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Adventsgeschichte 17. Dezember

Schneebedeckte Herzen

von Daniela Franka

Erschöpft von der Reise schloss Anna die Tür des kleinen Cottages im schottischen Nirgendwo auf. Im Grunde waren es nur wenige Kilometer bis Fort William, doch es lag so abgeschieden, dass sie sich vorkam, als sei sie der einzige Mensch auf der Welt, was ihr nur recht war. Je weniger sie vom Weihnachtstrubel mitbekam, umso besser. Seit Jan ihr am letzten Heiligen Abend den Laufpass gegeben hatte, war ihr Herz gebrochen. Doch sie hatte lange genug getrauert und war fest entschlossen, hier endgültig mit dem Kapitel abzuschließen.
Neugierig betrat sie das Häuschen. Der schmale Flur ging in einen gemütlichen Wohnraum mit offenem Kamin über. Davon ging wiederum eine winzige Küche ab, die für ihre Zwecke völlig ausreichte. Zurück im Flur stieg sie die knarzende Treppe hinauf und nahm auch die obere Etage in Augenschein. Das gesamte Mobiliar war alt, aber gepflegt, und alles erfreulich sauber, stellte sie fest. Der perfekte Ort für ihre zweiwöchige Auszeit.
Während sie die steilen Stufen wieder hinabstieg, dankte sie innerlich ihrer verstorbenen Großmutter, deren Erbe ihr diese Auszeit ermöglichte. Und sie wusste, dass ihre Nan – den Namen verdankte sie ihrer englischen Abstammung – ihr zu dieser Reise geraten hätte. Die Erinnerung an sie ließ ihre Augen feucht werden. Sie vermisste sie immer noch so sehr. Erst sie zu verlieren und ein Jahr später von ihrem Verlobten verlassen zu werden, hatte sie ziemlich aus der Bahn geworfen. Auch wenn sie inzwischen erkannt hatte, dass sie und Jan im Grunde nicht zueinander passten, war er doch ihre große Liebe gewesen. Diese verdammten Tränen!
Sie wollte doch nicht mehr weinen, jedenfalls nicht um diesen Mistkerl. Sie wischte sich mit dem Ärmel über das feuchte Gesicht, schloss den Mietwagen auf und nahm die Einkaufstaschen aus dem Kofferraum. Nachdem die eingeräumt waren, sah es im Inneren des Kühlschranks immer noch erschreckend leer aus. Milch, einige Joghurts, etwas Aufschnitt, Käse, Speck und Eier waren alles, was sich darin befand. Abgesehen davon bestanden ihre Vorräte aus Konservendosen, Tiefkühlkost und natürlich dem Karton Wein und der Flasche Whisky. Nicht eben gesund, dachte sie schuldbewusst. Im neuen Jahr würde sie wieder mehr auf ihre Ernährung achten, aber hier wollte sie nur irgendwie satt werden. Dabei hatte sie stets gerne gekocht und war gut darin. Nur fand sie nichts deprimierender, als Speisen für sich allein zuzubereiten.
Bedrückt ging sie erneut zum Wagen, holte den Koffer und ihre Gitarre herein. Sie glaubte kaum noch daran, eines Tages als Singer-Songwriterin den Durchbruch zu schaffen und hatte die Gitarre nach der Trennung von Jan monatelang nur traurig angestarrt, konnte sie nicht einmal berühren, ohne in Tränen auszubrechen. Der Arsch hätte es beinahe geschafft, ihr auch noch die Liebe zur Musik zu nehmen. Dabei hätte es der schönste Heiligabend aller Zeiten werden sollen. Nur sie und Jan. Die Hochzeit hatte in sechs Wochen bevorgestanden und sie hatte ein Lied für ihn geschrieben, das sie ihm im richtigen Moment hatte vorspielen wollen. „Nicht dran denken, Anna. Er ist es nicht wert“, ermahnte sie sich, nahm trotzig ihre Gitarre und spielte das Erste, was ihr in den Sinn kam.

Am nächsten Morgen erwachte sie mit steifen Gliedern auf dem Sofa. Die Flasche Whisky zu öffnen war keine ihrer besseren Ideen gewesen. Mit dröhnendem Schädel erhob sie sich, um sich ein ausgiebiges Schaumbad zu gönnen, das wie erhofft ihre Lebensgeister weckte. Nach dem Frühstück, das sie ohne rechten Appetit zu sich genommen hatte, verließ sie das Cottage, um die Umgebung zu erkunden. Es war kalt, aber sonnig und sie genoss die Farben der Highlands, die unvergleichlichen Grün- und Brauntöne, die im Winter zwar blasser, aber immer noch von atemberaubender Schönheit waren. Sie lief stetig bergauf und erreichte schließlich außer Atem ein Plateau, das einen wunderschönen Blick auf Loch Linnhe freigab. Oder war es Loch Eil? Im Grunde war es ihr egal. Sie setzte sich auf einen Felsbrocken und genoss das Panorama und die Stille. Erst, als die Kälte unangenehm wurde, kehrte sie um.

