Die Berechnung der Sterne (Lady Astronaut 1)
Roman
„Mary Robinette Kowals Die Berechnung der Sterne ist ein großer Wurf. Ebenso mitreißend und unterhaltsam wie belehrend.“ - geisterspiegel.de
Die Berechnung der Sterne (Lady Astronaut 1) — Inhalt
„Frauen gehören in die Küche, nicht in den Weltraum“ – eine weit verbreitete Meinung in den USA der 1950er Jahre. Die junge Physikerin Dr. Elma York, die als menschlicher „Computer“ täglich die Flugbahnen von Raketen berechnet, lässt sich davon jedoch nicht abhalten.
Schließlich steht die Menschheit vor ihrer größten Herausforderung: Ein gigantischer Meteoriteneinschlag hat das Klima für immer verändert, sodass die Eroberung des Alls sehr viel dringlicher geworden ist. Die Widerstände sind zahlreich, doch als erste Astronautin in den Weltraum zu fliegen ist Elmas größter Traum – und niemand wird sie daran hindern!
Ausgezeichnet mit dem Hugo-, Nebula- und Locus-Award
Leseprobe zu „Die Berechnung der Sterne (Lady Astronaut 1)“
Erinnerst du dich daran, wo du warst, als der Meteor eingeschlagen hat? Ich habe nie verstanden, warum Leute diesen Satz als Frage formulieren, denn natürlich weiß man das noch. Ich war mit Nathaniel in den Bergen. Er hatte diese Hütte von seinem Vater geerbt, und wir fuhren manchmal hin, um die Sterne zu beobachten. Und damit meine ich Sex. Ach, jetzt tu doch nicht so, als wärst du schockiert! Nathaniel und ich waren ein gesundes, junges, verheiratetes Paar, also blitzten die meisten Sterne, die ich sah, auf der Innenseite meiner Augenlider auf.
Wenn [...]
Erinnerst du dich daran, wo du warst, als der Meteor eingeschlagen hat? Ich habe nie verstanden, warum Leute diesen Satz als Frage formulieren, denn natürlich weiß man das noch. Ich war mit Nathaniel in den Bergen. Er hatte diese Hütte von seinem Vater geerbt, und wir fuhren manchmal hin, um die Sterne zu beobachten. Und damit meine ich Sex. Ach, jetzt tu doch nicht so, als wärst du schockiert! Nathaniel und ich waren ein gesundes, junges, verheiratetes Paar, also blitzten die meisten Sterne, die ich sah, auf der Innenseite meiner Augenlider auf.
Wenn ich gewusst hätte, wie lange sich die Sterne unseren Blicken entziehen würden, hätte ich sehr viel mehr Zeit mit dem Teleskop im Freien verbracht.
Wir lagen im Bett inmitten der zu Knäuel verdrehten Decken. Das Morgenlicht wurde von silbernem Schneefall gefiltert und wärmte den Raum nicht auf. Wir waren bereits seit Stunden wach, doch aus offensichtlichen Gründen nicht aufgestanden. Nathaniel hatte ein Bein über mich gelegt und schmiegte sich an meine Seite, während er im Takt der Musik aus unserem kleinen batteriebetriebenen Transistorradio mit dem Finger über mein Schlüsselbein fuhr.
Ich rekelte mich unter seinen Zärtlichkeiten und tätschelte seine Schulter. „Du bist mein ganz persönlicher ›Sixty-Minute-Man‹.“
Er schnaubte, sein warmer Atem kitzelte an meinem Hals. „Heißt das, ich kriege Küsse für weitere fünfzehn Minuten?“
„Nur, wenn du Feuer machst.“
„Ich dachte, das hätte ich schon.“ Doch er stemmte sich auf die Ellbogen und stand auf.
Wir gönnten uns eine bitter nötige Pause nach einer heißen Phase, in der wir daran mitgearbeitet hatten, das National Advisory Committee for Aeronautics ans Laufen zu kriegen. Wäre ich nicht auch im Rechenzentrum des NACA beschäftigt gewesen, hätte ich Nathaniel in den letzten zwei Monaten wohl kaum in wachem Zustand zu Gesicht bekommen.
