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Mit meinen Hunden

Nicolas Vanier
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6000 Kilometer durch Sibirien, China und die Mongolei

„Spannendes Abenteuer einer 6000 km langen Hundeschlittenfahrt durch Russland, China, die Mongolei.“ - Reformhaus Kurier

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Mit meinen Hunden — Inhalt

Nicolas Vanier erfüllt sich einen Kindheitstraum: Mit seinem Hundegespann bricht er von der russischen Pazifikküste zu einer 6000 Kilometer langen Reise auf, die ihn in 85 Tagen durch Sibirien, China, die Mongolei und schließlich zum Baikalsee führt. Der Abenteurer berichtet von gefährlichen Zwischenfällen sowie von freundlichen Begegnungen mit mongolischen Reitern und vom täglichen Kampf gegen Eis, Schnee und Kälte. Mit ansteckender Leidenschaft schildert er die Faszination der Wildnis und lässt uns teilhaben an der engen Verbindung zu seinen Schlittenhunden, die treu zu ihm halten und auf die in jeder Situation Verlass ist.

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erschienen am 01.08.2017
Übersetzt von: Antoinette Gittinger
320 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-40618-5
Download Cover
€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 09.11.2015
Übersetzt von: Antoinette Gittinger
320 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97183-6
Download Cover

Leseprobe zu „Mit meinen Hunden“

1 
Aufbruch an der Pazifikküste


„Bleibt ruhig, meine Hunde, gleich geht’s los!“

Es sind zehn. Sie sind paarweise angeschirrt, bewegen sich unruhig, bellen, drücken auf alle mögliche Art und Weise ihre Ungeduld aus, endlich aufzubrechen. Sie wissen, dass es jetzt nicht um ein weiteres Training geht. Sie spüren es. Sie sehen es.

Neben dem ungewohnten Gewicht des Schlittens ist es meine eigene Erregung, die die Hunde besser als sonst jemand spüren. Und diese Versammlung von etwa dreißig Personen, die unseren Aufbruch miterleben wollen, denn in diesem kleinen [...]

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1 
Aufbruch an der Pazifikküste


„Bleibt ruhig, meine Hunde, gleich geht’s los!“

Es sind zehn. Sie sind paarweise angeschirrt, bewegen sich unruhig, bellen, drücken auf alle mögliche Art und Weise ihre Ungeduld aus, endlich aufzubrechen. Sie wissen, dass es jetzt nicht um ein weiteres Training geht. Sie spüren es. Sie sehen es.

Neben dem ungewohnten Gewicht des Schlittens ist es meine eigene Erregung, die die Hunde besser als sonst jemand spüren. Und diese Versammlung von etwa dreißig Personen, die unseren Aufbruch miterleben wollen, denn in diesem kleinen sibirischen Dorf Datta, das verlassen am Pazifischen Ozean liegt, ist selten etwas los.

Alle Zeichen deuten darauf hin: Etwas Ungewöhnliches ist im Gange.

Die Hunde sind dermaßen aufgeregt, dass einige, wie zum Beispiel Dark und Wolf, in die Leinen beißen, um sich von den Fesseln, die sie zurückhalten, zu befreien. Sie können es nicht mehr erwarten.

„Dark! Wolf!“

Ertappt betrachten mich die zwei schlauen Burschen, als wollten sie sagen: „Ist ja gut! Wir bleiben ja stehen, aber wann geht’s endlich los?“

Ich streichle sie und versuche, ihre Erregtheit zu dämpfen. Vergeblich ... Ich weiß genau, wenn sie erst mal angeschirrt und bereit sind, kann nur noch der Startbefehl sie beruhigen. Dann haben sie nur eines im Sinn: laufen.