Durchgefroren erreichte sie das Cottage und entfachte den Kamin, um sich am prasselnden Feuer aufzuwärmen, bevor sie eine Pizza in den Ofen schob, die sie später in Rekordzeit verputzte. Der lange Spaziergang hatte sie hungrig gemacht. Nicht das Schlechteste, da sie nach ihrer Trennung von Jan zusammen mit ihrer Lebensfreude das Hungergefühl verloren und stark abgenommen hatte. Alles schmeckte seitdem irgendwie fad.

Die nächsten Tage verbrachte Anna in zufriedener Abgeschiedenheit. Sie hatte ihr Handy ausgeschaltet und ihren Kontakt mit der Außenwelt auf Spaziergänge in der Umgebung beschränkt, bei denen sie so gut wie nie jemandem begegnete. Zudem war das Wetter zumeist „dreich“, wie der Schotte zu sagen pflegte. Also kalt, wolkenverhangen, regnerisch und windig. Da mochte man keinen Hund vor die Tür jagen und Anna verbrachte die meiste Zeit mit ihrer Gitarre vor dem Kamin, schrieb endlich wieder neue Songs, die ihr trotz oder vermutlich gerade wegen der Melancholie gefielen, und las stundenlang.

Eines Morgens, sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, bemerkte sie bei einem Blick auf ihre Vorräte, dass sie dringend Nachschub besorgen musste. Sie schaltete ihr Handy ein und stellte erschrocken fest, dass es der 24. Dezember war. Ihre Laune verfinsterte sich augenblicklich und sie wäre am liebsten zurück ins Bett gekrochen, doch das war keine Option. Die Geschäfte würden in wenigen Stunden schließen und erst am 27. wieder öffnen. Missmutig schlüpfte sie in warme Kleidung, nahm den Schlüssel des Mietwagens vom Ablageboard und trat vor die Tür, wo eisig-kalter Regen ihr ins Gesicht peitschte. Immerhin passte das Wetter zu ihrer Stimmung. Sie schlug den Jackenkragen hoch und rannte zum Auto. Schon die wenigen Meter reichten, um sie zittern zu lassen. Sie drehte die Sitzheizung auf und legte ihre Lieblings-CD ein, „Oran Mor Session“ von „The Twilight Sad“. Sie wünschte, sie könnte irgendwann etwas Vergleichbares schreiben. Wie stets sang sie aus voller Kehle mit und nahm erst spät die gebeugte Gestalt wahr, die sich am Straßenrand Wind und Regen entgegenstemmte. Sie stoppte den Wagen und ließ die Scheibe der Beifahrerseite herunter. Das überraschte, wettergegerbte Gesicht eines alten Mannes blickte ihr entgegen.
„Ich fahre nach Fort William. Wenn das auch Ihre Richtung ist, nehme ich Sie gerne ein Stück mit“, schrie sie auf Englisch gegen den heulenden Wind und den prasselnden Regen an. Der Alte betrachtete sie abwägend, bevor er zögernd die Beifahrertür öffnete und einstieg. „God bless ya, lassie. But be telt, that ya shouldnae invite strangers into yer car.“
Anna liebte den Klang, auch wenn sie sein breites Schottisch erst mit einer kleinen Verzögerung verstand. „Ich vertraue darauf, dass böse Menschen Besseres zu tun haben, als sich am Weihnachtsmorgen durch Wind und Regen zu kämpfen“, antwortete sie schließlich.
Der Alte bedachte sie mit einem traurigen Blick. „Du bist aus Deutschland. Genau wie meine Heather. Gott hab sie selig.“
„Heather klingt nicht sehr deutsch“, wandte Anna ein.
Der Mann, der vermutlich in den Siebzigern war, nickte. „Eigentlich hieß sie Heide, aber hier wurde sie zu Heather, weil es einfacher war.“
„Ein schöner Name, beide. Meine Nan kam aus Wales, hat aber eine Weile in Schottland gelebt, darum bin ich hier. Ihr Name war Hannah und ich wurde nach ihr benannt, nur kürzer, also bin ich Anna.“ Sie hatte nicht die geringste Ahnung, warum sie dem Alten das erzählte, es sprudelte einfach aus ihr heraus. Vermutlich hatte sie in den letzten Tagen zu viel geschwiegen.
„Ebenfalls wunderschöne Namen. Ich bin James, James McDonald, aber alle nennen mich Jim. Zu viele James’ in der Familie, weshalb Heather und ich auch mit der Tradition gebrochen und unseren Sohn Ciaran genannt haben.“
„Eine gute Wahl, Mr. McDonald, obwohl James mir auch gefällt.“
„Bitte nenn mich Jim, dann komme ich mir nicht ganz so alt vor.“ Anna warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, sah ihn verschmitzt lächeln, aber auch vor Kälte zittern, und drehte die Heizung höher. Bald darauf hatten sie Fort William erreicht. „Ich fahre in den Supermarkt, aber es macht keine Umstände, dich irgendwo anders abzusetzen.“
„Das ist auch mein Ziel, aber ich würde dich gerne zuvor auf eine Tasse Tee einladen, um mich zu bedanken.“
„Das ist nicht notwendig und ich mag gerade nicht unter Menschen sein“, wehrte Anna ab.
„Das bist du doch bereits. Na ja, zumindest mit einem hast du es zu tun. Und ich käme mir schlecht vor, wenn ich dir nicht danken könnte.“
„Also schön, aber dann nehme ich dich auch mit zurück“, stimmte Anna zu. In erster Linie, damit er sich bei einem Tee aufwärmen konnte, bevor er sich noch den Tod holte.
„Nein, nein, wir trinken Tee und danach gehen wir unserer Wege. Ich habe noch einige andere Besorgungen zu erledigen und möchte dich nicht aufhalten, Anna. Du bist schon jetzt mein Weihnachtsengel.“
„Beginnen wir mit dem Tee. Danach sehen wir weiter“, lenkte sie ein, fest entschlossen, ihn wieder nach Hause zu bringen.

