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Abenteuer reisender Frauen

Armin Strohmeyr
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15 Porträts

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Abenteuer reisender Frauen — Inhalt

Sie kämpften gegen Vorurteile und bereisten die Welt, getrieben von Mut und Freiheitsdrang: Abenteurerinnen aus fünf Jahrhunderten. Kompromisslos durchkreuzten sie die Pläne ihrer Männer und Familien und zogen in ferne Länder. So wurden aus braven Gattinnen, Müttern oder Nonnen Hochstaplerinnen, Weltreisende und Soldatinnen. Mit Lebensgeschichten von Lou Andreas-Salomé, Mary Read, Agatha Christie, Katharine Hepburn und vielen anderen.

€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
Erschienen am 10.11.2014
304 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-40566-9
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€ 13,99 [D], € 13,99 [A]
Erschienen am 12.11.2012
304 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-95895-0
Download Cover

Leseprobe zu „Abenteuer reisender Frauen“

1 Catalina de Erauso (1592 – 1650)

Nonne und Konquistadorin

Spanien zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Es ist das sogenannte Goldene Zeitalter. Das Königreich ist eine Weltmacht. Die Kolonien in der Neuen Welt erstrecken sich von Kalifornien im Norden bis Feuerland im Süden. Spanische Galeonen und Karacken, beladen mit Gold und Silber, mit Mais, Zuckerrohr und tropischen Früchten, überqueren in Flottenstärke den Atlantischen Ozean und löschen ihre Ladungen in den Häfen von Sevilla, Cadiz und San Sebastián.

Manchen Konquistadoren ist das nicht genug: Noch lebt [...]

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1 Catalina de Erauso (1592 – 1650)

Nonne und Konquistadorin

Spanien zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Es ist das sogenannte Goldene Zeitalter. Das Königreich ist eine Weltmacht. Die Kolonien in der Neuen Welt erstrecken sich von Kalifornien im Norden bis Feuerland im Süden. Spanische Galeonen und Karacken, beladen mit Gold und Silber, mit Mais, Zuckerrohr und tropischen Früchten, überqueren in Flottenstärke den Atlantischen Ozean und löschen ihre Ladungen in den Häfen von Sevilla, Cadiz und San Sebastián.

Manchen Konquistadoren ist das nicht genug: Noch lebt der Mythos von El Dorado, dem sagenhaften Goldland. Was Hernando Cortés und Francisco Pizarro aus den zerstörten Städten der Azteken und Inka an Schätzen geraubt haben, kann – so glaubt man – nur der Abglanz dessen sein, was sich im unzugänglichen Inneren des Kontinents verbirgt. Der Mythos lebt daher fort, er lebt in den Köpfen der Spanier, von König Philipp III. und den Adligen bis hinab zu den Kleinbürgern und Tagelöhnern. Selbst in den weltverschlossenen Klöstern hat der Goldrausch in Gestalt prächtiger Monstranzen und Altäre, die aus den Schätzen der fernen Kolonien gefertigt wurden, Einzug gehalten.

Flucht aus dem Kloster

Auch in den Konvent der Dominikanerinnen von San Sebastián im Baskenland haben sich die Gerüchte von El Dorado eingeschlichen. In diesem Kloster lebt die zwölfjährige Novizin Catalina. Sie stammt aus der vornehmen baskischen Adelsfamilie Erauso. Doch als Mädchen und viertes Kind stellt sie für die Familie nur eine Last dar. Um sie gut zu verheiraten, hätte man ihr eine anständige Mitgift auszahlen müssen. Aber das Erbe wurde bereits den drei älteren Geschwistern versprochen. Also blieb für Catalina nur das Kloster. Bereits mit vier Jahren kam sie zu den Dominikanerinnen. Dort erhält sie eine solide Ausbildung in Lesen, Schreiben und Rechnen, in Latein und Musik. Und sie wird auf das Leben als Klosterfrau vorbereitet: Mit vierzehn Jahren soll sie die ewige Profess ablegen.

Glücklicherweise schrieb sie eine Autobiografie, worin sie minutiös ihre Erlebnisse bis zum fünfunddreißigsten Jahr erzählt. Und sie hatte wirklich eine buchwürdige Vita.

