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Glücklich sterben?Glücklich sterben?

Glücklich sterben?

Hans Küng
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Mit dem Gespräch mit Anne Will

„Ein Buch voller Leidenschaft und Reibungsfläche, gerade auch für Christen.“ - Hersfelder Zeitung

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Glücklich sterben? — Inhalt

Hans Küng über Sterbehilfe: Kann Sterben glücklich sein?

Lange war es ein Tabu in Deutschland, und nun hat es ausgerechnet ein katholischer Theologe gebrochen. Hans Küng hat im Gespräch mit Anne Will erklärt, dass er es für erlaubt hält, sein Leben zu beenden, wenn es unerträglich geworden ist. Seitdem ist eine Diskussion im Gange, die keinen unberührt lässt. In seinem Buch verbindet Küng frühere Texte über das Sterben mit seinen Glaubensüberzeugungen und theologischen Einsichten zu einer klaren Position: „Glücklich sterben“ hat in seinen Augen nichts mit „Selbstmord“ zu tun, sondern meint ein menschenwürdiges Ende des Lebens.

€ 8,99 [D], € 9,30 [A]
Erschienen am 07.12.2015
Mitautor: Anne Will
160 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-30825-0
Download Cover
€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 01.09.2014
Mitautor: Anne Will
160 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96776-1
Download Cover

Leseprobe zu „Glücklich sterben?“

Ein persönliches Vorwort

„Sie gefährden Ihr ganzes großes Lebenswerk durch Ihr dezidiertes Eintreten für Selbstverantwortung im Sterben.“ So oder ähnlich haben sich seit Erscheinen des dritten Bandes meiner Memoiren „Erlebte Menschlichkeit“ (Oktober 2013) nicht wenige Freunde und Leser mündlich oder schriftlich mir gegenüber geäußert. Solche Einwände nehme ich sehr ernst, möchte ich doch nicht vor allem mit dem Thema Sterbehilfe der Nachwelt in Erinnerung bleiben. Meine Einstellung zum Sterben kann man letztlich ja nur dann richtig bewerten, wenn man [...]

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Ein persönliches Vorwort

„Sie gefährden Ihr ganzes großes Lebenswerk durch Ihr dezidiertes Eintreten für Selbstverantwortung im Sterben.“ So oder ähnlich haben sich seit Erscheinen des dritten Bandes meiner Memoiren „Erlebte Menschlichkeit“ (Oktober 2013) nicht wenige Freunde und Leser mündlich oder schriftlich mir gegenüber geäußert. Solche Einwände nehme ich sehr ernst, möchte ich doch nicht vor allem mit dem Thema Sterbehilfe der Nachwelt in Erinnerung bleiben. Meine Einstellung zum Sterben kann man letztlich ja nur dann richtig bewerten, wenn man etwas weiß von meinem lebenslangen Bemühen um grundlegende Themen wie die Gottesfrage, das Christsein, ewiges Leben, Kirche, Ökumene, Weltreligionen, Weltethos …

Ich bekenne mich nach wie vor zur ersten der vier „unbedingten Weisungen“ eines Weltethos, zur „Verpflichtung auf eine Kultur der Ehrfurcht vor allem Leben“, wie sie das Parlament der Weltreligionen in Chicago 1993 proklamiert hat: „Aus den großen alten religiösen und ethischen Traditionen der Menschheit vernehmen wir die Weisung: Du sollst nicht töten! Oder positiv: Hab Ehrfurcht vor dem Leben! Besinnen wir uns also neu auf die Konsequenzen dieser uralten Weisung: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt. Kein Mensch hat das Recht, einen anderen Menschen physisch oder psychisch zu quälen, zu verletzen, gar zu töten.“ Doch gerade weil „die menschliche Person unendlich kostbar und unbedingt zu schützen“ ist, und dies bis an ihr Ende, muss genau überlegt werden, was dies im Zeitalter einer Hochleistungsmedizin bedeutet, die das Sterben weitgehend schmerzlos herbeizuführen, aber auch in vielen Fällen beträchtlich hinauszuzögern vermag.

Dieser Problematik möchte ich mich hier in -aller Offenheit stellen und möchte gerade niemanden von all den Vielen enttäuschen, denen ich oft über Jahrzehnte in mancher Hinsicht Orientierung geben konnte. Andererseits aber erfahre ich nun so viel Zustimmung und Bestärkung von religiösen wie nichtreligiösen Menschen, die mir dankbar sind für den Mut, gerade als christlicher, ja katholischer Theologe kompetent und ehrlich diese emotional wie politisch schwer belastete und entsprechend kontrovers diskutierte Frage der Sterbehilfe anzusprechen.