Ich gehe das Gespann entlang, bis ich bei Burka, der Leit­hündin, angelangt bin: Sie ist die Einzige, die etwas Zurückhaltung an den Tag legt und nicht in die Luft springt. Sie beobachtet mich, studiert mein Verhalten, taxiert mich. Sie verfolgt aufmerksam jede meiner Gesten, deren Bedeutungen sie kennt. Sie weiß, solange ich meine Position hinter dem Schlitten nicht eingenommen habe, passiert gar nichts. Gerne würde sie es den anderen erklären, aber sie wollen anscheinend nichts davon wissen, was ihre etwas verdrossene Miene verrät, ein kleines bisschen herablassend, aber trotzdem wohlwollend. Schließlich sind es ja noch unreife Burschen!

Geradezu andächtig betrachte ich den Pazifischen Ozean, um mir für immer dieses symbolische Bild einzuprägen, den Ausgangspunkt dieses etwas verrückten Projekts, das ich erfolgreich in die Wege geleitet habe: diese wilde Odyssee vom größten Ozean bis zum größten See der Welt, 6000 Kilometer durch Sibirien, die Mandschurei, Nordchina und die Mon­golei.

„Liebe Burka, ahnst du, was da auf uns zukommt?“

Sie sieht mich mit einem Blick voller Liebe an, als wolle sie mir sagen, dass sie mir vertraue, auch wenn sie nicht genau verstehe, was ich sage, und dass sie dorthin laufen werde, wohin immer ich will.

„Ich zähle auf dich, meine Schöne. Ich werde verdammt angewiesen sein auf dich.“

Ich umarme sie. Sie zwinkert vor Vergnügen mit den Augen. Neben ihr steht die eifersüchtige Quest, die ich mit ihr zusammengespannt habe, und versucht, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich komme mit meinem Gesicht ganz nah an ihre Nase und flüstere ihr behutsam zu: „Ich verlasse mich auch auf dich, meine liebe Quest.“

Ich tätschele sie liebevoll, was sie kokett entgegennimmt; dabei bewegt sie ihr Hinterteil hin und her, wie nur sie es kann. Ich gehe das Gespann ab, bis ich bei den beiden Brüdern Happy und Kali bin, den jüngsten Mitgliedern in meiner Rasselbande.

Dann kommt Kamik, der Prügelknabe der Meute, den ich mit Kazan zusammengeschirrt habe, ebenfalls ein treuer Hund, der es kaum noch aushalten kann und vor Ungeduld mehr seufzt als bellt.

Es folgt Unik, das Arbeitstier, der mit Miwook ein Paar bildet, auch er ein unermüdlicher Läufer, dessen Statur an einen Mara­thonläufer erinnert.

Je mehr ich mich dem Schlitten nähere, desto hysterischer reagieren die Hunde, genau wie Dark, der es kaum noch ­aushält und vor Aufregung ein Geheul anstimmt. Auch Wolf, der Leithund, ist nicht mehr zu halten und vollführt beein­druckende Vorwärtssprünge, um den Schlitten in Bewegung zu setzen. Aber der wird solide von einem Schneeanker festgehalten, der mit einer Leine mit dem Schlitten verbunden ist (siehe Anhang). Aber auch wenn sie noch so stabil ist, wird diese Leine schließlich reißen, wenn ich nicht bald das Signal zum Aufbruch gebe. Und beim Start werde ich nicht einen Schlitten zu kontrollieren haben, sondern eine Rakete.

Die ersten Kilometer werden über ein schwieriges Gelände voller Hindernisse führen: Felsen, verdorrte Baumstämme und Eis. Das wird nicht einfach. Um vom Ozean wegzukommen, habe ich nichts Besseres als dieses chaotische Gelände gefunden. Ich bedauere es jetzt, aber es ist zu spät ... Schließlich werde ich auf den 6000 Kilometern zum Baikalsee noch mit ganz anderen Hindernissen rechnen müssen.

Ist das schon eine Vorahnung?