Catalina ist ein selbstbewusstes, etwas störrisches Mädchen. Mit der Lebensweise einer Nonne kann sie sich einfach nicht anfreunden. Als sie zwölf Jahre alt ist, beschließt sie, zu fliehen und ihr Glück in der Neuen Welt zu suchen. Ihre Tante, die ebenfalls im Kloster lebt, wird ihr dabei unwillentlich zur Komplizin:

„Gegen Ende meines Noviziats hatte ich einen Streit mit einer Nonne namens Donna Catalina de Aliri, die als Witwe ins Kloster eingetreten war, und die – sie war stämmig und ich jung – mich grob behandelte, und die ich hasste. […] Am Abend des Sankt-Josephs-Tages [19. März] hatte sich der Konvent um Mitternacht zum Matutin-Gebet erhoben. Ich ging in den Chor der Kirche, wo mich meine Tante herbeirief, mir den Schlüssel zu ihrer Zelle gab, damit ich ihr das Brevier holen solle. Ich ging hin, öffnete die Zelle und sah die Schlüssel zur Klosterpforte an einem Nagel hängen. Ich ließ die Zelle offen und ging zurück, um meiner Tante den Schlüssel und das Brevier zu geben. Als die Nonnen im Chor waren, und die Matutin mit Feierlichkeit begann, bat ich beim ersten Bibelvers meine Tante, mich zurückziehen zu dürfen, ich fühle mich krank. Sie tätschelte mir den Kopf und sagte: ›Ja, geh zurück ins Bett.‹ Ich verließ den Chor mit einer Kerze, ging in die Zelle meiner Tante, nahm Schere, Faden und Nadel, einige Geldmünzen, die ich vorfand, und die Schlüssel zum Kloster. Dann ging ich, öffnete und schloss die Türen, bis hin zur letzten, die die Pforte zur Straße war, wo ich mein Skapulier von mir warf. Ich trat auf die Straße hinaus, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte, und wusste nicht, wohin ich mich wenden, wohin ich gehen sollte. Ich überließ mich dem Abenteuer und gelangte in einen Kastanienwald, der außerhalb der Stadt lag, hinter dem Kloster. Dort verbarg ich mich drei Tage lang, zerschnitt mein Gewand und nähte ein neues daraus. Ich nähte mir lange blaue Hosen […] und Gamaschen. Das Habit, das ich getragen hatte, ließ ich liegen, ich hatte keine Verwendung dafür. Außerdem schnitt ich mir die Haare kurz. Dann, in der dritten Nacht, zog ich los, wusste nicht, wohin ich gehen sollte, folgte den Pfaden und mied bewohnte Orte. Schließlich gelangte ich nach Vitoria, zwanzig Meilen von San Sebastián entfernt. Ich war müde und hungrig, hatte nichts anderes gegessen als Kräuter, die ich auf meinem Weg gefunden hatte.“

Aus der Novizin wird ein Mann

Mit dem Anlegen von Männerkleidern tut Catalina de Erauso einen entscheidenden Schritt. Sie macht aus der Not eine Tugend: Bis an ihr Lebensende wird sie – von einer kurzen Unterbrechung abgesehen – die Männerkleider nicht mehr ablegen. Mehr noch: Sie wird sich als Mann fühlen, sich einen Männernamen zulegen, sich wie ein Mann gebärden, Männerberufe ergreifen. Unter dem damaligen strengen Sittenkodex muss sie, sollte sie entdeckt werden, mit Gefängnis und Folter, sogar mit der Todesstrafe rechnen. Sie nimmt das Risiko jedoch auf sich, weil sie sich im Innersten als Mann fühlt. Ihr biologisches Geschlecht wird überlagert von ihrer psychischen Identität.

Über die inneren Beweggründe Catalinas wurde viel gerätselt. Selbst die moderne Psychologie, Medizin und Soziologie kamen zu keiner eindeutigen Erklärung. Catalina wurde als lesbische Frau definiert, dann wieder als Transsexuelle oder als Hermaphrodit. An bildlichen Darstellungen glaubte man sogar eine hormonelle Dysfunktion, eine Überproduktion des männlichen Hormons Testosteron, ablesen zu können. Aber keine dieser Interpretationen überzeugt. Dazu wissen wir über die Person Catalina de Erausos zu wenig. Sie erzählt in ihren Memoiren zwar detailfreudig von ihren äußeren Lebensumständen und Abenteuern, aber der Impetus innerer Erkenntnis war der Memoirenliteratur vor vierhundert Jahren noch fremd.

