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Schildmaid

Judith C. Vogt
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Das Lied der Skaldin

„Der Roman ›Schildmaid: Das Lied der Skaldin‹ bricht mit den gängigen Rollenklischees der Wikinger-Zeit.“ - Aachener Nachrichten

Alle Pressestimmen (17)

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Schildmaid — Inhalt

Eine göttliche Stimme aus der tiefgrünen See.
Ein blaues Segel in einem Traum.
Und der Aufbruch zu einer Reise, von der es kein Zurück mehr gibt ...

Seit sieben Jahren baut die Einzelgängerin Eyvor ein Drachenboot in einem Fjord. Als sich immer mehr Außenseiterinnen um sie scharen, wird sie unerwartet zur Kapitänin eines Schiffes, das eigentlich niemals in See stechen sollte.
Die Letzte, die sich ihr anschließt, ist Herdis, das Krähenkind: Verfolgt von Berserkern zwingt sie die Gruppe zum Aufbruch. Es beginnt ein tödliches Wettrennen vom skandinavischen Festland bis ins Land der Eisriesen hinein, an dessen Ende nichts Geringeres droht als Ragnarök, das Weltenende selbst.

Mystisch, mitreißend und abenteuerlich: eine moderne Neuinterpretation nordischer Sagen.

***„Schildmaid. Das Lied der Skaldin“ ist ein Einzelband.***

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erschienen am 24.02.2022
448 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-70598-1
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€ 13,99 [D], € 13,99 [A]
Erschienen am 24.02.2022
448 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-60133-7
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Leseprobe zu „Schildmaid“

Anfang einer Saga


1

Vergiss, was du weißt.

Diese Saga kommt aus einer Zeit, in der Menschen nur geringen Anteil an dieser Welt hatten. Es war das Unsterbliche, das die Welt beherrschte und gestaltete. Das Monströse, das sie zermalmen würde.

Wenn die Welt ungeheuerlich ist, dann werden es auch deine Gedanken. Deine Träume. Dann weißt du nicht, ob die Monster draußen im eisigen Wind lauern oder ob du sie in deinem Herzen mit hereingebracht hast.

Es wird die Zeit kommen, in der du ihnen in die Augen blicken musst.


2

Dies ist die Saga von Eyvor Unträumbar, Tochter [...]

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Anfang einer Saga


1

Vergiss, was du weißt.

Diese Saga kommt aus einer Zeit, in der Menschen nur geringen Anteil an dieser Welt hatten. Es war das Unsterbliche, das die Welt beherrschte und gestaltete. Das Monströse, das sie zermalmen würde.

Wenn die Welt ungeheuerlich ist, dann werden es auch deine Gedanken. Deine Träume. Dann weißt du nicht, ob die Monster draußen im eisigen Wind lauern oder ob du sie in deinem Herzen mit hereingebracht hast.

Es wird die Zeit kommen, in der du ihnen in die Augen blicken musst.


2

Dies ist die Saga von Eyvor Unträumbar, Tochter der Ássá und des Béga. Ássá und Béga waren Kinder eines umherziehenden Stammes aus Sápmi gewesen, von den Eisküsten des Nordens. Ássá und Béga hatten ihrer Tochter niemals gesagt, warum sie sich in der Fremde niedergelassen hatten, denn Ränke und Scham darüber waren im Spiel. Zunächst hatten sie mit Pelzen und Leder gehandelt, doch mit ihren flinken Händen und scharfen Augen brachte es Ássá als Weberin zu einigem Ruhm. Sie lehrte Eyvor das Weben.

Der Schiffsbauer Orm, der Holz-Orm genannt wurde – aus mehr als einem Grund –, heiratete Eyvor und zahlte ihrer Herkunft zum Trotz einen stattlichen Preis aus vielen breiten Armreifen, denn er brauchte ihre Kenntnisse für die Herstellung seiner Segel.

Eyvor und ihre Mutter und ihre Schwestern woben Segel für Holz-Orms Schiffe.

Sie brauchten dafür ebenso lange wie seine Männer brauchten, um die Schiffe zu fertigen, und auf den Reisen an den Küsten entlang nach Westen und nach Osten kam dem Segel ebenso viel Wert zu wie den Planken.

Holz-Orm selbst brach eines Tages ins Land Garðaríki auf, das im Osten liegt, denn dort fließen Flüsse nach Süden in fremde Meere zu neuen Reichen und Reichtümern. Er reiste mit fünf fertigen Segeln zu den Rus, einer gewaltigen, kostbaren Last, doch er starb auf dem Weg oder kam auf andere Weise abhanden, und niemand weiß, was mit seinen Segeln geschah.

Eyvor blieb zurück und trauerte nicht um Holz-Orm. Sie sagte zu einer ihrer Schwestern an dem Tag, an dem diese selbst heiraten sollte: „Ich bin heute Morgen aufgewacht und hatte vergessen, dass ich verheiratet war.“

Eine Weile webte sie weiter in Holz-Orms Webhaus mit ihrer Mutter, ihrer jüngsten Schwester und den Freigelassenen seines Haushalts. Eyvor verkaufte Tuch, lebte gut davon und von allem, was Holz-Orm, den Eyvor so rasch fortgeträumt hatte, ihr hinterlassen hatte.

Kurz nachdem die jüngste Schwester auf einen anderen Hof geheiratet hatte, starben Ássá und Béga an einem kalten Sturm, der aus dem Norden gekommen war, und an der Krankheit, die er mitgebracht hatte. Man munkelt, so habe ihr Stamm sie sich zurückgeholt.

Der Fluch aus Sápmi streckte auch nach Eyvor die Finger aus und sie wachte fieberkrank aus einem Traum voller Schnee auf. Mit feuchtem Husten in der Kehle schleppte sie sich zum Fjord, in dessen Schutz einst Holz-Orms Schiffe zusammengefügt worden waren.

Kein Schiff lag hier. Eyvor war allein. Doch in ihrem Traum hatte sie durch den Schnee hindurch ein Drachenboot mit blauem Segel gesehen.


3

Andere würden das Schiff einen unträumbaren Traum nennen.

Aber Träume reichen tief, und niemand weiß genau, welche davon wahrhaft unträumbar sind und welche Teil unseres Urðr, des Schicksals. Die Stimme in Eyvors Traum war aus der tiefgrünen Tiefe gekommen, ebenso wie eine Hand, auf der es von Seegras, Seepocken, Muscheln und kleinen Krebsen wimmelte. Diese Hand, die Hand der Meeresgöttin Rán, hatte Eyvor beschirmt und ihr das Drachenboot gezeigt.

Göttinnen sind Hüterinnen unträumbarer Träume. Welche Geschenke könnten mächtiger sein als etwas, das nicht nur unmöglich ist, sondern auch noch unträumbar? Rán begehrte solch ein Geschenk. Wenn Eyvor es ihr geben wollte, musste sie es erst erschaffen.

Eyvor musste gesund werden, um Rán ein Schiff zu bauen.

Dort, wo der Fjord breiter und seine Klippen niedriger wurden, lag ein Wald. Orm und seine Arbeiter hatten an diesem Ort das Holz für die Schiffe ausgewählt und es gab dort eine Hütte. In diese Hütte ging Eyvor und dort begann sie mit dem Bau ihres Drachenboots. Das Fieber und der Husten wichen aus Respekt vor dem Traum und der ihn hütenden Göttin.

Eyvor arbeitete allein an einem Ort, der nicht für sie bestimmt war. Das Unträumbare träumen ist schwer genug, doch es als Sámi zu träumen, es als Frau zu träumen in einem Land der Nordmänner, das ist schwerer, als die passenden Stämme zu finden, sie zu fällen, sie zu spalten, das Holz auf die richtige Weise zu trocknen, zu krümmen, zu ölen.

 

Hin und wieder ging sie zur Küste, um Rán zu sagen, dass sie aufgab. Dass der Schnee wiederkommen solle, um sie zu verschlingen. Alles sei besser, als noch einen Stamm zu spalten. Noch einen Fehler zu machen. Noch einmal mit der Leere des Scheiterns einzuschlafen.

