Lieferung innerhalb 1-3 Werktage
Bezahlmöglichkeiten
Vorbestellung möglich
Kostenloser Versand*
Die trüben Wasser von Triest (Commissario-Benussi-Reihe 1)

Die trüben Wasser von Triest (Commissario-Benussi-Reihe 1)

Roberta De Falco
Folgen
Nicht mehr folgen

Kriminalroman

„Roberta de Falco gelingt es, ihrem Krimidebüt eine Seele einzuhauchen.“ - Tiroler Tageszeitung

Alle Pressestimmen (9)

E-Book (8,99 €)
€ 8,99 inkl. MwSt.
sofort per Download lieferbar
In den Warenkorb
Geschenk-Service
Für den Versand als Geschenk können eine gesonderte Lieferadresse eingeben sowie eine Geschenkverpackung und einen Grußtext wählen. Einem Geschenkpaket wird keine Rechnung beigelegt, diese wird gesondert per Post versendet.

Die trüben Wasser von Triest (Commissario-Benussi-Reihe 1) — Inhalt

Triest, der Bora weht. Die Stadt mit der großen habsburgischen Tradition leidet unter den typischen italienischen Verhältnissen, findet Commissario Ettore Benussi: keine Disziplin, keine Autorität. Wo soll das hinführen? Zum Glück hat er nur noch wenige Jahre bis zur Pensionierung, und dann wird er endlich den lange geplanten Kriminalroman schreiben. Doch gegenwärtig muss er sich noch um die realen Toten kümmern. Als die 90-jährige Ursula Cohen leblos im Hafenbecken treibt, zeigen sich so viele Menschen in ihrem Umfeld verdächtig, dass er auf die Hilfe seiner jungen Kollegen Elettra und Valerio dringend angewiesen ist ...

€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 11.08.2014
Übersetzt von: Luis Ruby
336 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96754-9
Download Cover

Leseprobe zu „Die trüben Wasser von Triest (Commissario-Benussi-Reihe 1)“

1

Jeden Morgen bei Tagesanbruch ging Romeo Rocco zum Joggen. Im Sommer und im Winter, bei Regen oder Sonnenschein, er musste die fast sechzehn Kilometer zurücklegen, vom Alten Fischmarkt zum Schloss Miramare und wieder zurück. Das Laufen war die einzige Leidenschaft, die ihn nicht verraten hatte. Wenn er lief, fühlte er sich lebendig, kraftvoll, noch auf dem richtigen Weg. Er ließ keinen Marathon in der Region aus, und seit etwas mehr als einem Jahr träumte er davon, am New-York-Marathon teilzunehmen. Er hätte im Karst laufen können, auf der Strada [...]

