Lieferung innerhalb 1-3 Werktage
Bezahlmöglichkeiten
Vorbestellung möglich
Kostenloser Versand*
Der Abgrund jenseits der Träume (Die Chronik der Faller 1)

Der Abgrund jenseits der Träume (Die Chronik der Faller 1)

Peter F. Hamilton
Folgen
Nicht mehr folgen

Roman

„Ein wuchtiger Science-Fiction Knüller!“ - denglers-buchkritik.de

Alle Pressestimmen (3)

E-Book (13,99 €)
€ 13,99 inkl. MwSt.
sofort per Download lieferbar
In den Warenkorb
Geschenk-Service
Für den Versand als Geschenk können eine gesonderte Lieferadresse eingeben sowie eine Geschenkverpackung und einen Grußtext wählen. Einem Geschenkpaket wird keine Rechnung beigelegt, diese wird gesondert per Post versendet.
Kostenlose Lieferung
Bestellungen ab 9,00 € liefern wir innerhalb von Deutschland versandkostenfrei

Der Abgrund jenseits der Träume (Die Chronik der Faller 1) — Inhalt

Endlich kehrt Peter F. Hamilton zu seinem beliebtesten Universum zurück. Auf diesen Band, Teil des „Commonwealth“-Zyklus und zugleich idealer Einstieg für Neuleser, haben die Fans seit Jahren gewartet: Was liegt hinter der Leere, der gefährlichsten Anomalie der Galaxis, die niemand zuvor durchquert hat? Die Leere ist ein gewaltiges, machtvolles Gebilde, mysteriöser und gefährlicher als alles im Universum. Als ein selbsternannter Prophet von dort Traumbilder empfängt, die auf eine bevorstehende Katastophe hindeuten, wird Nigel Sheldon beauftragt, zur Leere zu reisen. Er soll alles über den Ursprung der Träume herausfinden und die letzte Grenze überschreiten. Und was er entdeckt, wird über das Schicksal aller Zivilisationen entscheiden ...

€ 13,99 [D], € 13,99 [A]
Erschienen am 05.10.2015
Übersetzt von: Wolfgang Thon
816 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97124-9
Download Cover

Leseprobe zu „Der Abgrund jenseits der Träume (Die Chronik der Faller 1)“

BUCH EINS
Siebenundzwanzig Stunden und zweiundvierzig Minuten


Laura Brandt kannte die Ausstiegsprozedur aus einer Suspen­sionsröhre in- und auswendig. Diese ähnelte dem Ende des altmodischen Rejuvenations-Prozesses, dem Laura sich unterzogen hatte, bevor biononische Ergänzungen und Advancer-Gene in die menschliche DNA eingefügt worden waren und den Alterungsprozess praktisch ausgelöscht hatten. Zuerst kam die langsame, behagliche Reise zum Erwachen des Bewusstseins, während der Körper behutsam aufgewärmt wurde und Nährlösungen sowie Betäubungsmittel jedes [...]

weiterlesen

BUCH EINS
Siebenundzwanzig Stunden und zweiundvierzig Minuten


Laura Brandt kannte die Ausstiegsprozedur aus einer Suspen­sionsröhre in- und auswendig. Diese ähnelte dem Ende des altmodischen Rejuvenations-Prozesses, dem Laura sich unterzogen hatte, bevor biononische Ergänzungen und Advancer-Gene in die menschliche DNA eingefügt worden waren und den Alterungsprozess praktisch ausgelöscht hatten. Zuerst kam die langsame, behagliche Reise zum Erwachen des Bewusstseins, während der Körper behutsam aufgewärmt wurde und Nährlösungen sowie Betäubungsmittel jedes Gefühl von Unbehagen und Orientierungslosigkeit dämpften. War man dann richtig wach und bereit, die Augen aufzuschlagen, erschien es einem, als ­erwachte man aus einem wirklich angenehmen Schlaf, bereit, dem Tag voller Begeisterung und erwartungsvoll entgegenzutreten. Ein reichhaltiges Frühstück mit Pfannkuchen, knusprigen Schinkenstreifen, Ahornsirup und gekühltem Orangensaft – kein Eis bitte, danke ! – gab dann der ganzen Angelegenheit diesen zusätzlichen kleinen Touch, der die Rückkehr zum vollen Bewusstsein zu einer willkommenen Erfahrung machte. Wenn sie das diesmal erlebte, würde sie sich am Ende einer Reise zu ­einem Sternenhaufen außerhalb der Milchstraße befinden, bereit, mit anderen Angehörigen der Brandt-Dynastie ein neues Leben zu beginnen, eine neue Zivilisation zu gründen, und zwar eine, die ganz und gar anders wäre als die des übersättigten und abgestumpften alten Commonwealth, die sie hinter sich gelassen hatten.
Freilich gab es da noch die Notfall-Extraktions-Prozedur, die von der Schiffsbesatzung Tank-Yank genannt wurde …