Das kleine Café, das Jim ausgewählt hatte, quoll zu Annas Leidwesen vor festlicher Dekoration geradezu über. Sie gaben ihre Bestellung auf, und Anna bemühte sich, den Blick auf den in allen Farben blinkenden Weihnachtsbaum zu vermeiden.
„Ich gehe kurz in den Waschraum“, entschuldigte Jim sich. Die penetrant aus den Lautsprechern dudelnde Weihnachtsmusik ließ es Anna derweil bereuen, sich auf den Tee eingelassen zu haben.
„Eine so schöne und herzensgute junge Frau sollte niemals so traurig aussehen“, bemerkte Jim, der von ihr unbemerkt zum Tisch zurückgekehrt war. „Was ist dir passiert, lassie? Magst du mir davon erzählen?“
Sie schüttelte den Kopf und gleichzeitig sprudelte die Geschichte auch schon aus ihr heraus. Wie Jan, die Liebe ihres Lebens, ihr ausgerechnet am Heiligabend des letzten Jahres nach einem Streit über Nichtigkeiten erklärt hatte, dass er sie nicht wie geplant heiraten könne. Ihm sei schon vor einer Weile klar geworden, dass er eine Frau brauche, die wie er ein sicheres, beständiges Leben anstrebe und keine Möchtegern-Künstlerin, die mit dem Kopf in den Wolken lebe. Gewiss, sie habe Talent, aber inzwischen seien sie Ende Zwanzig und müssten an die Zukunft denken. Sie solle lieber ihr BWL-Studium wieder aufnehmen, statt zu kellnern und für schlecht bezahlte Auftritte durch die Lande zu tingeln. Anna hatte ihn fassungslos angesehen und ihren Ohren nicht getraut. Gerade er wusste besser als jeder andere, wie viel ihre Musik ihr bedeutete. Als er ihr zudem eröffnet hatte, vor einigen Wochen seine wahre Seelenverwandte gefunden zu haben, war ihr der Boden unter den Füßen weggebrochen. Sie hatte geschrien, geweint und getobt. Er habe ihr dies nicht am Heiligabend sagen wollen, hatte er sich entschuldigt, aber nachdem sie sich nun ohnehin stritten, wolle er das Unvermeidliche nicht länger herauszögern. Letztlich hatte er fluchtartig die gemeinsame Wohnung verlassen und sie war allein mit den Scherben ihres Lebens zurückgeblieben. Nach diesem Ausbruch betrachtete Jim sie voller Mitgefühl. „Das war charakterlos. Und er hatte jemanden wie dich nicht verdient.“
Sie wusste, dass er damit vermutlich recht hatte, aber er kannte Jan doch überhaupt nicht und es tat immer noch weh, es sich einzugestehen. „Vielleicht, vielleicht auch nicht, aber lass uns über etwas anderes reden. Magst du mir von deiner Frau erzählen?“
„So gerne ich mit dir plaudere, wir sollten aufbrechen. Die Geschäfte schließen bald.“
Anna blickte auf die Wanduhr. „Herrje, schon so spät. Tut mir leid, dass ich dich derart vollgejammert habe. Du hast sicher Besseres zu tun, gerade heute!“
„Eigentlich nicht. Meine Verwandten sind entweder bereits gestorben oder leben weit entfernt. Und Ciaran kommt erst am 26. Er muss arbeiten, aber vielleicht ist es auch, weil …“ Jim brach ab und bedachte Anna mit einem traurigen Blick. Anna verfluchte Ciaran, der ein herzloser Tunichtgut zu sein schien, wenn er seinen reizenden alten Vater über Weihnachten sich selbst überließ. „Du hast doch sicher Freunde.“
„Natürlich, genau wie du. Es gibt schon ein paar, die mich eingeladen haben. Aber das käme mir falsch vor. Weihnachten ist ein Familienfest. Zudem haben wir deutsche und englische Traditionen gemischt. Es gab stets schon am Heiligabend ein großes Festmahl; Rouladen mit Rotkohl und Knödeln und Heathers wundervollen gedeckten Apfelkuchen. Sie hat deutsche Weihnachtslieder gesungen und jeder durfte ein Geschenk öffnen.“ Sein Gesicht nahm einen sehnsuchtsvollen Ausdruck an und bevor Anna wusste, was sie tat, sagte sie: „Wir sind beide allein. Warum kochen wir nicht gemeinsam? Natürlich nur, wenn du magst, und bestimmt schmeckt es nicht wie bei deiner Frau.“ Sofort bereute sie ihre Worte. Sie war hergereist, um Weihnachten zu entkommen und jetzt bot sie Jim an, mit ihm ein traditionelles deutsches Festessen zu kochen. Wie war sie nur auf solch eine dumme Idee gekommen? Als sie jedoch sah, wie seine Augen aufleuchteten, wusste sie, dass sie das Richtige getan hatte.
„Wie wundervoll! Bist du sicher, dass du das möchtest? Du wolltest Weihnachten doch ausfallen lassen.“
„Schon, aber jetzt habe ich Hunger und Lust mit dir zu kochen.“ Trotz ihrer Zweifel brachte sie es nicht übers Herz, ihn zu enttäuschen.
„Dann lade ich dich hiermit offiziell zu mir ein. Die Küche ist bestens ausgestattet.“
Anna erhob sich von ihrem Stuhl. „Dann nichts wie ab. Wir haben einiges zu besorgen.“

