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Das Jüngste Gericht (Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4)

Das Jüngste Gericht (Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4)

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Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4

„Charmant erzählt und hoch interessant.“ - Ruhr Nachrichten

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Das Jüngste Gericht (Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4) — Inhalt

Die Zauberer der Unsichtbaren Universität haben im Rahmen eines besonders großen Experiments eine Brücke zur Rundwelt geschaffen – und damit eine Erdenbewohnerin auf die Scheibenwelt geholt. Im Gegenzug sollen der Erzkanzler und Rincewind auf der Rundwelt nach dem Rechten sehen – die Reise sollte nicht allzu gefährlich sein, schließlich gibt es keine Dinosaurier mehr, allenfalls noch ein, zwei Kriege und ein wenig globale Erwärmung. Doch als Rincewind auf der Rundwelt eintrifft, nimmt das Unheil seinen Lauf ... Und auf der Scheibenwelt streiten die Zauberer derweil mit der Kirche von Om um die Eigentumsrechte an der Rundwelt – der letzte Tag unserer Erde ist angebrochen ...

€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 12.11.2013
Übersetzt von: Andreas Brandhorst, Erik Simon
432 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96420-3
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Leseprobe zu „Das Jüngste Gericht (Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4)“

Prolog

Welten, scheibenförmig und rund

Es gibt eine vernünftige Art, eine Welt zu erschaffen.

Sie sollte flach sein, damit niemand zufällig herunterfällt, es sei denn natürlich, jemand kommt dem Rand zu nahe – in dem Fall ist er selbst schuld.

Sie sollte kreisförmig sein, damit sie sich ruhig drehen und den langsamen Wechsel der Jahreszeiten erzeugen kann.

Sie sollte gut gestützt sein, damit sie nicht fallen kann.

Die Stützen sollten ein festes Fundament unter sich haben.

Damit keine weiteren stabilisierenden Elemente nötig sind, sollte das Fundament den [...]

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Prolog

Welten, scheibenförmig und rund

Es gibt eine vernünftige Art, eine Welt zu erschaffen.

Sie sollte flach sein, damit niemand zufällig herunterfällt, es sei denn natürlich, jemand kommt dem Rand zu nahe – in dem Fall ist er selbst schuld.

Sie sollte kreisförmig sein, damit sie sich ruhig drehen und den langsamen Wechsel der Jahreszeiten erzeugen kann.

Sie sollte gut gestützt sein, damit sie nicht fallen kann.

Die Stützen sollten ein festes Fundament unter sich haben.

Damit keine weiteren stabilisierenden Elemente nötig sind, sollte das Fundament den erwarteten Zweck erfüllen und aus eigener Kraft an Ort und Stelle bleiben.

Die Welt sollte eine Sonne haben, von der sie Licht empfängt. Die Sonne sollte klein und nicht zu heiß sein, um Energie zu sparen, und sie sollte die Scheibe umkreisen, damit es Tag und Nacht gibt.

Die Welt sollte bewohnt sein, denn welchen Sinn hat die Erschaffung einer Welt, wenn dort niemand lebt?

Alles sollte geschehen, weil die Bewohner es wollen (Magie) oder weil die Kraft der Geschichte (Narrativium) es verlangt.

Diese vernünftige Welt ist die Scheibenwelt: flach, kreisförmig, von vier großen Elefanten getragen, die auf dem Rücken einer durchs All reisenden Schildkröte stehen, bewohnt von gewöhnlichen Menschen, Zauberern, Hexen, Trollen, Zwergen, Vampiren, Golems, Elfen, der Zahnfee und dem Schneevater.

Aber …

Es gibt auch eine dumme Art, eine Welt zu erschaffen, und manchmal ist sie nötig.

Als auf dem Squashplatz der Unsichtbaren Universität ein Experiment in fundamentaler Thaumaturgie außer Kontrolle geriet und das Universum zu zerstören drohte, musste der Computer HEX große Mengen Magie in sehr kurzer Zeit verwenden. Die einzige Möglichkeit bestand darin, das Rundwelt-Projekt in Angriff zu nehmen und ein magisches Kraftfeld zu erzeugen, das paradoxerweise Magie außen vor hält. Als der Dekan der Unsichtbaren Universität den Finger hineinsteckte und sehen wollte, was passieren würde, da entstand die Rundwelt.