Doch Rán schwieg, wie es die Art der Göttinnen ist. Die Nornen jedoch spinnen jedes Menschen Schicksal als Faden und verweben ihn mit anderen Fäden zu einem Tuch. Der erste Faden, den sie an den von Eyvor knüpften, war der von Wortriff-Tinna, einer Skaldin, obwohl es keine Skaldinnen gab. Ein weiterer Faden war von Störr-Skade, halbwild, mit einem Hauspeer in der einen Hand und ihren Kindern an der anderen. Ein weiterer Faden gehörte der Seherin, Herdis Kráka, dem Krähenkind. Wäre sie nicht gekommen, wäre Eyvors Schiff geblieben, wofür es alle hielten: ein unträumbarer Traum.

 

Eyvor nannte ihr Schiff Skjaldmær, Schildmaid.


4

Während Eyvor zum ersten Mal Bäume gefällt hatte, um sie in Wuchsrichtung zu spalten, hatte Tinna das Recht erworben, sich Skalde zu nennen.

Ihr Lehrmeister hatte ihr alles beigebracht, was er wusste, die Kunst der Drápa, der epischen Gedichte, und die Kunst der kürzeren Flokk, sogar, wie man die Níðs, die Schmähgedichte, führt wie einen Speer, der ins Herz eines gerüsteten Anführers fährt, ohne die Rüstung zu beschädigen. Tinna beherrschte die Kenningr, die Wörter, die ein anderes Wort meinen, und den Stabreim. Tinna kannte die Asen und die Vanen, die Geschlechter der Riesen und der anderen Ungesehenen, für die die Menschen Spielfiguren sind in ihrem Schicksalsspiel. Sie kannte ihre Geschichten und Óðinns zweihundert Namen. Tinna kannte Runen, nicht, wie eine Zauberin sie kennt, sondern sie kannte die Bilder der Runen und die dahinter verborgenen Bilder und die verborgenen Bilder wiederum dahinter.

Tinna war auf der Jagd nach einer Rune.

Es war eine Jagd ohne Waffen, eine Spurensuche, an deren Ende ein Ringen mit einem Geist stand.

Von dieser Rune flüsterte nur, wer sicher war, dass andere das Geheimnis bewahren würden. Tinna hatte sich als vertrauenswürdig erwiesen, die richtigen Fragen gestellt und im rechten Moment geschwiegen. Geduld und Hartnäckigkeit hatten sie auf die Fährte eines Mannes namens Hervard geführt. Die Spur führte zu seinem Grab.

Zu dieser Zeit hatte Eyvor gelernt, Stämme zu gleichmäßigen Planken zu spalten, und sie hatte einen langen Eichenstamm als Kiel ausgewählt und würde noch ein ganzes Jahr beobachten, wie der Baum den Stürmen trotzte, und entscheiden, welche seiner Äste später Bodenwrangen ergäben. Mal sprach sie ihm geduldig zu, an anderen Tagen verfluchte sie ihn.

Am Tag des großen Sturms, der die Eiche fällte, kam Tinna an Hervards Grab an. Viele Männer hatten schon danach gesucht, weil sie es auf Schätze und Schwerter abgesehen hatten, und so gönnte sich Hervard keine Ruhe im Tod. Der Hof in der Nähe war verlassen, denn erwachte Tote sind boshaft und wütend. Erst treiben sie das Vieh in den Irrsinn, dann dringen sie in die Träume der Menschen ein. Entweder, man sammelt seinen Mut und tritt ihnen entgegen, oder man sucht sich einen neuen Hof.

Tinna stand vor dem geöffneten Grabhügel. Auf der Schwelle hockte Hervard. Boshaft, in sich zusammengesunken starrte er mit gelben Augen in den Sturm.

Tinna verbeugte sich vor Hervard. „Ganz schön schlechtes Wetter, Bruder. Ich könnte wohl einen Ort zum Unterstellen gebrauchen.“

„Hast du mal auf dem Hof geschaut, Schwester?“

„Da spukt’s“, sagte Tinna.

Hervard meckerte ein trockenes Lachen und ließ sie eintreten.

Gemeinsam saßen sie in der niedrigen Kammer und das Licht der Blitze fing sich in Hervards Schwertern und Schätzen. Tinna ließ sich zu keinem einzigen Blick hinreißen.

„Nicht nur der Regen hat dich hergeführt, aber du hast weder Blick noch Hand nach meinen Schätzen ausgestreckt“, stellte Hervard nach sieben Blitzen fest.

„Du hast mich Schwester genannt, dann weißt du, was mich herführt.“

Hervards gelber Blick drang Tinna bis unter die Haut. Er entblößte algenbefallene Zähne – ein Lächeln. „Du hast von Peorþ gehört.“

Sie nickte.

„Sag es, es ist zu dunkel, um dich zu sehen!“

„Ich suche die Tiefe von Peorþ, die allen verborgen ist. Aber man sagt, du bist hinabgestiegen.“

„Das bin ich. Ich kann sie dir zeigen. Eine Sturmesnacht ist wie dafür gemacht.“ Damit stand der alte Leichnam auf und griff nach einem seiner Schwerter. „Nimm das andere!“

Tinna witterte eine Falle. Er würde ihr die Finger abschlagen, wenn sie nach seinem Schwert griff. „Ich habe ein Sax“, sagte sie.

Hervard der Draugr lachte erneut wie ein Ziegenbock. „Damit ist es schwerer. Leichter ist es mit meinem, denn es kennt Peorþs Linien schon.“

„Schwer bin ich gewohnt.“

Er nickte und schnitt seinen verfaulten Brustkorb auf. Das Leuchten seines alten Geistes schien heraus. „Zuerst musst du dein Herz rausholen.“

„Ich bin nicht tot wie du, ich werde daran sterben.“

„Nicht in meinem Grabhügel. Hier bin ich der Herr über den Tod.“

Tinna sammelte zwei Atemzüge lang ihren Mut, dann hob sie ihr Sax zur Brust und schnitt tief. Ihr eigenes Herz leuchtete wie eine eingesperrte Sonne. Es war ein seltsamer Schmerz, heiß und tief, als sie ihr Herz freiließ.

Sie rang nach Luft, doch es gab nur das Glühen der Sonne.

Hervard nahm sein Herz und zeigte es ihr. Auf dem pulsierenden Gelb war die Rune glutrot. „Du musst sie in dein Herz schneiden, dann vereint sie Hamr und Hugr – deine Form wird, was dein Geist wünscht. Das ist das Geheimnis.“

Tinna griff unter ihre Rippen und holte ihr Herz vorsichtig heraus. Es war, als hielte sie ihre Hand ganz nah an glühende Kohlen. Sie umklammerte das Sax mit aller Kraft, Hervard nickte ihr zu. Sein rostiger Kettenpanzer rasselte. Sie setzte die Spitze des Messers an.

„Die Magie dieser Rune auf deinem Herz wird deine Form nach deinen Wünschen wandeln. Anderen, die dich zu kennen glauben, wird sichtbar werden, wer du bist“, flüsterte Hervard eine letzte Warnung. „Sie werden das nicht mögen. Sie haben Worte und Strafen dafür.“

Doch Tinna schnitt, als hätte sie ihn gar nicht gehört, und rot blühte Peorþ auf ihrem Herzen auf.

Ein Blitz besiegelte es, und sie wusste später nicht mehr, wie sie ihr Herz wieder unter die Rippen geschoben, wie sie die Wunde geschlossen hatte. Als sie zu sich kam, lag sie mit der kurzen Klinge des Sax über der Brust auf Hervards Grab. Sie nahm ihren Schwertgurt ab und legte das Schwert ihres Vaters neben die Schwerter Hervards. Sie verbeugte sich auf der Schwelle und trat hinaus in den Regen.

 

Als Eyvor sah, dass die Eiche im Sturm gestürzt war, wusste sie, dass es kein Zurück gab. Sie schlug alle Äste ab und spannte Ochsen vor den Stamm. Er war der Kiel ihres Drachenboots.