Ich wickelte mich in die Decke ein und drehte mich auf die Seite, um ihm zuzusehen. Er war schlank, und nur seine Zeit in der Army im Zweiten Weltkrieg hatte ihn davor bewahrt, als schmächtig durchzugehen. Ich liebte es, dem Spiel der Muskeln unter seiner Haut zuzusehen, während er ein Scheit vom Stapel unter dem großen Aussichtsfenster nahm. Der Schnee rahmte ihn dekorativ ein, das silberne Licht fing sich gerade so in den Strähnen seines blonden Haars.
Und dann wurde die Welt da draußen hell.
Wer sich am 3. März 1952 um 9:53 Uhr irgendwo in einem Radius von achthundert Kilometern um Washington, D. C. befunden und durch ein Fenster geschaut hat, der erinnert sich an dieses Licht. Kurz war es rot und dann so grausam weiß, dass es sogar die Schatten auslöschte. Nathaniel fuhr auf, das Holzscheit immer noch in den Händen.
„Elma! Mach die Augen zu!“
Und das tat ich. Dieses Licht – das musste eine Atombombe sein! Die Russen waren nicht besonders glücklich mit uns, seit Präsident Dewey die Wahl gewonnen hatte. Mein Gott, die Bombe musste in D. C. eingeschlagen haben. Wie viel Zeit hatten wir noch, bis sie uns traf? Wir waren beide bereits bei Atombombentests in Trinity dabei gewesen, aber ich konnte mich an keine einzige Zahl erinnern. D.C. war so weit weg, dass die Hitze uns nicht erreichen würde, aber die Bombe würde den Krieg auslösen, vor dem wir uns alle fürchteten.
Während ich mit fest zusammengekniffenen Augen dasaß, verblasste das Licht.
Nichts geschah. Die Musik im Radio spielte weiter, also hatte es offenbar keinen elektromagnetischen Impuls gegeben. Ich öffnete die Augen. „Also.“ Ich zeigte mit dem Daumen aufs Radio. „Offenbar keine Atombombe.“
Nathaniel hatte sich weggedreht, um nicht im Fensterrahmen zu stehen, doch er hielt immer noch das Scheit. Er drehte es in den Händen hin und her und warf einen Blick nach draußen. „Es ist noch nichts zu hören. Wie lange ist es her?“
Das Radio spielte weiter, und es lief immer noch „Sixty Minute Man“. Was hatte das Licht zu bedeuten? „Ich habe nicht mitgezählt. Etwas mehr als eine Minute?“ Ich zitterte, während ich die Schallgeschwindigkeit berechnete. „Dreihundertdreißig Meter pro Sekunde. Also ist das Zentrum mindestens dreißig Kilometer entfernt?“
Nathaniel war gerade dabei, sich einen Pullover zu nehmen, und hielt inne, während die Sekunden weitertickten. Vierzig Kilometer. Fünfzig. Sechzig. „Das … das muss eine heftige Explosion gewesen sein, wenn sie so hell war.“
Ich atmete tief ein und schüttelte den Kopf, eher aus dem Bedürfnis heraus, es zu leugnen, als aus Überzeugung. „Das war keine Atombombe.“
„Hast du eine Gegenthese?“ Er zog sich den Pullover über, woraufhin seine Haare sich in einen elektrisch aufgeladenen Heuhaufen verwandelten.
Aus dem Radio erklang nun „Some Enchanted Evening“. Ich stand auf und griff nach dem BH und der Hose, die ich am Vortag ausgezogen hatte. Draußen wirbelte der Schnee am Fenster vorbei. „Nun … Sie haben die Sendung nicht unterbrochen, also war es wohl etwas Harmloseres oder zumindest örtlich Begrenztes. Es könnte eine der Munitionsfabriken gewesen sein.“
„Vielleicht war’s ein Meteor.“
„Oha!“ Einiges sprach dafür, und es erklärte auch, warum die Sendung noch nicht unterbrochen worden war: Das Phänomen war örtlich begrenzt. Ich atmete erleichtert aus. „Er hat direkt über uns seine Bahn gezogen. Deshalb gab es auch keine Explosion, weil wir nur gesehen haben, wie er in der Atmosphäre verglüht ist. Nur Klang und Wut, das nichts bedeutet.“
Nathaniels Finger berührten meine, und er nahm mir die Enden des BHs aus der Hand. Er hakte sie ineinander und fuhr mit den Händen über meine Schulterblätter bis zu meinen Oberarmen. Seine Hände waren heiß auf meiner Haut. Ich lehnte mich in seine Berührung, konnte jedoch nicht aufhören, an dieses Licht zu denken. Es war so hell gewesen. Er drückte mich ein wenig, bevor er mich losließ. „Ja.“
„Ja, das war ein Meteor?“
„Ja, wir sollten zurück.“
Ich wollte glauben, dass es nur ein Meteorschweif gewesen war, doch ich hatte das Licht durch die Augenlider hindurch gesehen. Während wir uns anzogen, spielte das Radio ein fröhliches Lied nach dem anderen. Vielleicht zog ich meine Wanderschuhe statt meiner Halbschuhe an, weil ein Teil meines Hirns noch auf Schlimmeres wartete. Ohne es zu kommentieren, sahen wir bei jedem Liedende das Radio an in der Erwartung, dass uns diesmal jemand sagen würde, was geschehen war.