Die Rundwelt weiß nicht genau, auf welchen ihrer Teile sich der Name bezieht. Manchmal ist damit der Planet gemeint, bei anderen Gelegenheiten das ganze Universum. Abgesehen von einigen kleinen Pannen verlief ihre Entwicklung – eingeleitet von einem bärtigen alten Mann – über einen Zeitraum von inzwischen dreizehneinhalb Milliarden Jahren recht erfolgreich.

Da es dem Rundwelt-Universum an Magie und natürlichem Narrativium fehlt, basiert es auf Regeln. Nicht auf von Menschen gemachten Regeln, sondern auf Regeln, die es sich selbst zugelegt hat. Was seltsam ist, denn die Rundwelt hat gar keine Ahnung, wie ihre Regeln aussehen sollten. Einiges deutet darauf hin, dass sie einfach improvisiert.

Zweifellos weiß die Rundwelt nicht, welche Größe sie haben sollte. Von außen gesehen, während sie in Rincewinds Arbeitszimmer in einem Regal liegt und Staub ansetzt, hat sie einen Durchmesser von etwa zwanzig Zentimetern und sieht aus wie eine Mischung aus einem Tritt-den-Ball und einer Schneekugel für Kinder. Von innen betrachtet scheint sie größer zu sein: eine Kugel mit einem Radius von etwa 400 Sextillionen Kilometern. Soweit die einzigen bekannten Bewohner wissen, könnte sie sogar noch viel größer sein, vielleicht sogar unendlich.

Ein so großes Universum scheint des Guten zu viel zu sein, denn seine Bewohner bewohnen nur einen winzigen Teil dieses Ehrfurcht gebietenden Volumens, nämlich die Oberfläche eines weitgehend runden Körpers mit einem Durchmesser von etwa zwölftausend Kilometern.

Die Zauberer nennen auch diese Kugel „Rundwelt“. Ihre Bewohner nennen sie „Erde“, denn daraus besteht die Oberfläche (bis auf die nassen, felsigen, sandigen und eisigen Teile) – eine recht provinzielle Vorgehensweise. Bis vor einigen Jahrhunderten hielten sie ihre Erde für den Mittelpunkt des Universums und den Rest, der sich darum drehte oder ziellos über den Himmel wanderte, für unwichtig, weil er sie nicht enthielt.

Der Rundwelt-Planet ist rund, wie schon der Name nahelegt. Nicht rund wie eine Scheibe, sondern rund wie ein Tritt-den-Ball. Er ist jünger als das Rundwelt-Universum und hat nur etwa ein Drittel seines Alters. Wenn man kosmische Maßstäbe anlegt, erscheint der Planet winzig, aber für die Bewohner ist er ziemlich groß, sogar groß genug, um von den Dummen unter ihnen für eine Scheibe gehalten zu werden.

Damit sie nicht herunterfallen, hat sich die Rundwelt eine Regel ausgedacht, der zufolge eine geheimnisvolle Kraft die Menschen festhält. Zum Glück gibt es dort keine welttragenden Elefanten. Gäbe es sie, könnten die Bewohner um ihre Weltenkugel herumgehen und die Stelle erreichen, wo sie auf einem Elefanten ruht. Für sie sähe es aus, als läge dieses riesige, ihre Welt tragende Geschöpf auf dem Rücken, mit den Füßen hoch oben in der Luft. (Mit gelb angemalten Füßen wäre der Elefant in einer Schüssel mit Vanillesoße nicht zu sehen – vorausgesetzt, die Schüssel wäre groß genug.)

Die Regeln der Rundwelt sind demokratisch. Die geheimnisvolle Kraft hält nicht nur die Menschen fest, sondern auch Tiere und alle losen Gegenstände. Aber sie ist schwach, was bedeutet: Die festgehaltenen Dinge können sich bewegen, was sie auch tun, die meiste Zeit zumindest.