Jemand schlug auf den roten Notfallknopf außen an ihrer ­Suspensionsröhre. Hochwirksame Revitalisierungsmedikamente wur­den in einen Körper gejagt, der immer noch eiskalt war. ­Hämatologische Nabelschnüre zogen sich aus ihrem Hals und ihren Schenkeln zurück ; die geschockten Muskeln verkrampften sich. Die Blase schickte verzweifelt Überdrucksignale an ihr Gehirn, aber die automatische Notfall-Extraktion hatte den Katheter bereits entfernt. Wirklich großartige Planung, Jungs ! Aber das war längst nicht so schlimm wie die rasenden Kopfschmerzen oder wie sich die Spitze ihres Diaphragmas zusammenzog, als ihr Magen sich vor Übelkeit verkrampfte.
Laura öffnete die Augen, schrecklich buntes Licht stach ihr in den Kopf, gleichzeitig öffnete sie den Mund und übergab sich. Ihre Bauchmuskeln verkrampften sich so heftig, dass ihr Oberkörper sich aus dem Polster hob. Sie stieß sich den Kopf am ­Deckel des Sarkophags, wie die Suspensionsröhre genannt wurde, der sich noch nicht ganz geöffnet hatte.
„ So’n Scheiß ! “ Zu dem verwirrenden Nebel aus bunten Farben und Formen gesellten sich kräftig rot schimmernde Sterne des Schmerzes. Sie drehte sich auf die Seite und erbrach sich erneut.
„ Ganz ruhig “, empfahl ihr eine Stimme.
Hände packten ihre Schultern und stützten sie, während sie würgte. Jemand hielt eine Plastikschüssel hoch, die den größten Teil der widerlichen Flüssigkeit auffing.
„ Kommt noch mehr ? “
„ Was ? “, krächzte Laura.
„ Müssen Sie noch mehr auskotzen ? “
Laura fauchte ihn einfach nur an. Sie fühlte sich zu elend, als dass sie auch nur über eine Antwort hätte nachdenken können. Jede einzelne Zelle ihres Körpers teilte ihr unmissverständlich mit, wie miserabel sie sich fühlte.
„ Atmen Sie ein paar Mal tief durch “, riet ihr die Stimme.
„ Ach, zum … ! “
Ihr Körper zitterte so heftig, dass es schon mühsam genug war, einfach nur Luft zu holen, auch ohne irgendwelche ­Yogameister-Atemtechniken auszuprobieren. Diese blödsinnige Stimme … !
„ Sie machen das großartig. Die Wirkung der Wiederbelebungsmedikamente setzt gleich ein. “
Laura schluckte. Magensäure brannte ekelhaft in ihrer Speiseröhre, aber wenigstens fiel es ihr jetzt etwas leichter zu atmen. So mies hatte sie sich seit Jahrhunderten nicht mehr gefühlt. Kein besonders angenehmer Gedanke, aber zumindest war er kohärent. Warum helfen meine Biononics nicht ? Die winzigen molekularen Maschinen, die jede ihrer Körperzellen anreicherten, sollten eigentlich ihren Körper dabei unterstützen, sich zu stabilisieren. Sie kniff die Augen zusammen, um die bunten Lichter zu fokussieren. Ihr war klar, dass einige davon ihre Exosicht-Icons sein mussten. Aber das alles kostete sie viel zu viel Mühe.
„ Tank-Yank ist Scheiße, was ? “
Jetzt endlich erkannte Laura die Stimme. Sie gehörte Andy Granfore, einem Mitglied der medizinischen Abteilung der VERMILLION. Er war ein anständiger Kerl. Sie hatten sich auf ein paar Pre-Flight-Partys getroffen. Bebend stieß sie den Atem aus. » Was ist passiert ? Warum haben Sie mich mit der Notfall-­Extraktion rausgeholt ? «
„ Anordnung des Captain. Und wir haben nicht viel Zeit. Sorry. “
Laura gelang es endlich, Andys Gesicht in den Fokus zu bekommen. Sie sah seine vertraute, dicke Nase, die dunklen Tränensäcke unter den hellbraunen Augen und das ergrauende, in alle Richtungen abstehende Haar. Ein solch altes, verlebtes Gesicht war im Commonwealth, wo sich jeder mit kosmetischer Gen-Sequenzialisierung ein makelloses Aussehen zulegte, ein ungewohnter Anblick. Laura fand sowieso, dass die Menschheit heutzutage aussah wie eine Rasse jugendlicher Supermodels – was nicht unbedingt eine Verbesserung bedeutete. Alles unterhalb von Perfektion war entweder ein Modestatement oder ein überzeugtes, individualistisches „ Fick dich ! “ an die Konformität.
„ Ist die VERMILLION beschädigt ? “
„ Nein. “ Er lächelte sie etwas gezwungen an. „ Jedenfalls nicht direkt. Sie hat sich nur verirrt. “
„ Verirrt ? “ Diese Antwort war möglicherweise noch beun­ruhigender. Wie konnte man sich auf einem Flug zu einem Sternenhaufen mit einem Durchmesser von mehr als 20 000 Lichtjahren verirren ? Etwas von dieser Größe verlor man ja wohl kaum aus den Augen. „ Das soll bloß ein Witz sein, oder ? “
„ Der Captain wird es Ihnen erklären. Ich bringe Sie zur Brücke. “