Mit solch müßigen Fragen kann sich die auf der Flucht befindliche jugendliche Catalina ohnehin nicht befassen. Zunächst gilt es, den von den Nonnen alarmierten Stadtwachen zu entkommen. Aber wie soll es weitergehen ohne Geld, ohne Verbindungen? Und wo soll sie unterkommen?

Hungrig irrt sie in der Stadt Vitoria umher, bis ein Mann namens Francisco de Cerralta, Professor für Literatur, sie mitleidig aufliest und mit nach Hause nimmt. Er fördert den vermeintlichen Jüngling, unterrichtet Catalina in Latein und will sie sogar auf die Universität schicken. Doch Catalina schlägt dieses außerordentliche Angebot aus, das Studieren ist nicht ihre Sache. Sie hungert vielmehr nach dem Abenteuer, nach dem prallen Leben. Bei Nacht und Nebel verlässt sie daher das Haus des Professors – nicht ohne ihn um Geld erleichtert zu haben.

Sie schließt sich einem Maultiertreiber an, der nach Valladolid zieht. Dort bewirbt sie sich unter dem Namen Francisco Loyola als Page bei dem königlichen Sekretär Don Juan de Idiaquez und dient ihm sieben Monate lang. Weitere zwei Jahre arbeitet sie als Page in Estella in Navarra. Schließlich kehrt sie in ihre Heimatstadt San Sebastián zurück. Jetzt hat sie nur noch ein Ziel vor Augen: Amerika, die Neue Welt, das sagenhafte El Dorado. Mit ihren Ersparnissen bezahlt sie einen Platz auf einer Galeone, die wenige Tage später ausläuft. Das Ziel: Panama.

Indios, Sklaven, Söldner und Huren

Was für eine fremde Welt ist dieses Amerika! Es herrscht tropische Hitze. Die Stützpunkte der Soldaten und Händler bestehen meist nur aus wenigen Straßenzügen. Von der Kirche und dem Haus des jeweiligen Gouverneurs abgesehen, gibt es nur elende Holzhütten. Auf den Märkten werden fremdartige Früchte angeboten, die Catalina nicht kennt. Sie sieht mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu Menschen mit anderer Hautfarbe. Es gibt auf den Märkten bronzefarbene Indios und auf den Zuckerrohrplantagen schwarze Sklaven. Catalina geht in die Hafenkneipen und begegnet Söldnern, Huren und allerlei Gesindel. Alle erzählen sie Geschichten, die vielleicht im Rumrausch zusammenfantasiert sind: Weit im Süden, wo sich die geheimnisvollen, schneebedeckten Anden erheben, soll es noch unerforschte Gegenden geben, mit unentdeckten, unzugänglichen Inkastädten, in denen die Fenster aus Edelsteinen und die Pflastersteine aus Gold sind!

Catalina – oder Antonio, wie sie sich nun nennt – lernt den Kaufmann Juan de Urquiza kennen und schließt sich ihm als Gehilfe an. Sie segeln nach Peru. Schon glaubt sie ihrem Ziel El Dorado nahe zu sein, doch kurz vor der peruanischen Küste geraten sie in einen Sturm: „Als wir uns dem Hafen von Manta näherten, wurden wir von einem so heftigen Gewitter überfallen, dass unser Schiff auf die Seite geworfen wurde und nur die, die schwimmen konnten, wie ich, mein Meister und ein paar andere, sich retten konnten. Alle anderen ertranken.“

Nach ihrer Rettung übernimmt sie in dem peruanischen Ort Zaña eine Handelsfiliale ihres Brotherrn. Mit Fleiß und Wagemut gelingt es Catalina, gute Gewinne zu erzielen. Von Juan de Urquiza erhält sie großzügigen Lohn sowie zwei schwarze Sklaven und eine Köchin.