Das gilt auch für den Rundwelt-Planeten. Er hat eine Sonne, die ihn aber nicht umkreist. Stattdessen verhält es sich umgekehrt: Der Planet umkreist die Sonne. Schlimmer noch: Dadurch entstehen nicht etwa Tag und Nacht, sondern Jahreszeiten, weil die Achse des Planeten geneigt ist. Außerdem ist die Umlaufbahn nicht genau kreisförmig, sondern ein bisschen eingedrückt, typisch für die allgemeine Schlampigkeit bei der Konstruktion der Rundwelt. Also, um Tag und Nacht zu bekommen, muss sich auch der Planet drehen. Es funktioniert, in gewisser Weise: Echte Dummköpfe können sich zu der Annahme verleiten lassen, die Sonne umkreise den Planeten. Aber – es leuchtet ja ein, dass es auch bei dieser Sache einen Haken gibt – die Drehung hindert die Rundwelt auch daran, zu einer richtigen Kugel zu werden, denn im geschmolzenen Zustand plattet sie oben und unten ein wenig ab. Man könnte auch sagen, dass die Kugel eingedrückt ist, ähnlich wie ihre Umlaufbahn um die Sonne. Ein klarer Fall von noch mehr Schlampigkeit.

Wegen dieser hoffnungslos verpfuschten Anordnung muss die Sonne riesig, sehr weit entfernt und außerdem auch noch absurd heiß sein: so heiß, dass neue Regeln erforderlich sind, damit sie brennt. Und fast ihre gesamte gewaltige Energiemenge wird vergeudet und nur dazu verwendet, leeren Raum zu erwärmen.

Die Rundwelt hat weder Stützen noch ein Fundament. Sie scheint sich für eine Schildkröte zu halten, denn sie schwimmt durchs All, gezogen von einer weiteren geheimnisvollen Kraft. Die menschlichen Bewohner staunen offenbar nicht über eine Kugel, die ohne Schwimmflossen schwimmt. Allerdings erschienen die Menschen erst vor etwa vierhunderttausend Jahren, und das ist nicht mehr als ein Hundertstel Prozent des Alters der Kugel. Sie scheinen durch Zufall entstanden zu sein, als kleine Kleckse, die sich spontan zu höheren Lebensformen entwickelten – worüber die Menschen oft streiten. Um ganz ehrlich zu sein: Sie sind nicht besonders intelligent, und mit dem Austüfteln moderner wissenschaftlicher Regeln für das Universum begannen sie erst vor vierhundert Jahren. Es liegt also noch reichlich Arbeit vor ihnen.

Mit viel Optimismus nennen sich die Bewohner der Rundwelt Homo sapiens, was in einer angemessen toten Sprache „kluger Mensch“ bedeutet. Ihre Aktivitäten werden nur selten dieser Beschreibung gerecht, doch gelegentlich gibt es wunderbare Ausnahmen. Eigentlich sollten die Menschen Pan narrans heißen, „Geschichten erzählender Affe“, denn nichts reizt sie mehr als eine richtig schöne, knackige Geschichte. Sie sind verkörpertes Narrativium und derzeit damit beschäftigt, ihre Welt so umzugestalten, dass sie der Scheibenwelt ähnelt und Ereignisse eintreten, die dem menschlichen Willen Folge leisten. Sie haben ihre eigene Art der Magie erfunden, mit Zauberformeln wie „Mach einen Einbaum“, „Schalt das Licht ein“ und „Login bei Twitter“. Diese Art von Magie mogelt, indem sie auf die Regeln hinter den Kulissen zurückgreift. Aber ausreichend Dummheit vorausgesetzt, kann man glauben, dass es sich tatsächlich um Zauber handelt.

Im ersten Buch, Die Gelehrten der Scheibenwelt, wird dies alles und noch mehr erklärt. Unter anderem geht es um große Napf- beziehungsweise Wellhornschnecken und die vom Pech verfolgte Zivilisation der Krabben und ihren großen Sprung zur Seite. Eine endlose Folge von Naturkatastrophen verdeutlichte, was der Instinkt der Zauberer gleich zu Anfang erkannt hatte: Eine runde Welt ist keine besonders sichere Örtlichkeit. Eine Art schneller Vorlauf durch die Geschichte der Rundwelt beförderte sie von nicht sonderlich vielversprechenden Affen, die sich um einen schwarzen Monolithen drängten, zum Versagen der Weltraumaufzüge, die zeigten: Einigermaßen intelligente Geschöpfe hatten endlich den Durchblick gehabt und beschlossen, den Planeten zu verlassen, um einer weiteren Eiszeit zu entkommen.