5

Als Eyvor den Webstuhl aufbaute, um ganz allein ein Segel zu weben, hatte Skade gerade eine Tochter geboren, um deren Leben sie bangen musste, obwohl die Kleine gesund und munter zur Welt gekommen war.

Um zu erklären, was geschehen war, müssen wir jedoch weiter zurückgehen, denn Skades Weg in diese Geschichte beginnt früher als Eyvors Weg zu ihrem Schiff.

Als Skade zum ersten Mal einen Speer schwang, war ihr Erstgeborener Lífþrasir gerade alt genug, um den anderen Kindern des Hofs bei ihrem Treiben hinterherzutapsen. Sie selbst war nach der Geburt ihres zweiten Sohns noch nicht wieder in den Alltag eingespannt. Er war zu früh auf die Welt gekommen, und obwohl die Hebamme zuversichtlich gewesen war, hatte er in der ersten Nacht aufgehört zu atmen und Miðgarðr so schnell verlassen, wie er es betreten hatte. Skade selbst hatte sich schnell von den Strapazen der Geburt erholt – die anderen Frauen des Hofs hatten angemerkt, dass sie trotz ihrer schmalen Hüften wie dafür gemacht schien, weitere Kinder zur Welt zu bringen, ohne dass es sie wie so viele andere das Leben kosten würde.

Sie hatte das unbenannte tote Kind begraben. Der kleine Líf lebte und war gesund – und sie würde sicherlich noch häufiger schwanger werden, als ihr lieb war.

Jetzt war eine Zeit, sie selbst zu sein, und nur sie. Sie wirbelte den Speer durch die Luft und hielt damit unsichtbare Unholde auf Abstand. Dabei schlug ihr der Schaft gegen den Hinterkopf – doch sie ließ sich nichts anmerken. Es tat gut, ihren Körper zu spüren ohne die Trägheit der vergangenen Monate, die veränderte Balance und die Zipperlein, die selbst die gesündeste Schwangere heimsuchen.

Hákon schüttelte lachend den Kopf. „An dir ist ein Krieger verloren gegangen. Oder eine Schildmaid: Skade Stoßspeer! Freyja hätte einen Jungen aus dir machen können!“

Sie ignorierte ihn. Selbst, wenn sie sich vor ihm lächerlich machte: Er würde niemandem davon erzählen, und der Drang, die Waffe auszuprobieren, den Speer zu führen, statt ins Webhaus zurückzukehren, war einfach zu stark. Alle Muskeln gleichzeitig zu bewegen braute ein Gefühl der Lebendigkeit zusammen, das einen Schleier zwischen sie und die Tränen der letzten Tage warf. Hákon sah immer wieder vom schweren Leib der Bache auf, die er auf dem Tisch zerlegte. Seine Hände waren blutbeschmiert – wie die der Hebamme, dachte Skade und verwirbelte mit dem Speer alle Gedanken.

Hákon sagte so etwas ab und an. Vielleicht wünschte er tatsächlich, sie wäre ein Mann, vielleicht hätte das ihre Freundschaft einfacher gemacht. Aber er mochte sie dennoch, und dass er glaubte, es besser zu wissen als Freyja, schmeichelte ihr, ohne dass sie ganz fassen konnte, weshalb. Seit sie auf dem Hof voller Fremder angekommen war, war er ihr erster und bester Verbündeter. Er war nicht Teil von Ivars Hof, sondern ein Sonderling, der Gejagtes gegen Alltägliches tauschte.

Skade hatte ihren Spaß, wenn sie unter ihrem Ehemann lag, aber ansonsten war mit Ivar nicht viel anzufangen. Mit Hákon konnte sie scherzen und spotten wie mit einem Bruder. Ivar ahnte nicht, dass sie Zeit mit einem anderen Mann verbrachte, und er durfte es auch nie erfahren. Ivar tobte nicht wie andere Männer. Zum Glück fuhr er jedes Jahr monatelang auf Víking.

Hákon jedoch blieb und hatte keine Frau, die eifersüchtig werden konnte.

Blut glänzte auf der Spitze des Federspießes. Hákon hatte sie noch nicht gereinigt, nachdem er die Wildsau damit erlegt hatte, und Skade hegte kurz die beinahe kindliche Fantasie, sie halte den Speer einer Schildmaid aus den Sagas. „Zeig mir, wie es geht!“, forderte sie und stellte den Fuß des Speers schwer atmend auf dem Boden ab.

„Na gern! Schnapp dir dein Messer, dann lernst du, wie man eine Sau ausnimmt!“, erwiderte er mit einem Zwinkern.

„Du weißt genau, was ich meine, du Furz von einem Waldtroll!“ Sie musste bald wieder zurück, Líf würde nach ihr suchen. „Du hast es versprochen.“

„Und ich halte meine Versprechen“, sagte er. „Aber heute ist mir die Sau dazwischengekommen. Wir können früh üben, wenn du deinen Hintern vor allen anderen aus dem Bett bekommst.“

„Ich bin morgen früh hier!“

„Das hat aber nichts mit dem Tänzchen zu tun, das du da aufführst“, sagte Hákon.

„In der Arnviðr-Saga heißt es, die geschicktesten Schwertkämpfer sind auch gute Tänzer.“

„Von Schwertern verstehe ich so wenig wie von Sagas.“

„Aber von Speeren.“

„Davon ja.“ Geschickt trennte er mit der Klinge Fell von Fleisch.

Sie konnte sich noch nicht vom Speer trennen, blickte nach oben, betrachtete die blattförmige Spitze und die kurze Querstange darunter. „Wozu die Querstange? Stört die nicht beim Zustoßen?“

„Es stört die Sau dabei, dich zu töten! Stell dir vor, das Wildschwein hier“, er drückte gegen den massigen Leib, „rennt auf dich zu und du spießt es auf. Wildschweine sind schlau, aber wenn der Zorn sie packt, sind sie nicht zu bremsen. In ihrer Raserei merkt die Sau nicht, dass sie eigentlich schon tot ist.“

„Wie ein Berserker.“

„Ohne die Querstange könnte die Bache den Schaft des Speers mit ihrem ganzen Gewicht und der Wucht des Ansturms einfach durch sich hindurchtreiben und dich mit ihren Haken aufschlitzen.“ Er hielt sich das Sax als gewaltigen Eckzahn an den Unterkiefer.

„Hält man damit auch einen Keiler auf? Oder sagen wir einen … Berserker?“

Hákon legte das Messer beiseite und stützte sich auf den Tisch, musterte den offenen Leib darauf und wich ihrem Blick aus. „Einen Berserker tötest du nicht mit einem Stich. Du kannst nicht gegen jemanden gewinnen, dem es egal ist, ob er verletzt wird. Da rettet dich auch die Querstange nicht“, sagte er, als das Schweigen zu lang andauerte.

„Welche Waffe würdest du gegen den Berserker nehmen?“ Dies hier war gefährliches Terrain, und in welcher Tonlage solche Fragen gestellt wurden, entschied alles.

„Meine Beine. Ich würde weglaufen und die Götter und alle Ungesehenen um Gnade anflehen.“

„Was, wenn er dich in die Enge getrieben hätte?“

„Dann würde ich eine Waffe nehmen, die schreckliche Wunden schlägt. Mit der man einen Gegner auf Abstand halten kann und Fleisch, Muskeln, Sehnen durchtrennt und Knochen zertrümmert. Mit der man ins Herz stoßen, aber auch Gliedmaßen abschlagen kann. Ich würde einen Hauspeer nehmen.“

„Aha“, sagte Skade.

„Das ist eine Kriegswaffe, kein Jagdwerkzeug“, sagte Hákon leise.

„Ich will weder jagen noch in den Krieg ziehen. Ich lerne es wie einen Tanz.“

Er gab sich mit einem Seufzen geschlagen. „Dann, Skade Widderkopf, sehen wir uns morgen früh nach Sonnenaufgang auf der Lichtung. Du wirst sehen, wie man mit dem Hauspeer tanzt.“

Sie jubelte innerlich. Äußerlich blieb sie gelassen. „Ich werde da sein. Wenn Lífþrasir mich lässt.“

Hákon nickte und hielt am nächsten Tag sein Versprechen.