Vollbeladen gingen Anna und Jim eine Weile später durch den Matsch auf dessen Haus zu. Beim Anblick der lichterkettenbehangenen Tanne im Vorgarten zog sich ihr Magen zusammen, doch sie atmete tief durch und beschloss, tapfer zu bleiben. Immerhin hatte sie ihm dieses Weihnachtsessen angeboten und nicht er ihr. Sie würde ihm jetzt nicht den Abend verderben, indem sie schlechte Stimmung verbreitete.
„Kommst du?“, fragte Jim, der inzwischen die Tür aufgeschlossen hatte.
„Sicher.“ Anna nickte. „Ich habe mir nur das Haus angesehen. Es ist schön.“
„Alt, aber gemütlich. Vor allem drinnen. Also immer rein in die gute Stube“, stimmte Jim zu und überließ ihr den Vortritt. Sie stellten ihre Einkäufe in der Küche ab und Anna ging erneut zum Wagen, um ihre Gitarre ins Haus zu bringen. Er hatte es tatsächlich geschafft, sie zu überreden, diese zu holen, und sich zumindest ansatzweise festlich zu kleiden. Sie wunderte sich über sich selbst, während sie den Weihnachtsbaum im Wohnzimmer betrachtete, der wunderschön war, wie sie zugeben musste. Er war geschmückt mit Strohsternen, rot-glänzenden Kugeln und einer Lichterkette mit Leuchtdioden, die wie winzige Sterne funkelten. Über dem Esstisch hing ein großer, schlichter Adventskranz und neben dem Baum stand eine liebevoll geschnitzte Krippe. Bestimmt hatten sie hier viele glückliche Feste gefeiert, als Jims Frau noch lebte. Das ganze Haus war so gemütlich, dass es ihr die Kehle zuschnürte. Sie seufzte, stellte die Gitarre ab und ging zu ihm in die Küche.
„Bitte bekomm keinen falschen Eindruck von mir, aber ich könnte einen Schnaps vertragen“, wandte sie sich an Jim.
„Da sind wir schon zu zweit. Und ich habe genau das Richtige.“ Zwinkernd stellte er eine Flasche und zwei kleine Gläser auf dem Küchentisch ab. „Eierpunsch. Selbstgemacht.“ Er schenkte ein und sie prosteten sich zu. „Auf unerwartete Begegnungen.“ „Und großen Appetit“, ergänzte Anna. „Wir haben viel zu viel eingekauft.“
„Was übrig bleibt, kommt in die Gefriertruhe. Und du kannst auch etwas mitnehmen. Womit fangen wir an? Ich bin kein großer Koch, aber schnippeln kann ich wie ein Weltmeister.“
„Dann schnipple den Rotkohl. Der muss eine Weile durchziehen.“
Die nächsten Stunden verbrachten sie mit emsigen Vorbereitungen. Jim hatte die Rezepte seiner Frau hervorgeholt, die ihren eigenen weitgehend entsprachen, und sie war guter Dinge, dass das Ergebnis seine Erwartungen erfüllen würde. Je länger sie wuselten und plauderten, umso mehr Freude empfand sie dabei. Ein weiterer Eierpunsch und etwas Rotwein führten dazu, dass sie sich bei Jim schließlich beinahe heimisch fühlte. Irgendwann begann er von seiner Frau zu erzählen. Sie hatten bis zum Schluss eine glückliche Ehe geführt. Sicher, es hatte auch Streit gegeben, aber sie hatten sich stets schnell wieder versöhnt und keiner hatte je im Zorn das Haus verlassen. Seine Erinnerungen waren so voller Wärme, dass Anna mit jedem Satz spürte, wie sehr er seine Frau geliebt hatte und wie sehr er sie vermisste.
„Denkst du manchmal, es wäre besser gewesen, du hättest sie nie kennengelernt?“, fragte sie schließlich.
„Wie kommst du denn darauf, lassie?“ Jim sah sie verständnislos an.
„Dann wärst du jetzt nicht so traurig. Jan und ich waren viel kürzer zusammen und wir hatten nie diese enge Verbundenheit, die es zwischen dir und Heather gegeben haben muss. Und doch sitze ich ein Jahr später hier, weil ich es nicht ertragen kann, Zuhause zu sein. Bei dir muss es noch viel schlimmer sein“, versuchte Anna zu erklären.
Jim dachte eine Weile nach. „Ich denke nicht, dass man das vergleichen kann. Du bist wütend und verletzt, weil du enttäuscht und gemein betrogen wurdest. Ich hingegen war glücklich. Ich würde allen Schmerz der Welt auf mich nehmen für nur einen Tag, eine Stunde mit ihr. Und auch wenn sie nicht mehr bei mir ist, habe ich sie für immer in meinem Herzen. Auch du wirst den Richtigen für dich eines Tages finden, das sagen mir meine alten Knochen und auf die ist Verlass. Behalte dein Herz am rechten Fleck, alles andere wird sich finden.“
„Heather hatte Glück mit dir“, antwortete Anna, während sie den Kuchen in den Ofen schob.
„An guten Tagen hätte sie dir zugestimmt.“ Jim zwinkerte vergnügt und schenkte Rotwein nach.
„Alle Vorbereitungen sind erledigt. Jetzt haben wir etwa eine Stunde Zeit, bevor es an den Endspurt geht.“
„Hervorragend! Dann wechseln wir ins Wohnzimmer und du spielst mir vor. Ich freue mich schon die ganze Zeit darauf. Alle in dieser Familie lieben Musik.“