weiterlesen

1

Jeden Morgen bei Tagesanbruch ging Romeo Rocco zum Joggen. Im Sommer und im Winter, bei Regen oder Sonnenschein, er musste die fast sechzehn Kilometer zurücklegen, vom Alten Fischmarkt zum Schloss Miramare und wieder zurück. Das Laufen war die einzige Leidenschaft, die ihn nicht verraten hatte. Wenn er lief, fühlte er sich lebendig, kraftvoll, noch auf dem richtigen Weg. Er ließ keinen Marathon in der Region aus, und seit etwas mehr als einem Jahr träumte er davon, am New-York-Marathon teilzunehmen. Er hätte im Karst laufen können, auf der Strada Napoleonica oder dem Rilkeweg, hoch oben, weit weg von den eisigen Spritzern, die ihm der Nordwind ins Gesicht schleuderte, wenn er wie in den vergangenen Tagen mit über hundertdreißig Sachen blies. Aber als waschechter Triester konnte er einfach nicht laufen, ohne die blaue Weite vor sich zu sehen, ohne die verschneiten Berge, die an ganz klaren Tagen über der fernen Isola di Grado eine Krone bildeten. Wie oft war er an den eigentümlichen Badeeinrichtungen vorbeigejoggt, die an Mauseohren erinnerten und von den Triestern daher zärtlich topolini genannt wurden; wie oft hatte er die großen Granitfelsen entlang des breiten Porphyrwegs bewundert, der zum Hafen von Barcola führte, unterhalb des Leuchtturms. Und doch bekam er davon nie genug. Das ist das Schöne am Meer: Man wird seiner niemals müde, es überrascht einen immer wieder. Jetzt schlug er den Weg zum Alten Hafen ein, vorbei an den baufälligen Ruinen dieser imposanten Geisterstadt, die seit über einem Jahrhundert verlassen hinter dem Zollgebäude lag, und kam auf der Rückseite des Bahnhofs heraus. Mit sicheren Schritten bog er in die Nebenstraße ein, die die Sala Tripcovich mit dem Teatro Miela verband und ihn wieder zurück zu der Uferstraße führen würde. Das Herzfrequenz-Messgerät an seiner Brust begann eine Reihe von Pieptönen auszusenden: Er musste das Tempo verringern. Sein Herz schlug zu schnell. Also ging er langsam zum Molo Audace und begrüßte dort den Morgen. Ein Ritual, das er schon als Junge gemocht hatte. Es war ein klarer Spätseptembermorgen. Die Bora, die drei Tage lang getobt hatte, war einer leichten Nordbrise gewichen, von der das Meer kaum gekräuselt wurde. Auf der anderen Seite des Golfs stiegen aus der Morgendämmerung die zartblauen Umrisse von Pirano auf. Zu dieser Stunde war die Lieblingspromenade der Triester noch menschenleer. Nur ein kleiner Hund bellte wie wahnsinnig Richtung Meer. Warum war er denn so aufgeregt? Wen verbellte er da? Romeo trat vorsichtig näher und sah etwas Weißes, das in den Wellen auf und ab schaukelte und hin und wieder gegen die Felsen stieß. Eine Plastiktüte? Eine Qualle? Nein, genau betrachtet war das keine Qualle. Das waren Haare. Langes, weißes Haar, das im Meer trieb. Zwischen den Felsen hatte sich die Leiche einer Frau verfangen, mit dem Gesicht nach unten. Elettra Morin schreckte aus dem Schlaf, mit einem Gefühl der Beengung. Wo zum Teufel war sie? Wie spät war es? Sie schaltete das Licht an, und beim Anblick des Wasserfalls auf dem Poster, das über dem kleinen weißen Resopalschreibtisch hing, begriff sie, dass sie sich in ihrem Zimmer von früher befand, im Haus ihrer Eltern. Am Abend zuvor hatten sie ein kleines Fest zu Ehren der Mutter gefeiert, mit den Nachbarn und dem einen oder anderen alten Freund. Ihr Vater hatte alles organisiert: die Einladungen, das Catering durch ein kleines Restaurant aus der Nachbarschaft – er wollte seiner Frau die Mühe mit dem Kochen ersparen –, das Decken der Tische unter der Pergola, wobei sie die Katzen verjagen mussten, die mittlerweile fast jeden freien Quadratzentimeter des Gärtchens besetzten, das sich seitlich und vor dem weißen Häuschen erstreckte. Es war ein melancholischer, gefühlvoller Abend gewesen, so wie in letzter Zeit immer, wenn sie nach Hause kam. Die Mutter hatte es genossen, und das war das Wichtigste. Elettra erhob sich ruckartig und ging duschen, ohne zuvor aufs Handy zu schauen. Sie hatte einen freien Tag und konnte es ruhig angehen lassen. Als sie in die Küche hinunterging, fand sie dort niemanden vor. Auf dem Tisch standen eine Tasse, der Rest vom Apfelkuchen, das Kännchen mit der Milch und der unvermeidliche Blumenstrauß, den ihre Mutter Aurora niemals fehlen ließ. Elettra lächelte, während sie das Teewasser aufkochte. Eine einäugige Katze sprang auf den Tisch und fing an, Milch aus der Kanne zu schlecken. „He, nein, Tippy. Das ist für mich.“ „Wenn deine Mutter nicht immer die Haustür offen lassen würde, könnten wir vielleicht das eine oder andere retten.“ Ihr Vater Claudio kam herein und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. Er war ein wuchtiger Mann, der das Leben an der frischen Luft gewöhnt war. Der Schnauzbart, den er zeitlebens getragen hatte, war inzwischen weiß, und die schütteren Haare hingen zottelig über seinem gelassenen, zufriedenen Blick. „Gut geschlafen, Schatz?“ „Ich musste eine Tablette nehmen. Hätte sonst kein Auge zugetan.“ „Ich habe mein Lebtag keine Schlaftablette genommem.“ „Ich weiß, Papa, fang bitte nicht wieder damit an … Und Mama?“ „Könntest du mit ihr einkaufen gehen?“ „Ich wollte eigentlich …“ „Weißt du, sie ist ein bisschen müde.