Laura befahl ihrem U-Shadow, ihr einen allgemeinen Status­bericht zu geben. Die allgegenwärtigen, halbintelligenten Gebrauchsroutinen in ihren makrozellularen Clustern reagierten sofort und ließen eine Standardanordnung mentaler Icons aufflammen, dünne Linien aus blauem, zartem Licht, die sich über ihr etwas verschwommenes Blickfeld legten. Sie runzelte die Stirn. Wenn sie die Effizienzmodi richtig interpretierte, hatten ihre Biononics eine ernsthafte Macke davongetragen. Der einzige Grund, den sie sich für ein derartiges Ausmaß an Verfall vorstellen konnte, war schlichte Alterung. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie sich fragte, wie lange sie wohl in Suspension gewesen war. Sie warf einen Blick auf die Ziffern auf ihrem Zeit-Display. Was sie sah, verwirrte sie noch mehr.
„ Zweitausendzweihunderteinunddreißig Tage ? “
„ Was ? “ Andy sah sie an.
» Wir sind zweitausendzweihunderteinunddreißig Tage unter­wegs gewesen ? Wo zur Hölle sind wir ? « Eine so lange Reise mit UltraDrive-Geschwindigkeit musste sie fast drei Millionen Lichtjahre von Terra weg und damit sehr, sehr weit außerhalb der Milchstraße gebracht haben.
Sein altes Gesicht schien seinen bestürzten Ausdruck noch zu verstärken. „ Es könnte so lange gewesen sein. Wir sind uns über die relative Zeitkompression hier drinnen nicht ganz sicher. “
„ Was … ? “
„ Lassen Sie … Kommen Sie einfach mit zur Brücke, okay ? Der Captain wird Ihnen eine angemessene Erläuterung geben. Ich bin nicht gerade der Richtige, um das hier zu erklären. Vertrauen Sie mir. “
„ Okay. “
Er half ihr, die Beine aus dem Polster zu schwingen. Ihr wurde schwindlig, als sie aufstand, und sie wäre fast zusammengebrochen. Andy war darauf vorbereitet und hielt sie so lange fest, bis sie sich stabilisiert hatte.
Das Suspensionsareal selbst schien intakt zu sein : eine riesige, lange Höhle mit einem metallischen Gerippe, das tausend große, sarkophagähnliche Suspensionsröhren enthielt. Reihen von beruhigend grün blinkenden Monitorlichtern leuchteten an jeder Einheit, jedenfalls soweit sie sehen konnte. Sie nickte zufrieden. „ Also gut. Ich mache mich kurz frisch, dann gehen wir. Sind die Waschräume schon aktiviert ? “ Aus irgendeinem Grund hatte sie Schwierigkeiten, direkt mit dem Netzwerk des Schiffs zu kommunizieren.
„ Dafür haben wir keine Zeit “, beschied Andy ihr. „ Zum Transportpod geht es hier lang. “
Es gelang Laura, ihre Gesichtsmuskeln so weit zu kontrol­lieren, um ihm einen pikierten Ausdruck zuwerfen zu können, bevor sie sich über das Deck zum Ende des Raumes führen ließ. Zwei Malmetall-Quad-Türen schälten sich auf. Der Pod dahinter war ein einfacher, runder Raum, um dessen Wand ringsum eine Sitzbank verlief.
„ Hier “, sagte Andy, nachdem sie sich auf die Bank hatte sinken lassen. Sie war nach dem kurzen Weg, den sie mehr geschlurft als gegangen war, fast vollkommen erschöpft. Er hielt ihr ein Paket mit Kleidung und ein paar Sporentücher hin.
Sie musterte die Tücher abfällig. „ Im Ernst jetzt ? “
„ Etwas Besseres kann ich nicht bieten. “
Während er ihr Ziel in die Kontrolltastatur des Pods tippte, reinigte sie sich Gesicht und Hände und streifte dann den ärmel­losen medizinischen Kittel ab. Die meisten Menschen ent­wuchsen dem Schamgefühl vor Nacktheit, wenn sie ihr zweites Jahrhundert erreicht hatten und zu griechischen Göttern resequenziert wurden. Außerdem kümmerte Andy sie sowieso nicht ; er war schließlich Mediziner.