Man wird also unterscheiden müssen zwischen dem breiten Konsens in Bezug auf die Ehrfurcht vor dem Leben und dem Dissens bezüglich der Art und Weise einer Sterbehilfe. In den Weltethos-Dokumenten findet man zwar allgemein ein nachdrückliches Plädoyer für Ehrfurcht vor dem Leben, aber keine Stellungnahme zur speziellen Frage der Sterbehilfe, da sich zur Zeit diesbezüglich weder zwischen den Weltreligionen noch innerhalb der einzelnen Religionen ein Konsens feststellen lässt.

Mein Vorstoß bezüglich der Sterbehilfe ist meine höchst persönliche Angelegenheit, nicht etwa die der Stiftung Weltethos. Und so bitte ich denn in aller Bescheidenheit diejenigen, die meine Auffassung teilen, weiter um ihre Unterstützung, und diejenigen, die sie ablehnen, um das Bemühen, meine Auffassung vielleicht besser zu verstehen. Zu diesem Zweck habe ich dieses Buch geschrieben. Es ist kein völlig neues Opus – das habe ich mir 2013 in meinen Abschiedsreden verboten –, aber doch ein neues Opusculum, das jedem Leser eine Klärung und Vertiefung ermöglichen sollte.

Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass mir noch die Kraft geschenkt war, dieses Buch zu vollenden. Spüre ich doch in der Endphase der Abfassung, wie meine Kräfte schwächer werden und mir auch manche geistige Tätigkeiten zur großen Anstrengung werden. Zweifellos könnte man an einigen Stellen dieses Buches noch weitere Details und Präzisierungen anbringen, doch hat ja mein Buch nicht etwa den Anspruch, die komplexe Frage der Sterbehilfe definitiv zu klären. Vielmehr will es einen Beitrag in einem andauernden Diskussionsprozess leisten und die Stimme eines christlichen Theologen einbringen, der von dieser Problematik selbst existenziell betroffen ist.

Von Herzen danke ich allen, die mir in dieser schwierigen Thematik mit vielfältigem Rat und wichtigen Informationen hilfreich waren, und allen, die ganz praktisch am Entstehen dieses Buches mitbeteiligt waren.


Tübingen, im Juni 2014

Hans Küng



Einleitung: Kann Sterben glücklich sein?

Sind Sterben und Glück nicht klare Gegensätze? „Dieser Mensch hat noch einmal Glück gehabt“, sagt man von einem, der beim Autounfall hart am Tod vorbeikam. Und meint damit das Glück des Zufalls, wofür die englische wie die lateinische Sprache mit „luck“ und „fortuna“ ein eigenes Wort zur Verfügung haben. Ebenso gibt es mit „happiness“ und „beatitudo“ ein eigenes Wort für das Glück der Erfüllung.

Der Mensch kann mitten im Alltag das kleine Glück des erfüllten Augenblicks erleben – etwa durch ein gutes Wort, eine freundliche Geste oder durch den Dank für eine von ihm erwiesene Wohltat. Ja, er kann bisweilen auch das große Glück eines momentanen Spitzenerlebnisses erfahren – etwa im Rausch der Musik, in einem überwältigenden Naturerlebnis, in der Ekstase der Liebe.

Nur eines kann der Mensch nicht: einer glücklichen Hochstimmung Dauer verleihen, weder durch Geld noch durch Alkohol oder Drogen. Gewiss vermögen höchst unterschiedliche Informationen im menschlichen Gehirn Endorphine, Glückshormone zu produzieren und so euphorische Glücksgefühle hervorzurufen. Doch Gewöhnung führt zur Abstumpfung; unser neurobiologisches Glückssystem ist nicht auf Dauerbetrieb angelegt. Fausts flehentliche Bitte an den Augenblick höchsten Glücks, „Verweile doch, Du bist so schön!“, kommt nicht von ungefähr und wird nicht erhört.