 

„Ich werf es gegen die Wand! Ich ersäuf es im Fluss“, brüllte Ivar zwei Jahre später. „Du läufige Trollin! Das ist nicht meine Tochter! Es ist seins, nicht wahr? Seins!“ Er spie vor Zorn, und die Speicheltröpfchen trafen Skade, die sich an die kalte Rückwand der Schlafnische presste, die Tochter schützend an sich gedrückt und nach der Geburt am Ende ihrer Kräfte.

Die alte Hebamme redete auf Ivar ein, ihre Schwester war weinend aus dem Haus gerannt. Das Neugeborene klagte leise.

Es war sein Kind, natürlich war es seins! Loki spielte Skade einen grausamen Streich damit, dass er ihrer Tochter ein Grübchen am Kinn verpasst hatte! Ein Grübchen, wie Hákon eins hatte. Skade verfluchte ihn – jeden ihn; alle Männer, sogar Hákon und seine Kinnkerbe, aber besonders Loki, Ivar und alle, die das Langhaus nicht betraten und Ivar seiner Wut überließen.

Die Skade und das Neugeborene Ivars Wut überließen.

Gefährlich wie eine Feuersbrunst war Ivar, wenn er sich der Bärenwut hingab. Sie machte ihn im Krieg zu einem schier unbezwingbaren Kämpfer und besungenen Helden, aber brachte im Frieden alle, die ihm nah waren, in Lebensgefahr. Skade wusste, dass sie ihn nicht reizen durfte, und tat es trotzdem oft, weil ihre Zähne sich weigerten, auf ihre Zunge zu beißen. Sie verlor selbst die Beherrschung – über Gedanken, die zu Gesprochenem wurden! Oft schon hatte er geklagt, einen zu hohen Brautpreis für ein störrisches Weib gezahlt zu haben. Ihre Schönheit, das Erbe ihrer Mutter, habe ihn geblendet. Trotzdem mied er Konflikte mit ihr – er wusste, warum.

Doch diesmal – diesmal stand er kurz vor der Bärenwut. Adern pochten dick unter seiner Haut, das Weiße der Augen wurde rot. Er brüllte wortlos und das vertrieb auch die Hebamme. Mit sich hebenden und senkenden Schultern kämpfte er mühsam um seine Beherrschung.

„Gib sie mir!“, flüsterte er heiser. „Her mit dem kleinen Bastard.“ Seine Schreie klingelten noch in ihren Ohren. „Gib sie mir freiwillig, sonst kann ich dir nicht versprechen, dass du überlebst.“

Sie wimmerte vor Angst. Um sich selbst, aber vor allem um dieses kleine Mädchen, das in ihrem Körper begonnen hatte zu leben und nun in ihren Armen lebte.

Was, wenn sie es ihm gab? Dann wäre es tot wie das zweite. Noch hatte es keinen Namen. Keine Fylgja. Keinen Geist.

Aber es war so lebendig, und es war sein Kind! Sie zitterte am ganzen Leib. Sie konnte riechen, wie das Tier in seinem Innern Besitz von ihm ergriff, und es raubte ihr den Atem.

„Bitte, ich schwöre dir, Ivar, es ist dein Kind. Deine Tochter!“ Sie schluchzte.

„Du sollst sie mir geben.“ Die künstliche Ruhe in seiner Stimme verflog, er presste die Worte zwischen den Zähnen hervor, ein entweichender Dunst aus Hass. Die Pranken zu roten Fäusten geballt schwollen die Muskeln seiner Arme an, stemmten sich zitternd gegen den Stoff. Ivar kämpfte um die eigene Beherrschung – und er würde diesen Kampf verlieren.

Wenn sie das Kind weiter an sich presste, würde er nicht an sich halten. Das Neugeborene töten, sie töten, andere auf dem Hof … vielleicht sogar Lífþrasir. Und trotzdem konnte sie es nicht loslassen. Sie musste Verwirrung in seine Wut streuen wie Sand in die Augen eines Feindes. Das Kind an sich gedrückt kroch sie aus der Bettnische mit Gliedern wie aus Holz. Sie schützte es mit ihrem Körper, als sie vor Ivar auf die Knie sank. Ihr Körper schmerzte, aber sie ignorierte ihn und senkte den Kopf. Vermisste Ivar nicht stets Ergebenheit an seiner Frau? Hier war sie.

Sie hasste ihn dafür, dass er sie um das Leben seines eigenen Kindes flehen ließ. Doch in ihren Adern pulsierte kein göttlicher Herzschlag und dieser Hass blieb wirkungslos.

Aber die Geste blieb es nicht. Seine Hände entspannten sich. Er atmete schnaufend ein.

„Du schwörst, dass das mein Kind ist und nicht das von Hákon dem Níðingr?“

„Ja! Ich schwöre es!“ Das fiel ihr leicht, es war die Wahrheit.

„Dann ist dir das Leben unserer Tochter sicher mehr wert als das Leben irgendeines freien Mannes“, sagte er und die besinnungslose Wut wich kalter Bosheit in seinem Blick.

„Ja, natürlich.“ Sie ergriff die Gelegenheit, das Leben ihrer Tochter zu retten, ohne zu zögern.

„Unsere Tochter wird leben, Skade. Ich stelle auf andere Weise sicher, dass unsere Ehre intakt ist“, sagte er und verließ das Haus.

Skade sackte an die Bettstatt, aber die Erleichterung kam nicht. Stunden später lag das Erlebte bereits wie unter einem Schleier. Sie zeigte Líf das neue Schwesterchen und kümmerte sich gemeinsam mit der Hebamme um ihre Tochter. Das Mädchen, das Ivar später Heiðr nannte, nach seiner Mutter, trank gierig und kräftig, als wüsste es, dass es schnell stark werden musste in dieser Welt.

Hákons Leiche fand man in seiner Hütte am Waldrand. Er war zu Tode geprügelt worden. Ivar machte keinen Hehl daraus, prahlte aber auch nicht damit, zahlte Blutgeld an Hákons Familie, und damit war die Sache erledigt.

Skade schloss die Trauer für den geliebten Freund mit der Schuld in sich ein. Tage später stahl sie sich zu Hákons verwüsteter Hütte, nahm den Hauspeer mit der langen Klinge und versteckte ihn in einer Scheune. Mit dem letzten Blick auf den Speer schwor sie, dass Ivar nie wieder jemandem etwas antun würde, den sie liebte.


6

Als Eyvor sich daran versuchte, die Planken der Außenhaut wie Ziegel aneinanderzulegen und mit Eisen zu vernieten, war Herdis Kráka allein in der Halle ihres Großvaters und nahm den Zierrat von der Wand. Er hatte ihrem Vater Bolli gehört und ihre Mutter hatte ihn aus dem Osten mitgebracht – anders als ihren Vater, denn Bolli war lange schon tot. Wenn Herdis’ Großvater getrunken hatte, zischte er stets, dass sein Schwiegersohn vieles gewesen sei, aber gewiss nicht Herdis’ und Birgers Vater. Er wünschte wohl auch, Folka sei nicht ihre Mutter, aber so etwas ließ sich nun einmal nicht leugnen.

Bolli hatte in der Leibgarde eines Königs gedient, in Mikligarðr im Osten und Süden. Folka lachte jedes Mal darüber und sagte, es heiße Konstantinopel nach seinem größten König. Als Bolli im Kampf gefallen war, war Folka zu ihrem Vater heimgekehrt, denn welchen Platz hatte Mikligarðr für eine Witwe wie sie? Kaum bei ihrem Vater angekommen war sie aufs Lager gefallen und hatte Zwillinge geboren.

Birger und Herdis sahen nicht aus, wie man sich Bollis und Folkas Kinder ausgemalt hatte. Warum sie so dunkel seien, hatte Folkas Vater gefragt. „Im Süden schien viel die Sonne“, hatte Folka leichthin erwidert.

