal ins Theater scheint Karl Wilhelm Ferdinand gegangen zu sein, wenn er sich im Winter für längere Zeit in Berlin aufhielt. „Eine regional beschränkte Klasse ohne Weitblick“ hat Golo Mann diesen Typus von Landjunker genannt.

In den Gesichtskreis des Königs geriet die Familie Bismarck aber spätestens am 19. Oktober 1806, wenige Tage nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt. Mit seiner Leibschwadron, umringt von den Einheiten des Generalfeldmarschalls von Blücher, gelang dem Monarchen mithilfe des Schönhausener Landjunkers bei Tangermünde die Flucht über die Elbe. Er revanchierte sich bei Karl Wilhelm Ferdinand mit dem Geschenk eines prachtvollen Hengstes. Kurz darauf erreichten die Franzosen Schönhausen und wenige Tage später auch Berlin.

Der Zusammenbruch Preußens – die königliche Familie war bis ins ostpreußische Memel geflüchtet – fiel mit einer wichtigen privaten Entscheidung in der Familie Bismarck zusammen. Wenige Wochen zuvor hatte Karl Wilhelm Ferdinand die bürgerliche Wilhelmine Louise Mencken geheiratet. Im Frieden von Tilsit verlor Preußen seine gesamten westlich der Elbe gelegenen Gebiete sowie die im Osten seit 1772 von Polen gewonnenen Territorien. Das Königreich des Napoleon-Bruders Jérôme rückte auf Sichtweite an den Besitz der Schönhausener Bismarcks an der Elbe heran. Andere Bismarcks, die im Raum Stendal Besitzungen hatten, waren von Preußen nun abgeschnitten. Die Altmark existierte nicht mehr. Einer der linkselbischen Bismarcks, Levin Friedrich Christoph August, stellte sich den neuen Herren als Präfekt im Departement Elbe zur Verfügung.

Wenige Jahre später kam es 1810 in Preußen im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen zur Bauernbefreiung, die das Leben auf dem Lande radikal veränderte und die bisherigen Besitzverhältnisse revolutionierte. Von nun an konnte jeder Bürger Besitz erwerben, ein Privileg, das bis dahin dem Adel vorbehalten gewesen war.

In den napoleonischen Befreiungskriegen engagierten sich die Bismarcks für ihren König. Am Zug des Majors Schill, der in den Straßen von Stralsund tragisch endete, nahm Heinrich Friedrich von Bismarck, der spätere Besitzer des Schlosses Schönhausen II, als Leutnant teil. Einige Jahre später lagerten die Lützower Jäger, angeführt von Theodor Körner, in Schönhausen. Die neuen Freiwilligen leisteten in der trutzigen Kirche ihren Eid. Man schmetterte Lieder von Luther bis Arndt. Einer der Brüder Ferdinands, Leopold, beteiligte sich am Kampf gegen Napoleon und wurde bei der Völkerschlacht von Leipzig schwer verwundet. Eine Gedenktafel in der Kirche von Schönhausen erinnert an ihn und die anderen Gefallenen des Ortes.

Ferdinands künftiger Schwiegervater Anastasius Ludwig Mencken, der einer alten Gelehrtenfamilie entstammte, diente drei preußischen Königen. Friedrich II. berief den Juristen als geheimen Kabinettsekretär. Menckens Hauptaufgabe bestand darin, den Willen des Königs richtig zu interpretieren und Kabinettsordres zu entwerfen. Auch im Umfeld des Nachfolgers, König Friedrich Wilhelm II., blieb er einflussreich und wurde Geheimer Kriegsrat. Im Verlauf des Krieges gegen Frankreich warfen Hofkreise dem liberal gesinnten, aus Helmstedt stammenden Mann Sympathien für die Jakobiner vor. Mencken fiel ihn Ungnade und verlor für einige Zeit seine Ämter. Nach dem Frieden von Basel reaktivierte ihn der König jedoch und beauftragte ihn mit Strukturreformen in der Finanzverwaltung im Süden von Preußen. Alle Anregungen Menckens wurden jedoch im Staatsapparat erstickt. Der neue König Friedrich Wilhelm III. holte Mencken an die Spitze seines Kabinetts zurück. Der große preußische Reformer Freiherr vom und zum Stein hat später anerkannt, dass der geistreiche, gebildete Mann der einzige redliche Ratgeber des Königs gewesen sei und mit liberalen und menschenfreundlichen Grundsätzen das Wohl des Vaterlandes befördert habe.