Der Boden der Hütte bebte.
Zunächst dachte ich, ein schwerer Lkw wäre vorbeigerollt, doch wir befanden uns mitten im Nirgendwo. Ein Rotkehlchen aus Porzellan tanzte über die Kante des Nachttischs und fiel herunter. Man hätte erwarten sollen, dass ich als Physikerin ein Erdbeben schneller erkennen würde. Aber wir befanden uns in den Pocono Mountains, und die waren geologisch stabil!
Nathaniel zerbrach sich über solche Details nicht den Kopf, sondern packte meine Hand und zog mich in den Türrahmen. Der Boden unter uns bockte und bebte. Wir klammerten uns aneinander wie zwei Betrunkene, die Foxtrott tanzen. Die Wände verschoben sich, und dann … brach die ganze Hütte zusammen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich gebrüllt habe wie am Spieß.
Als die Erde sich beruhigte, lief das Radio immer noch. Es summte, als wäre ein Lautsprecher beschädigt, aber irgendwie funktionierte die Batterie weiterhin. Nathaniel und ich lagen aneinandergepresst in den Resten des Türrahmens. Kalte Luft wirbelte um uns herum. Ich strich ihm den Staub aus dem Gesicht.
Meine Hände bebten. „Noch ganz?“
„Schreckliche Angst.“ Er hatte die blauen Augen weit aufgerissen, aber beide Pupillen waren gleich groß, also … ein gutes Zeichen. „Und du?“
Ich hielt inne, bevor ich das obligatorische „Gut“ zurückgeben konnte, atmete durch und tastete mich einmal durch meinen Körper. Ich war voller Adrenalin, aber ich hatte mich nicht eingenässt. Der Drang war da gewesen. „Morgen hab ich Muskelkater, aber ich glaube, es ist nichts beschädigt. Nichts an mir, meine ich.“
Er nickte und reckte den Hals, um die kleine Höhle zu begutachten, in der wir begraben waren. Sonnenlicht fiel durch eine Lücke, wo ein Stück der Deckenverkleidung aus Sperrholz heruntergekommen und gegen die Überbleibsel des Türrahmens gestürzt war. Wir brauchten eine Weile, aber wir konnten die Trümmer wegschieben und -hebeln, bis wir uns aus dem Zwischenraum in das vorgearbeitet hatten, was von der Hütte übrig war.
Wenn ich allein gewesen wäre … Wäre ich allein gewesen, hätte ich den Türrahmen nicht rechtzeitig erreicht. Ich schlang mir die Arme um den Körper und bebte trotz Pullover.
Nathaniel sah, wie ich zitterte, und musterte die Trümmer. „Vielleicht finde ich eine Decke.“
„Lass uns einfach zum Auto gehen.“ Ich drehte mich um und betete, dass nichts darauf gestürzt war. Nicht nur, weil es die einzige Möglichkeit war, die Landebahn zu erreichen, auf der sich unser Flugzeug befand, sondern auch, weil es ein Leihwagen war. Zum Glück stand es unbeschädigt auf dem kleinen Parkplatz. „In diesem Chaos werde ich meine Handtasche niemals finden. Ich kann es kurzschließen.“
„Vier Minuten?“ Er stolperte durch den Schnee. „Zwischen dem Blitz und dem Beben?“
„So ungefähr.“ Ich schob im Kopf Zahlen und Entfernungen hin und her, und er tat sicherlich dasselbe. Ich spürte meinen Herzschlag in allen Gelenken und klammerte mich an die handfeste Sicherheit der Mathematik. „Also befindet sich das Zentrum der Explosion immer noch in einer Entfernung von unter fünfhundert Kilometern.“
„Die Druckwelle kommt … eine halbe Stunde später? So in etwa.“ Obwohl er sehr ruhig war, bebten Nathaniels Hände, als er mir die Beifahrertür öffnete. „Was bedeutet, dass wir noch etwa … fünfzehn Minuten haben, bevor sie hier ist?“
Die Luft brannte mir kalt in der Lunge. Fünfzehn Minuten. All die Jahre, in denen ich Berechnungen für Raketentests angestellt hatte, fächerten sich in aller Klarheit vor mir auf. Ich konnte den Radius der Druckwelle einer V2 oder den Energiegehalt von Raketentreibstoff berechnen. Aber das hier … das waren nicht einfach Ziffern auf einem Blatt Papier. Und ich hatte nicht genug Informationen für verlässliche Berechnungen. Alles, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass es keine Atombombe sein konnte, solange das Radio noch lief. Aber was auch explodiert war, es musste riesig gewesen sein.