Als ich Platz nehme, die beiden Füße fest auf die Kufen des Schlittens gestemmt, dreht sich lediglich Burka um und wartet auf meinen Befehl. Die Hunde hämmern in einer Art Massenhysterie mit ihren Pfoten auf den gefrorenen Boden ein. Mein Herzschlag beschleunigt sich ruckartig und vermischt sich im rhythmischen Einklang mit dem Getrampel der Hunde, das in meinen Schläfen dröhnt. Ein Gefühl, das immer stärker wird, noch intensiviert durch den Stress, den ein solcher Aufbruch immer mit sich bringt.

Ich ziehe an der Zugleine und rufe aufmunternd: „Los, meine Hunde! Los geht’s!“

Als ich diese Worte ausspreche, höre ich in meiner Stimme deutlich wahrnehmbar diese seltsame Mischung aus Erregung, Glücksgefühl und Angst ... Ich weiß, es wird ein harter Tag werden, zumindest der erste Teil.

Die Hunde gehen ab wie Geschosse. Nur am Rande vernehme ich die fröhlichen Rufe der kleinen Zuschauergruppe, die unseren Start verfolgt. Geschmeidig und leicht gebeugt, einen Fuß auf der Bremse, um das Vorderteil meines Schlittens zu lenken, konzentriere ich mich auf eine erste Kurve, der gleich eine zweite folgt. Nur knapp kann ich einem großen Baumstumpf ausweichen, als wir auf eine Piste wechseln, die von vereisten Steinen ramponiert ist. Burka beherrscht die Richtungsbefehle perfekt: „djee“, um nach rechts zu schwenken, und „yap“, um nach links zu laufen.

„Djee! Ja, das ist gut, Burka. Und jetzt yap!“

Burka führt meinen Befehl mit Bravour aus, ist sich gewiss der Gefährlichkeit dieser Stelle bewusst. Wir behalten ein schnelles Tempo bei; es gelingt mir nicht, das Gespann zu ver­langsamen, weil meine Bremse in dieser eisglatten Schnee­schicht nicht richtig greift. Der Schlitten dreht sich über eine Kufe, gerät auf dem Eis ins Schleudern und stößt in dem Augen­blick gegen einen Stein, als die Hunde eine weitere Kurve in Angriff nehmen, wodurch wie durch ein Wunder mein Gleichgewicht wiederhergestellt wird und ich gerade noch einen ­bösen Sturz vermeiden kann.

Ich meistere noch zwei etwas enge Biegungen und kann endlich durchatmen, da wir auf eine lange gerade, leicht ansteigende Piste geraten, die die Hunde so leichtfüßig meistern, als handele es sich um einen abschüssigen Hang. Sie rennen erst wieder langsamer, als wir das blanke Eis des Flusses Tumnin vor uns sehen, auf dem wir nun über zwanzig Kilometer dahingleiten werden, bevor wir unsere Fahrt in Richtung Berge fortsetzen.

Ursprünglich plante ich, eine längere Strecke auf dem gefrorenen Flussbett zurückzulegen, aber bei der unvorhersehbar geringen Kälte in diesem Ausnahmewinter 2013/2014 würde das Weiterfahren auf diesem Fluss, wie auf vielen ande­ren, äußerst gefährlich werden. Es wäre geradezu selbstmörderisch, auf einer nur leicht gefrorenen Oberfläche mit eisfreien Bereichen oder auf einer zu dünnen Eisschicht zu fahren.

Es steht also außer Frage, dem Flussbett des Tumnin nur über die vorgesehenen ersten zwanzig Kilometer zu folgen, die von einem Pistenmacher gespurt sind. Er hat hier die ­Abschnitte ausfindig gemacht, in denen wegen geringer Strömung das Eis eine ­dickere Schicht bildet. Dieser Fluss fließt nämlich sanft bis zur Mündung, einem Bereich, den ich sorgfältig vermieden habe, denn das Eis ist dort eine Mischung aus Süß- und Salzwasser und voller Tücken. Es ist besser, sich auf festem Boden zu bewegen, selbst bei einer unebenen Piste.