Bestürzt registrierte sie, dass ihre Haut völlig blass geworden war. Ihre zweite größere biononische Wiederherstellung an ihrem neunzigsten Geburtstag hatte einige Sequenzierungen eingeschlossen, mit denen sie die nördlich-mediterrane Herkunft ihrer Mutter betont hatte. Sie hatte ihre Epidermis bis zu einem fast afrikanischen Schwarz verdunkelt. Diese Schattierung hatte sie die ganzen vergangenen dreihundertsechsundzwanzig Jahre beibehalten. Jetzt jedoch sah sie aus wie eine ­altersrissige Porzellanpuppe, deren Oberfläche jeden Augenblick zu bersten drohte. Die Suspension hatte ihre Haut zu einem furchtbaren Dunkelgrau verfärbt ; mit einer Vielzahl von win­zigen Waschfrauenfalten, nur dass ihre Haut so trocken wie Pergament war. Ich muss daran denken, Feuchtigkeitscreme aufzutragen, sagte sie sich. Ihr Haar hatte einen tiefdunklen Ingwerton, dank ihrer ziemlich kindischen Bewunderung für Grissy Gold, den Bluessänger aus Gulam, der sich ein verblüffendes Jahrzehnt lang im ganzen Commonwealth in seinem Erfolg hatte sonnen können … vor zweihundertzweiunddreißig Jahren. Aber die Farbe war gar nicht so schlecht, sagte sie sich, während sie an den hoffnungslos verfilzten Strähnen zupfte ; sie würde ­einige Hektoliter Conditioner brauchen, um sie wieder zum Glänzen zu bringen. Dann warf sie einen Blick auf die polierte Metallwand des Transportpods, die nicht gerade den besten Spiegel abgab. Ihr normalerweise schmales Gesicht war schrecklich aufgedunsen und verbarg fast ihre Wangenknochen. Die smaragdgrünen Augen waren blutunterlaufen, als hätte sie einen elenden Kater, und ihre Tränensäcke waren fast so schlimm wie die von Andy. „Scheiße ! “, stöhnte sie.
Als sie den tristen, einteiligen Schiffsanzug anlegte, bemerkte sie, wie schlaff ihre Haut nach dieser langen Suspension geworden war, vor allem an den Oberschenkeln. O nein, nicht schon wieder ! Sie verzichtete darauf, ihren Hintern zu mustern. Es würde Monate dauern, um wieder in Form zu kommen. Laura schummelte nicht, indem sie ihre Gestalt mithilfe von Biononics modellierte, so wie die meisten anderen. Sie glaubte daran, dass man sich seine Fitness selbst verdienen musste, ein primitiver Stolz auf ihren Körper. Ein Stolz, den sie sich in jenen fünf Jahren angeeignet hatte, in denen sie sich vor der Welt in einem Ashram der Naturalisten-Fraktion in den Austria-Alpen versteckt hatte, nach dem besonders schmerzlichen Ende einer Beziehung.
Während die Medikamente endlich die schlimmsten Nachwirkungen des abrupten Tank-Yank vertrieben, schloss sie den Anzug und lockerte ihre Schultern, als bereitete sie sich auf eine anstrengende Gymnastiksession vor. „ Ich kann nur hoffen, dass die ganze Sache wirklich wichtig ist “, knurrte sie, während der Pod langsamer wurde. Es hatte kaum fünf Minuten gedauert, um an der Längsachse der VERMILLION entlangzufahren, vorbei an den zwanzig anderen Suspensionsarealen, die die gesamten mittleren Sektionen des riesigen Raumschiffs ausfüllten. Und ihr U-Shadow konnte immer noch keine Verbindung zum Netzwerk der VERMILLION herstellen.