Liebeshändel und Raufereien

Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer. Bald gerät sie in Streit mit einem Trunkenbold, der nach kurzem, heftigem Wortwechsel den Degen zieht. Catalina, ebenfalls mit einem Degen bewaffnet, setzt sich zur Wehr und verletzt den Widersacher. Die Wache eilt herbei. Catalina wird ins Gefängnis geworfen. Kurze Zeit darauf kann sie in eine Kirche fliehen, in der ihr Asyl gewährt wird. Versuche ihres Arbeitgebers, sie bei der Gerichtsbarkeit freizukaufen, scheitern. Da verfällt der Kaufmann auf eine List, die nicht ohne erotische Pikanterie ist: Catalina alias Antonio soll die Dame Beatriz de Cardenas heiraten, eine Nichte des verwundeten Widersachers. Durch diese Verbindung – so des Kaufmanns Kalkül – würde man den Gegner versöhnen. Außerdem ist Beatriz de Cardenas die Geliebte Juan de Urquizas: Würde sein Handelsgehilfe die Dame heiraten, könnte der Kaufmann unauffällig in der Nähe von Beatriz sein, die er – da selbst verheiratet – nicht zur Frau nehmen kann. Catalina geht nur widerwillig auf das Spiel ein:

„Nachts schlich ich mich aus der Kirche und ging zum Haus dieser Dame; sie überschüttete mich mit Zärtlichkeiten, und unter dem Vorwand, sie fürchte die Justiz, bat sie mich, nachts nicht mehr zur Kirche zurückzukehren, sondern vielmehr die Nacht bei ihr zu verbringen. Eines Nachts sperrte sie mich ein, und erklärte, ich solle zum Teufel noch mal mit ihr schlafen; sie drückte mich so fest an sich, dass ich gezwungen war, Gewalt anzuwenden, um zu entkommen. Ich sagte meinem Meister sogleich, es sei nutzlos, weiterhin von dieser Heirat zu sprechen, ich würde das um nichts auf der Welt tun.“

Um den Nachstellungen der liebestollen Dame zu entkommen, geht Catalina nach Truxillo, wo sie wieder ein Geschäft ihres Herrn, des reichen Kaufmanns, führt. Doch sie gerät erneut in Streit mit einem Mann. Ein Freund des Degenhelden, den Catalina in Zaña verletzt hat, will Rache an ihr nehmen. Wieder kommt es zum Zweikampf. Diesmal weiß Catalina die Waffe besser zu führen und trifft ihren Gegner tödlich.

Es ist der erste Totschlag, den Catalina begeht. Im Laufe ihres Lebens bringt sie – will man ihren Memoiren glauben – rund ein halbes Dutzend Männer im Streit um. Später, als Soldat, streckt sie im Kampf noch etliche Gegner nieder. Mag man das noch als das mörderische Handwerk des Krieges begreifen, so waren ihre Duelle durchaus von niederen Instinkten geleitet, ausgelöst durch Karten- und Glücksspiel, Trunksucht und kriminellen Umgang.

Nachdem Catalina ihren Gegner tödlich niedergestreckt hat, flüchtet sie erneut in eine Kirche und bittet um Asyl. Mithilfe ihres Herrn kann sie schließlich aus der Stadt fliehen und geht, mit einem Empfehlungsschreiben versehen, nach Lima, die Hauptstadt Perus.

Kurz zuvor hatte sich Catalina noch heftig geweigert, die Geliebte ihres Meisters zur Frau zu nehmen. Jetzt findet sie anscheinend Gefallen am weiblichen Geschlecht. Offensichtlich war die persönliche Identifikation mit der Rolle eines Mannes so fortgeschritten, dass sie auch die Figur des Draufgängers gerne spielte. Immer wieder hat sie Kontakt zu Prostituierten. In Lima tritt sie in die Dienste eines anderen Kaufmanns, der sie jedoch nach neun Monaten aus dem Haus wirft. Catalina erinnert sich: „Der Grund war, dass er bei sich zwei junge Mädchen hatte, mit denen, und vor allem mit einer, mich eine Zuneigung verband. Ich hatte die Angewohnheit, mit ihr zu spielen und zu schäkern. Eines Tages lungerte ich so auf der Terrasse herum, an ihre Seite geschmiegt und ihre Beine streichelnd, als ihr Vater zufällig an einem Fenster erschien, von wo er uns sah, und er mich sagen hörte, ich wolle nach Potosi gehen, um Geld zu verdienen, und sie dann später heiraten. Er zog sich zurück, rief mich einen Moment später zu sich, verlangte meinen Geschäftsbericht und schickte mich dann weg.“

Mit Degen und Arkebuse

Catalina war als Händler und Prokurist gescheitert. Sie besaß keine Empfehlung und musste sich nach einem anderen Posten umsehen. Was lag da näher, als den Soldatenberuf zu ergreifen? Das Vizekönigreich Peru war an seinen Grenzen im Süden und Osten noch immer bedroht: Portugiesen fielen ins Land ein, Indios revoltierten, Rebellen und Räuber machten ganze Landstriche unsicher. Als Soldat der königlichen Armee konnte man Ruhm ernten, guten Sold einstreichen und sich an der Ausplünderung der Einheimischen beteiligen. Ein Leben galt dabei wenig.