„Lass uns versuchen, so weit wie möglich ins Tal zu gelangen, bevor die Druckwelle uns einholt.“ Das Licht war aus dem Südosten gekommen. Gott sei Dank hielten wir uns auf der Westseite des Bergs auf, aber im Südosten befanden sich D. C. und Philly und Baltimore und Hunderttausende Menschen.
Inklusive meiner Familie.
Ich glitt auf den kühlen Vinylsitz und beugte mich vor, um die Kabel aus der Lenksäule zu ziehen. Es war einfacher, sich auf etwas Konkretes zu konzentrieren, wie darauf, ein Auto kurzzuschließen, statt zu rätseln, was geschehen war.
Draußen begann es in der Luft zu knacken und zu zischen. Nathaniel lehnte sich aus dem Fenster. „Scheiße!“
„Was?“ Ich zog den Kopf wieder unter dem Armaturenbrett hervor und sah auf – aus dem Fenster, an den Bäumen und dem Schnee vorbei in den Himmel hinauf. Flammen und Rauch hinterließen Kondensspuren in der Luft. Ein Meteor hätte sicherlich schon einiges an Schaden angerichtet, wenn er über der Erdoberfläche explodiert wäre. Aber ein Meteorit? Er hatte tatsächlich in die Erde eingeschlagen und stieß Material durch das Loch aus, das er selbst in die Atmosphäre gerissen hatte. Ejekta. Wir sahen Stücke des Planeten, die in Form von Feuer wieder auf uns herabregneten. Meine Stimme bebte, aber ich bemühte mich trotzdem um einen vorwitzigen Tonfall. „Nun … immerhin lagst du mit der Theorie falsch, dass es ein Meteor ist.“
Ich bekam das Auto zum Laufen, und Nathaniel parkte aus und fuhr bergab. Wir würden es auf keinen Fall zum Flugzeug schaffen, bevor die Druckwelle zuschlug, aber ich hatte die Hoffnung, dass es im Schuppen geschützt war. Was uns anging … je mehr Berg wir zwischen uns und die Druckwelle brachten, umso besser. Eine so helle Explosion aus fünfhundert Kilometern Entfernung … Diese Druckwelle würde uns nicht als laues Lüftchen erreichen.
Als ich das Radio anschaltete, erwartete ich Stille, doch sofort kam Musik. Ich wechselte die Sender auf der Suche nach einer Meldung über das, was passiert war, doch überall lief erbarmungslos Musik. Während der Fahrt wärmte sich das Auto auf, doch ich konnte nicht aufhören zu zittern.
Ich rutschte in die Mitte und schmiegte mich an Nathaniel. „Ich glaube, ich stehe unter Schock.“
„Kannst du fliegen?“
„Das hängt davon ab, mit wie viel Ejekta wir es zu tun haben, wenn wir die Landebahn erreichen.“ Ich war im Krieg schon unter ziemlichen Extrembedingungen geflogen, auch wenn ich offiziell keinen Kampfeinsatz gehabt hatte. Aber das war ohnehin nur eine technische Spezifikation, damit sich die amerikanische Öffentlichkeit wohler damit fühlte, dass Frauen im Militär dienten. Wenn ich das Ejekta allerdings als Flugabwehr ansah, hatte ich einen Referenzrahmen für das, was vor uns lag. „Ich muss nur verhindern, dass meine Körpertemperatur noch weiter abfällt.“
Er legte einen Arm um mich und fuhr das Auto an den gegenüberliegenden Straßenrand unter die Leeseite einer schroffen Steilwand. Zwischen der Steilwand und dem Berg würden uns die schlimmsten Auswirkungen der Druckwelle erspart bleiben. „Das ist vermutlich der beste Schutz, den wir finden können, bevor uns die Welle trifft.“
„Gut mitgedacht.“ Es fiel mir schwer, mich nicht in Erwartung der Druckwelle zu verkrampfen. Ich legte den Kopf an die kratzige Wolle von Nathaniels Jacke. Panik würde uns beiden nicht guttun, und ich konnte mit meinen Prognosen auch immer noch falschliegen.
