Lieferung innerhalb 1-3 Werktage
Bezahlmöglichkeiten
Vorbestellung möglich
Kostenloser Versand*
Klagenfurter Texte. Die Besten 2015

Klagenfurter Texte. Die Besten 2015

Die 39. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Paperback (14,99 €)
€ 14,99 inkl. MwSt.
sofort lieferbar
In den Warenkorb
Geschenk-Service
Für den Versand als Geschenk können eine gesonderte Lieferadresse eingeben sowie eine Geschenkverpackung und einen Grußtext wählen. Einem Geschenkpaket wird keine Rechnung beigelegt, diese wird gesondert per Post versendet.
Kostenlose Lieferung
Bestellungen ab 9,00 € liefern wir innerhalb von Deutschland versandkostenfrei

Klagenfurter Texte. Die Besten 2015 — Inhalt

Wenn der begehrte Bachmann-Preis verliehen wird, zieht es die vielversprechendsten jungen Autorinnen und Autoren nach Klagenfurt. Uwe Tellkamp, Lutz Seiler, Terézia Mora, Annette Pehnt, Katja Petrowskaja - sie alle haben schon auf den Tagen der deutschsprachigen Literatur ihre noch unveröffentlichten Texte vorgestellt und Ausblicke auf neue Romane gewährt. „Klagenfurter Texte. Die Besten 2015“ versammelt auch in diesem Jahr die spannendsten Stimmen unserer Zeit in einem ganz besonderen Lesebuch.

€ 14,99 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 05.10.2015
Herausgegeben von: Hubert Winkels
208 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-05715-8
Download Cover

Leseprobe zu „Klagenfurter Texte. Die Besten 2015“

HUBERT WINKELS
Vorwort

Mittlerweile werden Bachmannpreis-Tage nach Jahrgängen bewertet, wie Wein oder Lebensalter. Und heuer, also dieses Jahr 2015, da sind sich fast alle Beteiligten und Beobachter einig, war ein guter Jahrgang. Es gab gute Literatur zu hören, aufschlussreiche, oft kurzweilige Kommentare und Diskussionen und ein emphatisches Publikum, das sein Urteil spontan in den ORF-Saal in Klagenfurt stöhnte oder rief, trommelte oder klatschte. Es war ein guter Jahrgang, und das war auch nötig. Denn es gab im Jahr zwei nach der Drohung, die [...]