Catalina de Erauso wird nun also Konquistador, spanischer Eroberer. Sie wird mit geschlitzten Hosen, eisernem Brustharnisch, hohem Kragen und dem spanischen Helm mit ausladenden eisernen Spitzen ausstaffiert. Als Söldner wurde sie im Jahre 1630 – sie war achtunddreißig – von dem Maler Francisco Pacheco, dem Schwiegervater von Diego Velázquez, in Öl porträtiert. Das Bild befindet sich heute in San Sebastián im Baskenland, der Heimat Catalinas. Auf dem Gemälde blickt einem ein Konquistador mit strengen, etwas verbitterten Zügen entgegen. Die Augen sind groß und dunkel, das rechte schielt etwas. Tränensäcke treten deutlich hervor. Die Nase ist lang und etwas gebogen, der Mund fest geschlossen, das Kinn markant. Eine tiefe Falte zieht sich vom Nasenflügel zum Mundwinkel. Die Gesichtsmuskulatur ist stark ausgeprägt, sie verleiht den Zügen etwas Hartes, Willensstarkes. Das Haar trägt Catalina halblang, es fällt bis über die Ohren – einziges Zugeständnis an ihr biologisches Geschlecht.

Mit einer Kompanie spanischer Söldner erreicht Catalina die Stadt Concepción im heutigen Chile. Der Zufall will es, dass sie hier ihrem älteren Bruder, einem Offizier, begegnet, doch sie gibt sich nicht zu erkennen. Als die Kompanie nach Lima zurückgeschickt wird, erreicht sie, dass sie in Chile bleiben kann. Drei Jahre lang ist sie dort Soldat unter dem direkten Kommando ihres Bruders.

Als sie wieder einmal in Streit gerät, wird sie in die Ebene von Valdivia strafversetzt. Dort widersetzen sich die Indios der spanischen Oberhoheit. Catalina berichtet vom grausamen Vorgehen gegen die Aufständischen: „Die Indios nahmen Valdivia ein und plünderten es. Wir zogen ihnen entgegen und lieferten ihnen drei oder vier Gemetzel, in denen sie stets unterlagen und in die Flucht geschlagen wurden. Aber beim letzten Mal – sie hatten Verstärkung erhalten – setzten sie uns schwer zu, und sie töteten viele von uns, auch Offiziere, unter anderem auch meinen Fähnrich, und entwendeten unsere Fahne. Als wir sahen, dass sie die Fahne mitnahmen, setzten wir hinterher, ich und zwei andere berittene Soldaten, mitten hinein in eine große Menge. Wir warfen sie nieder, schlugen und steckten Schläge ein. Bald sank einer von uns tot nieder. Zu zweit kämpften wir weiter, und wir kamen bis zu unserer Fahne. Mein Kamerad wurde von einem Lanzenstoß niedergerissen, und ich trug eine Verwundung am Bein davon. Schließlich tötete ich den Kaziken [Häuptling], der die Fahne trug, und ich riss sie an mich. Dann packte ich meine beiden Kameraden, stieß noch eine ganze Gruppe von Feinden nieder und tötete sie, obwohl ich selbst verletzt war, getroffen von drei Pfeilen und einer Lanze in der linken Schulter, die mir viel Pein bereitete. Schließlich gelangte ich zurück zu den Unseren, und ich fiel erschöpft vom Pferd.“

Für ihren Wagemut wird Catalina zum Leutnant ernannt. Auch bei weiteren Zusammentreffen mit feindlichen Indios ist sie nicht zimperlich: Sie sticht ihre Gegner meist mit Schwert oder Hellebarde nieder. Gefangene werden nicht gemacht, sondern auf ihren Befehl hin gleich am nächsten Baum aufgeknüpft.