“ Verflixte Schuldgefühle. Indem er sie so ansah, gab ihr Vater ihr zu verstehen, dass sie eine Egoistin war – wenigstens die freien Tage könnte sie doch der Familie widmen, solange sie noch keine eigene hatte. Seltsam, wie nur zwanzig Kilometer den Verlauf eines Lebens ändern konnten. Als Mädchen hatte sie sich wohlgefühlt, da spielte sie in dem Puppenhaus, das ihr Vater mit Szenen bäuerlichen Lebens bemalt hatte, oder ging voll Freude mit ihrer Mutter in den kleinen Gemüsegarten, um die Tomaten hochzubinden, die Zucchini zu gießen – immer von unten, direkt an der Wurzel, damit die Pflanzen nicht verwelkten – und über die sonderbaren Formen der Karotten zu staunen, die sie mühsam aus dem harten Erdreich gruben. Doch jetzt stürzte sie alles, was ihr damals Freude und Halt verschafft hatte, in eine taube Melancholie, vor der sie am liebsten weggelaufen wäre. Vielleicht lag es an Auroras Krankheit, die Elettra nicht akzeptieren wollte. Solange sie sich in ihrer Einzimmerwohnung in Triest aufhielt, gelang es ihr, nicht daran zu denken. Dort konnte sie sich einreden, dass bald eine Lösung kommen und die Chemotherapie anschlagen würde, und dann wäre alles wieder wie früher. Sie hatte das Leiden einfach satt. Nach dem Abschluss in Jura – ein Studium, für das sie sich mehr dem Vater zuliebe entschieden hatte als aus wahrer Leidenschaft – war sie zur Polizei gegangen, vor allem, um eine Seite ihrer Persönlichkeit beherrschen zu lernen, die ihr Angst einjagte. Was ihr an der Ausbildung am besten gefallen hatte, war just die Disziplin. Wenn in der äußeren Welt Ordnung herrschte, dann gelang es ihr, auch innen Ordnung zu schaffen. An dem Tag, an dem sie schließlich zur Inspektorin ernannt worden war, war sie glücklich gewesen. Eine gewonnene Schlacht, gegen alles und jeden. Ihre Eltern hatten seinerzeit auf jede erdenkliche Weise versucht, sie davon abzubringen. Das ist doch kein Beruf für so ein zartes Mädchen wie dich. Aber genau deshalb hatte sie sich dafür entschieden. Sie wollte endlich nicht mehr die Zarte sein, wollte keine weiteren Demütigungen ertragen. Nie wieder. Nun aber wollte sie auch den Krieg gewinnen und Kommissarin werden. Und da war nicht mehr viel Zeit zu verlieren. In einem Monat sollten die Prüfungen abgeschlossen sein. Das Telefon klingelte. Claudio legte einen Slalom zwischen zwei Katzen hin, die sich mitten auf dem Flur ausgestreckt hatten, und nahm ab. „Guten Tag, Commissario Benussi. Ja, ja … sie ist hier. Ich gebe sie Ihnen.“ Elettra hob die Augen zum Himmel und atmete scharf aus. Sie hielt nicht viel von ihrem Chef und tat wenig, um das zu verbergen. „Ja? Guten Tag. Nein, habe ich nicht gesehen, ich hab’s noch nicht eingeschaltet … Wie Sie vielleicht wissen, bin ich nicht im Dienst.“ Ihr Ton war nicht der freundlichste, und Elettras Vater machte ihr Zeichen: Pass auf, er ist dein Vorgesetzter. Aurora kam mit einem Strauß Rosen herein. Ihre bunte, selbst gehäkelte Mütze ließ ihre Blässe noch gespenstischer wirken. Ihr Körper war einmal voll und einladend gewesen, jetzt aber war er vertrocknet wie eine Pflanze, die für längere Zeit ohne Wasser auskommen muss. Die weite Bluse mit Blümchenmuster, die sie noch im Vorjahr weich umhüllt hatte, baumelte so schlaff herab, als hinge sie an einem Kleiderbügel. „Magst du mich vielleicht begleiten, Schatz? Ich muss noch Fisch einkaufen.“ „Sie ist am Telefon. Der Commissario …“, flüsterte Claudio ihr zu. Elettras Stimme wurde lauter. „Wie bitte? Wo?“ Als sie schließlich auflegte, wiederholte Aurora ihre Frage. „Würdest du mit mir nach Grado fahren, Ely? Wir suchen zwei schöne Wolfsbarsche aus und machen sie dann im Salzmantel, was hältst du davon?“ Elettra lächelte ihre Mutter traurig an. Sie war so vertrauensvoll, so glücklich, die Tochter dazuhaben. Elettra kam sich vor wie ein Monster, wieder einmal. „Das würde ich wirklich sehr gerne, Mama. Aber ich kann beim besten Willen nicht. Sie haben eine Leiche aus dem Meer gezogen.“ Wenn Ettore Benussi etwas mit der Stadt Triest gemeinsam hatte, dann war es eine gewisse Faulheit, eine Grundträgheit, die ihn dazu brachte, stets den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. In seinen Augen waren Weltverbesserer oder Leute, die überhaupt versuchten, etwas zu ändern, naive Träumer. Der Westen – und mit ihm die gesamte Welt – befand sich auf dem absteigenden Ast, das war mehr als offensichtlich, und Triest bot dafür ein glasklares Beispiel. Die Stadt, dereinst Zierde des Habsburgerreichs – so hatte die unter Maria Theresia entstandene Prachtarchitektur deren Enkel Maximilian zum Bau des schneeweißen Schlosses Miramare inspiriert, das dem Geist eines Ururgroßvaters von Walt Disney entsprungen schien –, diese Stadt versank nun wehmütig in einer schicksalsergebenen, ressentimentgeladenen Tatenlosigkeit. Das ließ sie mehr zu einer Geisterstadt werden als zum aristokratischen Zeugnis einer überlegenen Kultur, wie es die weißen Bauten, die auf die Rive hinausgingen – Kulisse für die verblüffende Piazza dell’Unità –, noch immer suggerieren wollten. Benussis schwarzer Humor mit seiner Tendenz zum Pessimismus hätte wunderbar zu einem Menschen gepasst, der als Schriftsteller durchs Leben ging, als Denker oder Philosoph, für einen Polizeikommissar war diese Haltung jedoch nicht sehr förderlich. Ebendieser Charakterzug brachte ihm nicht wenige Probleme mit seinen jüngeren Mitarbeitern ein, die sich im Gegensatz zu ihm noch in der glanzvollen Illusion wiegten, der