Ein anderes freilich scheint dem Menschen vielleicht möglich: Statt einer anhaltenden glücklichen Hochstimmung eine durchgehaltene glücklicheGrundstimmung, die ihnselbst in verzweifelten Situationen nicht verzweifeln lässt, sondern sein Vertrauen trägt. Gemeint ist konkret: grundsätzlich einverstanden sein mit dem Leben, wie es nun einmal ist, ohne sich jedoch mit allem abzufinden. Eine glückliche Grundstimmung heißt also ein Leben in Einklang, im Reinen mit sich. Und da frage ich mich: Lässt sich eine solche Grundhaltung nicht auch angesichts aller menschlichen Gebrechlichkeit und Vergänglichkeit bis hinein ins Sterben durchhalten?

Die „ars moriendi“, die „Kunst des Sterbens“, beschäftigt mich, seitdem in den 1950er-Jahren mein Bruder Georg monatelang an einem unheilbaren Gehirntumor leiden musste, bis er am Wasser in der Lunge erstickte. Sie drängte sich mir besonders auf, seitdem etwa von 2005 an mein lieber Kollege und Freund Walter Jens, obwohl bestens betreut, in seiner Demenz bis zu seinem Tod 2013 dahindämmerte. Diese Erfahrungen bestärkten mich in der Überzeugung: So will ich nicht sterben! Aber sie machten mir zugleich die Herausforderung deutlich, den Zeitpunkt für ein selbstverantwortetes Sterben nicht zu verpassen.

Dies vertraten der Literat Walter Jens und ich in den 1990er-Jahren gemeinsam in Vorlesungen des Studium Generale an der Universität Tübingen und 1995 im gemeinsamen Buch „Menschenwürdig sterben: ein Plädoyer für Selbstverantwortung“, dessen Neuaus­gabe 2009 ich noch mit „20 Thesen zur Sterbehilfe“ und Inge Jens mit einem wertvollen persönlichen Beitrag ergänzte.

Schließlich habe ich 2013 im letzten Kapitel meines dritten Memoirenbandes „Erlebte Menschlichkeit“ auf 50 Seiten meine persönliche Krankheitsgeschichte (Parkinson, Makuladegeneration, Polyarthritis in den Fingern …) und meine Haltung zum Sterben beschrieben. Dies legte ich in aller Offenheit dar, nicht zuletzt, um in der deutschen Öffentlichkeit, die noch immer unter dem kollektiven kollektiven Trauma der Nazimorde am angeblich „lebensunwerten Leben“ leidet, Verständnis zu wecken für die heutige Problematik eines immer weiter künstlich hinausgeschobenen Lebensendes.

Es gehört für mich zur Lebenskunst und zu meinem Glauben an ein ewiges Leben, mein zeitliches Leben nicht endlos hinauszuzögern. Wenn es an der Zeit ist, darf ich, falls ich es noch kann, in eigener Verantwortung über Zeitpunkt und Art des Sterbens entscheiden. Wenn es mir geschenkt sein sollte, möchte ich gerne bewusst sterben und mich menschenwürdig von meinen Lieben verabschieden. Glücklich sterben heißt für mich nicht ein Sterben ohne Wehmut und Abschiedsschmerz, wohl aber ein Sterben in völligem Einverständnis, in tiefster Zufriedenheit und in innerem Frieden. Das bedeutet im Übrigen auch das in viele moderne Sprachen eingegangene, aber von den Nazis schändlich missbrauchte altgriechische Wort „eu-thanasia“: ein „gutes“, „richtiges“, „leichtes“, „schönes“, „glückliches Sterben“.

Also ein „Requiescat in pace, er/sie möge ruhen in Frieden“. Alles noch zu Ordnende geordnet, in Dankbarkeit und in vertrauendem Gebet. Dies ist nicht nur eine Wunschvorstellung. Ich kenne Menschen, die in diesem Sinn glücklich gestorben sind: Meine Mutter gehört zu ihnen. Diese Haltung gründet für mich letztlich in der Hoffnung auf ein definitiv gelingendes, ewiges Leben, in einer anderen Dimension des Friedens und der Harmonie, andauernder Liebe und bleibendem Glück. Dies ist meine von der Bibel gespeiste Vorstellung von einem glücklichen Sterben.