Die mehrschichtigen Türen des Pods öffneten sich zur Brücke des Raumschiffs. Allerdings hatte dieser Begriff im Zeitalter von homogenisierter Netzwerkarchitektur nur noch symbolische Bedeutung. Der Raum ähnelte mehr der behaglichen Coffee-Lounge eines Franchise-Unternehmens, mit langen Sofas, die zu einem Gesprächskreis arrangiert waren, und riesigen, hochauflösenden Hologramm-Feldern an den Wänden.
Es befanden sich fünfzehn Leute in dem Raum. Die meisten hockten in kleinen Gruppen auf den Sofas zusammen und unterhielten sich angeregt. Sie alle wirkten extrem gestresst. Laura sah einige, die ganz offensichtlich ebenso abrupt aus der Suspension gerissen worden waren wie sie, und erkannte sie augenblicklich ; sie gehörten wie sie selbst zum Wissenschaftlerteam des Raumschiffs.
In diesem Moment registrierte sie eine äußerst merkwürdige Empfindung direkt in ihrem Kopf. Es war fast wie der emo­tionale Kontext eines Gesprächs innerhalb des GaiaFields, nur dass ihre GaiaMotes inaktiv waren. Ihr war das ganze Gaia­Field-Konzept noch nie richtig geheuer gewesen. Es war entwickelt worden, um dem Commonwealth die Fähigkeit zu direkter Kommunikation von Verstand zu Verstand zu verleihen, und fußte auf einer fremdartigen Adaption der Quanten-Verschränkungs-Theorie. Einige Leute liebten die Möglichkeit der intimen Gedankenübertragung, die das ermöglichte, und behaupteten, es sei die ultimative Evolution des Intellekts. Dadurch würde es ­jedem erlaubt, den Gesichtspunkt jedes anderen schätzen zu können. Auf diese Weise, so argumentierten sie, würden sämt­liche Konflikte eliminiert. Laura hielt das für einen Haufen Mist. Für sie war das nichts weiter als das unheimliche Extrem des ­Voyeurismus. Und in höchstem Maße ungesund, um es vorsichtig auszudrücken. Sie selbst verfügte über GaiaMotes, weil sie ein gelegentlich sehr nützliches Kommunikationswerkzeug darstellten und sich – noch seltener – als hilfreich erwiesen hatten, an große Mengen von Informationen zu kommen. Aber alltäg­licher Gebrauch ? Vergesst es ! Sie hielt an den guten, altmodischen und verlässlichen Unisphäre-Links fest.
„ Wie ist das passiert ? “, knurrte sie und runzelte die Stirn. Ihr U-Shadow bestätigte ihr, dass ihre GaiaMotes immer noch ­inaktiv waren. Niemand konnte sich direkt mit ihren neuralen Schichten verbinden. Und doch …
Torak, der Chef-Xenobiologe an Bord, grinste sie schief an. „ Wenn Sie das schon sonderbar finden, was halten Sie dann davon ? “ Ein großer Plastikbecher mit Tee schwebte durch die Luft zu ihm und hinterließ zarte Dampffähnchen. Torak starrte ihn konzentriert an und streckte seine Hand aus. Der Becher segelte in seine Handfläche, und er schloss mit einem selbstgefälligen Grinsen die Finger darum.
Laura warf einen verblüfften Blick an die Decke der Brücke. Ihr praktischer Verstand überflog sofort die Parameter des ­IngravFeld-Projektorsystems. Rein theoretisch wäre es möglich gewesen, das Gravitationsfeld des Schiffs so zu manipulieren, um Objekte auf diese Art und Weise bewegen zu können. Aber es hätte einen absurden Aufwand an Mühe und Technik gebraucht, und das alles nur, um einen Trick vorzuführen. „ Was für eine Art von Gravitationsmanipulation ist das ? “
„ Gar keine. “ Toraks Lippen hatten sich nicht bewegt. Und doch klang seine Stimme ganz deutlich in ihrem Kopf, zudem mit genug emotionalem Druck, um zu bestätigen, dass er mit ihr „ redete “.
„ Wie haben Sie … ? “
„ Ich zeige Ihnen, was wir herausgefunden haben, sobald Sie mich das tun lassen “, unterbrach Torak sie.
Sie nickte ihm zu. Dann blubberte etwas wie eine Erinnerung in ihrem Verstand hoch. Es fühlte sich an wie eine kalte, sprudelnde Flüssigkeit – eine Erinnerung, die nicht von ihr stammte. Sie war einer GaiaField-Emission sehr ähnlich und war dennoch eindeutig keine. Laura konnte sie nicht kontrollieren, konnte die Bilder und Stimmen auf keine Art und Weise regulieren. Das machte ihr Angst.
Dann sickerte Wissen in ihr Hirn, verankerte sich und wurde Instinkt.