Ein Lied brach mittendrin ab. Ich weiß nicht mehr, welches; ich erinnere mich nur an die plötzliche Stille und dann, endlich, den Ansager. Warum hatten sie fast eine halbe Stunde gebraucht, um über das zu berichten, was passiert war?
Ich hatte Edward R. Murrow noch nie so aufgelöst gehört.
„Meine Damen und Herren … Meine Damen und Herren, wir unterbrechen unser Programm, um Ihnen ernste Neuigkeiten zu überbringen. Heute Vormittag um kurz nach zehn scheint ein Meteor in die Erdatmosphäre eingedrungen zu sein. Der Meteor hat kurz vor der Küste von Maryland im Meer eingeschlagen und einen gewaltigen Feuerball, Erdbeben und weitere Zerstörungen nach sich gezogen. Menschen an der gesamten Ostküste werden dazu aufgefordert, das Gebiet Richtung Inland zu evakuieren. Es werden weitere Flutwellen erwartet. Alle anderen Bürgerinnen und Bürger werden gebeten, das Haus nicht zu verlassen, um die Arbeit der Rettungskräfte nicht zu behindern.“ Er hielt inne, und das statische Rauschen im Radio schien ein Widerhall des kollektiven Luftholens einer ganzen Nation zu sein. „Wir schalten nun zu unserem Korrespondenten Phillip Williams vom uns angeschlossenen Sender WCBO of Philadelphia, der sich vor Ort befindet.“
Warum hatten sie sich an einen Sender in Philadelphia gewandt statt an einen vor Ort in D. C. oder Baltimore?
Zunächst dachte ich, das statische Rauschen sei schlimmer geworden, doch dann wurde mir klar, dass der Lärm eines gewaltigen Feuers die Übertragung störte. Und noch einen Moment später begriff ich: Sie hatten so lange gebraucht, um einen Reporter zu erreichen, der noch am Leben war. Und sie hatten niemanden gefunden, der näher dran war als dieser Mann in Philadelphia.
„Ich stehe hier an der US-1, etwa einhundert Kilometer nördlich des Meteoriteneinschlags. Näher kommen wir nicht heran, nicht einmal mit Flugzeugen, weil die Hitze so gewaltig ist. Im Flug habe ich unter mir eine Szenerie grauenhafter Zerstörung gesehen. Es war, als hätte eine riesige Hand die Hauptstadt aufgehoben und mit ihr all die Männer und Frauen, die dort lebten. Bis jetzt ist nichts über den Zustand des Präsidenten bekannt, aber …“ Mir stockte das Herz, als seine Stimme brach. Ich hatte Williams über den Zweiten Weltkrieg berichten hören, ohne sich irgendetwas anmerken zu lassen. Später, als ich sah, wo er gestanden hatte, wunderte ich mich, dass er überhaupt einen Ton herausgebracht hatte. „Doch von Washington ist nichts übrig geblieben.“
In ihrem Roman „Die Berechnung der Sterne“ zeichnet die Autorin Mary Robinette Kowal eine alternative Version der Geschichte, in der in den 1950er Jahren ein Meteorit auf die Erde stürzt, der das Weltklima so stark aus dem Gleichgewicht bringt, dass die Menschheit auf lange Sicht dort nicht mehr wird weiterleben können. Somit besteht die Notwendigkeit, weitaus größere Anstrengungen zu unternehmen, ein Raumfahrtprogramm auf die Beine zu stellen, als das in der Realität der Fall war. Von dieser großen Ausnahme abgesehen, basiert der Roman jedoch weitgehend auf tatsächlichen historischen Fakten. Nicht nur die Auszüge aus Zeitungsartikeln oder Radioberichten an den Kapitelanfängen sind zu einem Teil authentisch – auch die Situation der Frauen, die Karriere im Raumfahrtprogramm machen wollten, ist von wahren Begebenheiten inspiriert.