Damit ist schon deutlich geworden: Solch glückliches Sterben hat nichts zu tun mit einem eigenmächtigen, gar noch zur Provokation der kirchlichen Autorität geplanten unseligen „Selbstmord“, wie mir manche Stimmen in den Medien, aber auch in persönlichen Zuschriften unterstellten. Einzelne Vertreter der „kirchlichen Lehre“ aber, von der meine Auffassung abweicht, haben offensichtlich noch nicht begriffen, dass sich auch unser Verständnis sowohl vom Anfang wie vom Ende des Menschenlebens mitten in einem epochalen Paradigmenwechsel befindet, der weder mit der Vorstellungswelt und Begrifflichkeit der mittelalterlichen noch der orthodox-protestantischen Theologie durchschaut und gemeistert werden kann. Heutzutage muss doch die enorme Lebensverlängerung aufgrund der früher unvorstellbaren Fortschritte der modernen Medizin und Hygiene in Betracht gezogen werden; zu berücksichtigen sind aber auch die korrigierenden nachmodernen Einsichten in die Grenzen einer rein naturwissenschaftlich-technisch argumentierenden und operierenden Medizin. Der Sinn für die Notwendigkeit einer die Menschlichkeit schützenden ethischen Fundierung einer ganzheitlichen Medizin ist gewachsen. Auch in der katholischen Kirche besteht seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus Hoffnung auf größere Offenheit und erbarmende Hilfestellung in solchen notorisch schwierigen Fragen. Für ihn ist das Christentum keine abgehobene doktrinäre Ideologie, sondern ein Weg, den man erlernt, indem man ihn geht.

Auf manche in dieser Einführung angesprochenen Fragen war auch die prominente Fernseh-Moderatorin Anne Will in einem Gespräch mit mir eingegangen, das vom Ersten Deutschen Fernsehprogramm ARD am 20. November 2013 ausgestrahlt und vom Sender Phoenix am 2. Januar 2014 wiederholt wurde. Das Gespräch bildet die Plattform meiner weiteren Überlegungen. Ich bin meiner gescheiten und einfühlsamen Gesprächspartnerin von Herzen dankbar dafür, dass sie mir gestattet, diesen lebendigen und ungekünstelten Dialog hier zu veröffentlichen. Wollte ich doch wie gesagt kein völlig neues Buch schreiben, wohl aber zur Klärung und Vertiefung meiner Auffassung beitragen, auch auf schriftlich und mündlich geäußerte Einwände eingehen und dafür auf frühere Texte zurückgreifen sowie neue Kommentare hinzufügen. Einer breiteren Öffentlichkeit – und angesichts der gegenwärtigen Diskussion in Parlamenten, Berufsverbänden, Gerichten und Kirchen besonders Politikern, Ärzten, Juristen und Seelsorgern – möchte ich Stoff zu kritisch-selbstkritischen Reflexionen bieten. Dies alles in der Hoffnung auf eine interessierte und zugleich verständnisvolle Diskussion.



Gespräch mit Anne Will


Vom Glück des Widerspruchs

Anne Will: Lieber Hans Küng, wir sitzen hier im November 2013, an einem wunderschönen Tag, knallblauer Himmel, draußen Sonnenschein. 2013 ist für Sie ein besonderes Jahr, Sie sind 85 geworden, im März, und Sie haben mit dem dritten Band Ihre Lebenserinnerungen abgeschlossen. Also eine Art Abschluss, ein Ende, vom „Abend des Lebens“ schreiben Sie. Außerdem haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie an Parkinson erkrankt sind. Und Sie haben auch gesagt, vor langer Zeit ja schon, Sie werden dann, wenn die Krankheit Sie verändern sollte, Sterbehilfe in Anspruch nehmen, aus dem Leben scheiden. Woher wissen Sie eigentlich, dass dann, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, kein ­irdisches Glück mehr auf Sie wartet?

Hans Küng: Ach, ich würde nicht sagen, dass kein irdisches Glück mehr auf mich wartet, sondern ich weiß dann nur, dass mein Leben sich vollendet hat, dass ich weiter keine Aufgaben mehr zu erfüllen habe, dass es einfach Zeit ist. Wie es bei Kohelet im Alten Testament heißt, es gibt eine Zeit zu leben und eine Zeit zu sterben. Und dann wird es eben so weit sein.

Anne Will: Ist es ein bestimmter Tag, den Sie jetzt schon kennen?

Hans Küng: Nein. Ich habe auch nie gesagt, ich würde mich sofort verabschieden, das wurde eine Zeit lang durch die Medien so verbreitet. Ich habe immer noch die Möglichkeit, dass meine verschiedenen Krankheiten …

Anne Will: Was ist es denn alles?