„ Telepathie ? “, kiekste sie, als sie begriff. Und gleichzeitig spürte sie, wie ihre Gedanken die erstaunte Frage über die gesamte Brücke sendeten. Etliche Angehörige der Mannschaft zuckten unter der Wucht zusammen, mit der sie in ihre eigenen Gedanken drang.
„ Im reinsten Sinne des Wortes “, antwortete Torak. » Und ­außerdem auch Telekinese. « Er ließ den Teebecher los, der weiterhin in der Luft schwebte.
Laura starrte ihn in einer Art betäubter Faszination an. Neue Erkenntnisse in ihrem Kopf zeigten ihr, wie sie diese fantastische Fähigkeit verwenden konnte. Sie formte ihre Gedanken, einfach so, und griff nach dem Becher. Irgendwie fühlte sie ihn ; sein Gewicht schien in ihr Bewusstsein einzudringen.
Der Becher tanzte ein wenig durch die Luft und sank zehn Zentimeter tiefer. Laura verstärkte ihren mentalen Griff um das physikalische Objekt, das noch immer mitten in der Luft schwebte. Sie lachte nervös, bevor sie den Becher vorsichtig auf dem Boden absetzte. „ Das ist wirklich ernsthafter Scheiß “, murmelte sie.
„ Wir alle beherrschen diese extrasensitive Wahrnehmung “, meinte Torak. „ Sie sollten Ihre Gedanken vielleicht abschirmen. Denn sie sind … allgemein zugänglich, sozusagen. “
Laura warf ihm einen erschreckten Blick zu und errötete, während sie hastig versuchte, die Methode anzuwenden, ihre Gedanken – intime, schmerzlich private Gedanken – vor den anderen auf der Brücke abzuschirmen. „ Also gut, das reicht ! Würde mir jetzt bitte jemand erklären, was verdammt hier vorgeht ? Wie machen wir das ? Und was ist passiert ? “
Captain Cornelius Brandt erhob sich. Er war nicht besonders groß, und die Last der Sorgen schien ihn niederzudrücken. Laura erkannte, wie erschöpft und verängstigt er war ; trotz seiner Bemühungen, seine Gedanken abzuschirmen und ruhig ­erscheinen zu lassen, sickerte die Unruhe aus ihm heraus wie ätherische Pheromone. „ Wir glauben, dass wir uns in der Leere befinden. “
„ Unmöglich “, erwiderte Laura automatisch. Die Leere war der Kern der Galaxie. Bis zum Jahr 2560, als die ENDEAVOUR, ein Schiff der Navy-Explorationsflotte des Commonwealth, die erste Umrundung der Galaxie beendet hatte, hatten die Astronomen angenommen, es handelte sich dabei um ein ganz gewöhnliches, extrem hochverdichtetes Schwarzes Loch, wie es sich im Kern aller Galaxien findet. Es war extrem masseverdichtet und hatte auch einen Ereignishorizont, wie ein ganz gewöhnliches Schwarzes Loch. Nur war dieses trotzdem anders, denn es war nicht natürlichen Ursprungs.
Wie die Besatzung der ENDEAVOUR bald feststellte, bewachten die Raiel, eine uralte Rasse, die technisch erheblich weiterentwickelter war als das Commonwealth, die Grenzen dieses Schwarzen Lochs seit über einer Million Jahren. Sie hatten der Leere ­sogar den Krieg erklärt. Seit ihre ersten, primitiven Raumschiffe zum ersten Mal auf sie gestoßen waren, hatten sie sie g­enau beobachtet und festgestellt, dass der Ereignishorizont un­natürliche Expansionsphasen durchlief. Es war angesichts von etwas – auf der kosmologischen Skala – so Großem zwar ­unglaublich, aber es schien ein Artefakt zu sein. Dessen Zweck unbekannt blieb. Angesichts der Stärke und Unberechenbarkeit der Expansionsphasen jedoch würde es sich irgendwann ausdehnen und die ­gesamte Galaxie verschlingen, und zwar lange vor der Zeit, in der ein natürliches Schwarzes Loch so etwas ­getan hätte.
Also starteten die Raiel eine Invasion. Tausende und Aber­tausende der größten Kriegsschiffe, die jemals gebaut worden waren, durchstießen die Grenzen der Leere und drangen in sie ein.
Kein einziges Schiff kehrte zurück. Die gesamte Armada hinterließ nicht den geringsten sichtbaren Effekt auf die Leere oder ihre atypische, unerklärliche Expansion. Das geschah, wie gesagt, vor einer Million Jahren. Seitdem bewachten die Raiel die Grenzen.