Herdis ließ ihre Hand über den Zierrat gleiten. Er war alt, sehr, sehr alt, hatte ihre Mutter gesagt, und er sei ihrem Vater vor allem wegen der Edelsteine darauf gegeben worden.

Die Klinge war das, was so sehr, sehr alt war; eine kurze, breite und an der Spitze dreieckig zulaufende Klinge. Die Schneiden waren inzwischen stumpf, teils uneben, was das Silber, mit dem die Klinge überzogen war, jedoch verhehlte. Ein altes Schwert, in Ehre entlassen. Den Grünspan putzte Folka stets fort, denn es war eines von zwei Andenken an Bolli: dieses Schwert, das ihre Mutter Gladius nannte, und die gewaltige zweihändige Dänenaxt, die Bolli als Leibwache geführt hatte; ungleiche Zwillinge.

Sie hatte beide Waffen im Traum gesehen – einem beunruhigenden Traum, selbst für jemanden wie Herdis, die nur beunruhigende Träume kannte. Ihre Krähe äugte aus dem Windloch herein.

„Es ist niemand da“, murmelte Herdis, die nicht aufschauen musste, um den Vogel zu bemerken. Normalerweise wurde die Krähe vertrieben, wenn sie sich zu nah an die Menschen wagte.

Sie fuhr mit den Fingern über die Klinge zum bronzenen Parierstück. Dieses war im Gegensatz zur Klinge neu, reich mit Steinen geschmückt umschmiegte es den Griff aus Holz und Elfenbein. Herdis setzte die Schwertspitze zwischen ihren Beinen auf den Boden und drehte die Waffe vorsichtig, wie die Völva es mit ihrem Eisenstab tat.

Gestern Abend war Birger fortgegangen. Er war ein Berserker, seit seiner Geburt, und als solcher würde man ihn auf dem Siebten Langboot darin unterweisen, seine Wut in die richtigen Bahnen zu lenken, Feinde statt Freunde zu zerschmettern. Seine Krähe war mit ihm gezogen, und er, nur wenig breiter und größer als seine Zwillingsschwester, würde lernen müssen, die Dänenaxt zu führen, die ihn noch lange überragen würde.

Herdis drehte das Schwert wie die Völva den Stab und beschwor den Traum erneut herauf:

 

Ein Schwarm aus Schwertern auf spiegelndem Eis

Ein Schwirren von Schwarzmöwen unter stürmischen Himmeln

Schwert und Schweif führen Schwester und Bruder

Sie schlagen die Schlacht, bis Schwertwasser fließt

 

Im Traum war es ihre Hand gewesen, die das Schwert führte – und Birgers Hände schwangen die Dänenaxt. Erbittert waren sie aufeinandergeprallt: Funken und abgesprungenes Silber.

 

Fest in der Faust des Fimbulwinters gehalten

Die Frucht der Folka fällt in der Schlacht

Es fallen aus Vogelhöhen einander ferner Schwärme

Die Flüche des Fjölnir, die Vögel ihrer Seelen.

 

Gegeneinander würden sie kämpfen in jenem letzten langen Winter vor dem Weltenende, in jenem Zeitalter der Wölfe. Herdis war zu schlau, um zu hoffen, eine Weissagung ändern zu können, die schon geträumt war. Aber anders als die Männer der Sagas würde sie die Warnung nicht in den Wind schlagen und halsstarrig weitermachen, wonach ihr vor der Prophezeiung der Sinn gestanden hatte.

Nicht nur Birger war seit seiner Geburt von Óðinn erwählt, auch sie war es. Wie alle Menschen bestanden Auserwählte aus vier Teilen: Hamr, die Form des Körpers. Hugr, der Kern des Wesens. Fylgja, der Geist einer Ahnin. Und ihr Glück. Doch bei den Auserwählten nahm Fylgja die Form einer Krähe an, die stets in der Nähe und so unvermeidlich wie unverwüstlich war. Eine Fylgja außerhalb des Körpers ließ Platz für Óðinns Geschenk. Bei Männern war es die Berserkerwut. Bei Frauen war es Seiðr, die gefährlichste und mächtigste aller magischen Gaben.

Mit dieser Gabe mochte Herdis herausfinden, welches Schicksal sie sterbend erfüllen würde. Und warum sie dieses stumpfe Schwert so gut würde führen können, dass ihr Bruder mit ihr starb.

 

Als Herdis Gladius zum ersten Mal drehte wie eine Völva ihren Stab und dabei doch nur in einen Schleier blickte, den die Nornen zwischen sie und ihre Bestimmung warfen, begriff Eyvor, dass sie mit dem Beplanken von vorn würde beginnen müssen. So oft sie auch geholfen, zugesehen und mitgeschwitzt hatte, wenn Holz-Orm mit den Schmieden, den Zimmerleuten und allen helfenden Händen die Planken gefügt hatte, so deutlich wurde ihr nun, dass niemand allein in einem Wald ein Schiff bauen konnte.


7

Eyvor steckte in einem unmöglichen Traum.

Sie hatte aufgehört, daran zu glauben. Meist stand sie dennoch morgens auf und fällte Bäume. Versuchte, dennoch Planken zu spalten, zu krümmen, festzunieten. Holte Tierhaar von den benachbarten Höfen, um die Zwischenräume damit abzudichten. Sammelte es selbst in den Ställen auf. Sie hatte begonnen, das Segel zu weben, doch es waren erst wenige Handbreit geschafft. Ein Schiff, das nicht existierte, konnte auch nicht segeln. Überhaupt, wer sollte es segeln?

Manchmal stand sie morgens nicht auf, sondern wartete darauf, aus diesem Traum aufzuwachen. Doch wenn Göttinnen rufen, kann man nicht einfach so tun, als höre man sie nicht.


8

An solch einem Morgen fand Tinna zu Eyvor.

Als sie von Hervards Grab zurückgekehrt war, hatte Tinna ihrem Lehrmeister gesagt, sie beabsichtige nicht, Fürsten als Skalde zu dienen, sondern als Skaldin. Er hatte nur den Kopf geschüttelt. Er kannte Tinna schon lange, hatte einiges geahnt und manches gefürchtet.

Argr-Tinna hatte man sie in der Fürstenhalle genannt. Hervard hatte sie gewarnt: Argr, das bezeichnet Männer, die feige sind, weibisch, die sich für andere Männer bücken oder im ärgsten Falle alles zugleich. Tinna hatte versucht, eine Skaldin zu sein, und war gescheitert. Es gab keine Skaldin in den Hallen von Fürsten.

Es gab überhaupt keine Skaldinnen.

Dabei war an ihrer Dichtkunst nichts auszusetzen: Ihre Drapa hatten Flügel, ihre Níðs hatten Klauen, und so ging sie im Hinterland, wo niemand ihren Beinamen kannte, von Hof zu Hof und erwarb sich Brot und Bier damit, dass sie den gastgebenden Hausherrn zur Freude seiner Frau verspottete, aber die Feinde des Hausherrn noch mehr. Sie spann in jede kleinliche Fehde ein wenig Glanz, Größe und göttliches Schicksal, brachte beide Parteien zu Fall, doch die eine landete wie eine Katze auf den Füßen und die andere wie ein hörnerloses Lamm auf dem Kopf.

Sie war weit in den Norden gereist, wo die Fürsten mehrere Frauen hatten und die Höfe einsam und karg waren, ohne Goldplaketten an den Säulen. Als die Tage kürzer wurden, schien ihr die Welt klein, nur wenige Tagesmärsche würden sie wieder dorthin bringen, wo man ihrem Namen ein Schmähwort hinzufügte. Da hörte sie von einer Frau, die allein im Wald ein Schiff baute.

Eyvor Unträumbar nannte man sie und dieses Schmähwort entzündete etwas in Tinna. Unträumbare Träume waren ihr Spezialgebiet. Sie hegte ihre eigenen und besang die der anderen.