Hans Küng: Na ja, mit dem Schreiben habe ich Schwierigkeiten, ich habe Schwierigkeiten mit den Augen, eine Makuladegeneration, ich habe Schwierigkeiten mit dem Rücken, mit dem Lendenwirbel und so weiter. Das ist alles nicht schlimm, wenn man so will, aber es sind einfach Zeichen, dass die letzte Periode begonnen hat und dass mein Leben auch nicht ewig dauert. Ich habe mich von vornherein immer mit dem Leben so abgefunden, wie es war. Ich wollte das auch nicht verschweigen, was ich ja leicht hätte machen können. Ich hätte ja leicht diesen dritten Band furios abschließen können mit irgendeinem großen Ereignis. Ich habe genügend solcher Ereignisse erlebt. Aber ich wollte bis zum Ende die Wahrheit in Wahrhaftigkeit sagen.

Anne Will: Ich habe Sie eben kurz unterbrochen an der Stelle, als Sie, glaube ich, dabei waren, uns zu entwickeln, woran Sie festmachen könnten, dass der Zeitpunkt gekommen wäre, wo Sie sagen, okay, jetzt ist mein Leben vollendet, und jetzt mag ich den nächsten Schritt gehen.

Hans Küng: Also der sichere Terminus, wo es für mich klar wäre, wäre das, wenn ich irgendwelche Zeichen von Demenz spüre. Hier um die Ecke wohnte Walter Jens. Ich habe über Jahre seine Demenzerkrankung miterlebt. Wir haben ja in den 1990er-Jahren zusammen Vorlesungen gehalten, die „Menschenwürdig sterben“ hießen, unten in der Universität. Und Jens hat immer gesagt, es wäre für ihn ein Glück, wenn er wie Sigmund Freud damals einen Arzt fände, der ihm dann helfen würde zu sterben. Er hat das eigentlich vorgehabt, er hat aber den Moment verpasst. Ich will auf keinen Fall den Moment verpassen. Beginnende Demenz wäre jedenfalls eine klare Indikation, was sonst noch dazu kommen kann, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich bin bereit zu allem. Ich bin bereit, auch noch eine neue Aufgabe zu übernehmen, wenn eine sich stellt, die ich jetzt noch leisten kann. Aber ich will nicht in demselben Stil weitermachen. Ich habe alle Bücher geschrieben, die ich schreiben wollte, habe alle Reisen gemacht, die ich machen wollte, also ich bin in diesem Sinne ein glücklicher Mensch, relativ glücklich, und kann sagen, mein Werk hat sich in etwa gerundet und vollendet.

Hans Küng

Über Hans Küng

Biografie

Hans Küng, geboren 1928 in Sursee/Schweiz, gestorben 2021 in Tübingen, war Professor Emeritus für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen und Ehrenpräsident der Stiftung Weltethos. Er galt als einer der universalen Denker seiner Zeit. Sein Werk liegt im Piper Verlag vor. Zuletzt erschienen...

Pressestimmen
Hersfelder Zeitung

„Ein Buch voller Leidenschaft und Reibungsfläche, gerade auch für Christen.“

Anzeiger Luzern (CH)

„Ein lesenswertes Buch, das zum Nachdenken zwingt über letzte Entscheidungen, die man treffen sollte, so lange das noch möglich ist.“

SRF Radio

„›Glücklich sterben?‹ ist ein kleines, unaufgeregtes Diskussionsbuch. Und es ist die Erkenntnis eines großen Theologen, dass zur Ehrfurcht vor dem Leben auch ein bewusstes und menschenwürdiges Sterben gehört.“

zeitzeichen

„Dieses sehr persönliche Buch vom ›glücklichen Sterben‹ ist von tiefer ›Ehrfurcht vor dem Leben‹ geleitet. Nicht nur christlich geprägte Menschen werden hier viel Hilfreiches im Blick aufs eigene Sterben erfahren können.“

Kommentare zum Buch
Wie lange ist ein Mensch „noch voll Mensch“?
Klaus Hägele am 13.09.2014