Rausch des Tötens

Catalinas militärische Karriere wird durch ihre Spielsucht gefährdet: Beim Kartenspiel gerät sie mit anderen Soldaten aneinander und tötet zwei. Sie kann zunächst fliehen, wird verfolgt, in der Dunkelheit der Nacht kommt es zum Kampf mit ihrem Verfolger, den sie ebenfalls niedersticht. Zu spät erkennt sie, dass sie ihren eigenen Bruder getötet hat. Sie flüchtet in ein Kloster und verbirgt sich dort acht Monate lang. Dann gelingt ihr der Ausbruch aus dem von Soldaten bewachten Konvent, sie schlägt sich nach Tucumán in Argentinien durch. Auf der Flucht tut sie sich mit zwei anderen Deserteuren zusammen. Gemeinsam überqueren sie die Anden. Es wird ein grauenvolles Erlebnis:

„Auf dreihundert Meilen begegneten wir niemandem. Wir hatten noch eine Handvoll Brot und ein wenig Wasser; wir aßen Gras, ein paar kleine Tiere, Wurzeln. Manchmal sahen wir Indios, die aber vor uns flohen. Wir waren gezwungen, eines unserer Pferde zu töten, um davon zu essen und den Rest mit uns zu nehmen. Aber das Pferd war ganz abgezehrt und nur noch Haut und Knochen. Wir töteten schließlich auch die beiden anderen Pferde, gingen zu Fuß weiter und konnten uns kaum noch aufrecht halten. Die Erde war so kalt, dass sie gefror. Wir sahen schließlich zwei Männer, die an einem Felsen lehnten, was uns mit großer Freude erfüllte. Wir rannten zu ihnen hin, riefen ihnen Begrüßungen zu, noch bevor wir sie erreichten, und fragten, was sie da machen. Sie antworteten nicht. Wir näherten uns; sie waren tot, erfroren, die Münder offen, als würden sie lachen, was uns mit Grausen erfüllte. Wir gingen weiter. Drei Tage später, als wir uns bei einem Felsen zum Schlafen legten, gab einer von uns, der nicht mehr weiterkonnte, den Geist auf. Zu zweit ging es weiter, und am nächsten Tag, gegen vier Uhr nachmittags, ließ sich mein Kamerad fallen und brach in Tränen aus. Er konnte nicht mehr weitergehen und starb ebenfalls. Ich fand in seiner Tasche acht Piaster und setzte meinen Weg fort, ohne zu wissen, wohin, ausgestattet nur noch mit einer Arkebuse und einem Stück Pferdefleisch. Ich hatte das gleiche Schicksal wie meine Kameraden zu erwarten. Man kann sich meine Betrübnis vorstellen, müde wie ich war, ohne Schuhe, die Füße wundgerieben. Ich lehnte mich an einen Baum und fing an zu weinen, ich glaube zum ersten Mal in meinem Leben. Ich betete den Rosenkranz, empfahl mich der Heiligen Jungfrau und dem ruhmreichen heiligen Joseph.“

Doch Catalina hat Glück: Zwei Reiter entdecken sie und bringen sie zu einem nahegelegenen Bauernhof, wo man sie gesund pflegt.

Wieder bei Kräften, kehrt sie nach Peru zurück. In einer Unruheprovinz verpflichtet sie sich erneut als Söldner und wütet im Trupp unter den aufständischen Indios. Catalina, ganz Kind ihrer Zeit, berichtet voller Stolz von den begangenen „Heldentaten“: „Die Indios, mehr als zehntausend an der Zahl, waren in das Land eingebrochen. Wir unternahmen einen Angriff wie im Rausch und richteten ein solches Gemetzel an, dass ein Bach von Blut sich über den Platz ergoss, und wir verfolgten sie weiter und töteten sie, bis hin zum Fluss Dorado.“

Dorado. Das Zauberwort. War Catalina noch immer auf der Suche nach dem sagenhaften Goldland? Wir wissen es nicht. Ihre Autobiografie verrät allerdings, dass sie ganz andere Probleme hatte: Mehrmals gerät sie in den folgenden Jahren beim Spiel in Streit, tötet verschiedene Gegner, wird verhaftet, ins Gefängnis geworfen, flieht wieder, verdingt sich in einer anderen Provinz als Söldner. Einmal wird sie – Ironie des Schicksals – wegen eines Mordes, den sie gar nicht begangen hat, festgenommen. Im Kerker zeigt man ihr bereits die Folterwerkzeuge. Kurz bevor man sie der Marter unterzieht, wird sie auf Geheiß des Gouverneurs freigelassen. Man hat die wahren Übeltäter festgesetzt und ihnen ein Geständnis abgepresst.