Kowals Protagonistin Dr. Elma York ist Mathematikerin, Physikerin und Pilotin, was sie auf zwei Arten für das Raumfahrtprogramm prädestiniert: Zum einen verfügt sie als Pilotin während des Zweiten Weltkrieges über die ausreichende Praxiserfahrung im Steuern von Flugzeugen. Zum anderen arbeiteten Mathematikerinnen – wie auch Elma York – in den 1950er und 60er Jahren für die NASA als menschliche „Computer“, bevor es ausreichend leistungsfähige mechanische Computer gab bzw. bevor man diesen zutraute, die komplexen Berechnungen auszuführen, die für die Planung von Reisen in den Weltraum notwendig waren. Diese Tätigkeiten wurden in dieser Zeitperiode als minderwertig angesehen, und darum fast immer von Frauen – darunter viele Schwarze Frauen und Women of Color – im Hintergrund ausgeführt, während im Vordergrund männliche Ingenieure die Raketentechnik entwickelten und dabei auf der Arbeit der Frauen aufbauten. Die reale Geschichte einiger dieser Frauen wurde 2017 im Film „Hidden Figures“ auch auf der Kinoleinwand erzählt. Wo „Hidden Figures“ die wahre Geschichte der Mathematikerin Katherine Johnson thematisierte, hat Mary Robinette Kowal eine fiktive Protagonistin erschaffen, deren Lebenssituation durch ihr Weißsein und ihren privilegierten familiären Hintergrund eine deutlich bessere Startposition bietet, als sie Katherine Johnson hatte.
Ursprünge in der tatsächlichen US-Geschichte hat auch Elma Yorks Tätigkeit als WASP, „Women Airforce Service Pilot“. Hierbei handelte es sich um eine real existierende, zivile Organisation, die Frauen während des Zweiten Weltkriegs als Testpilotinnen und für diverse weitere Dienste einsetzte, wie beispielsweise für Flugzeugüberführungen und Flugübungen. Auf diese Weise konnten mehr männliche Piloten für den Kampfeinsatz im Zweiten Weltkrieg freigestellt werden. Eine der ersten WASPs, Jackie Cochran, wird von Kowal in ihrem Nachwort als Inspiration für Elma York genannt. Lange Zeit war wenig über die WASPs und ihren Beitrag zu den Kriegsanstrengungen bekannt, da die Unterlagen darüber unter Verschluss waren. In den letzten Jahren und Jahrzehnten erhielten sie jedoch mehr Anerkennung und 2009 verlieh der damalige US-Präsident Barack Obama ihnen eine Congressional Gold Medal. Generell dienten die WASPs Frauen überall als wichtige Inspiration dafür, Karrieren als Pilotinnen, auch bei kommerziellen Airlines, anzustreben.
Eine weitere historische Persönlichkeit und Pilotin, die als reales Spiegelbild für Elma York fungiert, ist Jerrie Cobb. Cobb war zu jung, um Teil der WASPs zu werden, doch sie lernte das Fliegen schon in jungem Alter und brach mehrere Rekorde. Sie bestand im Rahmen des „Mercury 13“- Programms alle Astronautentests, denen auch die männlichen Astronauten sich unterziehen mussten. Das „Mercury 13“-Programm war allerdings kein offizielles Programm der NASA, sondern privat finanziert, und sein Hauptzweck war, herauszufinden, ob weibliche Körper auf die Tests genauso reagieren würden wie männliche. Auch wenn in der realen Welt keine der Kandidatinnen zur Astronautin wurde, so führte es doch zu wachsenden politischen Bestrebungen, Frauen in der NASA auch zum Astronautenprogramm zuzulassen. Es sollte jedoch noch viele Jahre dauern, bis tatsächlich die erste US-amerikanische Astronautin ins Weltall reiste (Sally Ride im Jahr 1983).
Weitere Informationen über den historischen Hintergrund des Romans und Mary Robinette Kowals Recherche finden sich im historischen Nachwort des Romans.