Sie fand das steil aufgestellte Schiff im Wald – gefällte Bäume und herumliegende, verworfene Trümmer hatten ihr den Weg gewiesen. Es war noch nicht viel, aber es ähnelte durchaus einem Schiff. Sie umrundete es und hielt Ausschau.

Unweit der Baustelle stand eine Hütte.

In dieser Hütte war eine Frau dabei, Thor aufzufordern, ihr das Dach über dem Kopf zusammenbrechen zu lassen. Thor jedoch hatte gerade Besseres zu tun und statt eines Donnergrollens klopften Knöchel an der Tür. Die Frau setzte sich vorwurfsvoll auf. Es fiel kaum Licht in die Hütte und Tinna blieb auf der Schwelle stehen.

„Bist du Eyvor Unträumbar?“

„Eyvor Bégasdóttir bin ich. Was willst du?“ Sie schwang die Beine vom Lager, verschränkte die Arme und baute sich vor Tinna auf, die in den Raum trat, um nicht größer zu wirken, als sie ohnehin war. Sie überragte Eyvor dennoch um zwei Haupteslängen, und diese nahm es zur Kenntnis mit der Resignation einer Person, die immer die kleinste im Raum ist, sofern keine Kinder anwesend sind.

„Ich bin Tinna Skaldkuna.“

„Wenn du nur Worte und nicht Hammer, Dechsel oder Bohrer schwingen kannst, gibt es hier keine Geschichte für dich.“

Tinna setzte sich auf einen Hocker und Eyvor ihr gegenüber auf die Bank neben der Tür. Sie musterten einander, das schmale neugierige, blondumrahmte Gesicht mit der kühnen Nase sah in das runde, argwöhnische mit den hohen Wangenknochen.

„Es gibt also nur etwas zu besingen, wenn ich mehr beitrage als Verse?“

„Wenn du keine harte Arbeit gewöhnt bist, ist das hier nichts für dich.“

„Die härteste Arbeit hier scheint zu sein, vor dem Mittag aus dem Bett zu kommen. Und mir ist gelungen, dich dazu zu bewegen.“

„Du siehst nicht gerade kräftig aus.“

„Mehr als die Kraft meiner Arme treiben meine Spottgedichte an, aber meine Hände sind auch nicht ohne.“

Eyvor musterte sie, dann stand sie abrupt auf und warf den unordentlichen braunen Zopf auf den Rücken. „Wir arbeiten, bis es Nacht wird. Wir werden sehen, Versenschmiedin, was du mit einem Hammer taugst.“


9

Eine Zeit lang arbeiteten sie zu zweit, und Eyvor versuchte seltener, den Ruf der Rán zu ignorieren. Die Außenhaut gedieh so weit, dass sie bald bei der dicksten Planke an der zukünftigen Wasserlinie angekommen waren, und die erste Bahn des Segels war auf dem Webstuhl ein paar Handbreit gewachsen.

Am nächsten Morgen fand Tinna Eyvor am Meer, an das der Wald fast heranreichte. Ráns gierige Gezeiten hatten haufenweise Algen angespült, die ihr nicht geheuer waren. Vom anderen Ende der Bucht kam ein Boot herüber, drei Gestalten saßen darin.

„Wartest du auf jemanden?“, fragte sie. Eyvor neben ihr schüttelte den Kopf.

Es war ein grauer Tag im Góa, an der Schwelle zwischen Winter und Frühjahr, nicht neblig, aber so trüb, dass die drei in dem Boot genauso gut eine Botschaft aus unterseeischer Tiefe hätten sein können. Eyvor sah aus, als fürchte sie genau das.

„Es sind drei Mädchen.“ Tinna erkannte Haar und Kleidung. Eine von ihnen war eine Ambátt, das Haar kurz geschnitten. Die beiden anderen trugen Stirnbänder und das Haar zu Knoten am Hinterkopf verschlungen. „Sie rudern wie Leute, die keine Übung darin haben. Ich glaube nicht, dass deine Göttin sie geschickt hat.“

„Dann sind sie geschickt, um meinem Treiben ein Ende zu machen.“

„Man lacht über Eyvor Unträumbar. ›Soll sie es doch versuchen‹, sagt man. ›Sie wird schon sehen.‹ Ich glaube nicht, dass man dir drei Mädchen schickt, um dir deinen Untraum zu nehmen.“ Außerdem hätten sie den Landweg gewählt und keine Nussschale durch den Fjord gejagt.

Sie warteten am Strand auf Antworten. Schließlich kratzte der Kiel im Sand, Algenberge gaben unter den letzten Paddelschlägen nach, dann sprang die Ambátt heraus und schob das Boot mithilfe der Wellen so weit auf den Strand, dass die beiden Mädchen aussteigen konnten, ohne nasse Füße zu bekommen. Die Ungeduldigere wurde dennoch von einer Welle eingeholt, die ihre Schuhe überspülte.

„Bist du Eyvor Unträumbar?“, fragte die Älteste, die vielleicht siebzehn war, und ihr Blick heftete sich auf Tinna. Ihr braunes Haar hatte in den Längen den Rotstich, der entstand, wenn man es mit Lauge heller wusch. Ihre ungeduldige Gefährtin war strohblond und wirkte herrisch – oder unsicher – in der Art, wie sie ihr Gesicht verzog. Die Ambátt schließlich war dunkelhaarig, voller Sommersprossen und klein, schmaler als die beiden Freien, aber nicht so dünn, dass es den Anschein machte, sie sei schlecht behandelt worden.

„Das hier ist Eyvor Unträumbar, die Erbauerin der Skjaldmær. Ich bin Tinna, ihre Skaldin.“

„Was wollt ihr hier? In wessen Auftrag seid ihr hier?“, fragte Eyvor.

„Wir sind hier, um … Ich bin Gudny, das ist Thorbjorg, meine Cousine, und das ist unsere Dienerin Unn.“

Sie sagten nicht, wessen Töchter sie waren. Tinna sah Eyvor unauffällig von der Seite an. Sie würde nach ihrem vollen Namen fragen und sie dann wieder auf ihre Höfe schicken. Wenn sie fortgelaufenen Töchtern Obdach bot, würde es nicht mehr lange gut gehen mit ihrem Untraum. Aber Eyvor maß die drei Mädchen mit Blicken.

„An den Paddeln hattet ihr es schwer. Vielleicht habt ihr an Hämmern und Beilen mehr Glück. Kommt mit.“

Judith C. Vogt

Über Judith C. Vogt

Biografie

Judith Vogt (geb. 1981) brennt für die drei großen F: Fantastik, Fechten, Feminismus. Manchmal allein, manchmal mit Co-Autor Christian Vogt schreibt sie Fantasy- und Science-Fiction-Romane, mit Lena Richter podcastet sie beim „Genderswapped Podcast“ zu feministischen Themen im...

Christian Vogt

Über Christian Vogt

Biografie

Christian Vogt, Jahrgang 1979 und promovierter Physiker, kombinierte seine Vorliebe für Naturwissenschaft und Schriftstellerei in Steampunk- und Science-Fiction-Welten. Gemeinsam mit seiner Frau Judith veröffentlichte er zehn Romane, darunter den historischen Fantasykrimi „Anarchie Déco“. Außerdem...

Zu den historischen Hintergründen des Romans

Eine der Protagonistinnen in „Schildmaid“, Eyvor, ist die Witwe eines Schiffsbauers, die verborgen in einem norwegischen Fjord einen unträumbaren Traum verwirklichen will: Sie macht sich daran, ihr eigenes Langboot zu bauen. 

Das skandinavische Frühmittelalter war alles andere als ein gleichberechtigtes Utopia. Und dennoch gibt es schillernde Ausnahmegeschichten: Hervör etwa, die eine männliche Rolle annimmt, um ihrem untoten Vater das Familienschwert abzunehmen. Ragnar Loðbróks Frau, die Schildmaid Lagertha, die sich besonders aufgrund der charismatischen Rolle in der Serie „Vikings“ großer Beliebtheit erfreut. 