Von Affen konnten jene Bewohner nicht abstammen, oder? Die Affen schienen sich nur für zweierlei zu interessieren: für Sex und Prügeleien.

In Die Philosophen der Rundwelt stellten die Zauberer überrascht fest, dass die intelligenten Raumfahrer tatsächlich von den Affen abstammten, wobei der Begriff „Abstammung“ (beziehungsweise Ab- und Aufstieg) später zu neuen Problemen führte. Sie fanden heraus: Weil die Rundwelt bei der Hose der Zeit ins falsche Hosenbein geraten war, hatte sie sich von ihrer ursprünglichen Zeitlinie entfernt. Die von Affen abstammenden Menschen waren Barbaren mit einer grausamen, von Aberglauben beherrschten Gesellschaft geworden. Diese Menschen waren nicht in der Lage, ihren Planeten rechtzeitig zu verlassen und dem Verhängnis zu entrinnen. Irgendetwas hatte die Geschichte der Rundwelt verändert.

Die Zauberer fühlten sich in gewisser Weise verantwortlich für das Schicksal des Planeten und waren leicht besorgt – wie etwa über einen kranken Hamster. Als sie ihrer Schöpfung einen Besuch abstatteten, fanden sie dort Elfen vor. Die Elfen der Scheibenwelt sind keineswegs die edlen Geschöpfe aus den Mythen der Rundwelt. Wenn man von einem Elfen aufgefordert wird, den eigenen Kopf zu essen, so kommt man dieser Aufforderung nach. Die Zauberer kehrten in der Zeit zurück, zu der Stelle, an der die Elfen auf der Rundwelt eingetroffen waren, und vertrieben sie, aber dadurch wurde alles schlimmer. Das Böse war fort, doch es hatte alle Neuerungen mitgenommen.

Auf der Suche nach der korrekten Zeitlinie untersuchten die Zauberer die Geschichte der Rundwelt und fanden heraus: Zwei Schlüsselpersonen, die bei den wenigen Klugen hohes Ansehen genossen, waren nie geboren worden. Dieser Punkt musste in Ordnung gebracht werden, damit der Planet in die richtige Entwicklungslinie zurückkehrte. Es handelte sich um William Shakespeare, dessen Werke einen echten Geist der Menschlichkeit schufen, und Isaac Newton, der die Wissenschaft voranbrachte. Mit erheblichen Mühen und trotz einiger interessanter Fehlschläge – unter anderem mussten Decken schwarz gestrichen werden – gelang es den Zauberern, die Menschheit wieder auf den richtigen Weg zu bringen und sie vor der Auslöschung zu bewahren. Shakespeares Ein Sommernachtstraum gab den Ausschlag, indem er die Elfen der Lächerlichkeit preisgab. Newtons Principia Mathematica zeigte der Menschheit die Sterne und erledigte damit den Rest. Problem gelöst.

Aber nicht auf Dauer.

In Darwin und die Götter der Scheibenwelt geriet die Rundwelt erneut in Schwierigkeiten. Sie hatte einigermaßen sicher das viktorianische Zeitalter erreicht, in dem es jede Menge Innovation geben sollte, kam dabei aber erneut vom rechten Entwicklungsweg ab. Zwar wurden neue Technologien entwickelt, allerdings im Schneckentempo. Ein wichtiger Ansporn für Erneuerung fehlte, und der Hamster der Menschheit erkrankte erneut. Diesmal hatte eine Schlüsselperson das falsche Buch geschrieben. Theologie der Arten von Pfarrer Charles Darwin erklärte die Komplexität des Lebens mit göttlichem Eingriff und war so positiv aufgenommen worden, dass Wissenschaft und Religion zu einer Einheit fanden. Es fehlte der kreative Funke rationaler Debatten. Als Pfarrer Richard Dawkins schließlich Die Entstehung der Arten (durch natürliche Auslese usw.) schrieb, war es zu spät für die Entwicklung der Raumfahrt rechtzeitig vor Beginn einer neuen Eiszeit.