weiterlesen

HUBERT WINKELS
Vorwort

Mittlerweile werden Bachmannpreis-Tage nach Jahrgängen bewertet, wie Wein oder Lebensalter. Und heuer, also dieses Jahr 2015, da sind sich fast alle Beteiligten und Beobachter einig, war ein guter Jahrgang. Es gab gute Literatur zu hören, aufschlussreiche, oft kurzweilige Kommentare und Diskussionen und ein emphatisches Publikum, das sein Urteil spontan in den ORF-Saal in Klagenfurt stöhnte oder rief, trommelte oder klatschte. Es war ein guter Jahrgang, und das war auch nötig. Denn es gab im Jahr zwei nach der Drohung, die Liveübertragung des Wettbewerbs zu beenden und ihn damit ganz infrage zu stellen, viel aufzuholen. Formal war er erst mal gerettet dank einer Garantie vom übertragenden öffentlich-rechtlichen Sender und von der Stadt, aber ein Murren über Behäbigkeit, Mittelmaß und müder Korrektheit hatte sich an den Rändern und in den schmutzigen Winkeln der Peripherie breitgemacht, drohte Vorurteil und Mode zu werden. Denn nichts ist leichter, als eine Veranstaltung, in der eine halbe Stunde am Stück ein anspruchsvoller Text gelesen wird und anschließend eine halbe Stunde niveau­voll darüber parliert, argumentiert und gelegentlich gestritten wird, nichts also ist leichter, als hierbei auszusteigen und Langeweile zu beschwören. Man muss nur eine Weile nicht aufmerksam zuhören, und schon ist man raus aus dem filigranen Netz der Bedeutungen und driftet im Ungefähren.
Das passiert einem passionierten Teilnehmer oder Beobachter indes selten, einem nicht zugeneigten, eher flüchtigen Zuhörer aber eben doch. Und so war es wichtig, dass sich ein Jahr vor dem 40. Jubiläum des Wettbewerbs 2016 und den ihn rahmenden Tagen der deutschsprachigen Literatur (TDDL) etwas bewegte, dass ein Ruck durch die Baracke ging. Und einen besseren Ruck als den durch interessante Autorinnen und Autoren mit herausragenden Texten kann es nicht geben. Kein aufgesetztes Eventtheater kann das leisten, was gute Literatur leistet; zumal wenn sie sich für diesen besonderen Anlass festlich zeigt, im großen Ornat; und das heißt in den Bescheidenheitszonen der Literatur: der Situation gemäß auch als lautliches, dekla­matorisches performatives Ereignis zu erscheinen; mit diesem spontanen Felgaufschwung in der Unmittelbarkeit von Stimme und Stand im Raum, von Mimik und Maske und Gestik: Hier bin ich, nehmt mich, jetzt und hörbar, da! Und so war es tatsächlich, natürlich ganz unabgesprochen zwischen den Juroren, was die Einladungen der Autoren betrifft: Markante Auftritte, ein großer Strauß an impulsiv und zugleich professionell vorgetragenen Texten, deren äußere Instrumentierung durch Stimme, Into­nation usw. oftmals durchstieß bis zum Kern des Textes.
Mehr als das, und in engstem Zusammenhang damit, bekamen auch die visuellen Darstellungen einen eigenen Dreh, bis hin zu starkem künstlerischem Eigensinn. Gemeint sind die kurzen, bis zu dreiminütigen Videos, mit denen sich ein Autor, eine Autorin vor Beginn der Lesung selber vorstellt. Eine seltsame Freiheit im Umgang mit den audiovisuellen Mitteln des Videos hatte sich mit einem Schlag ergeben. Weshalb ich auch an dieser Stelle zumindest die Anregung gegeben haben möchte, diesen künstlerischen Seitenstrang der TDDL eigens in den Blick zu nehmen und, wenn möglich, mit einem eigenen Preis auszustatten. Welches Medienhaus, welcher Sender, welche Produktionsfirma möchte hier einspringen? Wer ist als Sponsor zu bewegen? Lassen Sie es sich durch den Kopf gehen, lieber me­­dienpotenter Leser und Bachmannpreis-Seher. Im Saal und im Fernsehen jedenfalls ergab sich durch diese erweiterte Literaturdarstellung ein größeres Feld des Ausdrucks und damit auch der animierenden Kurzweil.