„Kowal das Kunststück gelungen, aus all diesen Themen ein stimmiges – und spannendes! – Ganzes zu kreieren, in dem alles ineinander greift.“
„Lesenswert und informativ“
„Das ist mit viel Mathematik, mit viel Wissenschaft unglaublich spannend. So spannend wie ›Der Marsianer‹ der vor Jahren erschienen ist. Ein richtig großartiges Buch.“
„Der Roman überzeugt mit ausgefeilten Charakteren, interessanten Einblicken in die Raumfahrt und ermutigt Frauen sich für ihre Träume einzusetzen und nicht klein halten zu lassen.“
„Voller Spannung und female Empowerment erzählt Kowal die Geschichte einer Physikerin, Pionierin und Weltraumspezialistin. Ein Buch, das man so schnell nicht vergisst und auch nicht aus der Hand legen kann. Danke für diese Geschichte!“
„Ein Muss, dieses Buch!“
„Eine unglaubliche und faszinierende Alternativweltgeschichte der Raumfahrt.“
„Die Direktheit des Romans und seine Weigerung, vor schwierigen Fragen zurückzuschrecken, waren erfrischend, und die Geschichte selbst war bewegend.“
„Für mich gehört ›Die Berechnung der Sterne‹ schon jetzt zu den besten Büchern, die ich wohl in diesem Jahr lesen werde. 5 Sterne von mir für diesen Griff nach den Sternen!“
„Eine lohnende Lektüre“
„›Die Berechnung der Sterne‹ wird von Elma York aus der Ich-Perspektive erzählt. Dadurch erhalten ihre emotionalen Reaktionen eine besondere Wucht und ich konnte nicht anders als mit ihr mitzufiebern.“
„›The Calculating Stars‹ bietet starke Science-Fiction. Retro, alternativ-historisch und doch zeitgemäß – und mehr als eine packende Spiegelwelt-Version der Raumfahrtgeschichte im Geiste von ›Hidden Figures‹.“
„Ein gelungener Roman, mit großartigen diversen Figuren, der wichtige Botschaften vermittelt und der feministisch, gesellschaftskritisch und spannend zu lesen ist.“
„Intelligent. Frappierend. Ein großartiges Buch!“
„Eine faszinierende Heldin und ein überzeugender Weltenbau.“
„Eine interessante Geschichte um den Weg einer Frau in einer von Männern dominierten Welt. Dabei ist der reizvollste Aspekt die Unaufdringlichkeit dieser großen Konflikte, die aber stets niedrigschwellig bewusst bleiben.“
„Mary Robinette Kowals Die Berechnung der Sterne ist ein großer Wurf. Ebenso mitreißend und unterhaltsam wie belehrend.“
„Detailverliebt in Nebensächlichkeiten schreibt Mary Robinette Kowal die neu gestrickte Geschichte der Raumfahrt und bringt dabei Wahrheit und Fiktion sehr nah aneinander.“
„Mit ›Die Berechnung der Sterne‹ legt die amerikanische Autorin Mary Robinette Kowal viel mehr als eine literarische Mischung aus ›The Right Stuff‹ und ›Hidden Figures‹ in einem stilistisch sehr ansprechend geschriebenen Buch vor.“
„Diese wunderbare Geschichte lesen zu dürfen, war (…) ein absolutes Privileg und ein seltener Hochgenuss.“
„Unglaublich unterhaltsam, das ist wohl das Erste, was ich über ›Die Berechnung der Sterne‹ von Mary Robinette Kowal zu sagen habe. Von der ersten Seite an, hat mich der Auftakt zu dieser Mischung aus Historie und Science-Fiction total fasziniert. Doch während die Seiten so dahin flogen, mischte sich im Genrebereich außerdem noch ein großer Gesellschaftsroman in die Lektüre hinein und ein großer Teil Feminismus, den man vor allem der weiblichen Hauptfigur Elma verdanken darf.“
„Mit ›Die Berechnung der Sterne‹ startet des SF-Jahr 2022 mit einem Hochkaräter. Das vielfach ausgezeichnete Werk hat alles, was ein guter SF-Roman braucht. Er schildert ein interessantes Was-wäre-Wenn?-Szenario, bietet facettenreiche Charaktere und beschäftigt sich mit Themen, die für die moderne Gesellschaft wichtig sind. Highly recommended.“