Diesmal bestand das Problem nicht darin, Darwins Geburt zu gewährleisten. Dafür zu sorgen, dass er das richtige Buch schrieb … An dieser Stelle ging alles daneben, und es erwies sich als äußerst schwierig, die schlingernde Geschichte wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Im Gegensatz zur Redensart vom fehlenden Nagel im Hufeisen eines Pferds, durch den schließlich ein ganzes Königreich fällt, genügt es nicht, diesen einen fehlenden Nagel zu finden, um alles in Ordnung zu bringen. Das Pferd hat es dadurch vielleicht ein bisschen bequemer, aber ansonsten ändert sich nicht viel, denn wichtige Ereignisse haben meistens nicht nur eine Ursache. Eine große Gruppe von Zauberern nahm mehr als zweitausend sorgfältig vorbereitete Änderungen vor, um Darwin auf die Beagle zu bringen und ihn daran zu hindern, über Bord zu springen, als ihm von der Seekrankheit hundeelend war. Außerdem musste sein Interesse an Geologie geweckt werden, damit er bei der Expedition blieb, bis die Galapagosinseln erreicht waren.

Vermutlich wäre den Zauberern trotzdem ein Erfolg versagt geblieben, wenn sie nicht gemerkt hätten, dass sich etwas aktiv ihren Bemühungen widersetzte, die Geschichte auf ihre Herstellerangaben zurückzusetzen. Die Revisoren der Realität sind gewissermaßen die obersten Gesundheits- und Sicherheitsbeauftragten. Am liebsten ist ihnen ein Universum, in dem nie etwas Interessantes geschieht, und sie sind zu extremen Maßnahmen bereit, um die erwünschte Ereignislosigkeit durchzusetzen. Diese Revisoren stellten sich den Zauberern entgegen.

Es war eine knappe Sache. Selbst als es den Zauberern schließlich gelang, Darwin auf die Galapagosinseln zu bringen, damit er dort die Finken, Spottdrosseln und Schildkröten bemerkte: Es dauerte Jahre, bis ihm die Bedeutung jener Geschöpfe klar wurde. Bis dahin waren alle Schildkrötenpanzer über Bord geworfen und ihr Inhalt verspeist, und die Finken hatte er einem Vogelexperten überlassen. (Er hatte erkannt, dass die Spottdrosseln etwas Besonderes darstellten.) Noch länger dauerte es, bis er sich endlich dazu aufraffte, Die Entstehung der Arten anstatt Theologie der Arten zu schreiben. In der Zwischenzeit hatte er Lehrbücher über Rankenfüßer verfasst. Als er schließlich mit Die Entstehung der Arten fertig war, baute er Mist beim Titel für die Fortsetzung, indem er sie Abstieg des Menschen nannte. Er meinte die Zurückführung des Menschen auf seinen Ursprung, den Affen, aber es wäre wohl besser von einem Aufstieg die Rede gewesen. In einem vernünftigeren Universum hätte der Titel vermutlich Die Abstammung des Menschen (und die geschlechtliche Zuchtwahl) gelautet.

Jedenfalls setzten sich die Zauberer letztendlich durch und fanden sogar eine Möglichkeit, Darwin auf die Scheibenwelt zu bringen, damit er dort dem Gott der Evolution begegnete und die Räder an seinem Elefanten bewundern konnte. Mit der Veröffentlichung von Die Entstehung der Arten wurde die betreffende Zeitlinie zur einzigen, die jemals existiert hatte. (So ist das eben mit der Hose der Zeit.) Die Rundwelt war erneut gerettet, konnte ungestört in ihrem Regal liegen und wieder Staub ansetzen.