„Ich weiß nicht“, murmelte Anna verlegen.
„Aber ich. Tu einem alten Mann den Gefallen.“ Er nickte ihr aufmunternd zu.
„Also schön.“ Anna nahm auf dem Sofa Platz und band ihr langes blondes Haar mit einem Zopfgummi zurück, damit es ihr beim Spielen nicht in die Augen fiel. „Mir ist nicht so nach Weihnachtsliedern“, gab sie ehrlich zu, überlegte kurz und begann mit einem ihrer älteren Stücke. Zunächst war es eigenartig vor Jim zu spielen, aber mit der Zeit wurde sie sicherer und seine Begeisterung trug dazu bei, dass sie schließlich beinahe vergaß, dass sie einen Zuhörer hatte. Sie trug ihm sogar einige ihrer neuen Lieder vor. Erst als Jim aufsprang und überrascht „Ciaran!“ rief, unterbrach sie abrupt und blickte sich um.
Im Türrahmen stand ein großer, attraktiver Mann mit dunklen Locken, durch die von hinten das Licht fiel, sodass sie einen Moment dachte, ein Engel mit Heiligenschein hätte sich dort materialisiert. Der Engel warf ihr allerdings einen finsteren Blick zu und sie kehrte auf der Stelle in die Realität zurück. Der Alkohol zeigte wohl bereits Wirkung. Jim war derweil bei der Erscheinung angekommen und umarmte diese herzlich. „Was für eine schöne Überraschung!“
„Ich konnte kurzfristig tauschen und habe mich direkt ins Auto gesetzt. Ich habe Pizza mitgebracht.“ Er hielt eine Pappschachtel in die Höhe. „Aber die brauchen wir wohl nicht.“ Er warf Anna einen weiteren finsteren Blick zu und sie wäre am liebsten im Boden versunken. Es war nun wirklich nicht ihre Absicht gewesen, ein Familienfest zu stören.
„Anna, komm her“, wandte Jim sich jedoch lächelnd an sie. „Jetzt lernst du Ciaran doch kennen.“
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch trat sie auf den Sohn zu und reichte ihm die Hand. „Hallo, ich bin Anna“, murmelte sie, seinen Blick meidend.
„Ciaran“, erwiderte er knapp, nahm aber immerhin ihre Hand. Seine Haut war kühl, unerwartet weich und der Druck angenehm fest.
„Du kommst zur rechten Zeit, das Essen ist bald fertig. Anna ist mein Weihnachtsengel. Duftet es nicht fantastisch?“
„Apropos fertig. Ich sehe besser mal nach dem Kuchen.“
Froh, der angespannten Situation einen Moment entfliehen zu können, verschwand sie in die Küche. Sie nahm den Kuchen aus dem Ofen und setzte Wasser für die Knödel auf. Es wäre wohl am besten, wenn sie jetzt ginge. Ciaran wollte sie eindeutig nicht im Haus haben und das Essen war soweit vorbereitet. Den Rest würden die zwei alleine schaffen. Sie zwang sich zu einem Lächeln und kehrte zurück zu den beiden. „Jetzt, wo Ciaran da ist, kann ich ja gehen, Jim. Ihr habt sicher viel zu bereden.“
„So ein Unsinn, du bleibst“, widersprach Jim. „Ich habe dich eingeladen. Ganz sicher wirst du den Abend nicht allein verbringen, nachdem du alles gekocht hast!“
„Natürlich bleibt sie. Sie sieht nicht so aus, als ob sie noch fahren könnte.“ Ciaran blickte wütend auf die Rotweingläser. Mist, daran hatte Anna überhaupt nicht gedacht. Sie hatte bereits einiges getrunken, aber die Straßen waren am heutigen Abend sicher wie ausgestorben. „Das schaffe ich schon. Ist nicht weit“, beharrte sie und ging zum Sofa, um ihre Gitarre einzupacken.
„Du bleibst! Hat einer von euch in den letzten Stunden mal aus dem Fenster gesehen?“, schrie Ciaran zornig.
„Warum?“, fragte Anna verunsichert. Da ihre Neugier jedoch geweckt war, öffnete sie die Haustür, um hinauszuschauen. Sie traute ihren Augen kaum, als sie die dicken weißen Schneeflocken sah, die lautlos vom Himmel fielen. „Jim! Sieh nur, es schneit! Wie wundervoll!“, rief sie begeistert aus. Die weiße Pracht lag fast zehn Zentimeter hoch. Jim trat neben sie und zog sie sanft am Arm. „Komm, Anna. Wir essen und du bleibst über Nacht. Ciaran hat recht, die Straßen sind zu gefährlich.“
„Das bisschen Schnee. Und er ist auch hergefahren. So schlimm kann es also nicht sein.“
„Ich war auf halber Strecke, als es angefangen hat. Und glaubt mir, es war kein Vergnügen. Die Straßen sind teilweise spiegelglatt.“ Er wirkte resigniert, traurig oder auch beides.
Anna gab zögernd nach und ging mit Jim zurück ins Haus.
„Komm, Liebes, wir kümmern uns ums Essen und Ciaran deckt derweil den Tisch“, bestimmte Jim und alle machten sich schweigend an die Arbeit.
„Was hat er gegen mich?“, fasste Anna sich nach einer Weile ein Herz.
„Es liegt nicht an dir. Deine Anwesenheit hat ihn nur überrascht. Mach dir keine Gedanken“, versuchte Jim sie zu beruhigen. Das unangenehme Gefühl, nicht willkommen zu sein, blieb dennoch.