Die Menckens waren Bürgerliche, aber hierin ein Sonderfall. Dank des Vermögens der Frau waren sie äußerst wohlhabend. So pachtete die Mutter von Wilhelmine Louise 1812 die Krongüter Königs Wusterhausen und Hohenlehne in der Nähe von Berlin, die später an ihren Sohn verkauft wurden. Noch heute steht das Mencken’sche Haus unweit der Alexandrowka in der Potsdamer Eisenhartstraße 9. Sie hatten einen guten Kontakt zum preußischen Königshaus und waren in Potsdam gewissermaßen Nachbarn der Familie des Monarchen, die Kinder spielten miteinander. Wilhelmine Louise Mencken hatte vorübergehend darauf gehofft, Prinz Louis Ferdinand zu heiraten, aber die Verbindung war nicht zustande gekommen.

Am 8. Juli 1806 wurden der 34-jährige Ferdinand von Bismarck und die 17-jährige Wilhelmine Louise Mencken in der Potsdamer Garnisonskirche getraut. Es handelte sich um eine arrangierte Verbindung. Ferdinand war es gelungen, seinen Bruder Friedrich und andere Mitbewerber aus dem Feld zu schlagen. Warum sich die schöne Wilhelmine Louise für den stattlichen Mann mit der deutlich geringeren Ausstrahlung entschied, bleibt bis heute ein Geheimnis. Alle persönlichen Papiere der Braut wurden kurz nach der Hochzeit vernichtet.

Ein alter preußischer Name verband sich nun mit einem Namen aus der Geld- und Geisteselite Preußens, denn zu ihr hatten die Schönhausener Bismarcks bisher nicht gehört. Doch diese aus Geld und Geist bestehende Mitgift nützte Wilhelmine nichts. Als Bürgerliche stieß sie bei den Bismarcks zeitlebens auf Vorbehalte und wurde mit der Familie nicht recht warm. Sie hatte der alten Junkerfamilie, wie man zu sagen pflegte, „den Stammbaum verdorben“. Wilhelmine und Ferdinand hatten zusammen insgesamt sechs Kinder. Drei starben früh, Otto von Bismarck war das vierte Kind. Bernhard, der fast fünf Jahre ältere Bruder, lebte bis 1893, die 1827 geborene Malwine überlebte ihren Bruder Otto um zehn Jahre und starb 1908.

Über Jochen Thies

Biografie

Jochen Thies, geboren 1944 in Rauschen in Ostpreußen, Dr. phil., arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in London. Er war Redenschreiber von Bundeskanzler Helmut Schmidt, Ressortleiter Außenpolitik der Tageszeitung „Die Welt“, Chefredakteur der Zeitschrift...

Pressestimmen
Ostthüringer Zeitung

„Pflichtlektüre für alle, die sich für deutsche Geschichte interessieren.“

Kleine Zeitung (A)

„Eine unkonventionell orchestrierte Familienbiografie beleuchtet die deutsche Dynastie der Bismarcks.“

Frankfurter Neue Presse

„Jochen Thies eröffnet mit seiner akribischen Chronik ›Die Bismarcks - Eine deutsche Dynastie‹ den kommenden Gedenk-Marathon um den Reichsgründer.“

FAZ

»Jochen Thies Anspruch, am Verhalten (der „Bismarcks“) auch etwas über das Verhalten der Eliten in Normal- und Krisenzeiten sowie über die Steuerbarkeit und Modernisierungsfähigkeit einer Gesellschaft aufzuzeigen, ist sehr ambitioniert. (...) Lesenswert ist dieses Buch allemal.«

Medianet

„Eine Pflichtlektüre anlässlich des bevorstehenden 200. Geburtstags des Reichsgründers, ein Muss, um die deutsche Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen.“

Westdeutsche Zeitung

„spannend zu lesende Biografie“

Rezensions-seite.de

„Jochen Thies legt einen sehr flüssigen, sehr verständlichen Stoff vor. (...) Eine eher populärwissenschaftliche, gut zu lesende und sorgfältige Familienchronik, die so manches nicht breit Bekannte in den Blick rückt und durch den überschaubaren Bildteil gut illustriert wird.“

Magdeburger Volksstimme

„Bis heute wurde Herbert von Bismarck (1849-1904) von der Geschichtsschreibung links liegen gelassen. Diese Lücke schließt nun zum Teil Thies, indem er dem unglücklichen Reichskanzler-Sohn in seinem Buch über die Bismarck-Familie ein bemerkenswertes Kapitel widmet.“

Wiener Zeitung

„Dem Autor standen für die Forschungen zu diesem bemerkenswerten Buch das Familienarchiv, Korrespondenzen und Nachlässe zur Verfügung. Er hat daraus mit großem Fleiß und kluger Hand geschöpft. Seine Arbeit nötigt Respekt ab.“

youngstart

„Ein Muss, um die deutsche Vergangenheit und Gegenwart besser zu verstehen.“

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