Bis …



Eins

Ein sehr großes Ding

Jede Universität muss früher oder später ein großes oder – noch besser – ein Sehr großes Ding haben. Nach Ponder Stibbons, dem Leiter der Abteilung für unratsame angewandte Magie in der Unsichtbaren Universität, war es praktisch ein Naturgesetz. Es musste sich um ein Ding handeln, und es konnte eigentlich gar nicht groß genug sein. Kleine Dinge kamen einfach nicht infrage.

Die alten Zauberer beäugten die Schokoladenkekse auf dem Tablett, das die Teedame gerade hereingebracht hatte, und hörten mit so viel Aufmerksamkeit zu, wie man von Zauberern erwarten konnte, die gerade von Heißhunger auf Schokolade abgelenkt waren. Ponders sorgfältig formulierter Vortrag wies auf Folgendes hin: Bei genauen Untersuchungen des Bibliotheksraums – beziehungsweise B-Raums, wie man ihn oft nannte – hatte sich herausgestellt, dass es beklagenswert gewesen wäre, kein Sehr großes Ding zu haben. Die Unsichtbare Universität lief Gefahr, dadurch im akademischen Universum belächelt und von Leuten verspottet zu werden, die sich schämen würden, in diesem Zusammenhang von akademischen Kollegen zu sprechen. Besagter Spott, betonte Stibbons, komme von Leuten, die tatsächlich wussten, was „sardonisch“ bedeutete.

Als er alle gut geschliffenen Argumente vorgetragen hatte, legte Erzkanzler Mustrum Ridcully seine Hand schwer auf den letzten umkämpften Schokoladenkeks und sagte: „Nun, Ponder, wie ich dich kenne – und inzwischen kenne ich dich gut genug –, legst du nie ein Problem dar, ohne irgendwo eine Lösung parat zu haben.“ Ridcully kniff die Augen zusammen. „Ich bin ziemlich sicher, dass du bereits einen Sehr großen Kandidaten für uns hast. Habe ich recht?“

Ponder machte sich nicht die Mühe zu erröten. „Im FHM sind wir davon überzeugt, dass uns das Universum viele Rätsel präsentiert, die gelöst werden sollten“, erwiderte er. „Denn wenn sie nicht gelöst werden, könnten sie, äh, eines Tages kommen und uns an den Kragen gehen.“

Auf die letzten Worte war Ponder stolz. Der Erzkanzler kannte ihn, und er kannte den Erzkanzler: Mustrum Ridcully war ein geborener Kämpfer, noch dazu einer, der am liebsten mit bloßen Händen kämpfte. „Ich denke nur an den Umstand, dass wir noch immer nicht wissen, warum es ein drittes Graupel-Derivat gibt, was rein theoretisch bedeutet, dass das Universum in der ersten Nanosekunde nach seiner Geburt mit einer Reise rückwärts durch die Zeit begann. Nach Von Zweisteins Experiment lässt sich daraus schließen: Wir, äh, kommen und gehen gleichzeitig, sozusagen. Haha!“

„Ja, gut, das glaube ich gern“, sagte Ridcully verdrießlich und mit einem Blick auf die anderen Zauberer. Weil er der Erzkanzler war, fügte er hinzu: „Gab es da nicht eine Katze, die gleichzeitig lebendig und tot war?“

Auf eine Frage dieser Art war Ponder vorbereitet. „Ja, Herr, aber es war eine hypothetische Katze, Herr, keineswegs ein Fall, um den sich Katzenliebhaber Sorgen machen sollten. Und ich darf hinzufügen, dass sich die Theorie von den elastischen Schnüren als eine weitere unbewiesene Hypothese herausstellte, wie auch die Blasentheorie von den verbundenen Horizonten.“

„Erstaunlich.“ Ridcully seufzte. „Wie schade. Das mit den Blasen gefiel mir. Ich schätze, während ihrer kurzen Existenz hat jene Theorie einige Wissenschaftler beschäftigt und für ihren Lebensunterhalt gesorgt – ihr Dasein war also nicht ganz vergeudet. Mein lieber Stibbons, im Lauf der Jahre habe ich dich oft über verschiedene Theorien, Hypothesen, Konzepte und Spekulationen in der Welt der Naturwissenschaften sprechen gehört. Weißt du was? Ich frage mich, ja, ich frage mich wirklich, ob das Universum – das natürlich von Natur aus dynamisch und möglicherweise auch intelligent ist – nicht vielleicht versucht, deiner beharrlichen Neugier zu entkommen und dich zu noch größeren intellektuellen Kraftakten anzutreiben. Welch ein Scherzkeks!“