Oder Gudrun, die als Kriegerin jedem Mann widersteht, bis sie in die Machtspiele von Königen verstrickt wird. Oder die Witwe Aud die Tiefsinnige, die im Geheimen ein Schiff bauen ließ, um mit  ihren Getreuen nach Island aufzubrechen. Die Chroniken der Landnahme Islands berichten von  mehreren Frauen, die auf eigene Faust und unverheiratet dort ankamen – vielleicht, um ein  selbstbestimmteres Leben zu führen? 

Denn eins ist ganz sicher: Wo auch immer eine Gesellschaft einen starren Rahmen vorgibt, in  dem Menschen zu leben haben, gibt es Menschen, die daraus ausbrechen. Es sind ihre Geschichten,  die uns zu „Schildmaid“ inspiriert haben. Unser Roman ballt die kleinen und selten erzählten  Geschichten vom Ausbruch aus der festgelegten Rolle zu einer großen Saga des Widerstands und der Flucht. Eine Geschichte, die so nie erzählt wurde – wir wollen sie erzählen.

Mehr über unsere Recherche und die aktuellen Erkenntnisse von Historiker*innen und Archäolog*innen findet sich im Nachwort des Romans

„Traditionelle Motive in Frage stellen, um etwas Neues zu erzählen.“ Interview mit den Autoren Judith und Christian Vogt

Worum geht es in  „Schildmaid“?
In „Schildmaid“, einem historischen Fantasy-Roman, geht es um eine Gruppe Frauen, die aus  verschiedenen Gründen Außenseiterinnen sind und somit aus den starren Gesellschaftsstrukturen  herausfallen. Ihre Flucht an Bord eines Langschiffs wird zu einem göttlichen Auftrag und schließlich zur Suche nach einem selbstbestimmten Platz in der Welt. Begegnungen mit Meeresungeheuern, einer in der Nordsee untergegangenen bronzezeitlichen Zivilisation, Frostriesen und das Picknick mit  einer Göttin und einer magischen Kuh sind dabei sowohl hilfreich als auch hinderlich.

„Schildmaid“ ist nicht nur der Titel des Romans, sondern auch der Name des Schiffs, mit dem die Protagonistinnen reisen. Bezieht er sich auch auf die Protagonistinnen, also sind diese die eigentlichen Schildmaiden?
Das Schiff heißt Skjaldmær, also altnordisch für Schildmaid. Schildmaiden sind zudem die Kriegerinnen der Sagas, die auch unsere Protagonistinnen kennen und denen sie teils nacheifern. Der Begriff ist ja ganz interessant: Das Gewaltvolle, Kriegerische des Vikingzeitalters begeistert und stößt ab, und trotzdem hätten wir (genauso wie die Protagonistinnen) gern, dass Frauen als Schildmaiden daran Anteil haben. Aber ist es in einer Gesellschaft, die so sehr auf männlicher Dominanz und Gewalt aufgebaut ist, wirklich ein Zeichen von Ermächtigung, dieses Spiel mitzuspielen? Das ist nicht nur eine Frage auf einer erzählerischen Meta-Ebene – die Frauen im Roman plagen sich auch mit solchen Gedanken, während sie sich definitiv einen Ruf als Schildmaiden erobern.


Es geht also um eine Gruppe Frauen, die sich gegen die Rolle stemmen, die ihnen (vermeintlich) von den Göttern zugedacht wurde. Ist das ein Thema, dass Sie besonders fasziniert?
Kurz gesagt: Ja! Die Götter stehen sinnbildlich für eine Weltordnung, die Menschen schon bei der Geburt bestimmte und sehr eng gesteckte Rollen zuweist. Letztlich nimmt „Schildmaid“ das Vikingzeitalter als Hintergrund, um eine Geschichte über Zwänge und das Ausbrechen daraus zu erzählen, die (leider) zeitlos ist. 

Gab es historische Vorbilder für die Figuren in „Schildmaid“?
In den Sagas der Landnahme Islands gibt es Auðr die Tiefsinnige, die im Verborgenen ein Schiff hat bauen lassen. Ihre Route war sehr ähnlich zur Fahrt der Skjaldmær (ohne den Zwischenstopp im Atlantis der Nordsee). Auðr war im Gegensatz zu den Protagonistinnen von „Schildmaid“ jedoch eine mächtige, privilegierte Frau, die durchs Verheiraten ihrer Enkelinnen bei den Stationen ihrer Reise politische Bande geknüpft hat – somit im Prinzip eine klassische Gewinnerin des Patriarchats. Heute wäre sie vielleicht CEO eines Großkonzerns. 

Viele altnordische Geschichten erzählen von außergewöhnlichen Frauen – in der Fiktion wurde das Ausbrechen geduldet, das in der Realität sanktioniert war. Semihistorische Schildmaiden wie Hervör und Lagertha haben dabei genauso ihre Spuren bei uns hinterlassen wie weitgereiste  Pionierinnen wie Freydis Eiriksdottir und mythische Figuren wie die Riesin Skadi. 

Haben Sie Favoriten bei Ihren Figuren, und wenn ja, welche davon ist Ihnen am meisten ans Herz gewachsen?
Christian Vogt: Ich mag die beiden Perspektivfiguren. An Skade mag ich ihre geradlinige Art, sich in Schwierigkeiten zu bringen, und dass sie eine Figur ist, die Mutter ist, aber nicht auf die Mutterrolle beschränkt – sie kann hervorragend in Hintern treten. Tinna, die andere Perspektivfigur, ist Skaldin, und Figuren, die auch innerhalb der Geschichte eine Geschichte erzählen, mag ich sehr. Wir haben zwar zwei Perspektiven, aber diese nicht zwischen uns aufgeteilt, sodass wir beide aus Skades und Tinnas Sicht geschrieben haben. 

Judith Vogt: Bei den Nebenfiguren ist mir Ulfberht ans Herz gewachsen. Ulfberht hat sich nach der Aufschrift auf einem fränkischen Schwert benannt (die Ulberht-Klingen gab es wirklich). Ulfberht ist genderfluid, wechselt also das Geschlecht, steht damit in der Tradition von altnordischen  „Genderbendern“ wie Loki und Hervör/Hervard – und verbindet alte mit neuen Geschichten. 

Warum haben Sie sich dazu entschieden, einen Roman über nordische Mythologie zu schreiben?
Einer der Ausgangspunkte waren die DNS-Analysen der „Kriegergräber“ in Schweden und Norwegen.  Einige prunkvoll mit Waffen ausgestattete Gräber sind in der Archäologie jahrzehntelang Männern zugeordnet worden – vor allem aufgrund dessen, dass Forscher*innen unsere heutigen  Geschlechterrollen auf die Vikingzeit projiziert haben. Aber auch aus dem Wissen heraus, das wir über die patriarchale Gesellschaft des frühmittelalterlichen Skandinaviens haben.

In den 2010er Jahren stellte man mit Gen-Analysen fest, dass die „Krieger“ darin Doppel-X-Chromosomen aufweisen. Wie passt das mit dem zusammen, was wir über diese Gesellschaft wissen? Das fasziniert uns schon seit ein paar Jahren, und dazu entstand der Gedanke einer „Odyssee im Norden“ – also einer Geschichte, die Historisches mit einer phantastischen „Von Insel zu Insel“-Reise zusammenbringt.

Auf welche Schwierigkeiten sind Sie beim Schreiben gestoßen?
Es gibt, ähnlich wie bei den Kelten, keine eigenen schriftlichen Quellen aus altnordischen Kulturen. Alles, was aufgezeichnet wurde, wurde von Zeitgenossen aufgezeichnet, die von außen auf die Skandinavier*innen schauten, oder in späterer Zeit von Christ*innen niedergeschrieben. Das heißt, anders als bei der römischen und griechischen Antike ist sehr viel rund um das „Mindset“ dieser Menschen rätselhaft.