„Die zuweilen angespannten Freundschaften zwischen den Frauen in diesem Roman sind sein wahrer emotionaler Kern, und Kowal versteht es meisterhaft, die Dynamik des Kampfes für die eigenen Errungenschaften und die gleichzeitige Unterstützung anderer auf demselben Weg zu vermitteln.“
„›Queen of Magic‹ von Liane Mars ist ein amüsanter Fantasy-Thriller für jugendliche Leserinnen. Abenteuer, Liebe, Verrat und ganz viel Zauberkraft – hier ist alles drin, was ein Schmöker braucht.“
„Dieses Buch hat, was die NASA niemals hatte: Eine Heldin mit Haltung.“
„Kowals Buch war für mich wie eine Offenbarung, denn hier wird eine Version der Geschichte beschrieben, in der Männer irgendwann, schlussendlich auf Frauen hören.“
„Bitte lassen Sie sich dieses Buch nicht entgehen, wenn Sie: Geschichten über Wissenschaftlerinnen und Astronautinnen, Weltraumwissenschaft, Liebe und den historischen Kampf um Gleichberechtigung mögen, wenn Sie ›Hidden Figures‹ gelesen oder die Verfilmung gesehen haben und begeistert waren oder wenn Sie die Netflix-Dokumentation ›Mercury 13‹ kennen, die von den realen 13 Frauen erzählt, die sich in den 60er Jahren geheimen Astronautentests unterzogen.“
„Dies ist ein Buch über Tapferkeit, Beharrungsvermögen und innere Stärke im Angesicht von Ungerechtigkeit, über Widerstandsfähigkeit gegen Unterdrückung und Politik. Teile dieses Buches brachten mich zum Weinen. Vor Wut, aus Trotz, aus Solidarität und aus Siegesfreude.“
„Kowal hat einen Roman geschrieben, der uns aufzeigt, wie wir eine bessere Zukunft gestalten können.“
„Kowal meistert in dieser Alternate-History-Geschichte sowohl Wissenschaft als auch historische Genauigkeit.“
„LeserInnen werden von der Geschichte dieser Astronautin hingerissen sein und sehnsüchtig auf die versprochenen Fortsetzungen warten.“
DATENSCHUTZ & Einwilligung für das Kommentieren auf der Website des Piper Verlags
Die Piper Verlag GmbH, Georgenstraße 4, 80799 München, info@piper.de verarbeitet Ihre personenbezogenen Daten (Name, Email, Kommentar) zum Zwecke des Kommentierens einzelner Bücher oder Blogartikel und zur Marktforschung (Analyse des Inhalts). Rechtsgrundlage hierfür ist Ihre Einwilligung gemäß Art 6I a), 7, EU DSGVO, sowie § 7 II Nr.3, UWG.
Sind Sie noch nicht 16 Jahre alt, muss zwingend eine Einwilligung Ihrer Eltern / Vormund vorliegen. Bitte nehmen Sie in diesem Fall direkt Kontakt zu uns auf. Sie selbst können in diesem Fall keine rechtsgültige Einwilligung abgeben.
Mit der Eingabe Ihrer personenbezogenen Daten bestätigen Sie, dass Sie die Kommentarfunktion auf unserer Seite öffentlich nutzen möchten. Ihre Daten werden in unserem CMS Typo3 gespeichert. Eine sonstige Übermittlung z.B. in andere Länder findet nicht statt.
Sollte das kommentierte Werk nicht mehr lieferbar sein bzw. der Blogartikel gelöscht werden, ist auch Ihr Kommentar nicht mehr öffentlich sichtbar.
Wir behalten uns vor, Kommentare zu prüfen, zu editieren und gegebenenfalls zu löschen.
Ihre Daten werden nur solange gespeichert, wie Sie es wünschen. Sie haben das Recht auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung, ein Widerspruchsrecht, ein Recht auf Datenübertragbarkeit, sowie ein Recht auf Widerruf Ihrer Einwilligung. Im Falle eines Widerrufs wird Ihr Kommentar von uns umgehend gelöscht. Nehmen Sie in diesen Fällen am besten über E-Mail, info@piper.de, Kontakt zu uns auf. Sie können uns aber auch einen Brief schicken. Sie erhalten nach Eingang umgehend eine Rückmeldung. Ihnen steht, sofern Sie der Meinung sind, dass wir Ihre personenbezogenen Daten nicht ordnungsgemäß verarbeiten ein Beschwerderecht bei einer Aufsichtsbehörde zu. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gerne an unseren Datenschutzbeauftragten, den Sie unter datenschutz@piper.de erreichen.