Als die anderen Zauberer das Wort „Keks“ hörten, richteten sich ihre Blicke sogleich auf das Tablett. Ponder Stibbons hingegen erstarrte, und für einen Moment sah er aus wie eine Bronzestatue. Dann sagte er: „Welch bemerkenswerte Schlussfolgerung, Erzkanzler. Kompliment! Es ist allgemein bekannt, dass die Unsichtbare Universität jede Herausforderung annimmt. Mit deiner Erlaubnis, Herr, mache ich mich sofort daran, ein Budget zu bestimmen. Das Rundwelt-Projekt war erst der Anfang. Mit dem neuen … Herausforderungsprojekt werden wir die fundamentale Basis der Magie in unserer Welt erforschen.“

Er lief zum Forschungstrakt für hochenergetische Magie, so schnell, dass er zu einem Schemen wurde und die Luft hinter ihm zischte.

Und das war vor sechs Jahren …

An diesem Tag sah Lord Vetinari, Herrscher von Ankh-Morpork, zum Sehr großen Ding hoch, das leise vor sich hin summte, ohne besondere Aktivitäten zu entfalten. Es schwebte in der Luft, verschwand gelegentlich, kehrte wieder zurück und wirkte dabei selbstgefällig, wie Vetinari fand, was eine erstaunliche Leistung war für etwas, dem ein Gesicht fehlte.

Das SGD präsentierte sich als recht amorpher Klecks, in dem sich magische Gleichungen mit geheimnisvollen Symbolen und Schnörkeln wanden, offenbar voller Bedeutung für Leute, die sich mit dergleichen auskannten. Der Patrizier hielt nach eigener Aussage nichts von Dingen, die sich drehten und dabei summten. Er mochte auch keine seltsamen Schnörkel. Er sah darin etwas, mit dem man weder verhandeln noch streiten konnte; es war auch nicht möglich, sie zu hängen oder auf kreative Weise zu foltern. Natürlich kam ihm wie immer der Grundsatz Noblesse oblige zu Hilfe – obwohl alle, die Havelock Vetinari kannten, sehr wohl wussten, dass er es mit solchen Grundsätzen manchmal nicht so genau nahm.

Bei dieser Gelegenheit wurde Lord Vetinari aufgeregten und teilweise pickeligen jungen Zauberern vorgestellt, die weiße Kutten trugen – wobei sie natürlich nicht auf ihre spitzen Hüte verzichteten – und hinter dem Klecks an einer großen Ansammlung geistloser, summender Apparate herumwuselten. Der Patrizier gab sich alle Mühe, interessiert zu wirken, und es gelang ihm sogar, ein Gespräch mit dem Erzkanzler Mustrum Ridcully zu beginnen, der ebenso im Dunkeln zu tappen schien wie er selbst. Er gratulierte Ridcully, denn das hielt er für angemessen, was auch immer das Ding machte.

„Bestimmt bist du sehr stolz, Erzkanzler. Dies ist außerordentlich, ganz klar ein Triumph, kein Zweifel!“

Ridcully lachte leise. „Hab sehr großen Dank, Havelock, und weißt du was? Einige Leute haben behauptet, wir könnten mit unserem Experiment das Ende der Welt heraufbeschwören. Ist das zu fassen? Wir! Die magischen Beschützer der Stadt und der ganzen Welt, seit Beginn ihrer Geschichte.“

Lord Vetinari wich einen Schritt zurück. „Und was hat es mit dem Experiment auf sich, wenn ich fragen darf? Derzeit scheint das … Ding recht zufrieden vor sich hin zu summen.“

„Da du es erwähnst, Havelock … Das Summen wird gleich aufhören. Das Geräusch, das du hörst, stammt von einem Bienenschwarm im Garten dort drüben. Der Quästor fand leider noch keine Zeit, die Bienen zur Wiederaufnahme ihrer Arbeit aufzufordern. Übrigens haben wir gehofft, dass du uns nach dem Essen die Ehre erweist, wenn du nichts dagegen hast.“

Für einige Sekunden war das Gesicht des Patriziers ein Bild für die Götter, gemalt von einem sehr modernen Künstler, der etwas geraucht hatte, das die Gehirnmasse in Käse verwandelte.