Sobald das Essen fertig war, setzten sie sich an den von Ciaran liebevoll gedeckten Tisch. Er hatte sogar die Kerzen am Adventskranz angezündet. Alles war perfekt, so perfekt, dass Anna unwillkürlich die Tränen in die Augen schossen. Dies war nicht ihre Familie und sie fühlte sich wie ein Fremdkörper. Sie verfluchte den Schnee, den sie eigentlich liebte, und wünschte sich in ihr einsames Cottage.
„Nicht weinen, Kindchen“. Jim griff nach ihrer Hand und drückte sie fest. „Das ist für uns alle ein schwerer Abend.“

Das Tischgespräch verlief zunächst schleppend, obwohl Jim Annas Kochkünste über den grünen Klee lobte und ihr versicherte, dass auch Heather es nicht besser hinbekommen hätte. Selbst Ciaran stimmte dem zu. Das gute Essen und einige Gläser Rotwein trugen dazu bei, dass auch seine Laune sich langsam besserte. Nachdem Jim irgendwann erzählt hatte, wie Anna und er sich begegnet waren und dabei zu ihrem Verdruss auch die geplatzte Verlobung nicht ausgelassen hatte, wurde Ciaran ihr gegenüber sogar freundlich. „Schönen Dank auch“, dachte Anna. „Auf dein Mitleid kann ich verzichten.“ Später erfuhr sie, dass Ciaran als Chirurg in Edinburgh arbeitete und Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um heute doch kommen zu können. So herzlos wie angenommen, schien er nicht zu sein. Beim Nachtisch stellte Anna überrascht fest, dass sie inzwischen einige Male herzhaft gelacht hatte. Nachdem Ciaran die Feindseligkeit ihr gegenüber abgelegt hatte, erwies er sich als ebenso charmanter Gesprächspartner wie sein Vater. Sie sahen sich sogar etwas ähnlich. Die braunen Augen hatte er von Jim und auch die Nase. Am auffälligsten war jedoch die Ähnlichkeit ihrer Stimmen. Beide hatten dieses tiefe, weiche Timbre, dem sie ewig hätte zuhören können. Gerade sagte Ciaran mit verträumtem Blick: „Ich denke, Mutter wird mir verzeihen, aber dieser Apfelkuchen ist wahrhaft der beste, den ich je hatte.“ Er blickte seinen Vater entschuldigend an, doch der stimmte zu. „Das ist er. Und ich bin sicher, dass Heather Anna zu uns geschickt hat, damit wir diesen schönen Abend gemeinsam verbringen können. Cheers!“ So seltsam dieser Ausspruch Anna im ersten Moment vorkam, Jim hatte ihn derart überzeugt vorgetragen, dass sie sich fragte, ob es nicht wahr sein könnte. Vielleicht hatten Jims verstorbene Frau und ihre Nan sich im Himmel verbündet, um ihre Liebsten den Kummer für eine Weile vergessen zu lassen. Die Vorstellung gefiel ihr und was schadete es, für einen Abend daran zu glauben? Schließlich war Weihnachten.