Das blanke Eis wechselt mit Abschnitten ab, wo eine ganz dünne Schneeschicht diesen bläulichen Spiegel überdeckt. Die Hunde fühlen sich auf dieser rutschigen Oberfläche nicht wohl. Sie drosseln ihren Rhythmus, beschleunigen ihn aber erneut, wenn sie wieder etwas Haftung finden.

Ich bin genauso beunruhigt wie sie und werfe häufig einen Blick auf diese dünne Eisschicht, auf der wir uns halten – zumindest im Augenblick. Ich hasse es, einen so zweifelhaften Sicherheitsspielraum zu haben, denn wir sind schwer beladen mit über hundert Kilo Ausrüstung auf dem Schlitten. Hinzu kommt mein Gewicht, ungefähr neunzig Kilo, wovon allein die Kleidung fünfzehn Kilo wiegt.

Die Hunde spüren diese Unsicherheit und gehorchen widerwillig, versuchen ständig, zum Ufer zu drängen, das jedoch von Vegetation überwuchert ist. Je mehr wir uns den Ufer­böschungen nähern, desto deutlicher steigt das Risiko, in eisfreie Zonen zu gelangen, da die Strömung hier häufig stärker ist. Das Eis, das sich an diesen Stellen erst später gebildet hat, ist entsprechend brüchiger.

„Neiiin, Burka! Djee! Djee!“

Sie sträubt sich, auf dieser Piste zu laufen, die wir immer wieder verlieren, insbesondere in den vereisten Bereichen, wo das Schneemobil des Pistenspurers keinerlei Fährten ­hinterlassen hat. Auch die anderen Hunde kommen ins Rutschen und versuchen, den Schlitten in eine andere Richtung zu lenken, würden ihn am liebsten auf festen Boden ziehen.

Zu dieser allgemeinen Verwirrung kommt noch das Risiko, nicht die sichersten Zonen wählen zu können, weil die Hunde schlecht gehorchen. Ich kann es ihnen aber nicht übel nehmen. Sie wurden von klein an im Vercors trainiert und sehen jetzt zum ersten Mal in ihrem Leben einen zugefrorenen Fluss. Auch wenn mein Freund Fabien seit Anfang November mit den Hunden hier war, während ich in Frankreich mit der Promotion für den Film „Belle & Sebastian“ beschäftigt war, konnte er sie nicht an diese neue Oberfläche gewöhnen. Der Fluss war erst in den letzten Tagen befahrbar geworden dank der Wintertemperaturen, die endlich Mitte Dezember herrschten.

Ich wechsle zwischen Aufmunterungen und streng wie­derholten Befehlen, um die zunehmende Panik der Hunde im Keim zu ersticken, wenn sie beim Laufen das unheilvolle Knacken des Eises hören.

„Ihr schafft das, meine Kerle! Los, Burka! Ja, Quest ...“

Quest dreht sich einen Sekundenbruchteil nach mir um, um mir zu signalisieren, dass sie es mag, wenn ich mich um sie kümmere und nicht nur ihre Rivalin antreibe, ein Detail, auf das ich achten muss. Der Zusammenhalt der Meute hängt auch von dieser Art kleiner, vermeidbarer Versäumnisse ab und von Aufmunterungen, die ich gerecht verteilen muss. Kein Hund ist wichtiger als der andere, und alle brauchen Wertschätzung.

„Gut gemacht, Dark! Gut gemacht, Unik!“

Und so gehe ich sie der Reihe nach durch. Einer nach dem anderen reagiert auf meinen Zuruf und zeigt auf die eine oder andere Art seine Zufriedenheit.

Nach einigen riskanten Kilometern gelangen wir schließlich zu fast stehendem Wasser, wo die Eisschicht dicker ist und außerdem bedeckt mit einer leichten Schneeschicht, auf der die Pfoten der Hunde Halt finden. Mit Begeisterung fallen sie in gestreckten Galopp, und ich lasse sie gewähren, bin froh, dass sie sich freuen, auf einer schönen weißen Oberfläche zu laufen.