Doch Noblesse oblige war ein starker Imperativ, selbst für den Herrscher von Ankh-Morpork – wenn er Wert auf seine Selbstachtung legte –, und so kam es, dass Lord Vetinari zwei Stunden später zwar mit gut gefülltem Magen, aber doch recht sorgenvoll vor dem summenden großen Ding stand. Er hielt eine kurze Rede über das Thema, dass die Menschheit ihr Wissen um das Universum unbedingt mehren müsse.

„Solange es noch existiert“, fügte er hinzu und maß Ridcully mit einem herausfordernden Blick.

Und dann, nachdem er für die Linsen des Ikonografen posiert hatte, betrachtete er den großen roten Knopf auf dem Pult, vor dem er stand, und dachte: Ob was Wahres dran ist an den Gerüchten, wonach dies das Ende der Welt sein könnte? Na ja, jetzt ist es zu spät für Einwände, und ein Rückzieher an dieser Stelle sähe dumm aus, nicht wahr? Er munterte sich mit einem weiteren Gedanken auf: Wenn ich es bin, der die bekannte Welt in die Luft jagt … Meinem Ruf kann es gewiss nicht schaden.

Er drückte den Knopf und erhielt dafür jenen Applaus, wie er von Leuten gespendet wird, die zwar wissen, dass etwas Wichtiges geschieht, die aber keine Ahnung haben, warum sie eigentlich klatschen. Vetinari vergewisserte sich, dass alles noch existierte, bevor er den Erzkanzler ansah und sagte: „Offenbar habe ich das Universum nicht zerstört, Mustrum, was mich ein wenig beruhigt. Sollte nichts anderes passieren?“

Der Erzkanzler klopfte ihm auf den Rücken. „Keine Sorge, Havelock. Das Herausforderungsprojekt wurde gestern Abend von unserem Ponder Stibbons bei einer Tasse Tee eingeleitet, nur um ganz sicher zu sein, dass es auch wirklich eingeleitet werden konnte. Und als es einmal warmgelaufen war, ließ Stibbons es an. Was natürlich in keiner Weise deine Rolle bei der Zeremonie herabwürdigt, wie ich dir versichern darf. Die Förmlichkeit der bedeutungsvollen Eröffnung ist schließlich Kern der ganzen Sache und hat bestens geklappt.“

Und das war vor sechs Minuten …



Über Jack Cohen

Biografie

Jack Cohen ist Genetiker und schrieb gemeinsam mit Ian Stewart zahlreiche Bücher über Evolution und Chaos sowie mit Terry Pratchett die furiosen Bestseller um „Die Wissenschaft der Scheibenwelt“.

Terry Pratchett

Über Terry Pratchett

Biografie

Terry Pratchett, geboren 1948 in Beaconsfield, England, erfand in den Achtzigerjahren eine ungemein flache Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten und einer Riesenschildkröte ruht, und hatte damit einen schier unglaublichen Erfolg: Ein Prozent aller in Großbritannien verkauften Bücher sind...

Ian Stewart

Über Ian Stewart

Biografie

Ian Stewart, geboren 1945 in Folkstone/England, studierte Mathematik an der University of Cambridge und promovierte an der University of Warwick. Dort ist er heute Professor für Mathematik und Direktor des Mathematics Awareness Center. Seit 2001 ist er Mitglied der Royal Society.
Stewart hat über 140...

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Wienerin (A)

„Sehr lustig.“

agm - Das Magazin

„Bei den Darlegungen der beiden Wissenschaftsautoren werden u.a. die Bereiche Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Geschichte, Archäologie und Philosophie gestreift, allerdings auf eine dermaßen fesselnde Art, dass sich auch das normalsterbliche Lesepublikum der Faszination der beschriebenen Erläuterungen nicht entziehen kann.“

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