Das hätte für Catalina eine Mahnung sein können, ihrem Leben eine Wende zu geben. Doch die Gier nach Abenteuern und Geld lässt sie nicht zur Ruhe kommen. Wieder verdingt sie sich als Söldner. Als sie vor der Küste Perus in einem Seegefecht zwischen Spaniern und Holländern kämpft, wird ihr Schiff geentert, sie selbst gefangen genommen und nach drei Wochen von den großmütigen Niederländern an der peruanischen Küste ausgesetzt.

Ende des Spiels

Ein andermal wendet Catalina eine List an, um der Verhaftung zu entgehen. Als sie in Lima ein Pferd kauft, wird sie von zwei Betrügern beschuldigt, ihnen den Gaul gestohlen zu haben. Ein Offizier will sie festnehmen. Da wirft sie dem Pferd eine Decke über den Kopf und fragt die Betrüger, auf welchem Auge das Pferd denn blind sei. Die Aussagen widersprechen sich: Auf dem linken, sagt der eine, auf dem rechten, der andere. Catalina zieht dem Pferd die Decke vom Kopf: Es ist auf keinem Auge blind!

Schließlich besinnt sich Catalina in einem Augenblick höchster Not. In Cuzco spielt sie Karten, gerät in Streit und tötet erneut einen Mann, den stadtbekannten „Neuen Cid“, einen üblen Säufer und Raufbold. Catalina flüchtet daraufhin und findet Asyl im bischöflichen Palast. Der Bischof, ein alter, weiser und lebenserfahrener Mann, spürt, dass Catalina ein Geheimnis mit sich trägt. Er spricht ihr ins Gewissen. Da gibt der Damm, den sie jahrelang im Inneren aufgebaut hat, nach, und sie bricht – so zumindest erinnert sie sich – in Tränen aus. Es sind Tränen der Befreiung aus innerer Not. Sie beichtet dem Kirchenmann ihre Taten und gesteht, dass sie eine entlaufene Nonne ist. Der Bischof lässt sie daraufhin von zwei Hebammen auf ihr Geschlecht und ihre Jungfräulichkeit untersuchen. Als feststeht, dass sie die Wahrheit gesprochen hat, erteilt er ihr die Absolution. Unter seinem Schutz begibt sie sich nun in das Nonnenkloster der heiligen Klara in der Stadt Guamanga in Peru.

Hier könnte die Geschichte enden, wenn das Ganze ein sentimentaler Roman wäre. Aber es handelt sich um das Leben einer Frau, die nie Frau und Nonne sein wollte. Sie ist im Inneren nicht zu brechen und folgt dem Bischof, ihrem Wohltäter und Retter, nur zum Gefallen. Als der Kirchenmann wenig später stirbt, wird sie vom Orden nach Spanien zurückgerufen. Man möchte den Willen der ungehorsamen Frau brechen. 1624, zwanzig Jahre nach ihrer Flucht, macht sie sich auf den Weg in die alte Heimat.

Vor König und Papst

In Sevilla angekommen, flüchtet Catalina erneut und legt wiederum Männerkleider an. Sie erbittet eine Audienz bei König Philipp IV. und schildert ihm ihre Geschichte. Der König hat schon allerlei von ihr gehört, in Spanien erzählt man sich auf den Straßen viel über sie. Er zeigt sich erkenntlich für ihre soldatischen Verdienste und gewährt ihr eine großzügige Rente. Doch für das andere Problem, die Frage ihrer Geschlechterrolle, fühlt er sich nicht zuständig. In solch schwierigen Sachverhalten kann nur der Papst eine Entscheidung fällen.

Also schifft sich Catalina nach Rom ein. Papst Urban VIII. – auch er hat von der Konquistadorin vernommen – gewährt ihr eine Audienz. Sie trägt auch ihm ihre Geschichte und ihr Problem vor. Schließlich fasst der Heilige Vater einen weisen und großherzigen Entschluss. Catalina erinnert sich: „Seine Heiligkeit zeigte sich sehr erstaunt über solch eine Geschichte und erteilte mir in seiner Güte die Erlaubnis, künftig in Männerkleidung zu leben, ermahnte mich aber, auch in Zukunft meine Keuschheit zu wahren. […] Danach verließ ich ihn. Die Neuigkeit verbreitete sich rasch, und ich sah mich umringt von zahlreichen Persönlichkeiten, Prinzen, Bischöfen, Kardinälen. Alle Häuser standen mir offen, so dass ich anderthalb Monate in Rom zubrachte, und es gab kaum einen Tag, wo ich nicht eingeladen und von Prinzen bewirtet wurde.“