Gesellschaft nutzen zu können, und wie Fohlen mit den Hufen scharrten, wenn sie Indizien hinterherjagten, Verdachtsmomenten, Spuren und mutmaßlichen Mördern, die sich dann häufig als unschuldig erwiesen. Was seine ohnehin schon undankbare Arbeit nur noch weiter komplizierte. Sieben Jahre noch bis zur lange ersehnten Pension, und dann würde er endlich frei sein, sich in sein Häuschen in Santa Croce zurückzuziehen, das er vom Vater geerbt hatte, um dort zu schreiben – der neue Camilleri des Nordostens, Verfasser atemberaubender Thriller. Sein Computer war voller Ideen für Geschichten, Figuren, voller brillanter Notizen. Wenn in Italien ohnehin schon jeder Krimis schrieb – Richter, Ärzte, Dozenten, sogar Frauen –, warum sollte nicht auch er das tun, mit all den Fällen im Rücken, denen er sich in seiner langen Karriere hatte widmen müssen? Er, der die menschliche Natur so gut kannte wie kein Zweiter? Seine Frau Carla ermutigte ihn darin nicht. „Überlass das Schreiben denen, die was davon verstehen, Tintenkleckser gibt es schon genug auf der Welt.“ Ettore ließ sich nicht dazu herab, ihr zu antworten, sie lebten schon lange in parallelen Welten. Ihm war nicht klar, warum sie überhaupt noch zusammen waren, nach zwanzig Jahren. Bestimmt nicht wegen Livia, ihrer einzigen Tochter, die mit der Gabe gesegnet war, durch ihren ständigen Missmut und ihre Null-Bock-Haltung die seltenen Momente des Friedens zu zerstören, die der Kommissar zu Hause zu finden hoffte. Wer war schuld daran, dass ein braves, stilles blondes Mädchen zu einer ungepflegten, höhnischen, ungezogenen Heranwachsenden geworden war? Doch wohl die Mutter, die damit überfordert gewesen war, sie zu erziehen, behauptete Ettore, wenn sie sich stritten. Nein, der Vater, der sich nie um sie gekümmert hatte, außer um sie zu kritisieren und sich über sie lustig zu machen, versetzte Carla. Und so hatte sich die sechzehnjährige Livia im Sturm wechselseitiger Vorwürfe eine Rüstung aus Tattoos und Piercings zugelegt, verstärkt durch die Musik, die sie sich pausenlos in die Ohren blies: Dann brauchte sie sich nicht um die Eltern zu kümmern, die ihr nur noch als unwillkommene Hintergrundgeräusche erschienen. Ihr einziges Gefühl, sagte sie bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie sich zu einem Gespräch mit ihnen herabließ, war sowieso Verachtung. Sie verachtete den Vater als Fettwanst, der sich obsessiv mit Diäten beschäftigte, und sie verachtete die Mutter dafür, sich als Retterin der Welt zu sehen. Dabei hätte die Menschheit mehr davon gehabt, wenn diese ekelhaften Drogenabhängigen und Säufer, denen sie sich widmete, allesamt an einer Überdosis gestorben wären. Der Gedanke an seine Tochter beschäftigte Kommissar Ettore Benussi auch an diesem Morgen, als er um sieben in der Küche saß. Livia war noch nicht nach Hause gekommen, wie so häufig, und er war ratlos, was er mit ihr machen sollte. Vor nicht allzu langer Zeit hätte noch die Drohung genügt: „Ich schicke dich aufs Internat!“ Aber inzwischen jagten Internate niemandem mehr Angst ein. Das berüchtigte Jahr 1968 hatte durch seine Revolution der Sitten und durch all die anderen Verfallsformen des Freiheitsgedankens, die es hervorgebracht hatte – eine weitere von Benussis Obsessionen –, auch den heiligen Grundsatz der Autorität und des Respekts für die ältere Generation abgeschafft, auf dem seit den alten Ägyptern die Zivilisation beruhte. Für die sogenannte entwickelte Welt hatte genau damit der Abstieg begonnen. Soll sich ihre Mutter drum kümmern, dachte er, während er seinen Espresso herunterkippte. Er hatte beschlossen, an diesem Tag die Finger von Kohlenhydraten zu lassen. Am Abend zuvor hatte er sich lange in diese Dukan-Diät eingelesen, von der neuerdings alle redeten. Auf eine solche Ernährungsform wartete er seit Jahrzehnten: Nach Herzenslust essen dürfen und dabei abnehmen. Er machte den Kühlschrank auf und vertilgte einen Rest kaltes Huhn vom Vortag, gefolgt von einem griechischen Joghurt mit drei Teelöffeln Haferkleie. Diesmal würde er sie alle zum Staunen bringen, diese Ungläubigen. Er würde zehn Kilo abnehmen, ohne einen einzigen Fehltritt. Keiner schien zu begreifen, dass es ihm nicht an Willensstärke fehlte. Das lag alles nur am Stress. Die Tätigkeit des Ermittlers erforderte eine Unmenge Verstandeskraft, speiste sich also vor allem aus im Hirn verbrannter Glukose. Da musste sich ein armer Teufel wie er doch die eine oder andere Stärkung genehmigen, um hinterher wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Doch diesmal hatte der Kommissar eine Entscheidung getroffen: Er würde keine Cornetti mehr anfassen, kein Brot und keine Kekse, von jetzt an gab es nur noch Proteine. Seit der Kindheit hatte er immer wieder zu hören bekommen, dass er doch nur zu wollen bräuchte. Für ihn war das ein ausgesprochen unbequemes Konzept gewesen. Die Dukan-Diät wusste dieses Problem mit freundlicher Komplizenschaft zu umgehen – Sie essen, so viel Sie wollen; das hatte ihn überzeugt. Benussi hatte noch den Mund voller griechischem Joghurt – dazu, er konnte nicht anders, ein Löffel Honig, das waren schließlich keine Kohlenhydrate, und eine Handvoll Mandeln, für die Knochen –, als das Handy in seiner Hosentasche klingelte. Die Nachricht von Inspektor Valerio Gargiulo lautete: Man hatte am Molo Audace eine Frauenleiche gefunden.