Wer jetzt noch, offenbar ohne auch nur zehn Minuten hin­zusehen, schematisch und im Wiederholungszwang von Langeweile des Bewerbs spricht, der gehört entschieden zu jener Handvoll sündenstolzer Banausen, die seit Jahren das Sorgfältige und gut Gemachte im Bewerb der Kunstkünstlichkeit zeihen und Literatur, in der mehr als ein Gedanke verarbeitet wird gleich zur Literaturliteratur degradieren wollen. Seltsam, dass es das gibt; noch seltsamer aber ist die Insistenz, mit der man aus kratzendem Ressentiment nahe dran bleibt und sich gleichzeitig taub und blind stellt. Offenbar ist die Literatur stark genug, ihre Verächter noch im Modus des Verachtens zu beseelen.
Doch das überwältigende Echo war diesmal ein ganz anderes, mal verhalten, mal froh: Hurra! Und: Glücksfall! Es war ein guter Jahrgang. Nora Gomringer, Valerie Fritsch und Dana Grigorcea als strahlende Preisträgerinnen, die goldene Haarklammern und Blumensträuße untereinander tauschten. Allein, dass Teresa Präauer mit ihrem rasanten fulminanten turbulenten sprachverrückten Rumble in the Jungle Oh, Schimmi! gleich drei Mal durch die Maschen eines prekären Abstimmungsverfahrens fiel, war im Einzelfall bedauerlich. Und allgemeiner muss man in diesem Jahr bedauern, dass nicht mehr Preise zur Verfügung standen. Mindestens sechs hätte es gebraucht für ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis der Klagenfurter Art. Und das war keineswegs jedes Jahr so.
In diese kleine Suada der Freude und des Lobs sei kontextbildend eingefügt, dass die Prinzipien, die Klagenfurt präsent und lebhaft machen, dieselben sind, die seit geraumer Zeit das literarische Leben in den deutschsprachigen Ländern insgesamt prägen: nämlich die Austragung der Literatur in einem öffentlichen Resonanzraum, der nicht später und peripher zur eigentlichen Literatur als Text hinzukommt, sondern sie im Kern, d. h. in Form, Gestalt und Inhalt mit bestimmt. Der öffentliche Raum der Lesungen und Interviews und Diskussionen und Laudationes und deklamierten Essays und spontanen Reden, sei es auf der Bühne, im Radio oder Fernsehen, ist konstituierender Teil des Kunstwerks geworden. Strukturell und jederzeit. Ob ein einzelner Schriftsteller die darin beschlossenen Möglichkeiten explizit abruft, wie das die Vortragskünstlerinnen Nora Gomringer, Teresa Präauer oder Monique Schwitter in Klagenfurt hervorragend getan haben, ist nur eine Seite des Phänomens. Das literarische Feld insgesamt hat sich verschoben, sodass es kein Nicht-öffentlich-Kommunizieren mehr geben kann. Der Eremit steht immer auf der Säule, auch wenn er sich in einer Höhle verkriecht. Und unter solchen Bedingungen der Öffentlichkeit nimmt sich das bühnenabhängige Prozedere in Klagenfurt inzwischen nicht mehr ereignishaft besonders, sondern wie eine selbstverständliche Praxis aus. Die Welt hat Klagenfurt eingeholt. Und das ist gut so.
Und um die gut zusammenspielende Jury mit drei neuen Mitgliedern in diesem 39er-Jahr kurz zu bedenken, zitieren wir an dieser Stelle die Preisträgerin mit dem letzten Satz ihres Textes Recherche:
„Denn so enden alle Wesen, alle Dinge, auch die Betrachtung der Betrachtungen in den feuchten Augen eines Wesens, fremder als der Nachbar, kaum bei Tageslicht gesehen, doch keineswegs scheu. Und die einen nennen es Gott, und die anderen wissen es besser.“
Bleibt am Ende dieses Anfangs noch das Evidente zu bezeichnen: dass Klagenfurt 2015 weiblich war. Zehn von vierzehn Auto­ren waren Frauen. Die drei besten Texte stammten von Frauen. Die vier Texte von Männern fielen dagegen deutlich ab. Und wer das mit allem Recht einer amodisch nüchternen Lako­nie für Zufall hält, der sei doch auf den schönen Witz hingewiesen, dass sich die meisten, nein, alle der Texte von Männern mit dem Mann selbst in seiner virilen Verirrung oder auch seiner dann eben nicht mehr virilen Niederlage beschäftigen. Muskeln, Messer oder Tränen. Dass schöne Literatur wesentlich von Frauen gelesen wird, wissen wir; dass sie jetzt auch wesentlich von Frauen geschrieben wird, das leiten wir aus diesem Jahrgangsbefund allerdings nicht ab. Freuen uns aber auch so. Und sehen dem 40. Bachmann-Jahr in Klagenfurt hoffnungsfroh entgegen.

Kommentare zum Buch
Kommentieren Sie diesen Beitrag:
(* Pflichtfeld)