Catalina, die sich stolz bei ihrem Männer- und Adelsnamen „Antonio de Erauso“ nennen darf, zieht im Juli 1626 nach Neapel weiter. Hier endet ihre Autobiografie, die viel später, im Jahre 1829, in spanischer Sprache veröffentlicht wird, ein Jahr darauf in französischer Sprache, im 20. Jahrhundert noch in anderen Übersetzungen. Lange hat man die Echtheit der Memoiren angezweifelt und ein paar Datierungsfehler im Text bemängelt. Inzwischen haben verschiedene Forscher jedoch die Authentizität der Autobiografie nachgewiesen. Lediglich ein paar romaneske Szenen scheinen von späterer Hand eingeflochten zu sein.

Rückkehr in die Neue Welt

Das weitere Leben Catalinas ist nur grob nachzeichenbar: Bis 1630 hält sie sich in Sevilla auf, wo auch Pacheco das Ölporträt anfertigt. Dann zieht der Abenteuerdrang sie erneut nach Amerika: Sie schifft sich nach Mexiko ein, wohin man ihr die Leibrente nachsendet. 1645 begegnet ihr der Kapuzinermönch Nicolás de la Rentería und berichtet über das Treffen mit der „Monja Alférez“, der „Nonne als Fähnrich“. Das wurde die volkstümliche Bezeichnung für Catalina, und so lautet auch der Titel eines 1626, also im Jahr des päpstlichen Dispenses entstandenen Theaterstückes über ihr merkwürdiges Leben.

In Mexiko kauft sich Catalina von ihrer Rente Maultiere und Sklaven und unterhält eine Spedition für den Warenverkehr zwischen der Ostküste und der Hauptstadt Mexiko. Ganz so keusch, wie es Papst Urban von ihr gefordert hatte, scheint sie aber nicht gelebt zu haben. Bezeugt ist eine unglückliche Affäre mit einer jungen Dame: Diese soll von den Eltern ins Kloster geschickt werden, verlobt sich jedoch mit einem jungen Mann. Catalina, die im Auftrag der Eltern als „Begleitservice“ die Verantwortung für die junge Frau übernommen und sich in sie verliebt hat, wird eifersüchtig. Sie bietet der von ihr Begehrten eine Mitgift von dreitausend Pesos, unter der Bedingung, dass sie ins Kloster eintritt. Sie selbst, Catalina, wolle dann auch den Nonnenschleier nehmen, um der Liebsten nahe zu sein. Aus dem Kuhhandel wird allerdings nichts. Die junge Frau heiratet ihren Bräutigam, Catalina bleibt Unternehmerin, und dem Kloster werden ungeahnte Schwierigkeiten erspart. Freilich verzichtet Catalina nicht so ohne Weiteres: Es kommt zu Szenen im Haus des Bräutigams, der ihr schließlich die Tür weist, woraufhin Catalina ihm eine Forderung zum Duell schickt. Der junge Mann entsinnt sich jedoch des zweifelhaften Ruhmes der Widersacherin und geht auf die Forderung lieber nicht ein: Er wolle sich mit einer Frau nicht schlagen. Eine offene Beleidigung für Catalina de Erauso! Zum Glück schlichten Außenstehende den Streit, und alle involvierten Personen kommen mit dem Leben davon.

Wenig später, im Jahr 1650, stirbt Catalina de Erauso im Alter von achtundfünfzig Jahren in Mexiko und wird unter großer Anteilnahme beigesetzt.

Geblieben ist das Bild einer Frau, die ein Leben lang kämpfte. Sie tat das aus einer etwas primitiven Gier nach Ruhm und Reichtum. Das ist der eine Aspekt. Der andere: Sie kämpfte auch gegen Vorurteile und Konventionen, um endlich das sein zu dürfen, als was sie sich empfand – ein Mann.

Armin Strohmeyr

Über Armin Strohmeyr

Biografie

Armin Strohmeyr ist promovierter Germanist und Autor viel beachteter Biografien, Porträtsammlungen und Romane. Sein Buch „Verkannte Pioniere“ wurde von der Zeitschrift DAMALS beim Wettbewerb „Historisches Buch des Jahres“ mit dem 3. Platz prämiert und stand auf der Shortlist »Wissenschaftsbuch des...

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