Roberta De Falco

Über Roberta De Falco

Biografie

Roberta De Falco ist das Pseudonym einer erfolgreichen Drehbuchautorin, die mit den Großen des italienischen Kinos zusammengearbeitet hat. Sie lebt in Triest, Rom und Orvieto.

Pressestimmen
active live (CH)

„Rundum gelungen“

P.S.

„Ausgesprochen gut gemacht.“

Münchner Merkur

„Tolle Leute und eine fesselnde Handlung.“

Tiroler Tageszeitung

„Roberta de Falco gelingt es, ihrem Krimidebüt eine Seele einzuhauchen.“

Osthüringer Zeitung

»Ein spannender Auftakt für weitere Fälle mit diesem neuen Commissario.»

Freundin

„Neben romantischen Elementen erwartet den Leser hier eine hochspannende Zeitreise-Geschichte.“

Kleine Zeitung (A)

„Ein komplexer, dichter Roman.“

http://hallo-buch.de

„Empfehlenswert für alle Italien-Fans.“

EatSmarter!

„Raffinierter Debüt-Krimi.“

Kommentare zum Buch
Kommentieren Sie diesen Beitrag:
(* Pflichtfeld)

Roberta De Falco - NEWS

Erhalten Sie Updates zu Neuerscheinungen und individuelle Empfehlungen.

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Roberta De Falco - NEWS

Sind Sie sicher, dass Sie Roberta De Falco nicht mehr folgen möchten?

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Abbrechen