Wilson Kime, dem Captain der ENDEAVOUR, wurde höflich, aber nachdrücklich befohlen, umzukehren und sich außerhalb der Wall-Sterne aufzuhalten, die einen dichten Ring um die Leere bildeten. Danach luden die Raiel das Commonwealth ein, sich wie schon viele andere Rassen zuvor der Mission anzuschließen, die die Leere ständig bewachten. Diese Mission existierte, seit die Armada der Raiel dort eingedrungen war. In dieser Million Jahre hatten sie nicht das geringste Wissen über das zutage gefördert, was auf der anderen Seite der Grenze dieses Ereignishorizonts lauerte.
„ Unwahrscheinlich “, korrigierte Cornelius Laura. „ Unmöglich nicht. “
„ Also, wie sind wir hineingeraten ? Ich dachte, unser Kurs würde uns um die Wall-Sterne herumführen. “
„ Wir haben uns bis auf dreitausend Lichtjahre dem Wall genähert “, erklärte Cornelius. » Dann sind wir hineingefallen. Oder wurden gezogen, geschnappt oder eingesaugt. Wir wissen immer noch nicht genau, wie es passiert ist. Sehr wahrscheinlich hat sich innerhalb des Hyperraums eine Art von Teleportations-Verbindung geöffnet. Es erfordert eine ungeheuer fortschritt­liche Technologie, um so etwas zu erzeugen. Andererseits, da wir plötzlich alle mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet sind, ist die Quanten-Hyperfeld-Theorie unser kleinstes Pro­blem. «
Laura starrte ihn ungläubig an. „ Aber warum ? “
» Das ist nicht ganz klar. Den einzigen Hinweis lieferte uns ­Tiger Brandt. Kurz bevor wir reingezogen wurden, sagte sie, sie erlebe eine Art von mentalem Kontakt, wie ein Traum, der sie durch das GaiaField erreichte, nur viel schwächer. Irgendetwas hätte uns oder sie wahrgenommen. Und dann, bevor wir uns versahen … waren wir drin. «
„ Tiger Brandt ? “ Laura kannte Tiger. Sie war mit Rahka Brandt verheiratet, dem Captain der VENTURA. „ Moment, wollen Sie damit sagen, dass die VENTURA mit uns zusammen hier drin ist ? “
„ Sämtliche sieben Schiffe der Flotte wurden in die Leere gezogen “, erwiderte Cornelius düster.
Laura warf einen Blick auf den Teebecher und ignorierte die unangenehmen Nachwirkungen des Tank-Yank. „ Und das hier ist das Innere der Leere ? “ Sie konnte es immer noch nicht glauben.
„ Ja. Soweit wir es verstehen, handelt es sich um eine Art von Mikrouniversum mit einer höchst unterschiedlichen Quantenstruktur im Vergleich zur Raumzeit außerhalb. Gedanken können auf einem fundamentalen Level mit der Realität interagieren, was der Grund dafür ist, warum wir plötzlich alle diese mentale Macht erlangt haben. “
„ Durch die Handlung des Beobachtens beeinflusst der Beobachter die Realität des Beobachteten “, flüsterte sie.
Cornelius hob eine Braue. „ Das ist noch drastisch untertrieben. “
„ Also dann, wie kommen wir wieder hinaus ? “
„ Gute Frage. “ Cornelius deutete auf eines der großen holografischen Images hinter ihm. Dieses zeigte ihr den Weltraum mit nur sehr wenigen Sternen und einer Vielzahl von exotischen und wundervoll fragilen Nebula. „ Es ist kein Ende in Sicht. Das Innere der Leere scheint eine Art von multidimensionalem Möbiusband zu sein. Hier drin existiert keine Grenze. “
„ Wohin fliegen wir dann ? “
Cornelius’ Verstand strahlte eine Welle von Verzweiflung und Hilflosigkeit aus, bei der es Laura kalt überlief. „ Der Skylord bringt uns zu einem, wie er behauptet, H-kongruenten Planeten. Unsere Sensoren bestätigen diesen Status. “
„ Der was ? “
Cornelius deutete auf ein anderes Holo-Feld. „ Skylord. “
Steif drehte Laura sich herum. Das hochauflösende Image hinter ihr stammte von einem Sensor auf dem vorderen Teil des Raumschiffs, wo sich die UltraDrive-Einheit und die Kraftfeldgeneratoren drängten. Das untere Fünftel des Image zeigte die gekrümmte Hülle aus Carbotanium mit seiner dicken Schicht aus schmutziggrauem Thermalschaum. Am oberen Ende des Hologramms schimmerte ein kleiner, blauweißer Halbmond, ähnlich wie bei jeder H-kongruenten Welt im Commonwealth. Nur fehlten auf der Nachtseite sämtliche Lichter von Städten ; und zwischen Hülle und Planet schwebte das sonderbarste Nebulum, das Laura sich hätte vorstellen können. Während sie hinsah, bemerkte sie eine Art soliden Kern in seinem Inneren, mit einer langen ovoiden Form. Es war nicht wirklich fest, das war ihr klar, aber es bestand tatsächlich aus etlichen Lagen einer kristallinen Substanz, die zu einer außergewöhnlichen vielschichtigen Calabi-Yau-Geometrie gekrümmt war. Auf den schimmernden Oberflächen schienen bunte Muster wie Flüssigkeit zu fließen, vielleicht war es aber auch die Struktur selbst, die unstabil war. Sie konnte es nicht erkennen, denn um den Kern herum schwebte eine Art Nebel, der sich ebenfalls in sonderbaren Strömungen bewegte. „ Kein Scheiß ! “, stieß sie hervor.