Endlich kann ich ein paar Augenblicke lang das unbändige Vergnügen, zu dieser großen Reise aufgebrochen zu sein, genießen. Ich habe mir einen Traum erfüllt, der mich schon seit einer Ewigkeit verfolgte und meinen ganzen Einsatz forderte, um alle bürokratischen, finanziellen und logistischen Fragen zu lösen. Pierre und Arnaud, zwei getreue Freunde, haben mir dabei tatkräftig geholfen. Letzten Winter unternahmen sie eine lange Erkundungsreise, um eine Route und Dörfer auf den jeweiligen Streckenabschnitten auszumachen, wo unter anderem die Nahrung für die Hunde beschafft werden konnte. Dieser Winteranfang 2013, der, einmalig in diesem Jahrhundert, wegen seines Mangels an Kälte und Schnee eine Ausnahme bildet, hat uns dazu veranlasst, unsere Pläne neu zu überdenken. Wir hatten uns vorgestellt, wir könnten den zugefrorenen Flüssen und Strömen folgen, die im Winter die natür­lichen Reiserouten bilden. Am Ende entschied ich, sie zu meiden und auf festem Boden zu reisen, durch die Taiga und die Berge, wo es selten geeignete Wege für die Hunde gibt. Zum Glück haben Pierre und Arnaud für diesen ersten Streckenabschnitt eine Piste ausfindig gemacht, die von einem einheimischen Jäger namens Nikolai benutzt wird, den ich später in den Bergen kennenlernen werde.

Diese aus mehreren Tagen bestehende Strecke soll mich durch die Berge führen, bis zu einem kleinen Dorf am Rande der Bahnlinie Baikal-Amur-Magistrale (BAM). Diese Linie wurde von den Sowjets als strategisch wichtige alternative Reiseroute zur Transsibirischen Eisenbahn gebaut, die wegen ihrer Nähe zur chinesischen Grenze als besonders kritisch angesehen wird. Pierre und Arnaud sind weiterhin dabei, einen anderen Weg zu suchen, wobei sie wahrscheinlich Waldstrecken wählen werden, welche die Dörfer, die sich entlang dieser Eisenbahnlinie befinden, miteinander verbinden. Alain und Fabien, die wir im Gruppenjargon unserer Expedition als „Pistenmacher“ bezeichnen, werden sich darum kümmern, diese Pisten auszuprobieren und sogar die fehlenden Streckenabschnitte zu trassieren.

Wir mussten das schlucken, aber keiner dieser vier aus dem Expeditionsteam neigt dazu, die Hände in den Schoß zu legen. Ich weiß, dass sie da vorne alles tun werden, damit unser Unternehmen um jeden Preis verwirklicht werden kann. Alain und Fabien haben sich mit Nikolai angefreundet und ihn überredet, dass er auf der zweiten Hälfte der Bergroute eine Piste durch den meterhohen Schnee spurt. Auf Meereshöhe ist die Schneehöhe tatsächlich sehr gering, während sie oben auf dem Berg beträchtlich ist, da alle Niederschläge im Herbst als Schnee fielen und das Gebirge über 800 Meter mit einem weißen Tuch bedeckten. Stellenweise erreicht die Schneehöhe zwei Meter.

Hier am Fluss gibt es im Grunde genommen keinen Schnee, und wir fahren wieder auf dem Eis, was die Hunde verabscheuen. Sie sind angespannt, nervös, unsicher, rutschen, bremsen ab, fangen sich wieder. Ihre Augen wandern ständig hin und her, suchen die günstigsten Stellen. Aber im Augenblick gibt es keine Alternative, und wir müssen auf dem nur leicht zugefrorenen Fluss weiterfahren. Als wir uns hinter einer Insel, wo sich im Windschatten etwas Schnee gebildet hat, eine kleine Pause gönnen, erkläre ich dies den Hunden. Sie fressen den Schnee, um ihren Durst zu löschen.