Gleichzeitig besitzen wir aber auch eine Fülle an archäologischen Informationen über diese Zeit. Bei der Recherche haben wir festgestellt, dass jede Interpretation dieses Zeitalters immer auch ihrer eigenen Gegenwart unterliegt, und da kann es schon innerhalb weniger Jahrzehnte einen Wandel und eine Neubewertung geben. Im Moment gibt es unter Historiker*innen und Archäolog*innen sehr viel kritisches Hinterfragen in Hinsicht auf  Geschlechterrollen und die Fixierung auf Herkunft, was die Chance bietet, das unter anderem von Nazis gezeichnete „Wikingerbild“ aufzubrechen und zurückzuerobern. 

Spätestens seit Madeline Millers Roman „Ich bin Circe“ sind klassische Mythen und deren Verarbeitung in neuen Adaptionen wieder sehr beliebt. Haben Sie eine Theorie, warum das so ist?
Als Mitteleuropäer*innen begegnen uns die griechischen, römischen, nordischen, teils auch irischen Mythen oft schon in der Kindheit – in der Schule in ihrer klassischeren Form und darüber hinaus in ihren Popkultur-Varianten. Mythen existieren als narratives Grundrauschen, und ihnen 
wiederzubegegnen hat etwas Vertrautes. Gleichzeitig ist es reizvoll, diese Erzähltraditionen immer wieder neu anzugehen und in neue Formen zu bringen – und das in ganz unterschiedlichen Kontexten. Vom Loki der Marvel-Comics über die Jugendbuchtrilogie „Magnus Chase“ bis hin zu Neil Gaimans Nacherzählung der nordischen Sagen – die Faszination kann in ganz unterschiedlichen Genres Gestalt annehmen.

Gemeinsam mit Ihrem Autorenkollegen James A. Sullivan haben Sie den Begriff „Progressive Phantastik“ geprägt. Da wir auch Herrn Sullivan bereits danach gefragt haben: Was bedeutet dieser Begriff für Sie?
Der Phantastik wird häufig vorgeworfen, dass sie formelhaft sei und immer ähnliche Geschichten erzähle und Stereotype bediene. Diesen Ruf haben wir uns teils auch „verdient“, aber gleichzeitig ist die Phantastik – also Fantasy und Science-Fiction – auch eine Spielwiese, auf der wir Dinge ausprobieren können, die selten erzählt wurden. Wir können dort Machtverhältnisse in Frage stellen, Klischees brechen – oft wird jedoch trotzdem einer bestimmten Erzähltradition gefolgt und die Geschichten hinterfragen wenig von dem, was unsere Realität prägt. So wird oft zum Beispiel eine mittelalterliche Welt geschildert, in der alle weiß sind. Oder eine Zukunft, in der Geschlechterrollen nicht hinterfragt werden. Die Progressive Phantastik befasst sich mit den Traditionen des Genres –was davon ist für die Geschichte, die ich erzählen möchte, wertvoll, was reproduziert Klischees? Wir versuchen uns daran, erzählerische „Ablagerungen“ zu durchblicken.

Die Herangehensweise der Progressiven Phantastik passt gut zu dem, was wir vorhin sagten: Es gibt Traditionen, wie „Wikinger“ rezipiert werden – auf der einen Seite durch einen nationalistisch geprägten Männlichkeits- und Kriegerkult, auf der anderen Seite durch „starke Frauenfiguren“ wie Lagertha aus der TV-Serie „Vikings“. Wir haben traditionelle Motive in Frage gestellt, um etwas – aus unserer Sicht zumindest – Neues zu erzählen.

Was wünschen Sie sich von den Leser*innen Ihres Romans?
Wir glauben, dass „Schildmaid“ recht vielseitig ist: Es ist Abenteuerunterhaltung mit Schildwällen, Meeresungeheuern und nordischen Gottheiten. Es ist eine Art Buddy-Movie mit zwanzig Frauen auf einem Schiff. Es funktioniert als Fantasyroman vor historischer Kulisse genauso wie als historischer Roman mit Fantasyelementen. Und er ist eine Art feministische Fabel. Wir wünschen uns, dass Leser*innen ihre Lesart finden und mit der Skjaldmær auf Reisen gehen

Buchempfehlung aus dem Verlag

„Ein wunderbarer Fantasyroman zur Wikingerzeit rund um eine Gruppe Schildmaiden und ein Langboot, das ursprünglich nie dazu gedacht war, in See zu stechen. Besonders liebe ich an diesem Buch, wie perfekt sich nordische Sagas mit neuesten Forschungserkenntnisse aus der Archäologie verbinden, um eine mitreißende Geschichte mit ungewöhnlichen Protagonistinnen zu erzählen.“ Kathrin, Lektorat Fantasy

Medien zu „Schildmaid“
Pressestimmen
Podcast „The Weekly Quest“

„Ich finde das Buch wirklich, wirklich super.“

wuerfelheld.wordpress.com

„Wirklich packend, spannungsgeladen und oftmals auch poetisch inszeniert.“

noosphaere.de

„Historisch inspiriert, mit Mythologie durchzogen und immer darauf bedacht, progressive Phantastik zu leben … das ist das Rezept von ›Schildmaid‹.“

musketier_ihrer_majestaet

„Ein spannender, historischer Fantasyroman über Selbstbestimmung, nordische Mythen und Diversität.“

Mein schönes Blatt

„Der Roman des Ehepaars Vogt interpretiert nordische Sagen neu und räumt mit den gängigen Rollenklischees der Wikingerzeit auf. Mystisch, voller Abenteuer und spannend bis zur letzten Seite!“

YouTube „Carina Zacharias – Bücherwelten“

„Ich liebe einfach alles an diesem Buch. Ich liebe die Sprache, ich liebe seine Magie, ich liebe die Story, ich liebe die Figuren, ich liebe das diverse Ensemble der Figuren, ich liebe all die klugen versteckten Botschaften darin, ich liebe das Mythische. Es ist durch und durch so gelungen und so ein Highlight für mich geworden.“

nautilus-fantasymagazin.net

„Einen Wikinger-Roman, in dessen Fokus fast ausschließlich Frauen stehen, bekommt man nicht aller Tage geboten. Das mag auf den ersten Blick zunächst ungewohnt klingen, funktioniert aber auf hervorragende Art und Weise.“

Phantastik Bestenliste

„Der Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung ist brutal und schmerzhaft, umso schöner und hoffnungsvoller ist das Zusammenwachsen der Schicksalsgemeinschaft, auf die im Finale einige Überraschungen warten.“

teilzeithelden.de

„Judith und Christian Vogt bringen nicht nur ihren Figuren im Einzelnen, sondern auch den größeren Themen in ›Schildmaid‹ äußerst viel Fingerspitzengefühl entgegen. Insbesondere dann, wenn es um die Frage geht, was eine Frau zur Frau macht.“

phantastisch-lesen.com

„Insgesamt erwartet Lesende ein außergewöhnlicher und spannender Mix aus nordischer Historie und Fantasy.“

buchwinkel.de

„Definitiv eines der besten Bücher, die ihr dieses Jahr lesen könnt.“

Aachener Nachrichten

„Der Roman ›Schildmaid: Das Lied der Skaldin‹ bricht mit den gängigen Rollenklischees der Wikinger-Zeit.“

robots-and-dragons.de

„Ohne Frage ein ungewöhnliches in der Wikingerzeit spielendes phantastisches Abenteuer“

Phantastik-News

„Das packende, inhaltlich wunderbar unerwartet andere Finale bringt den spannenden Roman dann zu einem in sich befriedigenden Ende.“

queer.de

„Mystisch, mitreißend und abenteuerlich“

literatopia.de

„Hier gibt es keine strahlenden Held*innen und der Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit ist brutal und blutig. Umso berührender ist das Zusammenwachsen der Schicksalsgemeinschaft, die in einem spektakulären Finale neue Wege entdeckt.“

Börsenblatt

„Man merkt dem Buch an, wie viel Rechercheaufwand die Autor:innen betrieben haben – ob es um das Boot, das Leben der Wikinger:innen oder die Waffen geht. Das Ergebnis ist ein sehr packender Roman, der auch den Wunsch der Frauen nach Selbstbestimmtheit stark thematisiert.“

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