Nachdem sie den Tisch abgeräumt hatten, machten sie es sich auf dem Sofa gemütlich.
„Zeit für die Familientradition“, sagte Jim und lächelte schelmisch. „Jeder öffnet ein Geschenk.“ Anna blickte ihn entsetzt an. „Ich habe aber doch keine Geschenke für euch!“
„Es bekommt auch nur jeder eins und ich habe eines für dich.“ Er überreichte ihr ein kleines Päckchen, das sie überrascht entgegennahm. Danach bekam Ciaran von ihm ein deutlich größeres und er eines von seinem Sohn.
„Ich fange an“, beschloss Jim und öffnete seins vergnügt. Hervor kam ein scheußlicher, grün-rot karierter Schal mit aufgestickten Elchen, den Jim sich lachend umwickelte, während Anna die Welt nicht mehr verstand. „Du bist dran!“, wandte Jim sich an Ciaran. Aus dessen Päckchen kam ein knallroter Strickpullover hervor, auf dem ein Weihnachtsmann die Zunge herausstreckte. Ciaran zog ihn schmunzelnd über sein Hemd. „Wartet, das Beste kommt noch.“ Jim machte sich an der Seite des Pullovers zu schaffen und einen Moment später begannen bunte Leuchtdioden zu blinken. Der Beschenkte betrachtete das Spektakel kurz und stellte dann laut lachend fest: „Der Punkt geht an dich.“ Anna blickte fragend zwischen Vater und Sohn hin und her.
„Ist eine Familientradition. Wer die kitschigste Weihnachtsklamotte mitbringt, gewinnt“, erklärte Ciaran.
„Dann ist Jim definitiv der Sieger!“, stimmte Anna zu.
„Du bist dran“, wandte Jim sich an sie.
Sie wickelte das kleine Päckchen aus und machte sich auf eine weitere Scheußlichkeit gefasst. Hervor kam eine kleine Schmuckschachtel, die sie überrascht betrachtete, bevor sie zögernd den Deckel öffnete.
Darin war ein kleiner Engelsanhänger mit einer silbernen Kette. Anna strich zärtlich mit ihren Fingern darüber. „Die ist wunderschön, aber das kann ich nicht annehmen“, sagte sie überwältigt.
„Du kannst und du wirst. Ciaran, hilfst du ihr, bitte? Nichts für meine steifen Finger.“
Der Angesprochene stand auf, legte ihr die Kette behutsam um den Hals und verschloss sie geschickt in ihrem Nacken. Seine Finger berührten ihre Haut kaum und doch überzog sie ein angenehmes Kribbeln.
Sie umfasste den kleinen Anhänger und stand auf, um Jim zu drücken. „Das ist so lieb von dir und es war wirklich nicht nötig.“
„Ein Engel für meinen Engel. Er wird dich beschützen und dir Glück bringen“, flüsterte er ihr ins Ohr und Anna stiegen erneut Tränen in die Augen. Aber dieses Mal waren es gute Tränen. „Danke, Jim“, flüsterte sie ergriffen.
„Ich weiß, du magst gerade keine Weihnachtslieder, aber du würdest mich sehr glücklich machen, wenn du ›Stille Nacht, heilige Nacht‹ singen würdest. Und danach gehe ich alter Mann ins Bett. Es ist höchste Zeit für mich. Ciaran zeigt dir dann das Gästezimmer.“ Er blickte seinen Sohn auffordernd an.
„Mache ich und ja, spiel bitte. Du hast eine schöne Stimme.“ Die letzten Worte waren kaum hörbar.
Anna nahm ihre Gitarre, schloss die Augen und sang. Es machte ihr weniger aus, als sie vermutet hätte, fühlte sich sogar richtig an.
„Danke, Anna. Das war zauberhaft“, bedankte Jim sich, nachdem sie geendet hatte, und Ciaran nickte zustimmend mit verdächtig glitzernden Augen.
„Gute Nacht, ihr zwei. Unterhaltet euch ruhig noch eine Weile“, verabschiedete Jim sich und sie wünschten ihm ebenfalls eine angenehme Nachtruhe.