„ Es handelt sich offenbar um eine Art Weltraumoriginäres Leben “, erklärte Cornelius. » Drei dieser Nebula sind zu uns ­gekommen, kurz nachdem wir in die Leere gezogen wurden. Sie sind intelligent und können mittels Telepathie mit Ihnen Kontakt aufnehmen, obwohl eine Unterhaltung einem Diskurs mit einem Gelehrten ähnelt. Ihre Denkprozesse entsprechen nicht so ganz den unseren. Aber sie können durch den Weltraum ­fliegen. Oder ihn zumindest irgendwie manipulieren. Sie haben uns angeboten, uns zu Welten innerhalb der Leere zu führen, auf denen wir leben könnten. Die VENTURA, die VANGUARD, die VIOLET und die VALLEY sind zwei Skylords gefolgt, die VERMILLION folgt zusammen mit der VISCOUNT und der VERDANT hier. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir eine bessere Chance haben, einen passenden H-kongruenten Planeten zu finden, wenn wir die Flotte aufteilen. «
„ Bei allem Respekt “, antwortete Laura, „ warum folgen wir überhaupt einem dieser Wesen zu einem Planeten ? Sollten wir nicht lieber alles in unserer Macht Stehende tun, um einen Weg hier hinaus zu finden ? Wir alle sind doch letztlich nur aus einem einzigen Grund hier an Bord : außerhalb dieser Galaxie eine neue Zivilisation zu gründen. Zugegeben, das Innere der Leere ist äußerst faszinierend, und die Raiel würden zweifellos ihre rechte Arschbacke dafür geben, an unserer Stelle zu sein, aber Sie können diese Entscheidung nicht für uns treffen. “
Cornelius wirkte müde. „ Wir versuchen einen H-kongruenten Planeten zu finden, weil die Alternative den Tod bedeutet. Haben Sie Ihren biononischen Funktionen zufällig bereits ein wenig Aufmerksamkeit geschenkt ? “
„ Ja. Sie sind sehr schwach. “
» Dasselbe gilt für selbst das kleinste Teilchen von Technologie hier an Bord. Die Raumzeit hier drin zersetzt unsere Systeme um ein Vielfaches schneller als außerhalb der Leere. Zuerst fiel der UltraDrive aus, wahrscheinlich weil er das komplizierteste System an Bord ist. Aber im letzten Jahr gab es auch Fluktua­tionen in den Masse/Energie-Konvertern, die zunehmend ernster wurden. Ich konnte doch nicht riskieren, sie online zu lassen. Wir benutzen jetzt Fusionsreaktoren für die IngravDrive-Ein­heiten. «
„ Was ? “ Laura war schockiert. „ Sie wollen damit sagen, wir fliegen die ganze Zeit langsamer als das Licht ? “
„ 0.9 Lichtgeschwindigkeit, seit wir hier angekommen sind, vor mittlerweile fast sechs Jahren “, bestätigte Cornelius verbittert. „ Glücklicherweise funktionieren die Suspensionsröhren problemlos, sonst hätten wir ein richtiges Desaster erlebt. “

Peter F. Hamilton

Über Peter F. Hamilton

Biografie

Peter F. Hamilton wurde 1960 in Rutland, Großbritannien, geboren. 1988 verkaufte er seine erste Kurzgeschichte an das legendäre „Fear“-Magazin. Mit seinen gefeierten Serien um das „Konföderations“- und das „Commonwealth“-Universum wurde er zu einem der erfolgreichsten phantastischen Autoren unserer...

Pressestimmen
denglers-buchkritik.de

„Ein wuchtiger Science-Fiction Knüller!“

SFFWorld

„Der Meister der Science Fiction auf dem Höhepunkt seiner Kunst!“

Geek!

„Hamilton versteht sein Handwerk, das beweist er mit seinem neuesten SF-Epos wieder.“

Kommentare zum Buch
Kommentieren Sie diesen Beitrag:
(* Pflichtfeld)

Peter F. Hamilton - NEWS

Erhalten Sie Updates zu Neuerscheinungen und individuelle Empfehlungen.

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Peter F. Hamilton - NEWS

Sind Sie sicher, dass Sie Peter F. Hamilton nicht mehr folgen möchten?

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Abbrechen