Hans Küngs Interview mit Anne Will, das er nun auch in seinem Buch „Glücklich sterben?“ veröffentlicht hat, sagt mit Bezug auf die Möglichkeit einer beginnenden Demenz: „Ich möchte so sterben, dass ich noch voll Mensch bin und nicht nur eben reduziert auf ein vegetatives Dasein. Oder wie mein Freund Walter Jens reduziert, (…) eigentlich auf die Kindheit zurückgeführt. Wo ich also dann, sagen wir mal, wie er, sich dann freut an Tieren und Kindern.“ Ich bin über diese Sätze erschrocken. Selbstverständlich steht es mir nicht zu, eine persönliche Entscheidung von Prof. Küng oder anderen zu kritisieren. Wenn er aber die ethische Aussage publiziert, das von Gott geschenkte Leben beinhalte auch die Verantwortung des Menschen, es gegebenenfalls auch aktiv zu beenden, und dies, wie hier geschehen, als seine persönliche Weise des Umgangs mit dem Lebensende veröffentlicht, dann ist es erlaubt und geboten, urteilende Bemerkungen zu seinen Formulierungen zu machen. Denn diese Absichtserklärung hat Vorbildcharakter. Hans Küng fügt seinen genannten Sätzen hinzu: „Ich rede nur für mich. Aber ich weiß natürlich, dass viele Menschen […] ähnliche Probleme haben, sehr viele Menschen.“ Und die können sich nun auf ihn als christlichen Theologen berufen. Deshalb muss deutlich widersprochen werden. Die Bewertung eines Suizids ist eine Sache. Die Begründung dafür eine ganz andere. Nach christlichem Verständnis kann das „volle Menschsein“ nie und nimmer mit beginnender Demenz zu Ende sein! Hier redet Hans Küng nicht mehr verantwortlich. Welch himmelschreiender Ausschluss von Menschen, die mit die Persönlichkeit verändernden Krankheiten oder mit Behinderungen leben, vom „vollen Menschsein“! Womit genau endet dieses denn? War wohl am Ende auch der am Kreuz gefolterte Jesus nicht mehr „wahrer Mensch“? Hans Küngs Satz stellt grundlegende christliche Überzeugungen in Frage, die aus der Selbstentäußerung Gottes (Philipper 2) erwachsen.

Euthanasie als Lösung?
zita am 08.09.2014

Ich bin selbst Krankenschwester, hab in Folge dessen schon viele Menschen sterben sehen. Mein Ziel war es immer, den Willen des Kranken so gut es geht zu respektieren;(natürlich in Absprache m. d. jeweiligen Arzt!) Schmerzmittelgabe, soviel er wollte - viele wollten z. B. mit Morphin länger warten, andere wollten mehr Schmerzfreiheit, so dass sie ihre Sachen noch besser regeln konnten, sich von den Lieben verabschieden ohne von Schmerzen gepeinigt zu sein. Jeder Arzt weiß doch heute, wie man Schmerzmittel so kombiniert, dass es für den jeweiligen Patienten passt, oder? Ich sage nicht, dass jeder friedlich sterben kann, aber ich weiß, dass viel falsch gemacht wird, dass Pat. leiden, obwohl sie medikamentös viel besser einzustellen wären - weniger leiden müssten. UND DA MUSS DOCH EINGEGRIFFEN WERDEN. Mehr Hospize, mehr Fortbildung f. Ärzte in Richtung Schmerzmedikation usw. Noch wichtig: was passiert mit den Alten die keine Angehörigen haben, die alleine - vielleicht verwirrt - in den Altenheimen liegen? Die keine Vollmacht unterschrieben haben - man könnte sie alle, wenn Hr. Küng rechtgegeben wird ....."von ihrem Leid erlösen!! Pfui Teufel

Selber sterben
Antonius Rey am 05.09.2014

Selber sterben - muss jeder. Leider ist aber in unserer brutal-christlichen, medizinisch überdrehten Gesellschaft nur ein Sterben möglich, das den Aufpassern, den Tabuisten (das Sterben wird wie ein Tabu gehütet!) gefällt. Ich glaube, hinter dem Kampf für das Sterben als Leiden und absolutes Gewähren-Lassen steckt die Angst der Macher und Aufpasser; obwohl diese Christlichkeits-Hüter in ihren Zwangsvorstellungen auf mich brutal und ohne Liebe wirken. Hunderte von Künstlern haben sich immer ihren eigenen Tod - alledings geradezu scheußlich-brutal suchen wollen und müssen: von (klassisch) Heinrich von Kleist (+1811) bis heutzutage Wolfgang Herrndorf (+2013) - durch Erschießen. Sie hätten einen freundlichen Tod in ihrem irr-wahnsinnig machenden Leid verdient gehabt.

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