Sobald er nach oben gegangen war, blickte Anna Ciaran unschlüssig an. „Wir sollten auch schlafen gehen. Es ist spät.“
„Halb Zwölf würde ich nicht unbedingt spät nennen, aber es war ein langer und anstrengender Tag.“ Er betrachtete sie unschlüssig. „Würdest du dich noch einen Moment setzen?“
„Sicher.“ Anna nahm verdutzt Platz und Ciaran goss ihnen ein Glas Whisky ein.
„Ich weiß, wir hatten bereits mehr als genug, aber ich muss noch etwas Mut sammeln.“ Er blickte ihr zum ersten Mal direkt in die Augen. Sie waren so schön und voller Trauer, dass Anna ihrer Intensität kaum standhalten konnte.
„Mut wofür?“, fragte sie schließlich.
„Um mich bei dir für meine Unfreundlichkeit zu entschuldigen und dir zu erklären, warum ich mich so verhalten habe. Es lag nicht an dir. Du hast mich nur an sie erinnert.“ Seine Stimme brach und er fuhr sich mit der Hand durch die Locken.
„An deine Mutter?“, fragte Anna überrascht.
Ciaran schüttelte den Kopf. „An Sarah, meine Frau.“
Sie betrachtete ihn fragend.
„Können wir ein Stück spazieren gehen? Ich brauche frische Luft.“
„Klar, ich liebe Schnee“, stimmte sie zu.
„Und ich hasse ihn, seit jener Nacht“, murmelte Ciaran leise, doch Anna hörte es.

Sie spazierten eine Weile schweigend durch die Nacht. Anna spürte, dass sie ihm Zeit lassen musste, während die Schneeflocken lautlos vom Himmel fielen. Allein das Knirschen ihrer Schritte durchbrach die Stille.
„Es war vor drei Jahren an Hogmanay“, begann er schließlich stockend. Ihre Sprachkenntnisse reichten aus, um zu wissen, dass die Schotten den Silvesterabend so nannten. „Sarah und ich haben uns gestritten, wie so oft. Wir haben uns geliebt und gehasst. Mal mehr das eine, mal mehr das andere, füreinander bestimmt waren wir wohl nie. Das haben wir aber erst erkannt, als wir bereits verheiratet waren. An Hogmanay haben wir uns so in die Haare bekommen, dass es zum endgültigen Bruch führte. Wir hatten getrunken. Sarah verließ wütend das Haus und stieg ins Auto. Es hatte geschneit, die Straßen waren glatt … Sie war sofort tot.“ Schluchzend unterbrach Ciaran seine Erzählung.
Erschüttert nahm Anna ihn in die Arme und strich beruhigend durch sein Haar. „Das tut mir so leid, Ciaran. Deshalb hast du so heftig reagiert, als ich fahren wollte, obwohl ich getrunken hatte.“
„Du konntest es nicht wissen“, schniefte er.
„Stimmt. Aber du mochtest mich vorher schon nicht. Warum?“
„Sie hat wie du Gitarre gespielt und gesungen, auch wenn sie nicht dein Talent hatte und keine eigenen Lieder geschrieben hat. Aber als ich dich da hab sitzen sehen, kam alles wieder hoch.“
Anna nickte verstehend an seiner breiten Brust. „Den Schmerz, einen geliebten Menschen zu verlieren, kenne ich nur zu gut. Auch wenn unsere Schicksale sich nicht vergleichen lassen. Jan lebt, hat mich nur betrogen und verlassen, aber mein Herz ist seitdem wie taub oder …“, sie überlegte, „schneebedeckt.“
„Schneebedeckt?“
„Oberflächlich ist alles still, von einer dichten Schneeschicht erstickt, aber innendrin klopft und schreit das Herz wie verrückt. Es will raus, den Schnee schmelzen, die Sonne sehen. Ich weiß, das ergibt keinen Sinn.“
„Für mich schon. Wir haben wohl beide schneebedeckte Herzen. Und obwohl ich Herzchirurg bin, habe ich verdammt noch mal keine Ahnung, wie man ein gebrochenes repariert.“
„Ich denke, man muss ihm Zeit geben, zu heilen, und die Narben irgendwann als Teil von sich akzeptieren“, meinte Anna.
„Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen, mit unseren zu leben?“, fragte Ciaran und drückte sie noch etwas fester an sich. Anna hob ihren Kopf, sah, wie die vom Himmel tanzenden Schneeflocken sich in seinen Augen spiegelten und dann tanzte auch ihr Herz, als seine Lippen sich sanft auf ihre legten.

Über die Autorin

Daniela Franka, geboren im Jahr der ersten Mondlandung, war schon als Kind von Geschichten aller Art fasziniert. Sie hat eine Weile in London gearbeitet, einige Monate in Paris und Perugia gelebt. Die Kommunikationswissenschaftlerin ist im Bereich Marketing und PR tätig, textet auch beruflich überwiegend. Irgendwann hat sich nebenbei das Schreiben von Romanen eingeschlichen. Sie genießt es, dabei ihrer Fantasie freien Lauf lassen zu können.
Die Autorin lebt mit ihrer verrückt-großartigen Tochter in NRW, liebt Schottland und Bücher. Sie hört leidenschaftlich gern Musik, besonders auf Vinyl. Für Auftritte ihrer Lieblingsband ist ihr kein Weg zu weit.

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