Offensichtlich verstehen sie meine Erklärungen nicht Wort für Wort, achten aber auf den beruhigenden Ton in meiner Stimme, wenn ich sie bitte, sich anzustrengen.

„Meine Lieblinge, noch lächerliche fünf Kilometer, dann tauschen wir diesen Fluss gegen eine schöne Piste auf ebener Erde ein. Ihr werdet sehen, das wird super.“

Sie spüren das Vertrauen, das ich in sie habe und in die Zukunft, und das verleiht ihnen Hoffnung.

Sie laufen voller Schwung weiter, als ob sie es eilig hätten, zum Ende zu kommen. An einigen Stellen hat sich Wasser auf dem Eis gebildet. Wir meiden diese Zonen, da die Hunde Angst davor haben.

Schließlich gelangen wir zu zwei Holzhütten am Nordufer. Hier beginnt Nikolais Piste. Die Hunde sind genauso glücklich wie ich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, und überwinden den steilen Hang des Flussufers, als ob er eben wäre. Wolf und Dark an der Spitze des Schlittens können endlich zeigen, welche Kraft in ihnen steckt, und sich ein wenig verausgaben. Die Entfesselung ihrer überschüssigen Energie lässt sie vor Vergnügen knurren.

Eine Viertelstunde später haben wir eine Anhöhe erreicht, von der aus der Weg, eingebettet in einen Wald aus Espen, ­Nadelbäumen und spärlichen Birken, ein wenig an eine Achterbahn erinnert.

Ich werfe einen letzten Blick auf das Tal, in dem die gewundene Eisfläche des Flusses glitzert, den wir gerade hinter uns gelassen haben, und wende mich in Hochstimmung den Hunden zu.

„Ich hatte es euch ja gesagt, meine Schätzchen. Ist es hier nicht toll?“

Als Antwort fangen sie an loszurennen und berauschen sich an der Witterung von Hasen und Rebhühnern, deren Spuren wir manchmal kreuzen.


Es fällt mir ein wenig schwer zu begreifen, dass ich nun endlich unterwegs bin. Dass ich mit meinen Hunden hier in Sibirien bin, weit weg von meinem Zuhause, um eine große Reise zu unternehmen, von der ich schon seit meiner Kindheit träume. Ich habe einige Berichte über diese wilden Gegenden in Südostsibirien und der Mandschurei gelesen, wo die größte Raubkatze der Welt ihr Unwesen treibt: der furchterregende Sibirische Tiger, den ich unbedingt sehen möchte. Diesen Plan, diesen Traum habe ich noch um ein weiteres Projekt erweitert: Ich habe vor, den Norden der Mongolei zu durchqueren, dieses wilde Gebiet aus Steppen und Gebirge, wo die stolzen Reiter leben, deren Ahnherr Dschingis Khan ist. Das also ist die Route dieser 6000 Kilometer umfassenden Expedition, auf die ich mich über ein Jahr lang vorbereitet habe.

Die letzten Wochen, in denen mein Film „Belle & Sebastian“ in die Kinos kam und in letzter Minute noch viele Probleme, die sich auf diese Expedition auswirkten, auftraten, waren ganz besonders anstrengend gewesen. Aber jetzt kann ich hier endlich durchatmen und den Augenblick genießen.

„Los, meine Hunde!“

Nicolas Vanier

Über Nicolas Vanier

Biografie

Nicolas Vanier, 1962 im Senegal geboren, ist wie sein Vorbild Jack London Abenteurer und Schriftsteller zugleich. Als Erster überwand er nur mit dem Hundeschlitten eine 8 600 Kilometer lange Strecke durch Alaska und Kanada. Für ein Jahr zog er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter in die...

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